Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 308360 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #75 am: 19.10.2015 15:38 Uhr »
Habe noch einmal ein wenig nachgelesen:

Macnaghten, Days of my years 1914 (da war er 61 Jahre alt, er starb mit 68):

"On 7th August the body of Martha Tabram was discovered lying on the stairs of a house in George Yard. Her death was due to a number of wounds in the chest and abdomen, and it was alleged that a bayonet had been the weapon used upon her"

(Memorandum 1894: The body of Martha Tabram, a prostitute, was found on a common staircase in George Yard buildings on 7th August 1888; the body had been repeatedly pierced, probably with a bayonet.)

“In this case there can be little doubt but that the murderer was disturbed at his demoniacal work by some Jews who at that hour drove up to an anarchist club in the street.”

Die kamen natürlich nicht alle drei mit der Kutsche (falls Lawende, Levy und Harris gemeint waren) aber er war schon über 60 und die Morde ca. 25 Jahre her. Der einzige der mit einer Kutsche kam war Diemschütz.

Er glaubte an Druitt. Diese Annahme hat sicherlich vieles bei ihm beeinflusst.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #76 am: 19.10.2015 17:17 Uhr »
Hallo Lestrade!

Dass Macnaghten eher Druitt bevorzugte, lag vermutlich daran, dass er gewisse private Informationen über ihn erhalten hatte, wie er geschrieben hat.
Vielleicht sollten die drei aber auch nur als Beispiele zur Abgrenzung gegen Cutbush fungieren, so nach dem Motto: JTR gehört unseren Ermittlungen zufolge in eine ganz andere Kategorie von Leuten; wir konnten einen gewissen Personenkreis eingrenzen, und Cutbush gehört nicht dazu, wir gehen davon aus, dass JTR entweder tot oder in der Anstalt ist, denn er hätte nicht so lange Pause gemacht...


Aber zurück zu Kozminski: Ich denke, das wäre ein wichtiges Indiz:
Eine Einweisung von Aaron Kozminski in eine private Anstalt in Surrey Anfang 1889 würde die Lücke bis Colney Hatch füllen und außerdem eine weitere Übereinstimmung zu den Aussagen von Macnaghten und Cox bedeuten.
Das würde seine Spitzenposition unter den Verdächtigen weiter ausbauen. Wenn seine Verwandten ihn unter einem falschen Namen dort untergebracht hätten, wäre das allerdings schwer herauszufinden.

Als letzte Ungereimtheit, die gegen Kozminski sprechen würde, müsste dann noch geklärt werden, wieso alle Zeugen kurz vor den Morden nur Männer mittleren Alters bei den Opfern gesehen haben, und keine jüngeren. Es sei denn, Kozminski sah durch seine Erkrankung schon mit 23 rund zehn Jahre älter aus. Oder Macnaghten hatte recht, und der Ripper wurde tatsächlich wirklich nie mit den Opfern gesehen, sondern nur irgendwelche Männer vor ihm - was ich allerdings angesichts der engen Zeitrahmen bei Chapman und Stride für unwahrscheinlich halte.

Was noch ein gutes Indiz für den Verdacht gegen Kozminski ist:
Dass sein Bruder Isaac Abrahams ein Schneider war, wäre ein Lösungsansatz für das Kleiderproblem des Mörders. Damit gab es in der Familie immer genug Kleidungsstücke zum Wechseln, und wenn Kozminski sich in schlechten Phasen seiner zunehmenden psychischen Erkrankung sowieso öfter mal gehen ließ, dürfte er wohl auch regelmäßig frische Kleidung gebraucht haben. Was meinst du?

MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 19.10.2015 17:29 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #77 am: 19.10.2015 17:59 Uhr »
Hey Arthur...

Ich kann deinem Post nicht viel hinzufügen. Ob es damals ein großer Unterschied war 23 oder 30 zu sein? Meine ehrliche Antwort ist: Ich weiß es nicht.

Mrs. Long and Lawende müssen den Ripper mit ihren späteren Opfern (Chapman, Eddowes) gesehen haben. Bei Hutchinson bin ich mir überhaupt nicht sicher, bei Schwartz habe ich leise Zweifel...
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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #78 am: 19.10.2015 21:58 Uhr »
Das Buch von Jonathan H. ist wohl jetzt erhältlich sehe ich gerade:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=24530

Ganz schön teuer, ich warte noch etwas und dann schlage ich zu, vielleicht wird das ebook preiswerter, mal sehen.

"Police chief Sir Melville Macnaghten claimed to know the truth from “private information,” but his source has remained unknown for more than a century. Here, the identity of Sir Melville’s informer is revealed, explaining why the Ripper was disguised as an insane surgeon for public consumption. A number of photos are included, some never before seen."

Das klingt doch schon einmal spannend...
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #79 am: 21.10.2015 17:48 Uhr »
Hallo Lestrade,

wenn da tatsächlich neue Quellen offenbart werden - insbesondere jene private von Macnaghten - könnte das wirklich interessant sein und vielleicht endlich aufdecken, wie Macnaghten zu seinen Ansichten gekommen ist.

Vielleicht passt das ja zu dem Zeitungsartikel von Sims:
"A lady from this city visiting a distinguished official in London, states in a letter written to friends here that the Ripper has been under arrest in the London metropolis for some time. He is a medical student and was arrested on the strength of information given by his own sister.
The authorities, the letter states, have kept the matter a strict secret in order to work up the case against the prisoner, and they are said to have a very complete chain of evidence."


