Autor Thema: Charles Allen Lechmere (Cross)  (Gelesen 51993 mal)

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Offline academyfightsong

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Charles Allen Lechmere (Cross)
« am: 16.09.2012 16:47 Uhr »
Hallo erstmal, wollte mich auch mal wieder melden ;-)

Wer regelmäßig die Diskussionen auf Casebook.org verfolgt, wird sicher schon über den ein oder anderen Cross/Lechmere Thread gestolpert sein. Falls nicht werde ich die Eckpfeiler der Theorie kurz zusammmenfassen. Denn obwohl ich nicht 100%ig von der ganzen Sache überzeugt bin, es keine Verbindung zu den restlichen Opfern gibt und alles, wie so oft, nur auf Vermutungen beruht, fördert eine genauere Betrachtung der Aussagen von Charles Cross und Robert Paul doch einige erstaunliche Ungereimtheiten ans Tageslicht.

Denn genaugenommen haben wir hier nicht nur einen Mann der eine Falschaussage gegenüber der Polizei und auch als vereidigter Zeuge vor Gericht macht, sondern auch jemanden der als einziger zur ungefähren Tatzeit bzw. kurz danach, bei einem der Opfer gesehen worden ist.

Der Satz der mich neugierig und später wirklich ins grübeln gebracht hat, stammt von Robert Paul aus der Lloyds Weekly News vom 2. September 1888:

"I saw a man standing where the woman was."

Interesting, isn't it? Der Satz gewinnt enorm an Bedeutung wenn man die zeitlichen Abläufe mal etwas genauer betrachtet.

But first things first. Charles Allen Cross, der eigentlich Lechmere mit Nachnamen heisst, aber dazu später mehr, wir belassen es erstmal bei Cross, wohnte damals in der 22 Doveton Street, Cambridge Road, Bethnal Green. Sein Arbeitsplatz befand sich bei Pickford's in der Broad Street. Das ist ein Fußmarsch einmal quer durch's East End von ca. 35-40 Minuten. Der Polizei gegenüber gab Cross an, er würde normalerweise um Punkt 3.20 Uhr das Haus verlassen, um rechtzeitig um 4.00 Uhr an seinem Arbeitsplatz zu sein.

Hier gibt es die ersten Diskrepanzen. Während Cross gegenüber der Polizei angab er hätte am 31.8. wie üblich das Haus gegen 3.20 Uhr verlassen, erzählte er dem Gericht ein paar Tage später, er wäre am Morgen des 31.8. ein wenig "hinter der Zeit" gewesen und wäre erst gegen 3.30 Uhr aus dem Haus. Die zeitgenössischen Artikel aus der Presse sind da leider auch nicht besonders hilfreich. Denn egal ob Star, Times, Echo, Daily News usw. der genaue Zeitpunkt variiert immer zwischen 3.20 und 3.30 Uhr.

Im Jahre 2006 brauchte man für die Strecke Doveton Street - Buck's Row bzw. Durward Street etwas über 6 Minuten. Inkl. Autoverkehr und Ampeln. 1888 dürfte das ganze noch ein wenig schneller gegegangen sein, zumal Cross ja nach eigenen Angaben auch spät dran war.

Sind wir mal grosszügig und geben ihm 5 Minuten, stoppen die Uhr bei 3.35 und werfen nun die erste Aussage von Robert Paul vom 2. September einfach mal in den Raum:

"It was exactly a quarter to four when I passed up Buck's-row to my work as a carman for Covent-garden market. It was dark, and I was hurrying along, when I saw a man standing where the woman was. He came a little towards me, but as I knew the dangerous character of the locality I tried to give him a wide berth. Few people like to come up and down here without being on their guard, for there are such terrible gangs about. There have been many knocked down and robbed at that spot. The man, however, came towards me and said, "Come and look at this woman."

Die Frage ist jetzt, was passierte zwischen 3.35 und 3.45 Uhr?


To be continued...

Offline Lestrade

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #1 am: 21.09.2012 11:08 Uhr »
Halllo academyfightsong!

Ist es nicht gut möglich, dass Charles Lechmere, dessen Stiefvater Thomas Cross hieß und Polizist war, sich ziemlich unwohl gefühlt haben muss, diese Frau an jenem Platz aufzufinden? In jeder Sekunde der Entdeckung, hätte ihn jemand mit dem Opfer antreffen können, gerade um diese Uhrzeit. Sich dann Cross zu nennen, anstelle von Lechmere, hätte insofern Sinn machen können, dass er als "Sohn" eines Polizisten glaubhafter herübergekommen wäre. In seiner Situation sogar verständlich. Ich wäre da sehr verunsichert gewesen.

