Autor Thema: MJK´s Beine und die (Un-?)Vollständigkeit der bekannten Untersuchungsberichte  (Gelesen 30768 mal)

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Offline panopticon

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Hallo.

Hier eine Sache, die mich schon seit langer Zeit beschäftigt, und über die ich bisher auch noch nichts im Forum entdecken konnte: Als ich vor Längerem zwecks Recherche die genaue Lage der toten Mary Jane Kelly mittels Grafiktablett über das (frontale) Tatortfoto skizziert habe, fiel mir auf, dass bei der Toten sogar noch mehr im Argen liegen muss, als zumindest ich bis dahin angenommen hatte, oder anders formuliert: Die Beinstellung funktioniert durch reine Spreizung nicht, es sei denn, zumindest ein Bein liegt ziemlich neben (!) dem Körper. Soweit ich das beurteilen kann (und prinzipiell habe ich zumindest eine Menge Aktstudien hinter mir), handelt es sich bei dem Bein, das wohl irgendwie ´danebenliegt´, nicht um Marys rechtes, sondern vielmehr um ihr linkes, von dem ja ohnedies bekannt ist, dass es auch wesentlich verletzter war, als das frontale Tatortfoto zeigt (siehe: http://www.jacktheripper.de/opfer/kelly/). Als ich dann auch noch beim Versuch, dem Ursprung des Bandes, näher zu kommen, das letzte Stofffetzen an Marys rechtem Bein festzuhalten scheint, darauf aufmerksam gemacht wurde, dass man damals nicht nur Strümpfe, sondern auch durchaus Unterhosen (drawers, pantalettes, bloomers u.ä., übrigens auch gerne mit einer ´Chemise´ als Schlafgewand kombiniert) mit einem Band am Unterschenkel  befestigte und mir vergleichbares zeigte, stellte sich mir die Frage, ob Marys linkes Bein, das ein derartiges Band nicht aufweist und ebenso wenig mit einem Strumpf bestückt ist, denn überhaupt noch irgendwie mit dem Körper verbunden war, und wenn ja: wie / in wie fern? Aus dem zweiten Tatortfoto wurde ich nicht so recht schlau (Vielleicht kann mal jemand medizinisch fundierterer beschreiben, was da nun konkret zu sehen ist?), also habe ich mir zumindest den Bericht über die post-mortem Untersuchung von Dr. Bond noch einmal näher angesehen. Darin findet sich ja auch zu lesen:

´Die Beine waren weit gespreizt, der linke Schenkel im rechten Winkel zum Torso und der rechte Schenkel formte einen stumpfen Winkel mit dem Schambereich.´ (´The legs were wide apart, the left thigh at right angles to the trunk and the right forming an obtuse angle with the pubes.´)

Wenngleich der Begriff ´trunk´ auch allgemein mit ´Rumpf´ übersetzt werden kann, halte ich es  für wahrscheinlich, dass  die ebenfalls mögliche Übersetzung ´Torso´ (wie ja eben auch von Thomas hier verwendet: http://www.jacktheripper.de/opfer/kelly/) die Situation wohl eben wesentlich realitätsnäher beschreibt. ´Apart´ lässt sich zudem nicht nur mit ´gespreizt´, sondern auch einfach mit ´auseinander´ oder ´getrennt´, und sogar als ´separat´ und ´abseits´ übersetzen...

Was meine Überlegung zur Unterwäsche betrifft, wird man bei Dr. Phillips´s Aussagen bei der gerichtlichen Untersuchung fündig:

´Sie trug lediglich ihre Bluse oder eine Art Unterwäsche.´ (´She had only her chemise on, or some underlinen garment.´)

Das lässt zumindest auch einiges an Interpretationsvarianten zu. Aber ist das alles?

Ich habe daraufhin jedenfalls überall nach einem weiteren  schriftlichen Hinweis bezüglich meiner Überlegungen gesucht. Fündig wurde ich schließlich rein zufällig und an einer komplett unerwarteten Stelle, nämlich in einem Zeitungsbericht (Evening Standard, 24. September 1889, siehe zum Beispiel im Sourcebook) über die gerichtliche Untersuchung im Fall des Pinchin Street Torso. Darin ist  von abgetrennten Gliedmaßen (wörtlich ´limbs´) im Dorset Street-Fall die Rede. Wenngleich auch Kellys rechter Arm laut frontalem Tatortbild einen Einschnitt aufzuweisen scheint, der durchaus auch dessen Abtrennung bedeuten könnte, konkretisiert ein anderer Zeitungsartikel über die Inquest im Falle des Pinchin Street Torso aber, worum es dort wohl eigentlich konkret gegangen ist: Um die Abtrennung eines Beines im Dorset Street-Fall. So ist in der Times vom 25. September 1889 zu lesen (Ich habe die betreffende Passage jetzt mal sehr schnell übersetzt - wenn nötig, bitte korrigieren!  Der Originaltext ist hier nachzulesen: http://www.casebook.org/official_documents/inquests/inquest_pinchin.html):