Aber erst einmal die Rezensionen abwarten. In Werbung wird immer gern viel versprochen, das war doch bei vielen Ripper-Büchern so: "Fall gelöst!" usw.
Und am Ende findet man zwar vielleicht ein paar interessante neue Aspekte darin, aber der versprochene große Wurf war es entgegen der Werbung trotzdem nicht.

Mir ist auch nicht klar, inwiefern der Ripper als irrer Chirurg oder Wundarzt vor der Öffentlichkeit kaschiert worden sein soll? Die Polizei hat doch nie auf einseitigen Thesen bestanden, sondern in alle Richtungen ermittelt und verdächtigt.
Nun, wir werden es bald erfahren.

MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 21.10.2015 18:26 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #80 am: 21.10.2015 19:57 Uhr »
Genau... mal sehen, wie man eigene Ideen mit einbringen kann...

Das Zitat könnte zu Druitt als auch zur Schwester von Aaron Kozminski, Matilda, passen...
« Letzte Änderung: 21.10.2015 21:25 Uhr von Lestrade »
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #81 am: 31.10.2015 18:07 Uhr »
Hallo Lestrade,

Hyam Hayms können wir uns demnächst gerne mal vornehmen - von dem weiß ich aber leider nur sehr wenig, so dass ich erst etwas Zeit zum Einlesen bräuchte.


Zuvor aber noch eine Frage zum Suspect Jacob Levy - du hast doch mal diese ganzen komplexen Verwandtschaftsverhältnisse durchgearbeitet:

Ich hatte zunächst gar nicht so auf dem Schirm, dass Jacob auch noch mit den Levys aus der Mitre Street verwandt sein könnte, weil "Levy" ein Allerweltsname ist und viele osteuropäische Einwanderer ihn angenommen haben.
Dann bin ich aber über deine Bemerkungen zum Levy-Clan aus der Mitre Street gestoßen, und darin führst du aus, dass Joseph Hyam Levy und vermutlich auch Jacob Levy mit ihnen verwandt waren.
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1470.15.html  #22

Wenn dies zutreffen sollte, wäre das ein interessantes zusätzliches Puzzle-Teil der Levy-Hypothese:
Dann würde Jacob, wenn er der Ripper war, nämlich noch näher an die Tatorte heranrücken.
Da wäre dann nicht nur sein Bruder Isaac Levy in der Goulston Street, Model Dwellings 130.
Sondern auch die Mitre Street Bewohner (z.B. Samuel Levy als Orangenverkäufer in der Mitre Street 20) beim Eddowes-Tatort, und zudem noch John Levy's Cigar Shop in der Whitechapel Road 254 in der Nähe der Tatorte Buck's Row und Berner Street. Tatorte nahe bei Verwandten, Schürze nahe beim Bruder, Messer nahe am Cigar Shop, und passend dazu die Aussage von Cox: "He occupied several shops in the East End"...
Das würde vielversprechend klingen.

Daher meine Frage: Gelten diese Levys inzwischen nachgewiesen als verwandt bzw. gibt es zumindest plausible Hinweise darauf - oder sind das nur Mutmaßungen?


Happy Halloween, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #82 am: 31.10.2015 18:48 Uhr »
Hey Arthur,

In Sachen Hyam Hyams muss ich mich auch erst wieder korrekt einfühlen. Auch zu den Levy Sachen. Die letzten Jahre stand Kosminski/Cohen im Focus und werden es auch noch die nächste Zeit. Dennoch sind Levy und Hyams Personen die mich faszinieren und denen ich mich gerne (wieder) widme bzw. widmen möchte. Neubetrachtungen, dafür kann ich mich begeistern, halte das für sehr sinnvoll und auch nötig. Man denkt sehr oft, dass man etwas weiß aber was weiß man denn wirklich schon? Und plötzlich erscheinen einem dann die Dinge in einem gänzlich neuen Licht. Gehe davon aus, dass alles, was ich zu den genannten Personen geschrieben habe, immer nach besten (aktuellen) Wissen und Gewissen erfolgte. Leider gehöre ich zu den Kandidaten, die Fadenübergreifend schreiben und so wird man viele Dinge über diese Personen genau dort finden, wo sie nicht hingehören und meistens dann auch sehr umfangreich. Also Du findest eher detaillierte Angaben über Levy in einem Charles Cross Faden als in seinem Bereich als Verdächtiger. Deshalb finde ich deine Zusammenfassungen sehr gut, weil sie dahin kommen, wo sie hingehören. Ich bin da wirklich schlampig aber auch so ein bisschen der Peter Ludolf der Ripper Szene, der in seinem Schrotthaufen dennoch die Dinge (wieder) findet. Mit ein wenig Geduld und Spucke kriegen wir das hin. Bin noch nicht ganz gesund und heute was großer Gartentag und momentan mache ich nur das nötigste, hab daher etwas Geduld mit mir. Außerdem bist Du ja eher scheinbar unabhängig von anderen und suchst eher den Austausch/ Dialog, so mein Eindruck. Finde ich persönlich absolut prima.

Halloween finde ich ganz gut, mache aber nicht mit. Mein Kostüm würde aber ungefähr so aussehen:

https://www.youtube.com/watch?v=a4FZtiHqD9E

Happy Halloween Dir,

Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #83 am: 01.11.2015 23:33 Uhr »
Hyam Hayms können wir uns demnächst gerne mal vornehmen - von dem weiß ich aber leider nur sehr wenig, so dass ich erst etwas Zeit zum Einlesen bräuchte.

