Tag zusammen – bin neu hier!
Seit Jahren fasziniert mich die scheinbar hoffnungslose Jagd nach dem „Ripper“. Viele werden verdächtigt, er gewesen zu sein, doch nicht einmal die genaue Zahl seiner Opfer ist bis heute gesichert. Ich wollte einfach einmal meine ganz persönliche „Schlussfolgerung“ (man möge mir dieses hochtrabende Wort verzeihen) in den Raum stellen, so wie sich mir der Fall nach der Lektüre mehrerer Bücher (plus „Casebook“) auftut.
Mein erstes Buch war übrigens das von Tom Cullen, danach diverse andere, meistens englischsprachige.
Der interessanteste Punkt ist zweifellos, wie viele Menschen in all den Jahren danach als mögliche Täter diskutiert wurden. Es sollte jedoch inzwischen klar sein, dass man sich mit einigen der Kandidaten, wie z.B. Deeming, Maybrick oder Caroll überhaupt nicht mehr zu befassen braucht. Ebenso wie mit einigen der möglicherweise weiteren Opfer, wie Tabram, Mylett oder gar Fairy Fay.
In meinen Augen hat das ganze Mysterium (mindestens) 2 Knackpunkte:
A) Der Mord an Kelly, der möglicherweise keine Tat des „Rippers“ ist und
B) Die „Saucy Jack Karte“, die falls sie echt ist, den Double Event beweisen würde. Ansonsten gibt es auch für den Mord an Stride kaum ein wirkliches Indiz dafür, dass es eine Tat der „Rippers“ war.
Zu A) – Kelly wurde in der Vergangenheit sicher idealisiert dargestellt. Eine alkoholkranke East End Nutte, die seit Monaten die Miete für ihr elendes Loch im Millers Court schuldig war, dürfte kaum noch attraktiv gewesen sein. Sie war lediglich noch kein solches Wrack, wie die anderen armen Frauen.
Für mich stellt es sich als eine Beziehungstat dar, der Täter Barnett. Der Mord an ihr war viel zu andersartig.
Den „verlorengegangenen“ Schlüssel hatte er, um ggf. jederzeit Zutritt zur gemeinsamen Bleibe zu haben. Vielleicht hatte er den Mordgedanken auch schon, als er den Schlüssel (nach dem von ihm zugegebenen Streit?) an sich nahm.
Als Kelly nachts wach wurde, sah sie vermutlich nur einen dunklen Schatten vor sich. Ihr leises (schlaftrunkenes) „Oh Murder“ beendete Barnetts Messer. Wut, verletzter Stolz (nach der Auseinandersetzung mit ihr) oder wollte er den Mord dem „Ripper“ in die Schuhe schieben – warum er die Frau derart verstümmelte, bleibt sein Geheimnis.
Vermutlich verschloss er die Tür um Zeit zu gewinnen (ein normaler Gedanke) oder er hat nach all der Erregung nicht mehr daran gedacht, dass es offiziell keinen Schlüssel mehr gab. Die Polizei suchte nach einem Monster. Barnett, zudem ein halbwegs respektabler Mann, kam als „Witwer“ den Beamten wohl nicht ausreichend verdächtig vor. Er war ja auch nicht der „Ripper“, sondern „nur“ der Mörder Kellys.
Zu B) – Wahrscheinlich lässt sich die Echtheit der Karte nie beweisen. Sie wird von führenden „Ripperologen“ ebenso als echt, wie auch als Hoax bezeichnet. Ein Poststempel muss nicht immer alles beweisen... Ich persönlich glaube nicht, dass es eine echte Korrespondenz des Rippers gab und begebe mich damit womöglich auf Glatteis. Ich denke, der „Dear Sor“ Brief z.B. und die Niere sind auf Lusk selbst zurück zu führen (weiteres anheizen der Stimmung).
Frage: weiß eigentlich jemand, ob die Nierenarterie innerhalb und außerhalb des Organs immer verhältnismäßig gleich lang ist?
Wer auch immer Stride ermordete, er riskierte enorm viel. Keine 10 Meter weiter wurde im Workers Club gesungen. Leute kamen und gingen – und so konnte der Täter wohl heilfroh sein, unbemerkt entkommen zu können.
