Danke Lestrade!
Warum sind die Verdächtigen bei Griffith und Macnaghten in genau entgegengesetzter Reihenfolge? Zufall?
Gruß Stordfield
Moin Stordfield!
Nein, kein Zufall, dramaturgische Notwendigkeit. Es zeigt, dass Major Griffith ein versierter Autor ist. Es läuft nach demselben Muster ab, wie die Hörercharts irgendeines Radiosenders - auch dort beginnt man mit den hinteren Plätzen, um sich dann, die Dramatik durch absurdes Moderatorengequassel steigernd, zur Nummer 1 vorzuarbeiten. Genau genommen ist die Reihenfolge als nicht umgekehrt worden, sie ist nur im Hinblick auf einen Spannungsbogen optimiert worden.
Platz 3: Der polish Jew.
Platz 2: Ostrog.
Platz 1: Monty.
McNaghtens Memorandum ist ein Bericht, zu nichts anderem gedacht, als die Fakten zu präsentieren. Griffiths wendet sich hier an ein breiteres Publikum, das nicht nur informiert, sondern auch unterhalten werden möchte. Und nichts ist für einen Autor schlimmer als ein Leser, der sagt: "Okay, dann weiß ich ja Bescheid" und daraufhin das Buch zuklappt.
Wo allerdings eine Vertauschung vorgenommen wurde, ist bei Kosminski und Ostrog. Kosminski stand in Mc´s Memo an der 2, wird hier aber als erster genannt und somit auf die 3 verbannt. Aus irgendeinem Grund scheint Griffith Ostrog also als wahrscheinlicher einzuschätzen als Kosminski. Es ist natürlich möglich, dass Griffith durch seine Vergangenheit als Gefängnisdirektor eine gewisse Sympathie für die Theorie entwickelt hat, ein schon mehrmals inhaftierter Gewohnheitsverbrecher mit mentalen Problemen sei ein aussichtsreicherer Kandidat als ein armer polnischer Jude, der irgendwann "mörderische Tendenzen" entwickelt hat und darauf in eine Anstalt weggesperrt wurde. Andererseits könnte ich mir aber auch vorstellen, dass diese Reihenfolge Mc´s Vorstellungen näher kam als sein Memorandum. Ich jedenfalls tu mir nicht schwer mit dem Gedanken, er hätte Kosminski nur an die zwei gesetzt, weil es Andersons Verdächtiger war und der zur Zeit der Abfassung Mc´s direkter Vorgesetzter. Aber hier gerate ich ins Fabulieren, während ich mich eigentlich an die Fakten halten sollte ... aus denen aus heutiger Sicht ja durchaus nur noch schwer nachzuvollziehen ist, wieso Ostrog überhaupt auf der Liste steht.
Interessant vielleicht noch der Artikel "The Detective In Real Life" aus dem Jahr 1895 (erschienen im Windsor Magazine), in dem Griffith unter seinem Pseudonym Alfred Aylmer folgendes festhält:
"Much dissatisfaction was vented upon Mr. Anderson at the utterly abortive efforts to discover the perpetrator of the Whitechapel murders. He has himself a perfectly plausible theory that Jack the Ripper was a homicidal maniac, temporarily at large, whose hideous career was cut short by committal to an asylum." Sagt uns zwar nicht viel über den Fall, zeigt aber, dass Griffith wohl Informationen von sowohl Anderson wie auch McNaghten erhalten hat.
Grüße
Tante Edith: Fluch über dich und deinesgleichen