Gestern im Casebook Forum, Scott Nelson:

Hi Tracy,

Debs discovered that the Hyam Hyams who grew up on Mitre street was different from the one who went to the asylum. Also that the asylum-bound Hyams was not the "terror of the city police", but rather terrified of the police (apologies , trying to quote from memory).

This doesn't mean that the Colney Hatch Hyams couldn't have been the Ripper.


Das ging dann auch an mir vorbei. Also falls wir uns damit befassen sollten, werden wir das beachten müssen.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #84 am: 05.11.2015 22:20 Uhr »
Hallo allesamt!


Ich habe noch einige neue Aspekte zu meiner Zusammenfassung über Jacob Levy als Tatverdächtigen hinzuzufügen.


"Butcher's Row Suspect" - Erweiterte Fassung:

Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in der Butcher's Row zu observieren.
Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo der Metzger Jakob Levy wohnte.
Sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar.

In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Verdächtigen unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich (wie Levy) von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Auch Detective Inspector Henry Cox wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen der City Police zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen.
Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."

Es ist nicht ganz klar, ob Sagar und Cox dieselbe Person an demselben Ort observierten, oder ob es sich um zwei völlig unterschiedliche Überwachungen handelte.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass beide in der Nähe der Butcher's Row eingesetzt waren:
Denn Cox erzählte, wie er dem Verdächtigen nachts gefolgt sei. Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, habe er gewartet, bis er um die Ecke gebogen sei, und sei ihm dann in die Leman Street gefolgt, welche nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street entfernt nach Süden verläuft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, sie seien Fabrik-Inspektoren, die Schneidereien auf Beschäftigung von Minderjährigen überwachten: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age."
Und es gab viele Schneider in der Middlesex Street, die bis heute für den Petticoat Lane Street Market bekannt ist.
Hinzu kommt, dass der Zeuge George Hutchinson ausgesagt hatte, er habe vermutlich den verdächtigen Kunden von Kelly zwei Tage nach dem Mord in der Petticoat Lane wiedergesehen.
Dies lässt es plausibel erscheinen, dass das Observationsteam von Cox in der Middlesex Street tätig war, in unmittelbarer Nähe zu den zahlreichen  dort angesiedelten Schneidern, der die Straße ihren früheren Namen Petticoat Lane verdankte.

So ist es gut möglich, dass sowohl Sagar als auch Cox in der Umgebung von Aldgate High Street und Middlesex Street eingesetzt waren.
Vielleicht war es tatsächlich Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.


Interessant ist jedoch noch ein weiterer Aspekt:

Cox schrieb: "He occupied several shops in the East End" - und wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben (z.B. zu George Bolam, der selbst in der Middlesex Street wohnte). Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein.
Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.

Darüber hinaus gab es im Eastend noch die Shops des Levy-Clans aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road 253.

In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.

Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde im Model Dwellings 130 in der Goulston Street lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.
 

Fazit:
Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. Unabhängig davon befand er sich zudem im Bereich der von den Polizisten beschriebenen Observationen.


MfG, Arthur Dent



@Lestrade: Auf das Problem mit den beiden Hyams bin ich auch gestoßen, als ich angefangen habe, über ihn nachzulesen.  :shok:
« Letzte Änderung: 05.11.2015 22:41 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #85 am: 06.11.2015 09:59 Uhr »
Guten Morgen Arthur,

Ich gehe davon aus, dass die Polizei, zwischen dem 3 und 18 Oktober, keinen Stein auf dem anderen in dieser Gegend gelassen hatten. Es ist ja auch bekannt, dass alle Butcher und Slaughterer und ihre Angestellten genauer unter die Lupe genommen wurden. Wir können fast mit rechnen, dass auch Jacob Levy Rede und Antwort stehen musste.

Im Falle von Cox, fällt es mir schwer an einen Vollzeit Butcher zu denken. Die Straße in der er überwachte, sollte es sehr, sehr viele Schneider und Hutmacher etc. gegeben haben und das wäre in der Butchers Row nicht der Fall gewesen. Cox sprach von einem Shop "the shop of the man, the door of his little shop, his own house", was vieles bedeuten kann aber offenbar war dieser Verdächtige (wenigstens) des Nachts alleine. Jacob Levy war lange verheiratet und sie hatten Kinder. Ich weiß nicht ob das passt. Jemand, der tagsüber seinen (nicht Butcher) Shop unterhält und nachts u.a. mal in der Butchers Row ist, mal in einen Shop in der Leman Street und sonst wo, macht im Falle von Cox vielleicht mehr Sinn. Dann würde auch Sagar gut passen, der eben, neben Cox und Kollegen, den Standort Butchers Row bewachte. DC Smith and DC Miller machten ihre Überwachungen eben in der Leman Street oder in noch einer weiteren Straße. Abgesehen davon macht Sagar dann, so finde ich, mehr Sinn im Falle Jacob Levy als es Cox tut. Beide könnten unterschiedliche Meinungen bezüglich des Täters vertreten haben. Aber falls die Sagar Razzia und Observation im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row Sagar´s möglichen Ripper betroffen hatte, haben wir ein Problem, denn Jacob Levy saß bereits seit August 1890 in der Anstalt.

Desweiteren ist er nicht ganz der Mann, den das psychologische Profil "verlangt". Er war kein unverheirateter (oder kurzzeitig verheirateter) Mann ohne Kinder sondern das Gegenteil davon. Seine Frau hoffte, so lässt sich vermuten, noch lange auf seine Wiederkehr nach Hause, dass spricht für Jacob als Menschen ohne einen schlechten Kern. Die Polizei erwartet einen lokalen Einzelgänger mit Antisozialen Verhalten. Aber war Jacob Levy das, abgesehen von seiner Lokalität? Natürlich lief er nachts allein durch die Straßen aber das tun viele Schizophrene, die habe auch ich in meinem Bekanntenkreis.

