Hi.
Eigentlich erstaunlich, dass wir
Sir Melville Macnaghtens Memorandum (
http://www.jacktheripper.de/dokumente/macnaghten_memo/) inklusive ´
Aberconway-Version´ (soweit ich weiß, wurde die sagenumwobene ´
Donner-Version´ noch nicht im Forum diskutiert?) und diverse von anderen Quellen (
G.R. Sims,
Major Arthur Griffith) überlieferte Infos, die denen im Memorandum ähneln und wahrscheinlich auf Macnaghten zurückzuführen sind, schon in verschiedensten Threads erwähnt haben, auf Macnaghtens Board hier aber bisher noch kein einziger Thread über den guten Sir Melville eröffnet wurde... Die Diskussionen, in denen es u.a. um sein Memorandum geht, lassen sich über die Suchfunktion wohl finden – Durch den Swanson-Thread neulich, habe ich mir gedacht, ich fasse mal diverse damalige (ich lasse die auf Recherchen basierende Verbindung zu Druitts Familie mal aussen vor) Veröffentlichungen über Macnaghten und den Fall JtR
jenseits seines Memorandums zusammen, auch wenn er selbst ja wohl nicht in die Ermittlungen des Falles involviert war. Hier das ergänzbare (und nötigenfalls korrigierbare) Ergebnis:
(1) Zum einen sind da ja seine Memoiren ´
Days of my Years´ (1914). Wer sie online im wahrsten Sinne des Wortes, wenn auch nur virtuell, im Originalwortlaut durchblättern will:
http://www.archive.org/stream/daysofmyyears00macnrich#page/n3/mode/2up. Hier direkt ein Link zum Kapitel über die Whitechapel Morde: ´
Laying the ghost of jack the ripper´ (ab Seite 54):
http://www.archive.org/stream/daysofmyyears00macnrich#page/54/mode/2upDas Buch liefert jede Menge Diskussionsstoff – vom wohl auch aus der ´
Aberconway-Version´ des Memorandums bekannten ´in der Nachbarschaft Dienst habenden, vermutlichen Polizistenzeugen´ im Fall Eddowes (was sich im Grunde auch nicht mit anderen von Macnaghten überlieferten Aussagen decken würde, dass niemand den Mörder jemals sah), über Macnaghtens ´Authentisierung´ des GSG (auch in Verbindung mit seiner ziemlich expliziten Formulierung, wer den Ripper in der Berner Street scheinbar gestört hat) bis hin zu seiner ´Selbstmördertheorie´. Aber auch abseits davon: Es beinhaltet auch den Fall von
Dr. Thomas Neill Cream, die Morde an den Prostituierten
Dora Piernick (1903) und Phyllis /
Emily Dimmock (1907), sowie den Fall Amelia Jeffs - das womöglich letzte Opfer in einer Reihe von Kinder-/Teenagermorden zwischen 1881 und 1890, von denen damals oft gemutmaßt wurde, dass sie eine Mordserie darstellten und die oftmals als ´Westham Serial Murders´ bezeichnet wurden. Macnaghten sah aber diesbezüglich scheinbar sogar noch Parallelen zum Fall
Mary Bailes (1908). Erwähnenswert ist diese vermeintliche Serie deshalb, weil Macnaghten in diesem Fall festhält, dass es schon Hinweise gab, die den Verdacht auf ein bestimmtes Individuum lenkten, die Beweise aber nicht ausreichend genug waren, um dieses festzunehmen – Eine Erzählweise, die ja auch im JtR-Fall, allerdings von einem anderen Ermittler benutzt wurde, um die Nichtergreifung des Täters quasi vor der interessierten Öffentlichkeit zu ´entschuldigen´ - was zeigt, dass eine derartige Narrationsweise öfter stattfand...
