Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 308371 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #450 am: 07.07.2017 22:56 Uhr »
Pat war mal wieder so nett! Sie dachte erst, dass Isaac und Phoebe in der Zwischenzeit verstorben waren aber das war nicht an dem:

Census 1891, 5 Montague Street

Auf die Schnelle entziffert, ist im Original:

Isaac, Retired Tailor, könnte erblindet sein, jetzt England geboren, Parish unknown, nicht mehr Germany
Phoebe, born Austria
Nathan, Tailor, auch irgendein Handicap- könnte Krüppel heißen, born Birmingham
Rachel, Servant
Abraham, Cabinet Maker
Michael, Boot Laster
Mark, Butcher
Rebecca, Cigar Maker
Phlilip, Clicker- Boot
Esther, Scholar

Myer fehlt, lebte vielleicht schon alleine? Das mit den Geburtsorten findet man so häufiger in den Angaben über die Jahre gesehen.

Phoebe Abrahams starb 1910.

Ich war gerade dabei das Dokument zu schließen als ich noch, beinahe abgeschnitten, folgendes las:

Philip Krotoski, Butcher, 4 Montague Street, Russia aber wohl eingebürgert. Ich glaube 60 Jahre alt.

Das war alles, was ich von diesem Nachbarn noch ergattern konnte.

Aaron Krotoski als Butcher ist dir sicherlich noch ein Begriff also via Sampson und den späteren Shop etc.

Wieder einmal sieht man, wie man dort vernetzt war. Aaron war vielleicht ein Angehöriger dieses Philip Krotoski und dieser nun mit Sarahs Eltern Nachbarn. Mark Abrahams nun selber Butcher. Für Fleisch und Kleidung war das dort der reinste Schmelztigel.

Genau wie für Aaron Kozminski, könnte auch Jacob Levy mit diesen Zusammenhängen als Tailor oder auch weiterhin als Butcher gearbeitet haben können, wo immer man Männer mit diesen Problemen unterbringen konnte.

Ich denke darüber nach, mich wieder bei Ancestry und findmypast anzumelden und meinen Obolus dafür zu entrichten. Die Suchen gestalten sich dort ergiebiger.

Was mir bei Jacob Levys Schwiegereltern auffällt ist, dass Isaac als auch Nathan größere gesundheitliche Probleme hatten und hier ein Jacob, wenn auch selbst angeschlagen, durchaus nützlich gewesen sein könnte, gerade auch dann, wenn er seinen Ruf als Butcher etwas ramponiert hatte. Aber machen wir uns nichts vor, dass hat kein Alleinstellungsmerkmal, solche Konstellationen gab es sicherlich mehrere aber es ist zumindest bemerkenswert. Ich weiß jetzt natürlich nicht, was Tracy so zu bieten hat aber ich werde sie einfach mal auf diese Daten hier aufmerksam machen, falls ihr nicht ohnehin, auch in diesen Überlegungen, bereits gewahr. Immerhin ist sie die Fachfrau.

Also auf die Schnelle ging es hier dieser Tage ganz gut, mir gefällt diese Teamarbeit. Das zeigt sich auch gerade bei meinem Thema und man sieht, was sich da immer wieder auftun kann. Ich denke, wir können guter Dinge sein. 
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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #451 am: 08.07.2017 13:20 Uhr »
Wahrscheinlich fand Pat noch Sarahs Geburtsurkunde, der Mädchenname der Mutter wird dort mit Levy angegeben. Also heiratete in einem solchen Fall ihre Mutter Phoebe Levy einen Abrahams und Sarah Abrahams als Tochter wieder einen Levy, nämlich Jacob. Gut möglich, dass Mutter Phoebe verwandt mit dem Jacob Levy Zweig war, nichts ungewöhnliches für diese Zeit.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #452 am: 08.07.2017 15:42 Uhr »
Hallo Lestrade!

Nochmal vielen Dank an Pat und dich für die Mühe!