Am Ende wäre er aber ein guter Kandidat für Sagar, falls dessen Überwachung im Bull Inn Yard im Dezember 1890 einen anderen Fall betraf (was ja gut möglich wäre).

Beste Grüße,

Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #86 am: 06.11.2015 10:29 Uhr »
Sorry, vergessen:

Cox:

"To understand the reason we must first of all understand the motive of the Whitechapel crimes. The motive was, there can not be the slightest doubt, revenge. Not merely revenge on the few poor unfortunate victims of the knife, but revenge on womankind. It was not a lust for blood, as many people have imagined.

The murderer was a misogynist, who at some time or another had been wronged by a woman. And the fact that his victims were of the lowest class proves, I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class."


Nichts ist unmöglich aber ich frage mich, ob ein Frauenhasser (misogynist) mit so einer Geisteskrankheit lange in Ehe mit Kindern leben konnte. Jacob Levy war vielleicht nicht reich aber auch keiner, der zu dieser "tiefen" Klasse der Prostituierten gehört hatte. Seine Verhältnisse waren geregelt und ich denke, der Ripper hat keinerlei Ordnung in seinem Leben. Da habe ich meine Zweifel aber er muss ja nicht der Verdächtige von Cox gewesen sein...
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Re: Jacob Levy
« Antwort #87 am: 06.11.2015 18:09 Uhr »
Hallo Lestrade,

derzeit fällt es mir schwer, die meisten deiner Kritikpunkte nachzuvollziehen.  :scratch_one-s_head:
Vielleicht habe ich - weil die Überlegungen für mich völlig schlüssig sind - etwas beim Aufschreiben geschludert.
Daher versuche ich es diesmal etwas ausführlicher zu erklären:


"Ich gehe davon aus, dass die Polizei, zwischen dem 3 und 18 Oktober, keinen Stein auf dem anderen in dieser Gegend gelassen hatten. Es ist ja auch bekannt, dass alle Butcher und Slaughterer und ihre Angestellten genauer unter die Lupe genommen wurden. Wir können fast mit rechnen, dass auch Jacob Levy Rede und Antwort stehen musste."

Ja eben, so könnte Jacob ins Visier der Polizei geraten sein, den Ermittlern könnte etwas an ihm und seinen Lebensumständen verdächtig vorgekommen sein.
 

"Im Falle von Cox, fällt es mir schwer an einen Vollzeit Butcher zu denken."

Jacobs Frau sagte bei der Einweisung, er habe fast ihr Geschäft ruiniert. Insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass Jacob sich bereits Ende 1888 tief in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale befand (vermutlich wurde er wegen des Diebstahls von vielen Kunden boykottiert, vielleicht kam noch hinzu, dass er immer seltsamer wurde), so dass er schließlich für die Familie noch woanders was hinzuverdienen gehen musste, indem er z.B. in den Geschäften seiner verbliebenen Freunde oder Verwandten gegen Bezahlung aushalf, während seine Frau in dieser Zeit versuchte, den eigenen Laden halbwegs am Laufen zu halten. Dies würde dann zur Aussage von Cox passen: "he occupied several shops in the East End".
Vielleicht hätte ich diese These etwas deutlicher hervorheben sollen.


"Die Straße in der er überwachte, sollte es sehr, sehr viele Schneider und Hutmacher etc. gegeben haben und das wäre in der Butchers Row nicht der Fall gewesen."

Stimmt, aber ich sprach ja in diesem Zusammenhang auch nicht von der Butcher's Row, sondern explizit von einer möglichen Überwachung der Middlesex Street / Petticoat Lane durch Cox, wo es eben tatsächlich viele Schneider gab. 
Sagar überwachte demnach die Butcher's Row, wo Levy bei Metzgerkollegen war, und Cox meiner These nach - getarnt als Fabrik-Inspektor gegen Kinderarbeit - die Middlesex Street, wo Jacob wohnte und sein eigener Shop war. Das passt zu Cox Ausführungen hinsichtlich der Schneider und der nächtlichen Verfolgung in die Leman Street.


"Cox sprach von einem Shop "the shop of the man, the door of his little shop, his own house", was vieles bedeuten kann aber offenbar war dieser Verdächtige (wenigstens) des Nachts alleine. Jacob Levy war lange verheiratet und sie hatten Kinder. Ich weiß nicht ob das passt. "

Wir wissen ja nicht, ob Levy und seine Frau auch wirklich noch die ganze Zeit zusammen wohnten, nur weil sie formal laut Census an derselben Adresse gemeldet waren.
Immerhin dürfen wir voraussetzen, dass zwischen beiden der Haussegen ganz gewaltig schief hing: Er hatte sich bei einer Prostituierten mit Syphilis angesteckt, war wegen Diebstahls verurteilt worden, was ihm in der Gemeinde viele Feinde gemacht haben dürfte, wurde immer seltsamer, trieb sich nachts herum und ruinierte langsam aber sicher ihr Geschäft.
Es kann also gut sein, dass seine Frau mit den Kindern aus Protest zeitweise die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, so dass er nachts alleine war (nach dem Motto: "Ich hab die Schnauze voll - ich ziehe zu meiner Mutter!"). Oder dass sie ihn aus dem Schlafzimmer rauswarf und er im Shop nächtigen musste...