´DER CORONER. – Ich würde Dr. Phillips gerne fragen, ob es eine Ähnlichkeit im Abschneiden der Beine in diesem Falles und dem, das der Frau in der Dorset Street abgetrennt wurde, gibt? Dr. Phillips – Ich habe keine hinreichende Ähnlichkeit bemerkt, die mich überzeugt hätte,  dass es die gleiche Person war, die beide Verstümmelungen vornahm, aber die Zerteilung (´division´, Anm.) des Halses und der Versuch, die Knochen des Rückgrates auszurenken (´to disarticulate´, Anm.) sind sehr ähnlich wie in diesem Fall. Die Wildheit, die von den verstümmelten Überresten (´remains´, auch als ´Gebeine´ übersetzbar, Anm.) im Fall Dorset Street aufgezeigt wird, übersteigt die in diesem Fall gezeigte bei weitem. Die Verstümmelungen in der Dorset Street waren mutwilligst (´most wanton´, Anm.), während sie in diesem Fall , so erscheint es mir (wörtlich ´it strikes me´, Anm.), zum Zweck der Entsorgung des Körpers vorgenommen wurden. Ich möchte sagen, dass dies bloß Punkte sind, die mir einfallen (wörtlich wieder ´that strike me´ Anm.), ohne jegliche vergleichende Studie des anderen Falles mit Ausnahme dessen, was mir die  unvollständigen Notizen liefern, die ich bei mir habe. Ich denke, dass in diesem Fall (hier) größere Kenntnis bezüglich der Konstruktion der Teile, die das  Rückgrates bilden (wörtlich ´zusammensetzen´, Anm.) gezeigt wurde, und im Gesamten eine größere Kenntnis darin gezeigt wurde, wie man ein Gelenk  abtrennt. (wörtlich: ´of how to separate a joint´, Anm.)´


Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass so einiges eventuell ganz bewusst nicht wirklich explizit gesagt wurde, bzw in keinem offiziellen Bericht zweifelsfrei zu finden ist, und es geht sogar noch weiter: 
Bezüglich einer möglichen Verschwiegenheit der Ärzte (selbst gegenüber der lokalen Polizei!) und eventueller weiterer, heute vielleicht nicht mehr vorhandener, Berichte über die Untersuchungen, hat jetzt auch noch jemand im Casebookforum auf einen interessanten Absatz in einem Bericht über den Kellymord in The Echo, vom 10. November 1888 hingewiesen: (habe ich auch schnell übersetzt, im Original hier nachzulesen: http://www.casebook.org/press_reports/echo/18881110.html)


´(...)

DIE THEORIE DER ÄRZTE

´Whitechapel befindet sich heute in einem Gährzustand.´, so schreibt ein Echo-Reporter heute morgen. Wie es (bereits) gestern der Fall war, als sich die Nachricht der Tragödie verbreitete, sind derzeit die wildesten Gerüchte bezüglich der möglichen Identität des manischen Mörders im Umlauf. Daran, dass er ein mörderischer Verrückter mit einer abnormalen Passion und einer ´Liebe zum Töten´ sei,  gibt es nun leichten Zweifel in den Köpfen einiger der sechs Mediziner, die beruflich mit dem Fall betraut sind. Dr. G. B. Phillips, der  Abteilungsarzt  der H Division, dessen Verschwiegenheit durch eine Zusicherung der Geheimhaltung begründet ist, hat ausgiebige (´copious´, Anm.) Notizen über die Ergebnisse der post-mortem Untersuchung und über nahezu jeden Rückschluss, den er zog. Dr. Thomas Bond aus Westminster, ein namhafter Experte im Bereich Gewaltverbrechen, stimmt (dem) zu (´agrees´, Anm.). Dr. Phillips hat der lokalen Polizei das Ergebnis seiner Untersuchungen nur vage angedeutet (indicated, Anm.), aber ein Report über diese Frage wurde, so wurde behauptet, von ihm gemeinsam mit Dr. Bond erstellt, und an Sir Charles Warren gesandt. Es wird geglaubt, dass es die ärztliche Meinung ist, die Frau sei im Schlaf (wörtlich: ihrem Schlaf), oder während sie sich in einem teilweise komatösen Zustand befand, der durch Trinken hervorgerufen wurde, ermordet worden.
 
(...)
´



Auch wenn in Zeitungen generell sehr viel gemutmaßt wird: Gesamt betrachtet würde ich nun jedenfalls annehmen, dass hier einiges ´Täterwissen´ bewusst zurückgehalten oder nur am Rande bemerkt wurde. Im Casebookforum wurde dem Artikel offenbar näher nachgegangen, und einige dort scheinen nun der Meinung zu sein, dass das, was wir (neben dem ´Profiling´- Versuch von Dr. Bond) bisher für den  offiziellen post mortem Bericht gehalten haben, eventuell nur Notizen sind, die eigentlich Dr. Hebbert, Bond´s Assistent angefertigt und an Anderson geschickt hat, während der tatsächlich offizielle Report, der angeblich an Charles Warren erging, scheinbar nicht mehr aufzutreiben ist... Weiß da vielleicht jemand näheres darüber? Was haltet ihr davon?