Was die Uhrzeiten angeht. Da bleiben ja nahezu an jedem Tatort Fragen offen. Siehe Cadosch/Long in der Hanbury Street, die Abläufe in der Berner Street oder wann MJK wann wo war oder wann mit wem und von wem gesehen wurde.

Ich gebe allerdings zu, dass ich solche Art von Fäden im Casebook gerne überfliege.

Gibt es dann noch etwas oder Neuigkeiten, die man wissen sollte?

Gruß, Lestrade.
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Stordfield

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #2 am: 23.10.2012 18:29 Uhr »
Hallo!

Leider hatte afs wohl noch keine Gelegenheit uns seine versprochene Fortsetzung zu liefern. Ich habe zur Cross- Problematik eben diesen etwas verstaubten Thread gefunden, der sehr interessant ist und auch schon auf die Zeit- und Namensdiskrepanz eingeht. http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1152.msg17185.html#msg17185
Ich schließe mich hier der Meinung des users an, der meinte, dass ein paar wenige Minuten Abweichung das ganze Szenario ändern. Wie will man sich denn auf genaue Zeiten festlegen, wenn die meisten Eastend- Bewohner wohl kaum eine Uhr bei sich trugen (und die auch noch genau ging), sondern sich größtenteils nach den Kirchenglocken richteten?

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #3 am: 24.10.2012 20:08 Uhr »
Hi Stordfield

Ich schließe mich hier der Meinung des users an, der meinte, dass ein paar wenige Minuten Abweichung das ganze Szenario ändern.

Meinst Du damit eigentlich mich? Seit wann bezeichnest Du mich als "der User"? Kannst ruhig bei Isdrasil bleiben... :pardon:

Grüße

Stordfield

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #4 am: 24.10.2012 20:27 Uhr »
Hallo Kumpel!

Als ich das schrieb, hatte ich nur wenig Zeit, um nachzuschauen, von wem die besagte Meinung stammte. Sorry, Isdrasil.
Wie stehst Du eigentlich zu dieser Cross- Lechmere- Sache? Warum gibt jemand bei einer Morduntersuchung einen falschen Namen an?

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #5 am: 24.10.2012 22:01 Uhr »
Hi mein Guter,

Passt schon. Jetzt bin ich ja auch wieder ich ;-)

Die Cross-Sache. Hm. Also ich meine nach wie vor, dass man mit Zeitangaben kritisch sein muss. Cross bzw. Lechmere gab die Zeit, in der er das Haus verliess, recht genau an. Jedoch weiß ich aus eigener Erfahrung (wie wahrscheinlich wir alle), dass "Punkt 03:20 Uhr" nicht unbedingt "Punkt 03:20 Uhr" heißen muss. Habe es im anderen Thread bereits erwähnt, gefühlt gehe ich jeden Morgen um dieselbe Zeit aus dem Haus, komme jedoch seltsamerweise mit einer Diskrepanz von +/- 5 Minuten am Arbeitsplatz an. Faktoren hierfür gibt es viele, womöglich mehr als damals im East End, jedoch dürfte ein Unterschied von 1 oder 2 Minuten auch damals schnell erreicht gewesen sein. Man darf auch nicht vergessen, dass Atom- und Funkuhren damals noch lange kein Thema waren. Ich weiß nicht, woher Cross/Lechmere seine Zeitangabe nahm, seine Uhr jedoch muss nur 5 Minuten abweichend von der Uhr Pauls gewesen sein und schon wird das Zeitfenster kleiner. Das ist alles eine sehr schwammige Angelegenheit.

Die falsche Namensangabe vor Gericht kann ich mir damit erklären, dass damals der Haushalt nach dem Familienoberhaupt genannt wurde. Lechmere`s Stiefvater hieß Cross, wie schon von Lestrade erwähnt, und da teile ich auch seine Meinung. Zudem denke ich, dass die Namensangabe auch einiges sagt über das Verhältnis von Lechmere zu seinem Vater. Wir wissen nicht, was vorgefallen ist, aber eventuell verwendete Lechmere seinen gesetzlichen Namen generell nicht in der Öffentlichkeit und nannte sich Charles Cross, um sich von seinem Vater abzugrenzen. Dass dies vor Gericht so hingenommen wurde (ich nehme an, dass Lechmere`s Stiefvater bekannt war), zeigt für mich, dass es wohl nicht so streng gesehen wurde wie wir dies heutzutage tun.