"Aber falls die Sagar Razzia und Observation im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row Sagar´s möglichen Ripper betroffen hatte, haben wir ein Problem, denn Jacob Levy saß bereits seit August 1890 in der Anstalt."

Falls es so gewesen wäre, dann ja - aber das wissen wir ja nicht genau.


"Desweiteren ist er nicht ganz der Mann, den das psychologische Profil "verlangt". Er war kein unverheirateter (oder kurzzeitig verheirateter) Mann ohne Kinder sondern das Gegenteil davon. Seine Frau hoffte, so lässt sich vermuten, noch lange auf seine Wiederkehr nach Hause, dass spricht für Jacob als Menschen ohne einen schlechten Kern. Die Polizei erwartet einen lokalen Einzelgänger mit Antisozialen Verhalten.
(...)
Nichts ist unmöglich aber ich frage mich, ob ein Frauenhasser (misogynist) mit so einer Geisteskrankheit lange in Ehe mit Kindern leben konnte."


Nun ja, das mit Profilen ist so eine Sache, die sind - wenn gut gemacht - Hinweise in eine bestimmte Richtung, kein physikalisches Gesetz. Im Falle Levys würde es dann eben nicht um Frauenhass im Allgemeinen, sondern ganz speziell um einen Prostituiertenhass gehen - weil er sich bei denen angesteckt hatte und ihnen dann die Schuld an allen folgenden Katastrophen gab.
Und Jacobs Geisteszustand veränderte sich ja offensichtlich erst durch die Syphilis-Infektion mit ihren neurologischen Folgen hin zum asozialen - insofern ist es kein Widerspruch, dass er vorher ein guter Ehemann, Familienvater und Geschäftsmann gewesen sein kann. Dies würde auch erklären, warum seine Frau noch lange zu ihm hielt und versuchte, ihre Familie und das Geschäft zu retten.
Hier muss man aufpassen, nicht die verschiedenen psychischen Störungen und ihr Eintrittsalter durcheinander zu werfen:
Eine Geisteskrankheit (z.B. infolge der Syphilis-Infektion) kann sich in jedem Alter entwickeln und - wenn sie erst später im Leben auftritt - das Wesen eines bereits erwachsenen Menschen total verändern. Eine Geisteskrankheit von Kindheit an ist hingegen eher wie eine Persönlichkeitsstörung: beides prägt die Entwicklung der Person von Jugend an bis zum Erwachsenenalter, so dass diese Menschen dann tatsächlich von Anfang an daran gehindert sind, ein gesunde Entwicklung durchzumachen und ein normales Erwachsenenleben zu beginnen.
Erstere verlieren ihre geistige Gesundheit, zweitere hatten nie eine. Jacob gehörte aber offensichtlich zur ersten Kategorie des spät einsetzenden Irrsinns.


"Jacob Levy war vielleicht nicht reich aber auch keiner, der zu dieser 'tiefen' Klasse der Prostituierten gehört hatte. Seine Verhältnisse waren geregelt und ich denke, der Ripper hat keinerlei Ordnung in seinem Leben."
(...)
"I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class."


Ich sehe da keinen echten Widerspruch: Ein einfacher, heruntergekommener Metzger aus dem Eastend ist kein "gebildeter Mann", sondern ein "Working Poor" aus dem Armenviertel - zwar noch nicht ganz so am Ende wie die obdachlosen Prostituierten, aber er gehörte jedenfalls für die höheren Klassen damals eindeutig dort hin und dort dazu.
Diese Aussage von Cox richtet sich doch ganz offensichtlich gegen das Gerücht, dass JTR vielleicht ein Arzt o.ä. gewesen sein könnte, und will lediglich hervorheben, dass für ihn als Ermittler der Täter ein typischer Bewohner des Eastend war - einer "von denen" eben, aber keiner aus dem bildungsbürgerlichen Milieu.
Und "geregelt" waren Jacobs Verhältnisse 1888 mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr, sein Leben versank mit der Krankheit, dem Diebstahl, dem wirtschaftlichen Niedergang und den daraus folgenden Eheproblemen vielmehr im Chaos. 


Uff, das ist jetzt wieder länger geworden als geplant. Ich hoffe, damit sind meine Ausführungen etwas klarer geworden und vermeintliche Widersprüche aufgelöst.
 :flag_of_truce:


MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #88 am: 06.11.2015 21:11 Uhr »
Hi Arthur,

derzeit fällt es mir schwer, die meisten deiner Kritikpunkte nachzuvollziehen.  :scratch_one-s_head:

Das war überhaupt nicht als Kritik gedacht. Das waren überwiegend Gedanken, Überlegungen die helfen sollen. Wie Du weißt, habe ich ein Faible für Jacob Levy, ich versuche nur so gut und so tief es geht alles zu hinterfragen, auch mich selbst dabei. Das gleiche tat und tue ich in den Fällen von Kosminski, Cohen und Hyams.

 "Im Falle von Cox, fällt es mir schwer an einen Vollzeit Butcher zu denken."

Ich möchte dir das auch näher erklären.

Cox:

While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street

We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers.

I saw him come forth from the door of his little shop

back to the street he had left where he disappeared into his own house.