Grüße,
panopticon
« Letzte Änderung: 30.03.2010 18:04 Uhr von panopticon »

Offline Lestrade

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Ach panopticon, wenn wir dich nicht hätten...

Wie immer sehr detailliert, überschaubar und interessant dargestellt. Kompliment für deinen Einsatz. Ich muss das sagen, auch wenn du es schon öfters gehört hast...

Nun ja, etwas geheimnisvoller in Sachen Polizei ging es nach Kelly schon weiter. Vielleicht hatten sie in der Tat ab da eine heiße Spur...

Das Kelly im Schlaf oder ähnlichem überrascht wurde, vermutete ich schon länger...

Wissen tue ich nicht viel darüber und auch nichts näheres. Finde es aber bemerkenswert.

Liebe Grüße, Lestrade.
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Offline Shadow Ghost

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Bislang ist mir nichts begegnet, was mich daran zweifeln lässt, dass das, was wir für Dr Bonds post-mortem-Bericht halten, auch der offizielle Bericht ist. Ich denke nicht, dass es damals üblich war, dem Assistant Commissioner nur Notizen des Assistenten zu schicken. Zudem erfolgte ja auch sein Profiling-Versuch ziemlich zeitnah (10.11.) zum Kelly-Mord, und zu diesem Zeitpunkt dürfte der offizielle Bericht auch schon fertig gewesen sein, so dass auch gar keine Notwendigkeit bestand, die Notizen des Assistenten zu senden. 

Ich denke doch mal, falls Marys Bein tatsächlich abgetrennt gewesen wäre, dann hätte Dr. Bond das in seinem Bericht sicherlich erwähnt. Da es sich um einen internen Bericht handelte, der wohl nicht für die Öffentlichkeit gedacht war, kann ich mir nicht vorstellen, dass er darin etwas bewußt verschwiegen hätte. Die extreme Spreizung der Beine könnte sich darauf zurückführen lassen, dass bei den Verstümmelungen entsprechendes Gewebe durchtrennt wurde, das einer solchen Spreizung entgegen wirken könnte, also irgendwelche Bänder, Sehnen oder Muskeln.

Bezüglich des bestrumpften rechten Beines und des unbestrumpften linken Beines kann ich mir durchaus vorstellen, dass der Ripper eben in dem Augenblick zuschlug, als Kelly sich den einen Strumpf bereits ausgezogen und zur Seite gelegt hatte.  Ist nicht in einem Bericht davon die Rede, dass ihre Kleider - wenn ich mich recht erinnere - 'neatly folded' waren? Dies würde dafür sprechen, dass sie sich nicht allzu schnell auszog, sondern sich Zeit nahm, jedes Kleidungsstück sorgfältig über den Stuhl legte. Dies würde dem Ripper wiederum Zeit geben, zwischen dem Ausziehen der einzelnen Socken zuzuschlagen. Leider habe ich jetzt keinen Bericht im Kopf, welche Kleidungsstücke da über dem Stuhl lagen, also auch nicht, ob ein oder zwei Strümpfe.

Der Vorfall beim Pinchin-Street-Torso-Inquest dagegen ist mir sicherlich etwas rätselhaft. Dazu muss man jedoch anmerken, dass Coroner Baxter zwar diesen Inquest leitete, nicht aber den von Kelly, also über den Kelly-Fall wohl auch nur aus der Zeitung oder einer anderen (nicht unbedingt exakten) Quelle erfahren haben könnte (Es bleibt natürlich noch die Möglichkeit, dass die Zeitungen in diesem Fall mal wieder etwas ungenau Bericht erstatteten). Dr Phillips geht dann auch nicht explizit auf ein Abtrennen von Kellys Bein ein (widerspricht aber auch nicht).
Seine Bemerkung "und im Gesamten eine größere Kenntnis darin gezeigt wurde, wie man ein Gelenk  abtrennt." deutet zwar darauf hin, dass auch an Gelenken Kellys gewisse Spuren einer äußeren Einwirkung vorliegen, diese aber nicht oder nur schlecht geeignet waren, das Gelenk zu durchtrennen. Dabei kann es sich einerseits um Spuren eines bewussten Versuchs zur Durchtrennung des Gelenks handeln oder aber um Spuren, die zufällig entstanden, während ihr die anderen Verstümmelungen beigebracht wurden.

Letztlich verbleibe ich erst einmal bei der Meinung, dass Dr Bond in seinem offiziellen Bericht ein abgetrenntes Bein erwähnt haben müsste. Warum hätte er in einem internen Bericht dieses als Täterwissen verschweigen sollen, während es andererseits beim PST-Inquest in aller Öffentlichkeit erwähnt wird. Ich bin zwar kein Experte, aber ich glaube mit Täterwissen geht man in der Regel umgekehrt vor. Es besteht meiner Meinung nach sogar die Gefahr, dass Dr Bonds Bericht durch das bewusste Verschweigen von Verletzungen seine Gerichtsverwertbarkeit verlieren könnte.

