Hallo allesamt!
Ich habe noch einige neue Aspekte zu meiner Zusammenfassung über Jacob Levy als Tatverdächtigen hinzuzufügen.
"Butcher's Row Suspect" - Erweiterte Fassung:Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in der Butcher's Row zu observieren.
Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo der Metzger Jakob Levy wohnte.
Sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Verdächtigen unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich (wie Levy) von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.
Auch Detective Inspector Henry Cox wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen der City Police zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen.
Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."
Es ist nicht ganz klar, ob Sagar und Cox dieselbe Person an demselben Ort observierten, oder ob es sich um zwei völlig unterschiedliche Überwachungen handelte.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass beide in der Nähe der Butcher's Row eingesetzt waren:
Denn Cox erzählte, wie er dem Verdächtigen nachts gefolgt sei. Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, habe er gewartet, bis er um die Ecke gebogen sei, und sei ihm dann in die Leman Street gefolgt, welche nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street entfernt nach Süden verläuft.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, sie seien Fabrik-Inspektoren, die Schneidereien auf Beschäftigung von Minderjährigen überwachten: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age."
Und es gab viele Schneider in der Middlesex Street, die bis heute für den Petticoat Lane Street Market bekannt ist.
Hinzu kommt, dass der Zeuge George Hutchinson ausgesagt hatte, er habe vermutlich den verdächtigen Kunden von Kelly zwei Tage nach dem Mord in der Petticoat Lane wiedergesehen.
Dies lässt es plausibel erscheinen, dass das Observationsteam von Cox in der Middlesex Street tätig war, in unmittelbarer Nähe zu den zahlreichen dort angesiedelten Schneidern, der die Straße ihren früheren Namen Petticoat Lane verdankte.
So ist es gut möglich, dass sowohl Sagar als auch Cox in der Umgebung von Aldgate High Street und Middlesex Street eingesetzt waren.
Vielleicht war es tatsächlich Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.
Interessant ist jedoch noch ein weiterer Aspekt:
Cox schrieb:
"He occupied several shops in the East End" - und wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben (z.B. zu George Bolam, der selbst in der Middlesex Street wohnte). Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein.
Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.
Darüber hinaus gab es im Eastend noch die Shops des Levy-Clans aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road 253.
In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.
John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.
Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde im Model Dwellings 130 in der Goulston Street lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.
Fazit:
Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. Unabhängig davon befand er sich zudem im Bereich der von den Polizisten beschriebenen Observationen.
MfG, Arthur Dent
@Lestrade: Auf das Problem mit den beiden Hyams bin ich auch gestoßen, als ich angefangen habe, über ihn nachzulesen.