Sagar:

We had good reason to suspect a certain man who worked in "Butcher's-row", Aldgate

The theory of the city police is that "Jack the Ripper" was a butcher who worked in "Butchers' Row," Aldgate


Sagar überwachte einen Butcher, wir wissen nicht genau wann. Die Beschattung welche Cox durchführte, können wir von nach Kelly bis ca. drei Monate danach festlegen. Sagen wir November/Dezember 1888 bis ca. Februar/März 1889. Macnaghten sagte, dass "Kosminski" ca. März in eine Anstalt ging. Cox sprach nicht davon (very soon he removed from his usual haunts and gave up his nightly prowls). Entweder observierte er einen anderen Mann (allerdings passt es dennoch zeitlich gut zu Macnaghten) oder aber er hatte seinen Dienstauftrag erfüllt und andere Beamten waren anwesend, als dieser Verdächtige kurze Zeit später dennoch eingewiesen wurde (Sagar?). So sicher Sagar über einen Butcher sprach, so lässt Cox den Job seines Mannes offen. Er spricht jedoch über tailors and capmakers und über drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Nicht, dass es unmöglich war, zwischen diesen Berufen und Händlern einen Butcher Shop zu überwachen aber ich sehe keinen Hinweis darauf. 

Im Falle von Cox könnte aber dennoch die 36 Middlesex Street passen, Butcher hin oder her. Aber es klingt für mich so, dass dieser Shop des Mannes, sein kleiner Laden, sein eigenes Haus, der Hauptarbeitsort jenes Mannes war, eben vielleicht auch Jacob Levy aber dann passt eben zeitgleich nicht der Butcher who worked in Butchers Row, was wieder nach einem Hauptarbeitsort klingt (obwohl man hier nicht von einem eigenen Shop ausgehen kann, vielleicht ein Angestellter?). Jeder Hauptarbeitsort für sich + several shops after night-fall würde da mehr Sinn machen (trotz der kurzen Entfernung zwischen Middlesex Street und Butchers Row). Das gleiche Problem sehe ich auch bei Kosminski, nur das ich Sagar da eher um den Dezember 1890 (als er tatsächlich dort Dienst schob) sehe, was bei Kosminski auch noch möglich war, bei Levy aber nicht. Im Falle von Kosminski, könnte aus einem seiner Nebenjobs in 1888/89 noch Ende 1890 ein Vollzeitjob geworden sein, in Butchers Row, für eine kurze Zeit.

Nun ja, das mit Profilen ist so eine Sache, die sind - wenn gut gemacht - Hinweise in eine bestimmte Richtung, kein physikalisches Gesetz. Im Falle Levys würde es dann eben nicht um Frauenhass im Allgemeinen, sondern ganz speziell um einen Prostituiertenhass gehen - weil er sich bei denen angesteckt hatte und ihnen dann die Schuld an allen folgenden Katastrophen gab.
Und Jacobs Geisteszustand veränderte sich ja offensichtlich erst durch die Syphilis-Infektion mit ihren neurologischen Folgen hin zum asozialen - insofern ist es kein Widerspruch, dass er vorher ein guter Ehemann, Familienvater und Geschäftsmann gewesen sein kann. Dies würde auch erklären, warum seine Frau noch lange zu ihm hielt und versuchte, ihre Familie und das Geschäft zu retten.
Hier muss man aufpassen, nicht die verschiedenen psychischen Störungen und ihr Eintrittsalter durcheinander zu werfen:
Eine Geisteskrankheit (z.B. infolge der Syphilis-Infektion) kann sich in jedem Alter entwickeln und - wenn sie erst später im Leben auftritt - das Wesen eines bereits erwachsenen Menschen total verändern. Eine Geisteskrankheit von Kindheit an ist hingegen eher wie eine Persönlichkeitsstörung: beides prägt die Entwicklung der Person von Jugend an bis zum Erwachsenenalter, so dass diese Menschen dann tatsächlich von Anfang an daran gehindert sind, ein gesunde Entwicklung durchzumachen und ein normales Erwachsenenleben zu beginnen.
Erstere verlieren ihre geistige Gesundheit, zweitere hatten nie eine. Jacob gehörte aber offensichtlich zur ersten Kategorie des spät einsetzenden Irrsinns.

Sicher? Kennst Du die Angaben?

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=7561

Er könnte, abgesehen von der Syphilis, erhebliche mentale Probleme gehabt haben. Leute mit Schizophrenie können sehr leistungsfähig sein. Die meisten verbergen lange Zeit ihre Probleme und Gefühle damit, bei einem wird es früher deutlicher, bei einem anderen etwas später, die Episoden können unterschiedlich lang und intensiv sein. Die Syphilis verursachte vielleicht nur, dass das vorhandene erst richtig zum Vorschein kam. Ich kenne einige Schizophrene. Die meisten sind in Rente, einige davon aber erst später im Leben, einer darf nie auf freien Fuß, andere arbeiten, alles hängt zusammen mit der ganz eigenen und einzigartigen Persönlichkeitsstruktur, dem Erlebten, der Herkunft und der Intelligenz usw. Jacob Levy kann schon mit 16, 21, 25 Jahren krank gewesen sein, ob in seinem Falle nur die Syphilis schuld war...?
 
"Jacob Levy war vielleicht nicht reich aber auch keiner, der zu dieser 'tiefen' Klasse der Prostituierten gehört hatte. Seine Verhältnisse waren geregelt und ich denke, der Ripper hat keinerlei Ordnung in seinem Leben."
(...)
"I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class."