Viele Grüße,
Shadow Ghost

Offline Lestrade

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Hallo Shadow !

Dein Ansicht ist vollkommen annehmbar aber ich denke, es ist nicht auszuschließen, dass sich Mediziner, die mit dem Fall beschäftigt waren, auch eine gewisse Meinung oder ihre eigenen Theorien bildeten. Und nicht jede wäre sinnvoll gewesen, sie der Öffentlichkeit mitzuteilen. Was wäre wenn sie zum Schluß gekommen wären, hier einen Butcher zu vermuten und gewisse Anzeichen dafür entdeckt hätten? Das East End war eh in Aufruhr, die Juden wurden schon dafür verantwortlich gemacht und dann der ganzen Sache durch gewisse Äußerungen noch mehr Brisanz zu geben, hätte der ganzen Geschichte noch mehr geschadet. Die Polizei tappte eh im Dunkeln und konnte nicht wirklich den Täterkreis einengen.

Viele liebe Grüße,

Lestrade.
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Offline Shadow Ghost

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Hallo Lestrade,

sicherlich will ich jedem Mediziner seine persönliche Meinung oder Theorie gönnen; aber diese haben dann nichts in einem offiziellen Bericht verloren. Dort haben Fakten zu stehen. Und wenn Marys Bein abgetrennt gewesen wäre, hätte es eben auch im Bericht stehen müssen; hätte der Täter versucht ihr ein Bein abzutrennen, so hätte es davon sicherlich auch Spuren gegeben, und diese hätten dann im Bericht Erwähnung finden müssen. Wenn nichts davon erwähnt wird, ist wohl auch nichts passiert. Selbst wenn der Bericht an Anderson nur die Notizen von Dr Bonds Assistenten gewesen wären, wäre ein abgetrenntes Bein doch so auffällig und außerordentlich, dass dies auch in provisorischen Notizen Eingang gefunden hätte.

Sicherlich sind gewisse Dinge nicht für die Ohren der Öffentlichkeit gedacht/geeignet, aber ich glaube, dass dies mit einem internen Bericht - als den ich einen post-mortem-Bericht auffasse, vielleicht liege ich damit ja falsch - nichts zu tun hat. Dort erwarte ich einfach die Fakten, wie sie sind. Sollten sich dabei tatsächlich gewisse Aspekte ergeben, die auf eine bestimmte Tätergruppe hinweisen, so hat dies auch drin zu stehen. Ich glaube die Frage nach den anatomischen Kenntnissen des Täters ist ein Beispiel dafür. Was man davon dann veröffentlicht, ist wieder ein anderes Thema; obwohl ich mir jetzt nicht sicher bin, inwiefern ein Mediziner beim öffentlichen Inquest die Möglichkeit hatte, Dinge zu verschweigen (siehe den Chapman-Inquest).

Viele Grüße,
Shadow Ghost

Offline panopticon

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Hallo Lestrade! Hallo Shadow Ghost!

Bevor ich euch (im nächsten Posting) bezüglich der Berichte antworte, hier derweil noch mal etwas zu dem Band an Kellys rechtem Bein:
 
Was auch immer Kelly da an den Beinen trug (und unabhängig davon, ob nun ein Bein irgendwie abgetrennt wurde, oder nicht): Aufgrund der von Dr. Bond beschriebenen Verletzungen am linken Bein, hätte der Täter dort wohl (zwangsläufig) zumindest das Band ´entfernen´ müssen. Ich habe mich daher jetzt nochmals auf den Tatortfotos nach einem zweiten Band umgesehen (Siehe Bild):

Obere Reihe (Grüner Bereich): Für was haltet ihr diese sehr dunkle ´Zäsur´ zwischen Kellys Beinen? Eventuell Band Nr. 2 vom linken Bein? Oder etwas anderes?

Zum Thema Stoff:
Untere Reihe (roter Bereich): Ich habe bei der zweiten Detailaufnahme jetzt mal wirklich nur jenen Bereich in etwa eingefärbt, der auf gar keinen Fall Stoff (sondern tatsächlich Marys Bein) zu sein scheint. (Beim anderen Tatortfoto ist das aufgrund der Überbelichtung schwer möglich - außer in den jeweiligen Bereichen direkt um die eindeutigen Verletzungen, eine genauere Abgrenzung wäre allerdings schon sehr spekulativ.) Wäre interessant, mit welcher Art Stoff wir es hier überhaupt zu tun haben könnten...

Ich persönlich denke zumindest momentan nach wie vor, dass Kelly eher (wie ab etwa 1850 viele Frauen des Nächtens) ´Beinkleider´ zum Nachthemd trug als Strümpfe, wobei mir auch gerade spontan die Illustration zum Mordversuch an Ada Wilson einfällt...


Liebe Grüße,
panopticon


@ Lestrade: Mercy beaucoup!
« Letzte Änderung: 31.03.2010 19:16 Uhr von panopticon »

Offline Lestrade

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Hi Shadow !

Nach deiner Erklärung kann ich den Dingen jetzt besser folgen...

