Autor Thema: Die verschwundenen Akten  (Gelesen 9653 mal)

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Offline Shadow Ghost

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Die verschwundenen Akten
« am: 30.10.2012 20:19 Uhr »
Ein wenig merkwürdig ist das ja schon. Von Kosminskis Aufenthalt in Leavesden fehlen die Akten der Jahre 1894 bis 1910. Ab September 1910 sind wieder Aufzeichnungen über ihn erhalten. Ich weiß nicht, ob man daraus schließen kann, dass die bis dahin erstellten Akten irgendwann im Jahre 1910 verschwunden sein müssen, oder ob sie irgendwann später entwendet wurden. Aber warum sollten dann die ab September 1910 erstellten Akten nicht auch entwendet worden sein?
Merkwürdig ist dies im Zusammenhang mit Andersons erster öffentlich wirklich wirksamen Erwähnung seiner Theorie in Blackwood's Edinburgh Magazine. Das war nämlich im März 1910!
Kann man nun von einem Zusammenhang ausgehen?

Offline Shadow Ghost

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Re: Die verschwundenen Akten
« Antwort #1 am: 30.10.2012 21:08 Uhr »
Vielleicht ähnlich merkwürdig:
Am 23. Februar 1894 schreibt Macnagthen sein heute berühmtes Memorandum, in dem er Kosminski namentlich erwähnt.
Am 19 April 1894 wird Kosminski von Colney Hatch nach Leavesden verlegt. Kaum zwei Monate später.

Offline Lestrade

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Re: Die verschwundenen Akten
« Antwort #2 am: 30.10.2012 22:42 Uhr »
Hallo Shadow!

Ich weiß nicht, ob dies schon vorher jemand so erwähnt hätte.

Meiner Meinung ist dies sehr interessant.

Macnaghten schreibt 1894 gezwungenermaßen (wegen Cutbush) das Memorandum und erwähnt halt den Namen “Kosminski“. Er dachte, dieser Mann wäre noch immer in einer Anstalt.

Förderte Anderson daraufhin die Verlegung von “Kosminski“ nach Leavesden, weg von Colney Hatch?

Swanson 1895:

“believed the crimes to be the work of a man who is now dead”

“is now dead”, 1895???

Betrachtet man seine Geschichte:

"...the suspect was sent to Stepney Workhouse and then to Colney Hatch and died shortly afterwards - Kosminski was the suspect.”

dann fragt man sich, wieweit “anschließend” zu betrachten ist.

Ob nun beide Dinge Zufall sind, ich weiß nicht?! Ich gehöre nicht zu den Menschen, die an den großen Zufall glauben. Anderson 1910 und danach gibt es wieder Unterlagen für Aaron Kozminski. 16 Jahre lang nichts, außer einen Census-Eintrag für ihn.

Wenn Swanson sich überhaupt nicht irrte, sondern nur e i n e Anderson- Version glaubte, dann wäre die Seaside Home Identifikation für Kosminski tatsächlich Anfang 1891 geschehen. Krankenhaus und dann Colney Hatch. In Brighton (Seaside Home) gab es für das erste Drittel 1891 bekanntlich tatsächlich zwei “Gäste“.

Wenn Anderson tatsächlich wollte, dass niemand, durch diesen internen Bericht von Macnaghten, Kosminski in Colney Hatch findet, dann hätte er es aber sehr gründlich getan. Der Abgang nach Leavesden wurde zwar in Colney Hatch verzeichnet, aber wenn es keine Akten (vorerst) in Leavesden gegeben hätte…

Aber warum hätte er dann sogar seinen Spezi Swanson, bis zum Lebensende, diese (Lügen) Geschichte zugemutet? Und vielleicht auch viele andere, wie anschließend auch Macnaghten?

Es hätte auf der einen Seite, eine “laue Nummer“ mit diesem Verdächtigen gewesen sein können. Aber danach sah es nie aus und jetzt erst recht nicht mehr. Auf der anderen Seite könnte es aber so gewesen sein, dass er sich “freiwillig verpflichtet“ hätte, die Familie nicht zu verpfeifen, wenn oder solange sie ihm bestimmte Informationen gaben. (So bekommt man vielleicht auch leichter seine Einbürgerung- Bruder Isaac Abrahams).