(2) Hier ein Link zum sehr bemerkenswerter Artikel / Nachruf auf Macnaghten von der
Reynold´s News vom
15. Mai 1921, der unter der Überschrift ´
Dead Police Chief and ´Ripper´ Murders – Man who solved mystery of East-End Horror ´ Macnaghtens Biografie, soweit ich das richtig sehe, irgendwie ein wenig anders erzählt, als man sie kennt und auch dessen Lieblingstheorie in einigen Punkten variiert – und das sogar unter Berufung auf Macnaghten selbst:
http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=11454(3) Wie bereits an anderer Stelle im Forum erwähnt, findet sich im Buch
The Rise of Scotland Yard´ (1956) von
Douglas G. Browne, zu dessen Recherche der Autor (und sein Vorgänger) angeblich auch Akteneinsicht gehabt haben soll, folgender Satz:
´
Ein dritter Leiter des CID, Sir Melville Macnaghten, scheint den Ripper als Führer eines Komplotts zur Ermordung Mr. Balfours im Irish Office zu erkennen´
(Siehe eben evtl. dazu auch:
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1119.msg20163.html#msg20163,
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1318.0.html)
Viele Akten fehlen heute – wie aber kam Browne damals zu diesem Schluß? Eine Fehlinterpretation des letzten Satzes im´ JtR-Kapitel´ in Macnaghtens Buch (Seite 62) oder doch andere Indizien?
(4) Apropos ´fehlende Akten´: Macnaghten soll laut einem Artikel in der
´Daily Mail´ vom
2. Juni 1913 bezüglich seiner eigenen ´Theorie´ ja erklärt haben:
´
I have destroyed all my documents and there is now no record of the secret information which came into my possession at one time or another.´
Leider habe ich den gesamten Artikel dazu noch nirgends gefunden...
(5) Eine weitere Erwähnung Macnaghtens in Verbindung mit den Whitechapel-Morden findet sich auch noch in einer anderen Quelle, nämlich in einem Buch von
Inspector Tom Divall, und auch was da zu lesen ist, deckt sich ebenfalls nicht mit dem, was Macnaghten selbst zu Lebzeiten offiziell vertreten zu haben scheint. Inspector Tom Divall war, wie Macnaghten selbst, soweit ich weiß, nicht in die Ermittlungen im Fall der Whitechapel Morde eingebunden, damals wohl auch noch nicht Inspector, später aber im Fall der Ermordung von
PC Ernest Thompson (den wir durch die Auffindung von Frances Coles kennen) durch Barnet Abrahams 1900 (Siehe auch:
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,779.0.html) involviert. Ebenso scheinbar (soweit ich informiert bin) u.a. im Fall eines
Timothy Donovan, der seine Frau 1903 umbrachte, indem er ihr in den Hals stach. (Ob es sich dabei um jenen Timothy Donovan von dem Crossingham´s in der Dorset Street handelte, in dem Annie Chapman üblicherweise nächtigte, und der scheinbar der Letzte war, der diese nachweislich lebend sah, ist aber äußerst fraglich.) Wie Divall in ´
Scoundrels and Scallywags & some honest men´ (1929) jedenfalls schrieb, hatte er bezüglich der JtR-Mordserie scheinbar seine eigene Theorie, in der der in seinen Augen anatomisch versierte Täter mit den Whitechapel-Morden gegen die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten ´vorgehen´ wollte. Er , der angeblich PC Thompson für den einzigen Mann hielt, der den Ripper jemals sah (was aber wohl falsch ist – Thompson sah ja vermutlich niemanden) bemerkt aber auch explizit, dass die Polizei nie auf der tatsächlichen Spur des Täters war, um aber in Anschluss zu ergänzen:
´
The much lamented and late Assistant Commissioner of the C.I.D., Sir Melville Macnaghten, received some information that the murderer had gone to America and died in a lunatic asylum there. This perhaps may be correct, for after this news nothing was ever heard of any similar crime being commited.´
Abgesehen davon, dass sich auch dies nicht mit all dem deckt, was man über Macnaghten´s angeblich liebste Theorie mit dem Selbstmörder (vermutlich eben Druitt) weiß: Die einzige Person, die mir ad hoc einfällt, die jemals mit den Morden in Whitechapel in Verbindung gebracht wurde und die angeblich in einer Anstalt in den Vereinigten Staaten starb, ist dieser ´
Fogelma´, von dem man aber nicht einmal weiß, ob es ihn gab – zu finden in diesem Thread:
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1004.0.html Weiß jemand noch von einem anderen? Hat Divall ebenfalls einiges aus Macnaghtens Buch umgedeutet, oder steckt dahinter mehr und Macnaghtens veröffentlichte und auch als ´vertraulich´ an die Medien vermittelte Meinung war eine andere, als er tatsächlich hatte?
best regards,
panopticon