Möchte dennoch nicht ganz ausschließen, das Vermutungen oder andere Rückschlüsse bzw. Überlegungen, wie immer die auch aussahen, in anderen Statements, einen Weg zu bestimmten Personen fanden.

Bedenke, schon die Krise vor, während und auch nach den Whitechapel- Ereignissen in der Polizeiführung, war höchst kritsich zu bewerten und sehr unprofessionel gewesen. Dies könnte sich auf andere Bereiche gefärbt haben.

Beste Grüße.
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Offline Lestrade

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Hi panopticon !

Ich kann das einfach nicht richtig einschätzen.

Sie trug Strümpfe und ein Nachthemd. Würd ich mal sagen.

Ich würde da zuviel hineininterpretieren.

Lessi.
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Offline Shadow Ghost

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@Lestrade

Du hast sicherlich recht, dass Theorien oder Überlegungen der Ärzte auf irgendwelchen Wegen zu bestimmten Leuten gelangt sein können; Buschtrommeln gibt es heute und gab es damals sicherlich auch schon. Aufgrund vieler fehlender Unterlagen können wir leider nicht mehr nachverfolgen, wer wann was zu wem gesagt haben könnte, und wahrscheinlich konnte man das damals schon nicht. Aber gerade deshalb macht uns das Spekulieren hier ja soviel Spass...

@panopticon

Wieder mal eine tolle Arbeit  :icon_thumb:
Dennoch muss leider eingestehen, dass ich so gut wie nichts auf den Bildern erkennen kann. Ist die dunkle Zäsur im grünen Bereich das zweite Band (Strumpfband? Ich kenne mich da nicht so aus)? Oder ist es einfach nur eine Falte im Laken, die einen Schatten wirft? Ich bin ehrlich: ich kann es nicht sagen!

Genauso kann ich bei dieser Aufnahme nicht sagen, wo Stoff ist und wo Haut/Fleisch; ich orientiere mich mehr an der anderen Aufnahme, bei der ich einen blutbefleckten Strumpf zu erkennen glaube. Letztlich ist es wohl auch egal, was Kelly noch an hatte.
Nur ein Gedanke noch: Dr Phillips beschreibt, dass Kelly ihre Bluse oder eine Art Unterwäsche trug. Das oder deute ich so, dass eine Art Unterhemd gemeint ist. Hätte er nicht ein Beinkleid extra erwähnt? Ich meine, einen Strumpf kann man schon mal vergessen oder auslassen, aber ein Beinkleid?
Naja, aber da Dr Bond sagte, Kelly wäre gar nackt gewesen, sollte man auf die Beschreibung von Kellys Kleidung durch die Mediziner nicht all zu viel geben.

Viele Grüße,
Shadow Ghost

Floh82

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Ich habe die Berichte der Gerichtsmediziner jetzt nicht im Kopf, aber ist dort von gebrochenen bzw. stark verrenkten Knochen/Gliedmaßen die Rede?

Für mich stellte sich das bisher so dar, dass der Täter die Beine ziemlich heftig zur Seite bewegte, nach unten drückte und dabei das rechte Bein eben fast abtrennte. Auf dem bekannteren Foto von den beiden Tatortfotos sieht man wenn ich es richtig deute bis auf den Knochen. Trotzdem macht es für mich den Eindruck als wäre der Knochen noch mit dem Körper verbunden...wenn auch auf eine sehr eigenartige Art und Weise (soll heißen: Anatomisch nicht mehr korrekt...als wäre das Bein "ausgekugelt")

Offline panopticon

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Generell denke ich ja auch, dass man ein komplett abgetrenntes Bein prinzipiell in einem Bericht hätte erwähnen müssen. Dass Philipps bei der PST Inquest aber eben nicht eindeutig widersprach und die Frage im Endeffekt dermaßen offen im Raum stehen ließ, ist schon bemerkenswert. Ebenso die Frage, wie der Coroner überhaupt auf ein abgetrenntes Bein gekommen ist. Aus den uns bekannten Tatortfotos geht eine komplette Abtrennung (von welchem Bein nun auch immer) nicht eindeutig (!) hervor, auch wenn eine solche meines Erachtens nach, eben auch nicht auszuschließen ist. (Mich brachten die Bilder ja auch auf diese Idee.) Mit ´daneben´ meinte ich auf jeden Fall eben ´irgendwie extrem verdreht´ bis hin zu ´ausgekugelt´, aber wie weit das bei einer Durchtrennung diverser Bänder, Sehnen und Muskeln tatsächlich gehen kann?  Irgendwie kommen mir da dennoch einige Winkel und Abstände seltsam vor, und zudem bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich da zwischen den Aufnahmen der beiden Fotos außer der Kameraposition (und vielleicht der Stellung des Bettes) nicht eventuell noch irgendetwas verändert hat...