Ja - das ist in etwa alles, was mir im Moment dazu einfällt.  ;)

Grüße

Offline Angel2ooo

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #6 am: 30.05.2013 19:28 Uhr »
Hier ein Artikel den ich grade gefunden habe, ist schon vom letzten Jahr und ich persönlich schenke dem wenig glauben.

http://www.welt.de/vermischtes/article109370376/Jack-the-Ripper-Der-Kutscher-war-der-Moerder.html

Andromeda1933

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #7 am: 30.05.2013 20:29 Uhr »
Mit dem wenig Glauben schenken liegst Du wohl ganz richtig. Das Buch ist bis heute noch nicht veröffentlicht worden. Schau mal unter Die Opfer – Nichols nach, dort hatte ich vor ein paar Monaten zu Cross/Lachmere und Paul geschrieben.

Offline Lestrade

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #8 am: 12.11.2014 15:31 Uhr »
Ich stelle es mal hier rein. Gibt wohl jetzt und dieser Tage eine Doku über Cross/Lechmere:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=8463

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=22585

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Offline Lestrade

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #9 am: 21.11.2014 10:53 Uhr »
Diese Doku kann man sich nun anschauen:

http://www.youtube.com/watch?v=Gs82vNf0MyU

Jeder muss wissen was er glauben möchte oder von was er überzeugt ist. Persönlich respektiere ich diese Arbeit in der Charles Cross (Lechmere) als möglicher Ripper dargestellt wird. 
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Offline Lady15

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #10 am: 19.04.2016 22:48 Uhr »
Diese Doku wurde am Sonntag im Fernsehen wiederholt, weshalb ich sie mir nochmal anschaute.
Solange nichts gegenteiliges bewiesen wird, klingt die Theorie (wie einige andere auch) ziemlich schlüssig. Es wurde erklärt, dass Lechmere seine Mutter besucht hätte, worauf es dann immer zu Konflikten gekommen wäre, die zu diesen Taten geführt haben sollen. Ich persönlich finde diese Erklärung nicht abwegig, aber auch nicht wirklich gehaltvoll. Für mich steckt da eine Steigerung, eine Motivation hinter den Taten und keine Kanalisation nicht aufgearbeiteter Konflikte.

Offline Phil

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #11 am: 20.04.2016 09:07 Uhr »
Diese Doku wurde am Sonntag im Fernsehen wiederholt, weshalb ich sie mir nochmal anschaute.
Solange nichts gegenteiliges bewiesen wird, klingt die Theorie (wie einige andere auch) ziemlich schlüssig. Es wurde erklärt, dass Lechmere seine Mutter besucht hätte, worauf es dann immer zu Konflikten gekommen wäre, die zu diesen Taten geführt haben sollen. Ich persönlich finde diese Erklärung nicht abwegig, aber auch nicht wirklich gehaltvoll. Für mich steckt da eine Steigerung, eine Motivation hinter den Taten und keine Kanalisation nicht aufgearbeiteter Konflikte.

Habe die Doku auch gesehen. Kann Lady15 da voll und ganz zustimmen. Klingt natürlich irgendwie schlüssig bzw. nicht abweig, aber auch nicht gehaltvoll. So ist es ja bei vielen dieser Dokus, da wird dann auch das abseits aller anderen Theorien als die Bahnbrechende präsentiert. Liegt allerdings auch meist am Format dieser Sendungen.
Naja. Genauso wie Cross hätte es jeder andere, "ähnlich gestrickte" Typ aus der Gegend sein können. Er war halt auf der Bildfläche, als Polly ermordet wurde. Was man daraus macht, ist jedem selbst überlassen.
"Happiness ain't at the end of the road, happiness IS the road" (Zitat aus dem gleichnamigen Lied von Marillion; Lyrics: Steve Hogarth)

Offline Arthur Dent 2

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #12 am: 20.04.2016 19:44 Uhr »
Hallo allesamt!

Ich hatte mir die Doku "Jack the Ripper - The missing evidence" ebenfalls angesehen, in der vom Journalisten Christer Holmgren der Nichols-Zeuge Charles Cross / Lechmere als möglicher Ripper vorgestellt wird.
https://www.youtube.com/watch?v=tndfLueunCQ

Insgesamt m.E. eine gut gemachte Doku, aber mir sind doch ein paar schwache Punkte aufgefallen - ihre Argumentation erscheint mir nicht immer wirklich schlüssig:


1. Die Namens-Geschichte

Es wird darin so dargestellt, als hätte Cross mit seinem Namen gelogen, und dies wird als Verdachtsmoment aufgebaut, so als er hätte er etwas zu verbergen gehabt - dabei hatte Lechmere den Namen Cross nicht erfunden, sondern von seinem Stiefvater übernommen und eine ganze Zeit lang öffentlich benutzt. Es wird in der Doku sogar explizit erwähnt, dass es praktisch genausoviele Dokumente über ihn unter dem Namen Cross wie Lechmere gibt. Den Nachnahmen des neuen Familienoberhauptes anzunehmen ist per se noch nicht verdächtig, sowas kam und kommt häufig vor, und kann ganz triviale Gründe haben: Distanzierung vom leiblichen Vater, Respektbezeugung gegenüber dem neuen Vater, oder die opportunistische Überlegung, vom Namen des Stiefvaters profitieren zu können...