Wäre nach dem Memorandum jemand zu Anderson gekommen und hätte gefragt:

Was ist eigentlich aus dem einen Hauptverdächtigen geworden? Kosminski oder so?

Hätte Anderson antworten können:

Der ist in der Klapper verstorben, lebt nicht mehr.

Gut, man hätte zu den Kollegen der City Police gehen können aber hatten die jenen “Beweise“, die Anderson wahrscheinlich besaß?

Apropos City Police:

Bei mir entsteht immer mehr der Eindruck, dass Cox, Kosminski nach der Tat im Miller´s Court 1888 im Visier hatte. Und dann war eine ganze Weile Ruhe, bis es zur Identifikation im zeitigen Frühjahr 1891 kam. Die City Police kam jedoch erneut durch Sagar in´s Spiel aber haben die jemals erfahren, was da wirklich im Seaside Home ablief?

Möglich, dass es irgendeinen Deal ab Frühjahr 1891 zwischen Anderson und der Kosminski-Familie gab. Was hätte auch sonst noch geholfen? Aaron Kozminski war da schon lange über´n Berg.

Zwischen 1888 und 1910 lagen 22 Jahre. Nach dieser Zeit kann man schon mal direkter werden, auch ohne irgendeinen Namen zu nennen. Ein Zeitpunkt, wo niemand dem anderen noch etwas schuldete.

Swanson sah in Anderson einen “close friend“, eine “old master“ Figur.

Wäre Anderson bereit gewesen, einen solch hohen Preis bezüglich Swanson zu zahlen, indem er ihn so in´s Boxhorm jagte? Ihm erzählte, “brauchste Dir nicht mehr zu kümmern, der ist tot“?

Meiner Meinung und meiner Erfahrung nach Ja. Das passiert jeden Tag überall auf dieser Welt.

Grüße, Lestrade.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Die verschwundenen Akten
« Antwort #3 am: 30.10.2012 23:41 Uhr »
Ich bin jetzt gar nicht davon ausgegangen, dass Anderson als "Mastermind" hinter diesen Zufällen(?) steckt. Vielmehr dachte ich daran, dass die Veröffentlichung seiner Memoiren gewisse Ereignisse getriggert hat.

Es ist denkbar, dass irgendein Leavesden-Mitarbeiter 1910 die Autobiographie von Anderson las, und die Verknüpfung zu "seinem" Patienten Kosminski herstellen konnte, woraufhin er sich dessen Krankenakte "ausgeliehen" hat.
Oder durch die Veröffentlichung kam ein zur damaligen Zeit führender Polizeibeamter auf die Idee, "Ach, dieser Ripper, den haben wir ja auch noch irgendwo - vielleicht sollte ich mich nach dem mal wieder erkundigen und die Krankenakte anfordern."

Haupttreffer wäre natürlich, wenn in den Akten gewisse Aussagen Kosminskis dokumentiert wären, die man, weil man nach Andersons Veröffentlichung ein wieder aufkommendes Interesse am Ripper-Fall befürchtete, besser sehr gut wegschließen wollte.

Ach, wie immer sind wir der Spekulation überlassen, aber diese Zufälle sind schon komisch.

Offline Lestrade

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Re: Die verschwundenen Akten
« Antwort #4 am: 31.10.2012 08:49 Uhr »
Es ist denkbar, dass irgendein Leavesden-Mitarbeiter 1910 die Autobiographie von Anderson las, und die Verknüpfung zu "seinem" Patienten Kosminski herstellen konnte, woraufhin er sich dessen Krankenakte "ausgeliehen" hat.
Oder durch die Veröffentlichung kam ein zur damaligen Zeit führender Polizeibeamter auf die Idee, "Ach, dieser Ripper, den haben wir ja auch noch irgendwo - vielleicht sollte ich mich nach dem mal wieder erkundigen und die Krankenakte anfordern."

Absolut denkbar.
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