Was die Berichte betrifft: Ich habe gerade im Sourcebook nachgesehen: Auch wenn sie darin andersrum zu finden sind: Das ´Profiling´ von Bond über alle kanonischen Fälle ist mit 10. November datiert. Er erwähnt, dass er eben auch schon ´a Post Mortem Examination´ gemacht hat. Phillips sagte am 12. November bei der Inquest aus, und der ´Post Mortem´-Bericht von Bond an Anderson ist mit 16. November datiert, wenn ich mich da jetzt nicht irgendwo verschaut habe. Fragt sich halt, ob letzterer Bericht im Vergleich zum ´Profiling´ nicht etwas spät daherkommt? Wenn Bond sich allerdings noch mit Philipps besprechen wollte, und daher vorerst mal zum Profiler wurde, wäre das schlüssig - aber ließe der Zeitungsartikel nicht vermuten, dass dies, inklusive Versand an Warren, eben schon am 10. November stattgefunden hat? Hm. Natürlich mag da jetzt überhaupt nichts dran sein, aber wenn da mal irgendwo noch ein Bericht von beiden Dottores auftaucht, würde es mich auch nicht sonderlich verwundern...


@ Shadow Ghost:
Danke. Mir ging es primär darum, zu zeigen, was ich wo in etwa meine - wer dieses wirklich furchtbare Szenario in größerem Format daheim hat, kann sich daran orientieren.
Was den schwarzen Bereich angeht: Da bin ich mir auch nicht so sicher, aber für so eine Falte in einem Bereich, der nicht ganz so blutdurchtränkt ist wie andere, sieht es schon extrem dunkel aus, und weist auch kaum Struktur auf. Das Material, das Licht am stärksten von allen absorbiert, wäre ja schwarzer Samt, der auch oft für diverse Bänder verwendet wird – ob wir es hier aber tatsächlich damit zu tun haben, ist eine andere Frage. Die Form könnte zumindest passen. Interessant sind auch diese hellen ´Schlieren´  darum herum – also solange das nicht irgendwelche mechanischen Abreibungen o. ä.  auf der Bildoberfläche selbst sind, könnte man fast annehmen, dass das so ähnliche Fasern sind wie die, die auch am rechten Oberschenkel zu sein scheinen...

Ein Strumpf ist auch möglich, aber was ich mit ´Beinkleid´ konkret meine, sind so genannte ´open drawers´, die gerade zu dieser Zeit in allen Bevölkerungsschichten stark in Mode waren. Sie waren im Schritt komplett offen (also eigentlich fast zweiteilig), an der Vorderseite einfach nur zusammengebunden und die Hosenbeine in manchen Ausführungen mit einem Band unterhalb des jeweiligen Knies am Unterschenkel befestigt. Aufgrund der Schnitte, die der Mörder laut Fotos und Bond´s Bericht hier auf jeden Fall setzte, hätte Bond davon wohl auch nur noch genau den Teil zu sehen bekommen, den das Band am rechten Unterschenkel befestigte, der Rest davon wäre  wohl irgendwo unter Marys Körper oder in Fetzen daneben am Bett gelegen. Mir wurde in einem Buch über Modegeschichte ein Modell gezeigt, das dem Kleidungsstück hier schon extrem nahe kommen könnte. Im Internet finden sich so manche Darstellung von Vergleichbarem, wenngleich ich noch nichts gefunden habe, das dem auf dem Bild, das mir gezeigt wurde, exakt entspricht.


Grüße,
panopticon
« Letzte Änderung: 01.04.2010 02:57 Uhr von panopticon »

Offline Shadow Ghost

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Open Drawers? Ah! Jetzt habe ich Deinen Gedanken, panopticon! Diese Möglichkeit hatte ich bislang nie in Betracht gezogen; nicht ziehen können, da ich von Mode keine Ahnung habe (musste deshalb danach googlen). Interessanter Aspekt! Wäre dem wirklich so, ergäbe sich (auch in meinen Augen) durchaus die Möglichkeit, dass Kelly auch im Schlaf überrascht worden sein könnte, was bei der Ein-Socken-Theorie eher unwahrscheinlich ist.

Offline Lestrade

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Liebe Freunde !

Wie bereits erwähnt, ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Ärzte einer gewissen Theorie oder Ansicht unterlagen, die sie auch der Polizei mitgeteilt haben. Mit dem Wissen was sie in 1888 besaßen, halte ich die Möglichkeit, dass die Ärzte einen Butcher verdächtigten, für sehr hoch. Abbberline erwähnte mal, "das kein Butcher, Jude oder Matrose" der Täter war. Steht allerdings eher als ein Zeichen dafür, dass sie genau diese Leute unter der Lupe hatten. Sagar´s Butcher´s Row Statement kommt noch dazu. Cox könnte vom gleichen, observierten Mann gesprochen haben. Momentan fallen mir nur zwei Butcher ein, die in diesem Fall eine Rolle spielten. Issenschmidt und Jacob Levy.
Salomon de Leeuw sein Geschäft mit der Nummer 59 in der Butcher´s Row vermute ich als das observierte Geschäft. Er gab es kurze Zeit später an George Louissian ab. Die Nummer 57 übernahm George´s Vater Frederik Louis Louissan von Cooke & Banks. Hinter diesen Geschäften wurde geschlachtet. F.L. Louissan war durch gesellschaftliche Aktivitäten mit Martin Kosminski verbunden. Diesem Martin Kosminski war Joseph Hyam Levy bekannt. Warum sollte J.H.Levy gegenüber Kosminski nicht irgendwann einmal einen Verdacht gegen Jacob Levy ausgesprochen haben? Einfach so oder unter Vorbehalt des Schweigens. Diesen Hinweis (oder genau wegen J.H. Levy´s Verhalten), könnte Martin Kosminski der Polizei als Tipp weitergegeben haben. Die Polizei muss ja nichts von der Verbindung zwischen J.H.Levy und Martin Kosminski mitbekommen haben. Falls es Schwierigkeiten mit der Identifizierung von Jacob Levy gegeben hatte, so hätte man ihm auch ersteinmal den Namen "Kosminski" gegeben haben. Quasi von dem Mann (Martin Kosminski) abgeleitet, von dem der Wink kam. Solange, bis der Verdächtige identifiziert werden konnte. Dann wäre meine Suche nach Kosminskis echt für´n Arsch gewesen...