Unabhängig davon wäre es völliger Blödsinn gewesen, ausgerechnet den Namen des Stiefvaters zu nennen, wenn er etwas hätte verbergen wollen, und dann auch nur beim Nachnamen zu lügen, aber nicht beim Vornamen und bei der Adresse - doch beides gab er korrekt als Charles Allen und Doveton Street 22 an. Somit hätte ihm die Nennung eines falschen Nachnamens überhaupt nichts genützt. Es ist auch wohl niemand so dumm zu glauben, dass in einem Mordfall nicht gegen ihn ermittelt würde, nur weil sein Stiefvater Cross ein Cop ist.


2. Arbeitswege und Zeiten

In der Doku wird dargestellt, dass mehrere Morde auf seinen Wegen zu Arbeit lagen und damit der Verdacht einer möglichen Täterschaft nahegelegt.
Das Problem dabei ist nur: Die Arbeit von Cross in der Broad Street begann laut der Doku um 4 Uhr morgens, damit lägen die Morde an Chapman und Kelly außerhalb seines Zeitfensters - es sei denn er hätte sich folgenlos und ohne aufzufallen um jeweils mehr als eineinhalb Stunden mit dem Arbeitsantritt verspäten dürfen, was im frühkapitalistischen England eher unwahrscheinlich ist.

So wird in der Doku der Tatzeitraum beim Mord an Chapman im Hinterhof der Hanbury Street 29 angegeben mit 4.30 - 6.30 Uhr - dies ist nicht korrekt:
Gegen 4.45 Uhr war John Richardson noch im Hinterhof, und gegen 5.30 Uhr wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen von der Zeugin Elizabeth Long, und zwar direkt vor der Tür zum Hof mit einem Mann (vermutlich der Ripper). Gegen 5.15 Uhr erwachte Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 und ging ein paar Minuten später in seinen Hinterhof zur Toilette, und als er danach ins Haus zurück wollte, hörte er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und kurz darauf bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen. Somit lag die Tatzeit gegen halb Sechs.
Wäre Cross der Ripper gewesen, wäre er folglich mehr als eineinhalb Stunden zu spät zur Arbeit gekommen.

Auch beim Mord an Mary Jane Kelly hätte es für Cross als Mörder zeitliche Probleme gegeben:
Der Zeuge George Hutchinson sah Kelly gegen 2 Uhr mit einem Kunden zurück auf ihr Zimmer gehen. Er wartete bis gegen 3 Uhr gegenüber dem Miller's Court, und erst zwischen 3 Uhr und 4 Uhr hörten die Zeuginnen Sarah Lewis und Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!" Korrekterweise legt auch die Doku die Tatzeit auf zwischen 3 und 4 Uhr.
Aber laut forensischen Einschätzungen hätte der Ripper gut eineinhalb bis zwei Stunden bei Kelly zubringen müssen (was sich mit der Aussage der Nachbarin Marie Ann Cox deckt, die gegen 6 Uhr Schritte im Hof gehört haben will).
Auch in diesem Fall wäre Cross also mehr als eineinhalb Stunden zu spät zur Arbeit gekommen, und das schon zum zweiten Mal am Morgen eines Mordes, nachdem er bereits als ein Zeuge des Nichols-Mordes öffentlich bekannt geworden war. Irgendwie gar nicht auffällig...


Es bleibt daher mein Fazit:

Cross war als erster und allein am Nichols-Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit hätte Cross der Mörder gewesen sein können, zumal auch alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street liegen.

Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter, bei einer Flucht nach Süden wäre er schnell im Verkehr der Whitechapel Road untergetaucht. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen.
Weder die Polizei noch der Untersuchungsrichter hielten ihn irgendwie für verdächtig, und auch auf der Arbeit wäre wohl aufgefallen, dass ausgerechnet der Nichols-Zeuge an zwei weiteren Mord-Tagen zu spät zu Arbeit kam.

Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann und Familienvater, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.


MfG, Arthur Dent

Offline Lady15

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Re: Charles Allen Lechmere (Cross)
« Antwort #13 am: 22.04.2016 20:36 Uhr »
Es kam direkt nach dieser Doku eine über Marilyn Monroe. Und da wurde ebenfalls so getan, als hätte man höchstwahrscheinlich den Mörder. Jack wird wahrscheinlich nicht einfach aufgehört haben. Und wie gesagt, ein Streit mit der Mutter führt doch eher nicht zu solchen Taten.