Ich sehe da keinen echten Widerspruch: Ein einfacher, heruntergekommener Metzger aus dem Eastend ist kein "gebildeter Mann", sondern ein "Working Poor" aus dem Armenviertel - zwar noch nicht ganz so am Ende wie die obdachlosen Prostituierten, aber er gehörte jedenfalls für die höheren Klassen damals eindeutig dort hin und dort dazu.
Diese Aussage von Cox richtet sich doch ganz offensichtlich gegen das Gerücht, dass JTR vielleicht ein Arzt o.ä. gewesen sein könnte, und will lediglich hervorheben, dass für ihn als Ermittler der Täter ein typischer Bewohner des Eastend war - einer "von denen" eben, aber keiner aus dem bildungsbürgerlichen Milieu.
Und "geregelt" waren Jacobs Verhältnisse 1888 mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr, sein Leben versank mit der Krankheit, dem Diebstahl, dem wirtschaftlichen Niedergang und den daraus folgenden Eheproblemen vielmehr im Chaos.
 

Nun, ich sehe da schon einen Unterschied. Jacob Levy hatte auf der einen Seite schon lange, so mein Eindruck, ein stabiles Leben geführt, trotz seiner (schon früheren) Erkrankung und der (später hinzukommenden) Syphilis, Er hatte einen dauerhaften Job, eine lange Ehe (egal wie dieses aussah) mit Kindern und ob dies das Vorleben eines Mannes wie Jack the Ripper war, ich weiß nicht, ich bezweifle das etwas und möchte hier überhaupt nichts ausschließen. Er scheint kein Mann gewesen zu sein, den man hin- und herschob aber das genau erwarte ich vom Ripper, genau wie wechselnde Arbeitsplätze, wenn überhaupt arbeitend, niedrigere oder einfache Arbeiten usw. ...

Jacob Levy beklaute in 1886 seinen Meister Hyam Sampson und das klingt nach Angestellten aber gleichzeitig hatten sie auch ihre Shop, den er beinahe ruinierte. So passt das schon zu jemanden, der an verschiedenen Orten gearbeitet haben soll.

Levy war 1,60, der Mann von Cox ca. 1,68 groß.

Beste Grüße, Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #89 am: 07.11.2015 20:20 Uhr »
Hallo Lestrade,

mir sind die Komplikationen, die du in den verschiedenen Aussagen der Polizisten sehen willst, immer noch nicht ganz klar.

Zunächst mal verstehe ich nicht, was "Macnaghten sagte, dass Kosminski ca. März in eine Anstalt ging" mit der von mir beschriebenen Überwachung zu tun haben soll. Ich schrieb ja nicht von Kosminski, sondern von Levy - es sei denn, Macnaghten hätte Levy mit Kosminski verwechselt. Aber auch von Jacob ist nicht bekannt, dass er im März 1889 eingeliefert wurde. Demnach wäre am Memorandum soviel substantiell falsch, dass wir es ganz als Indizien- und Argumentationsbasis vergessen könnten.


"So sicher Sagar über einen Butcher sprach, so lässt Cox den Job seines Mannes offen. Er spricht jedoch über tailors and capmakers und über drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Nicht, dass es unmöglich war, zwischen diesen Berufen und Händlern einen Butcher Shop zu überwachen aber ich sehe keinen Hinweis darauf."

Ich finde es plausibel: In der Middlesex Street gab es jede Menge Schneider, also bot sich die Cover Story mit den Factory Inspectors geradezu an. Sie sollte genau davon ablenken, dass man in Wirklichkeit einen Metzger überwachte.
Falls es rauskommen sollte, dass Beamte in seiner Straße herumschnüffelten, würde der observierte Metzger dann denken: Puh, geht ja gar nicht um mich, sondern um die Schneider.
Übrigens sollen Polizisten doch auch als Kunden in den Shop gekommen sein, das passt besser auf eine Metzgerei - ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei regelmäßig Kleidung gekauft haben sollte, das wäre recht teuer auf der Spesenrechnung geworden.


"Im Falle von Cox könnte aber dennoch die 36 Middlesex Street passen, Butcher hin oder her. Aber es klingt für mich so, dass dieser Shop des Mannes, sein kleiner Laden, sein eigenes Haus, der Hauptarbeitsort jenes Mannes war, eben vielleicht auch Jacob Levy aber dann passt eben zeitgleich nicht der Butcher who worked in Butchers Row, was wieder nach einem Hauptarbeitsort klingt (obwohl man hier nicht von einem eigenen Shop ausgehen kann, vielleicht ein Angestellter?). Jeder Hauptarbeitsort für sich + several shops after night-fall würde da mehr Sinn machen."

Weißt du, was meine Erfahrung in der Arbeit mit Texten ist? Die Schreiber/Redner machen sich i.d.R. weniger Gedanken um jede einzelne Formulierung als diejenigen, die versuchen, irgendwelche Botschaften daraus herauszulesen (geht mir auch immer wieder selbst so, obwohl ich es weiß).
Und angesichts der Tatsache, dass wir weder den Verdächtigen kennen noch seine genaue Beschäftigungsstruktur, fischen wir da nur im Trüben, wenn wir jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Wir wissen, ein Verdächter "occupied several shops in the East End" und er hatte auch "his little shop" - somit ist es plausibel anzunehmen, dass er neben seinem eigenen kleinen Laden während der Observation noch andere Arbeitsstellen und/oder Schlafplätze hatte (vermutlich weil es bei ihm nicht mehr so gut lief). Welche nun welche waren, was Haupt- und was Nebenbeschäftigung, und ob gleichzeitig oder nacheinander, wissen wir leider nicht - somit können wir dazu keine tragfähigen detaillierteren Aussagen machen. Nur soviel: Offenbar hat er neben seinem eigenen kleinen Laden zumindest zeitweise auch noch woanders gearbeitet bzw. sich aufgehalten.
Und das ist meine These zum abgewirtschafteten Levy und den zwei Observationen.