Viele Grüße, Lestrade.
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Offline panopticon

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@ Shadow Ghost:
In der Tat würde eine solche Unterwäsche in Zusammenhang mit anderen Faktoren (wie auch dem zusammengelegten Restgewand, dessen Platzierung in einer regnerischen Nacht vor dem Kamin, dem Feuer darin, der Bloßfüßigkeit von Kelly, dem zerschnittenen Laken in Kopfnähe (Bond), den Möbeln in Türnähe (Phillips), der eventuellen Positionsveränderung der Toten (ebenfalls Phillips), und Kellys angeblichem Vorhaben, zur Lord Mayor Show zu gehen) eher darauf hinweisen, dass Kelly im Schlaf überrascht wurde... Fragt sich, ob der Täter dann eben eher eingebrochen ist, oder bereits anwesend war, als sie sich hinlegte. Zum MO des Rippers bis zu diesem Zeitpunkt passt das nicht, aber er schlug bis dahin ja auch noch nie in der Unterkunft eines Opfers zu. (Wobei ich anmerken möchte, dass ich persönlich Kelly eigentlich definitiv als Opfer des Rippers sehe und davon ausgehe, dass dieser seine späteren Opfer nicht an den Tatorten selbst ´aufspürte´.)

Da Dr. Bond scheinbar nicht wirklich auf Marys Kleidung achtete, habe ich mir nochmals die Inquest-Aussage von Dr. Phillips und den möglichen tatsächlichen Wortlaut  angesehen, mit dem er beschrieb, was Kelly anhatte. Die Zeitungen machen darüber ja verschiedenste Angaben, die von ´only her chemise´ (Daily News, 13. November) und ´only her nightdress´ (The Echo, 12. November) über ´only her chemise, or some under-linen garment´ (Morning Advertiser, 13. November) bis hin zu ´only an under-linen garment´ (Inquest Papers, laut Sourcebook und Daily Telegraph, 13. November) reichen.

Außer im Bericht in der Daily News, deuten alle Berichte darauf hin, dass Phillips eine nicht sehr konkrete Angabe gemacht hat, und in erster Linie von ´Leinenunterwäsche´ sprach, was dann auch dazu geführt haben könnte, dass der Echoreporter diese auf ´nightdress´ (was sowohl als ´Nachthemd´, als auch als ´Nachtgewand´ aufgefasst werden kann) verkürzte, beziehungsweise als solches interpretierte. (Was immerhin beweist, dass Kellys Gewandung zumindest durchaus den Schlafgewohnheiten der damaligen Zeit entsprach.) Am wahrscheinlichsten ist eben, dass Phillips tatsächlich ´only her chemise, or some under-linen garment´ gesagt hat. Was ließe sich daraus schließen? Ich denke, dass es zeigt, dass Phillips sich auf jeden Fall sicher war, dass Kelly zumindest ein Oberteil anhatte, sich allerdings nicht genau sicher war, ob dieses nicht auch eventuell in eine Hose mündete (quasi ein Einteiler), oder ob Kelly aber ursprünglich nicht sogar eine Kombination aus Chemise und Unterhose (z. Bsp eben ´open drawers´) getragen hatte. Im Grunde könnte man festhalten, dass alles, was Kelly am Körper trug, sehr wahrscheinlich aus Leinen bestand, was auch erklären würde, warum es sich im überbelichteten Teil des frontalen Tatortbildes im Bereich der Beine optisch nur sehr schlecht von Haut unterscheiden lässt....


@ Floh: Hm, ob der Knochen wirklich noch mit dem Körper verbunden ist, kann ich nicht so recht ausmachen. Über verrenkte oder gebrochene Gliedmaßen / Knochen habe ich jetzt beim nochmaligen Überfliegen nichts Explizites gefunden – Der rechte Arm wird von Bond als ´slightly abducted from the body´ bezeichnet, und dann fand ich noch die diese Winkelangabe der Beine - meinst Du das?