5 Montague Street, das ist ja bei Jacob und Sarah direkt um die Ecke: nördlich der Wentworth Street, zwischen Middlesex Street/Sandy's Row und Bell Lane - nur ein wenig südlicher von der alten Adresse 21 Grey Eagle Street und auch wieder in Richtung der Schlafplätze der Opfer und der Tatorte Dorset Street und Hanbury Street.

Was mir an der Familie Abrahams auffällt: Sie scheint zum ärmeren Teil der jüdischen Gemeinde zu gehören.
Denn auch 1891 wohnen die erwachsenen Kinder noch bei den Eltern Isaac und Phoebe - obwohl sie bis auf Nathan andere Jobs haben. Wenn sie alle im Schneidergeschäft der Eltern gearbeitet hätten, wäre das ja nachvollziehbar gewesen, aber so deutet es auf Armut hin. Auch dass sie nicht verheiratet sind (und dann ausgezogen, um eigene Familien zu gründen) lässt darauf schließen, dass sie eine schlechte Partie waren.
Das passt zur Situation von Sarah nach Jacobs Tod: Sie muss ihr Einkommen als Straßenhändlerin verdienen, hat nicht wieder geheiratet, und auch bei ihr leben ihre schon erwachsenen Kinder noch mit in der Wohnung in der New Street. Außerdem wäre wohl zu erwarten gewesen, dass Sarahs Familie sie stärker unterstützt hätte, als ihr lediglich irgendwelches "dress material" für den Straßenverkauf zu organisieren.

Vermutlich war die Armut ihrer Familie auch ein Grund, warum Sarah so lange zu Jacob hielt, obwohl er immer problematischer wurde und immer mehr Ärger machte, und sie den Butcher Shop am Laufen zu halten versuchte.
Allzu gut schien das Verhältnis mit ihren Eltern am Ende auch nicht mehr zu sein, sonst wäre sie nach Jacobs Tod wohl zu ihnen gegangen und nicht zu ihrer Schwägerin Elizabeth Barnett, wo man sie antraf, als man ihr das Anstaltsschreiben über Jacobs Tod zu übergeben wollte.


Ich finde das äußerst spannend, was sich da so alles andeutet. Und mir hat die Teamarbeit auch viel Spaß gemacht, obwohl ja streng genommen Pat und du das meiste beigesteuert haben.


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #453 am: 08.07.2017 17:13 Uhr »
Es sieht jetzt nicht so aus, als ob Isaac Abrahams ein eigenes Geschäft betrieben hätte. Beide Einträge, 1881 (Grey Eagle Street) und 1891 (Montague Street) sind Bürgerzählungen mit den Wohnadressen. Klar, können Wohnadressen identisch mit einem Geschäft sein aber als Unternehmer kann ich ihn momentan nicht entdecken. Es scheint, dass ein Schuhmacher die 5 Montague Street Adresse als Geschäft betrieb und die Abrahams (und offenbar noch eine andere Familie) hier nur zur Miete wohnten. War vielleicht im unteren Bereich das Geschäft und oben Wohnungen. Vater Isaac und Sohn Nathan hatten wohl Behinderungen, bei Nathan könnte das schon von Geburt an so gewesen sein, beim Vater vielleicht mit dem Alter. Wahrscheinlich waren sie alle nur angestellt gewesen, Isaac 1891 wohl nicht mehr. Es ist davon auszugehen, dass solche Mieter auch in ihren Unterkünften Aufträge, wie von einem Schneider, ausführten, gerade bei Armut oder wenn es die Gesundheit nicht zugelassen hat. Nicht weit von der 1891 Adresse, gab es einen Treffpunkt, wo sich täglich arbeitssuchende Schneider bei Schneiderunternehmen anbieten konnten, um ein bisschen Geld zu verdienen. Ich muss gestehen, dass ich mir gerade im Textilhandwerk überhaupt nicht sicher bin, ob all diese Unternehmen oder Produzenten ganz akribisch aufgeführt wurden, schien ein eigener Kosmos gewesen zu sein, in diesen uns Booth etwas Licht brachte. Aber sei´s drum, wir haben was wir haben...