Der Zeuge Schwartz beobachtete angeblich einen zweiten Mann auf der anderen Straßenseite, aber der muss mit der Tat nicht automatisch etwas zu tun haben. In dieser gewalttätigen Ecke Londons gab es wohl auch viel Gleichgültigkeit gegenüber Gewalt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der „Ripper“ sein Opfer aus dem Dunkeln hinaus auf die Straße zerren sollte, wenn er es doch bereits in der Einfahrt hatte. Das ergibt keinen Sinn. Sein Modus Operandi war es doch schnell und tödlich zuzuschlagen und seine „Arbeit“ in wenigen Minuten zu beenden. Falls dieser Mann der Täter war, so ging er viel zu auffällig vor, um der „Ripper“ zu sein.
Mein persönliches Fazit lautet: der „Ripper“ ermordete Nichols, Chapman und Eddowes und heißt vermutlich Timothy Donovan.
Rumbelow hat ihn uns vorgestellt. Er arbeitete in der Penne (35 Dorset Street), wo eben diese Frauen verkehrten. Er kannte sie sicherlich gut genug, um zu wissen, wo und mit wem sie verkehrten oder wohin sie bevorzugt gingen. Die Frauen kannten ihn und fürchteten nachts auf den Straßen nur das „Monster“ (in anderen Worten, einen Fremden), nicht den wohlbekannten Wächter der Penne, den sie aber wohl auch verachteten (er schmiss erbarmungslos jeden hinaus, der nicht bezahlen konnte), beschimpften und sich vielleicht auch über ihn lustig machten. Alkoholismus, Wahnvorstellungen, Hass und Verachtung auf diese Frauen, da kam einiges zusammen.
Rumbelow glaubt (ohne es jedoch beweisen zu können), dass der Wächter der Penne eben jener Donovan ist, der am 1.11.1888 (also vor dem Mord an Kelly) an Leberzyrhose verstarb. Mit Donovans Tod endete auch die Serie der Verstümmelungsmorde auf offener Straße (bzw. Hof), die vermutlich einzigen Morde Jack The Rippers. Donovan gehörte zu denen, die Chapman identifizierten, gab der Presse ein belastendes Interview zu Pizer (den er kannte), die Tränke mit dem blutigen Wasser (nach dem Mord an Eddowes) war ganz in der Nähe seines Arbeitsplatzes. Seltsam, der Wächter der Penne taucht in allen Büchern auf, aber niemand nahm ihn jemals aufs Korn. Ich selbst war seit Jahren auf den „Lodger“ (als Synonym für den großen Unbekannten) festgelegt. Druitt bleibt wohl auch auf ewig ein Kandidat, sein Leben ist rätselhaft. Am liebsten wäre mir Cock Warren!
Ich glaube, vieles ging bei der späteren Forschung nach dem „Ripper“ schief, weil man sich bald darauf festlegte, er müsse etwas besonderes gewesen sein, weil er entkommen konnte. Ein irregeleiteter „Sozialreformer“ (Shaw), ein Mitglied des Königshauses, ein Arzt, ein „besserer Herr“ jedenfalls mit detaillierten Kenntnissen des East Ends und evtl. einem Versteck (Wohnung) eben dort. Zu Zeiten des Mordes kam zeitweilig sogar auch nur ein Ausländer als Täter in Frage, weil ein Engländer so etwas nicht tun würde... So ziemlich jeder kam in Frage, nur nicht der Mann von nebenan, der unscheinbare Nachbar mit kranker Seele und pathologischem Hass auf Prostituierte (dies vielleicht stellvertretend auf alle Frauen). Der „Ripper“ kam durch, weil er nicht auffiel (im Polizeistaat des „III.Reiches“ war ein gewisser Lüdtke in der Lage, über Jahre hinweg dutzende Frauen zu ermorden).
Ich persönlich glaube auch nicht, das das Graffiti in der Goulston Street etwas mit dem Fall zu tun hat (gleichwohl ist Wildings „Lösung“ dazu faszinierend). Es war wohl schon vorher dort – die Polizei scheint die Anwohner dazu jedenfalls nicht befragt zu haben. Constable Longs Ansicht dazu gibt ja nur seine eigene Meinung wieder.
Entschuldigt bitte die Länge meines Beitrags. Es ist natürlich nicht der „letzte Schluss“, von „Weisheit“ ganz zu schweigen. Hoffentlich war es wenigstens nicht langweilig für Euch.
PS: lassen wir die Finger von Abberline – der war es wahrscheinlich wirklich nicht!