@Lestrade: Also Bond´s ´Profilingversuch´ lässt da bezüglich eines Butchers auf einen recht unschlüssigen Doktor schließen : Einerseits schrieb er ja, dass er denkt, dass der Täter seiner Meinung nach nicht einmal das technische Wissen eines Butchers oder Pferdeschlachters besaß, andererseits hält er es für möglich, dass die Tatwaffe ein langes Klappmesser (Dr. Killeen´s "pen knife" lässt grüßen! ;) ), oder das Messer eines Artztes oder Butcher´s war, und außerdem tippt er eben auf einen starken Mann. Die einzige Berufsgruppe, die sich da eindeutig herauslesen lassen würde, wäre wohl (verrückte) Messerhändler oder -schleifer.  :icon_mrgreen:


Grüße,
panopticon
« Letzte Änderung: 02.04.2010 20:10 Uhr von panopticon »

Offline panopticon

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Hier noch ein paar interessante Absätze aus den Berichten der Zeitungen über die gerichtliche Untersuchung und die Untersuchungen der Ärzte


The Times, Montag, 12. November 1888

´Bereits um 7.30h am Samstag Morgen führte Dr. Phillips, assistiert von Dr. Bond (Westminster), Dr. Gordon Brown (City), Dr. Duke (Spitalfields) und seinem (Dr. Phillips´s) Assistenten, eine gründliche Untersuchung der Leiche in dem an die Whitechapel Church angrenzenden Leichenhaus durch. Es wurde bekannt, dass kein Teil fehlte, nachdem Dr. Phillips die abgeschnittenen Körperteile in die richtigen Stellen ´eingepasst´ hatte. Bei der ersten Untersuchung, die nur von oberflächlichem Charakter war, wurde gedacht, dass ein Teil des Körpers verschwunden war, aber dies ist nicht der Fall. Die Untersuchung wurde genauestens  durchgeführt und dauerte über 2 ½ Stunden. Danach wurden die verstümmelten Teile an den Körper genäht, wodurch die Jury des Coroners von der unangenehmen Pflicht verschont bleiben wird, das grausige Spektakel bezeugen zu müssen, dass sich jenen präsentierte, die den Mord entdeckten. Die Asche, die im Kamin des von der verstorbenen Frau gemieteten Raumes gefunden wurde, wurde auch einer Suchuntersuchung unterzogen, aber nichts konnte dabei eingesammelt werden, das geeignet sein könnte, auch nur irgendein Licht auf diesen schockierenden Fall zu werfen.´



The Star vom 12. November 1888:

´(...)
An dieser Stelle
(nach Barnett´s Aussage, Anm.) wurde eine Nachricht von Dr. Phillips an das Gericht übergeben, in der dieser fragte, ob er heute kommen solle, um seinen Befund abzugeben.

Der Coroner meinte, dass er ihnen nur in groben Zügen eine Vorstellung von der Todesursache geben, und sich die Details für einen künftigen Tag aufsparen solle und ließ ihm eine Nachricht mit diesem Ergebnis zusenden.
(...)
´



Pall Mall Gazette, 13. November 1888

´
WARUM WURDE DIE GERICHTLICHE UNTERSUCHUNG SO SCHNELL ABGEBROCHEN?

Aufgrund der abrupten Beendigung der Befragung machte sich etwas Überraschung unter jenen breit, die bei der gerichtlichen Untersuchung in der Shoreditch Town Hall anwesend waren, zumal es wohlbekannt war, dass weitere Beweise noch bevorstanden. Der Coroner selbst sagte der Jury ausdrücklich, dass er nur den vorläufigen Teil von Dr. G. B. Phillips´s Befund aufnehmen werde. Der Rest würde vollständig in einer vertagten Befragung abgegeben werden.  An Dr. Phillips wurde keine Frage bezüglich der verstümmelten Teile der Leiche gestellt, und der Coroner empfand es als unpassend, den Doktor zu fragen, ob irgendwelche Körperteile fehlten. Der Doktor sagte während der Befragung zum Coroner, dass seine Untersuchung bis jetzt noch nicht abgeschlossen sei. Sein Gedanke war, dass die Beendigung der Rechtssprechung verzögert werden könnte, wenn er jeden Fakt, der in Zusammenhang mit diesem schrecklichen Mord ans Licht gebracht wurde, augenblicklich publik machen würde. Dr. Phillips´s Untersuchung der Leiche am Samstag dauerte über 6 1/2 Stunden.´


Wer war denn nun eigentlich der Leiter der Post Mortem Untersuchung? Dr. Bond oder Dr. Phillips? Und von wem würde man sich einen Endbericht folglich erwarten? Laut Zeitungen wurde ja scheinbar Dr. Phillips von Dr. Bond assistiert. Dazu kommt, dass im Post Mortem Bericht von Dr. Bond die Lage der Toten im Miller´s Court beschrieben wird, was dafür spräche, dass wir es hier mit der nur ungefähren Untersuchung am Tatort zu tun haben könnten, von der in den Zeitungen berichtet wurde... :icon_rolleyes:


Grüße,
panopticon