Autor Thema: "Fall offiziell nie gelöst" weil das Ergebnis zu skandalträchtig gewesen wäre?  (Gelesen 6256 mal)

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Dick Brucinson

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wie steht Ihr zu der Theorie, dass seinerzeit die Ermittler im Fall des Rippers schon immer mehr wussten, als (bis heute) jemals an die Öffentlichkeit gedrungen ist?
dass der Fall also eben DESWEGEN "nie gelöst" wurde (zumindest offiziell nicht), weil er - vorsätzlich - nicht bzw. nicht in der Form gelöst werden SOLLTE (konnte/durfte/was auch immer)?

wenn dem so sein sollte, dann würde das ja bedeuten, dass des Rätsels öffentlich statuierte Lösung "nicht sozialverträglich" gewesen wäre, aus welchen Gründen auch immer. haltet Ihr das für eine realistische Option? und wenn ja: was für Hintergründe würdet Ihr in diesem Zusammenhang vermuten? die "Königshaus-Theorie" halte ich zwar für arg abgedroschen, aber es kann ja durchaus anderweitiges Interesse daran bestanden haben, hier bloß nichts an "die Öffentlichkeit" (sic!) dringen zu lassen (also mal von den Royals weggedacht) und gewisse Erkenntnisse unter den Teppich zu kehren - eben weil das Ergebnis sozialer Sprengstoff in geradezu höchstem Maße gewesen wäre.

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lobbyistisch begründete Motive.

(Anmerkung: ich kann mir die damalige Londoner Polizei, auch wenn es über 100 Jahre her ist, kaum so "hausbacken" vorstellen, wie sie in diesem Fall erscheint/wirkt/rüberkommt, daher zwängt sich mir diese Theorie oben geradezu auf - selbst, wenn ich sie nicht näher begründen kann. die Hauptstadtpolizei der damals schon bedeutendsten Stadt Europas als dilettantischer, unorganisierter Haufen? und das auch noch bei DER "Taktung" der Mordserie bzw. deren Entwicklung (!)? ...für mich schwer vorstellbar)
 
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intern angewiesene Polizei, die de facto bei weitem nicht so chaotisch war, wie sie denn heute erscheint? mein ursprünglicher Gedanke kreist um solche Dinge wie legislativinterne Zensur im  Umgang mit Ermittlungsergebnissen und Zeugenaussagen der damaligen Gesellschaft. bewusste soziale Vertuschungstheorien im Ripper-Fall gehören für mich seit jeher zu den besonders interessanten Ansatzpunkten.

« Letzte Änderung: 04.10.2012 22:42 Uhr von Dick Brucinson »

Offline Lestrade

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Hallo Dick (schöner Name, immer wieder),
ich habe erst kürzlich darüber gelesen. So "Hausbacken", wie Du bereits erwähntest, war es mit Sicherheit nicht. Dies war auch nie meine persönliche Meinung. Unruhe entstand eher durch Ränkespiele in den oberen Etagen, wie wir es von Monro, Warren und auch Anderson kennen. Der normale Polizeiablauf bei der MET war gesichert. Dazu kam, dass sich bestimmte Personen bei der MET und der City Police ebenfalls nicht grün waren. Sicherlich führte das hier und da zu Irritationen aber in den Grundfesten wurde da nichts erschüttert. Weder bei dieser noch bei jener Einheit der Polizei. Über 1-2 Dinge darf man da aber auf jeden Fall noch diskutieren. Ferner dürfte Namen wie Inspector Abberline oder Inspector Reid tatsächlich für hohe Professionalität stehen.

Ich denke, wir können davon ausgehen das, bis auf die genannte “Postenschieberei“, sehr professionell gearbeitet wurde, den damaligen Zeitumständen entsprechend. Als ich darüber las erfuhr ich zum Beispiel auch, dass man unter gewissen taktischen Gründen davon absah, Täterbeschreibungen zu veröffentlichen. Dies tat man erst zu einem (selbsteingeschätzten, besseren) Zeitpunkt. Außerdem war man im Umgang mit der Presse sehr, sehr vorsichtig. Hat allerdings auch lange Zeit nicht das Potential erkannt, mit ihr zu “arbeiten“. Man entschied damals schon, was an die Presse gegeben wird und was auch eben n i c h t. Weiterhin verhielt man sich bei bestimmten Tätern so, wie wir es heute noch kennen. Man weiß im Prinzip von seiner Schuld, observiert ihn um eine Situation bzw. Konstellation zu schaffen, die den Täter überhaupt nicht passt, wo er sich tatsächlich überführt und ausgespielt sieht, sich entsprechend verhält und es für die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft leichter wird, eine sinnvolle Verurteilung zu erreichen. Auch wurde darauf hingewiesen, dass man relativ pingelig darauf achtete, dass selbst vermutete Verbrecher ihre Rechte behielten und ihre Würde gewahrt wurde. So, wie diese Dinge halt damals ausgelegt waren.

Dazu passte, wie es auch hier im Forum kürzlich erwähnt wurde, dass die “Täterbeschreibungen“ im Ripper Fall nicht unbedingt mit dem vermuteten Täter zu tun hatten, sondern man eher mögliche Zeugen in ihnen sah. Es gab eben eine Meinung, welche die Polizei vertrat und eine Meinung, wie sie von der Öffentlichkeit vertreten wurde. So zu arbeiten war Gang und Gebe. Nun zu glauben, die Polizei hätte ihre Beschreibung des Täters, welche i h n e n glaubhaft erschien, zu keiner Zeit veröffentlicht, fällt mir in der Vorstellung der damaligen Hysterie und Panik sehr schwer. Ob allerdings Hysterie und Panik in der Polizei vorherrschte oder nur in der Bevölkerung, vermag ich auch nicht richtig einzuschätzen. Aber, es bestand die Möglichkeit, dass sie so gehandelt haben. Und wenn ich sage Täterbeschreibung, dann meine ich damit auch das komplett erarbeitete Erscheinungsbild und nicht nur Teile daraus.

Sollte die Polizei, oder zumindest einige Beamte gewusst haben wer der Mörder war, wer Jack the Ripper gewesen war, dann muss es ja Gründe gegeben haben, nicht zeitnah die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass man ein solches Ergebnis dem Königshaus oder dem Innenministerium verschwiegen hätte. Muss man ja auch nicht haben…

Anderson von der MET sagte, er wusste wer der Ripper war. Sagar von der City Police wollte ohne Zweifel gewusst haben wer der Killer war. Sein Kollege Cox wollte auch sicher gewesen sein, “dieser Mann hatte mit der Mordserie zu tun“. Ob sie nun alle von einem oder drei Verdächtigen sprachen, eines zeichnet alle drei Beamten aus, SIE HATTEN KEINE AUSREICHENDEN ABER WOHL EHER NICHT-ANWENDBARE BEWEISE, die für einen Prozess oder einer passenden Verurteilung gereicht hätten. Der Killer hatte die Todesstrafe verdient! Dies dürfte die Meinung aller zur damaligen Zeit gewesen sein. Aber, sie wäre wohl nie verhängt worden unter dieser “Beweislast“. Wem wollte man das damals beibringen? Dem Lynchmob im EastEnd? Ich denke, der wahre Jack the Ripper konnte mit 1-2 Tatorten intensiv in Verbindung gebracht werden. Das haben sie dem auch gesagt. Danach haben sie ihn nicht mehr aus den Augen gelassen. Diese Art der Morde hörte auf. Aber was war dies alles Wert? Wert vor einem englischen Gericht?
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...