Autor Thema: 15000 Jahre Mord und Totschlag: Anthropologen auf der Spur spektakulärer Verbrec  (Gelesen 21733 mal)

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Archäologie als Crime Scene Investigation: Mit modernen wissenschaftlichen Methoden rekonstruieren Anthropologen auch nach Jahrtausenden noch Lebensläufe der Opfer, berührende Einzelschicksale und Tathergänge. Manchmal gelingt es sogar, die Täter und deren Motive zu identifizieren. Die Ergebnisse lassen erschaudern und liefern gleichzeitig spannende Einblicke in vergangene Zeiten: In Talheim bei Heilbronn wurde vor 7000 Jahren ein ganzes Dorf massakriert; ein vergleichbarer Fund im österreichischen Weinviertel deutet auf eine große Krise in dieser Zeit. Ein Brunnen aus Bonn enthielt die Überreste von 16 Römern, die Mitte des 3. Jahrhunderts von fränkischen Horden erschlagenen wurden. Joachim Wahl schildert in 15 Kolumnen Tatorte von Massakern, Ritualmorden, Überfällen oder Hinrichtungen von der Steinzeit bis ins 18. Jahrhundert.

Kurz zusammengefasst fängt der Film / das Buch 2001 so an: Ein Monolith zeigt einem Affen die Vision eines unbehaarten, weißen, dicken und aufrecht gehenden Wesens. Der Affe will genauso wie diese seltsame Kreatur werden; Generation um Generation zieht mit diesem Ziel nach Norden, Wölfe folgen ihnen, um Essenreste zu erbeuten und später eine Partnerschaft einzugehen. Doch die Affen lernen keines der Wesen kennen und werden auch zu keinem. Eines Tages erschlägt ein Affe vor Wut einen anderen mit einem Stein – der Übergang zum Menschen ist geschafft.

Ich musste an diesen Buchanfang denken, als ich *15.000 Jahre Mord und Totschlag* las. Präzise schildert der Autor in Wort und Bild 14 Mordfälle von der Steinzeit bis zum 18. Jahrhundert. Die Lektüre ist – zumindest für Fachfremde wie mich – recht anspruchsvoll, auch wenn er sich immer wieder Zeit nimmt, Grundbegriffe ausführlich zu erklären; mehr als einen Mordfall am Tag sollte man nicht einplanen.
Sehr interessant fand ich auch, dass ethische Fragestellungen zumindest gestreift werden: Ist es moralisch vertretbar, Knochen auszustellen? Ich denke nein, an der Stelle macht es sich der Autor ein wenig zu einfach, wenn er argumentiert, dass es ohne den Toten auch nicht die ausgestellten Grabbeilagen gäbe. Oder, dass man dann nicht mal einen Strauch pflanzen dürfte, weil man auf ein altes Grab stoßen könnte. Es ginge sicherlich am Thema des Buches vorbei, diese Fragen ausführlich zu behandeln, allerdings hätte ich mir eine differenziertere Sicht gewünscht.

Fazit

Auch wenn es nicht Thema des Buches ist, hätte ich mir gewünscht, dass angesprochene ethische Fragen kritischer beantwortet worden wären. Die Mordfälle werden gut erläutert und in die damalige Zeit eingebunden.

Joachim Wahl untersucht als Anthropologe am Landesamt für Denkmalpflege in Konstanz menschliche Skelettfunde.


Broschiert: 192 Seiten
Verlag: Theiss (26. September 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3806225907
ISBN-13: 978-3806225907
Größe und/oder Gewicht: 21,6 x 14,4 x 1,8 cm