Es ist schön, nun etwas mehr über Jacob Levy und seiner Familie zu wissen. Das alles kenne wir ja von Aaron Kozminski auch und es zeigt mir, dass wir einen solchen Mann, mit solcher Erkrankung und solchen Background, erwarten dürfen. So funktionierte es im East End, hier konnte er wenig auffallen, zwischen all den Schneidern und Butchern, hier wurde er aufgefangen, durch das alles geschützt, weil er vielen anderen glich. Hier konnte er Aufenthaltsorte, Tätigkeiten oder Arbeitsplätze wechseln. 
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #454 am: 08.07.2017 17:59 Uhr »
Hallo Lestrade!

Vermutlich habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt: Ich meinte mit "Schneider-Geschäft" nicht speziell einen richtigen Shop mit einer richtigen Schneiderei darin, sondern eher ein gemeinsames Schneidern in den eigenen vier Wänden - gewissermaßen gemeinsame Heimarbeit. So wie du schon früher das Schneider-Milieu beschrieben hast, würde das ja gut auf ärmere Schneider-Familien passen. Aber selbst dazu hat es wohl nicht gereicht, damit alle daran hätten mitarbeiten können, hätte es ja zumindest ein entsprechendes Auftragsvolumen geben müssen, um alle einzubinden. Und da die Kinder andere Berufe gelernt haben, gab es wohl nicht genug Schneider-Aufträge für Isaac Abrahams und seine Familie. 


MfG, Arthur Dent
 

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #455 am: 08.07.2017 18:03 Uhr »
Hallo zusammen!


And now for something completely different, wie John Cleese zu sagen pflegte. Ich hatte mir mal ein paar Gedanken zum Höhepunkt des Ripper-Terrors gemacht:

War Jacob Levy der Ripper, so bietet dies m.E. eine schlüssige Interpretation zum Verhalten von JTR in der Nacht des Double Event und danach.


Hier meine These:

Nachdem JTR beim Stride-Mord in der Berner Street gestört worden war, flüchtet er zunächst in Richtung Middlesex Street/Butcher's Row, um schnell von der Straße zu verschwinden. Aber durch die unvollendete erste Tat hat er das dringende Bedürfnis, seine Phantasien an einem zweiten Opfer ganz umzusetzen. Sobald er weit genug weg von der Berner Street ist und sich wieder sicher genug fühlt, gewinnt sein Blutdurst wieder die Oberhand. Bisher hat er es vermieden, rund um die Prostituiertenkirche St. Botolphs zuzuschlagen, obwohl er sich dort bestens auskennt, denn sie ist zu nah an Middlesex Street und Butcher's Row, sie liegt mitten in seinem sozialen Umfeld, hier war sogar ihm bisher das Risiko zu hoch, dass er wiedererkannt werden könnte. Aber jetzt im Blutrausch ist ihm auch das egal: Er muss wieder zuschlagen, und will und kann dazu keine allzu weiten Wege mehr auf sich nehmen, denn schon bald wird das Viertel wegen des Stride-Mordes in Aufruhr sein. Wenn er in dieser Nacht noch Befriedigung seines Triebes erfahren will, muss es jetzt gleich und in unmittelbarer Nähe geschehen.

Also schaut er sich in der Umgebung von St. Botolphs nach einem Opfer um - und wird bei seinem Gespräch mit Eddowes vor der Passage zum Mitre Square prompt von seinem Cousin Joseph Hyam Levy gesehen, als dieser mit Harris und Lawende den Imperial Club verlässt. Dummerweise bemerkt JTR das nicht, weil er gerade ganz auf Eddowes konzentriert ist.