"Das gleiche Problem sehe ich auch bei Kosminski, nur das ich Sagar da eher um den Dezember 1890 (als er tatsächlich dort Dienst schob) sehe, was bei Kosminski auch noch möglich war, bei Levy aber nicht."

Ich finde einfach diese Zeitangabe nicht, mit der du Sagars Observation auf Dezember 1890 verortest. Könntest du mir bitte die Quelle zugänglich machen? Denn wenn seine komplette Aussage zur Observation sich auf diesen Zeitraum bezieht, kann ich meine These von seiner Levy-Beobachtung sowieso abhaken, da war der ja schon in der Anstalt.


"Sicher? Kennst Du die Angaben?"

Selbstverständlich, den Zusammenbruch nach der Verurteilung 1886 habe ich ja als erstes bekanntes Symptom für seine beginnende psychische Zerrüttung in meiner umfangreichen Zeitleiste aufgeführt.


"Jacob Levy kann schon mit 16, 21, 25 Jahren krank gewesen sein, ob in seinem Falle nur die Syphilis schuld war...?"

Dafür gibt es aber bisher keine Hinweise, sondern im Gegenteil nur Indizien, die dagegen sprechen: Nämlich dass er erfolgreich eine Familie gegründet hat und anfangs ein ordentlicher Geschäftsmann war.
Du scheinst mir angesichts deiner Fokussierung auf Kosminski etwas zu stark an der These von einer sich schon in jungen Jahren entwickelten Schizophrenie zu hängen...
Bei Jacob gibt es m.W. bisher nichts dazu, dafür ist aber eine medizinische Ursache für seine psychiatrischen Probleme im Erwachsenenalter ab 30 bekannt: seine Syphilis. Dies ist, ohne weitere Vermutungen heranziehen zu müssen, eine völlig hinreichende Erklärung.
Ganz davon abgesehen ist es für den Fall völlig irrelevant, wann genau es bei ihm anfing: Es genügt, dass die psychische Erkrankung zur Zeit der Morde bereits ausgebrochen war - und darauf deutet der Zusammenbruch im Gefängnis 1886 hin.


"Nun, ich sehe da schon einen Unterschied. Jacob Levy hatte auf der einen Seite schon lange, so mein Eindruck, ein stabiles Leben geführt, trotz seiner (schon früheren) Erkrankung und der (später hinzukommenden) Syphilis. Er hatte einen dauerhaften Job, eine lange Ehe (egal wie dieses aussah) mit Kindern und ob dies das Vorleben eines Mannes wie Jack the Ripper war, ich weiß nicht, ich bezweifle das etwas und möchte hier überhaupt nichts ausschließen. Er scheint kein Mann gewesen zu sein, den man hin- und herschob aber das genau erwarte ich vom Ripper, genau wie wechselnde Arbeitsplätze, wenn überhaupt arbeitend, niedrigere oder einfache Arbeiten usw. ..."

Ja, er hatte scheinbar ein gutes Leben, bis er zwei schwere Fehler machte, die eine Abwärtsspirale verursachten: Die Syphilisinfektion durch Fremdficken und der Diebstahl.
(Wieso übrigens "später hinzukommend"? Angesichts des Krankheitsverlaufs der damaligen Syphilis kann eine Infektion in der ersten Hälfte bis Mitte der 1880er Jahre angenommen werden - also schon vor dem Zusammenbruch im Gefängnis, den ich als erstes Symptom ansehe.)

Ich sehe das so: Zuerst hatte er für Eastend-Niveau eine erfüllte, gesicherte Zukunft vor Augen, dann baut er Scheiße und alles in seinem Leben beginnt zu zerbrechen. Er wird wegen des Diebstahls geschnitten, sein Laden geht den Bach runter, seine Ehe gerät deswegen und wegen der Syphilis in die Krise, aber er hat eine Familie zu versorgen, also muss er zusätzlich noch Nebenjobs annehmen. Die fortschreitende Syphilis-Infektion greift aufs Hirn über und verändert sein Denken und Fühlen - aus der Verzeiflung wird Hass, den er auf die Prostituierten projiziert, weil er sich bei einer angesteckt hat und dies als Ursache für seine "Rolltreppe abwärts" ansieht. Und nach dem Tod seiner Mutter, als er auf seinen nächtlichen Streifzügen aus Schlaflosigkeit wieder von einer Prostituierten angemacht wird, rastet sein erkranktes Hirn aus und er macht mit ihnen das, was er als Metzger gelernt hat...


"Levy war 1,60, der Mann von Cox ca. 1,68 groß."

Naja, geschätzte Größenangaben sind so eine Sache, Cox wird wohl kaum ein Maßband angelegt haben, und es macht einen Unterschied, ob man Schuhe mit dicken Sohlen und eine Mütze anhat oder nackt und barfuß in der Anstalt gemessen wird, Körperhaltung und Krankheit können auch eine Rolle spielen. Die verschiedenen Zeugen schätzten die Größen der Verdächtigen von 5 Zoll 3 Inches bis 5 Zoll 6 Inches, wenn ich mich recht erinnere. Letztendlich können wir also nur sagen, dass JTR weder ein Hühne noch ein Zwerg war, sondern dass er wohl der damaligen Durchschnittsgröße entsprach.


Boah, jetzt habe ich schon wieder einen Roman geschrieben. Ich glaube, ich muss mal was gegen meinen Schreibdurchfall unternehmen.  ;)


MfG, Arthur Dent