Er geht mit Eddowes in den Mitre Square, nachdem PC Watkins ihn wieder verlassen hat. Er weiß aufgrund seiner Verwandtschaft zu den Obsthändler-Levys vom Mitre Square, da gibt es in der Ecke das Tor zu dem kleinen Hinterhof, dort wäre er relativ ungestört und die Leiche würde erst später entdeckt werden, so dass er genug Zeit zum Entkommen hätte. Aber leider ist das Tor verschlossen, und JTR kann sich nicht mehr zurückhalten.
Er schafft es gerade noch, dem auf seiner Runde in den Square zurückkehrenden PC Watkins zu entwischen, aber es sind wegen der massiven Aufstockung der Polizeipräsenz inzwischen zuviele Beamte in der Nähe, und durch die Alarmierung laufen sie alle konzentrisch zusammen in seine Richtung, wie ein Netz, das sich zuzieht. Einer davon hat gesehen, wie eine Gestalt Richtung Osten gerannt ist, und so hängen sich einige Beamte, darunter Detective Inspector Halse, an seine Fersen.

Während JTR Richtung Middlesex Street läuft, um schnell von der Straße zu verschwinden, hört er bereits die Polizeipfeifen und schwere Stiefel hinter sich durch Stoney Lane und Gravel Lane hallen. JTR wird klar: Das war zu knapp, das war zu nah.
Schon bald könnten Polizisten an seine Tür klopfen, besser wäre es also, er wäre gar nicht da. Und noch besser wäre es, wenn er die Polizei auf eine falsche Fährte locken könnte, an seinem Haus vorbei. Zum Glück hat er noch das Stück von Eddowes Schürze, das er benutzt hat, um die Organe zu transportieren, das muss er sowieso noch loswerden. Also versteckt JTR die Organe, läuft mit dem Tuch eine Straße weiter in die Goulston Street und wirft es dort sichtbar in einen Hauseingang, bevor er sich nach Osten aufmacht, um die Nacht weit weg vom Tatort in einem Versteck in der Nähe seiner alten Adresse Fieldgate Street zu verbringen, wo er sich natürlich auch gut auskennt.

Das Versteck könnte z.B. in dem Gebäude des ehemaligen Shops eines Verwandten, des Zigarrenhändlers John Levy, gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 in den 1880ern einen Zigarrenladen betrieben hatte (Ende 1888 scheint John Levy, bereits im Seniorenalter, einer Gertrude Smith einige Zimmer in seinem früheren Shop vermietet zu haben, welche die Räume als illegales Bordell nutzte, zumindest zeitweise).
Denn interessanterweise wurde vom Zeugen Thomas Coram in der Nacht nach dem Double Event neben dem Shop ein Tuch mit einem Messer darin gefunden. In seiner Paranoia hatte JTR sich vermutlich zunächst nicht von seinem Messer trennen können, doch nachdem er in seinem Versteck zur Ruhe gekommen ist, wird ihm klar, dass er es auch loswerden muss, bevor er wieder den Heimweg antritt. Außerdem könnte es so die Polizei mit ihren Ermittlungen vielleicht noch weiter Richtung Osten locken.

Doch leider: Pech gehabt. Die Polizei, die aufgrund der Verletzungen der Opfer inzwischen sowieso die Theorie verfolgt, der Täter könnte ein Metzger sein, macht gründliche Arbeit und durchforstet in den folgenden Wochen das ganze Butcher-Milieu von Aldgate und Whitechapel. Auch er und seine Familie werden befragt, und dann erfährt er zudem, dass sein Cousin ein Zeuge im Eddowes-Fall ist. JTR muss nun erst einmal ein paar Wochen still halten und kann nicht mehr auf die Jagd gehen, so kommt es zur längsten Pause in der Mordserie von rund sechs Wochen.

Während er immer unruhiger wird, überlegt er, ob er nicht vielleicht seine Strategie ändern muss: Auf der Straße ist es wegen der hohen Polizeipräsenz und der Bürgerwehr inzwischen sogar ihm zu riskant, beim Double Event wäre es fast schief gegangen.
Also besorgt JTR sich auf dem Petticoat Street Market in seiner Straße günstig etwas feiner aussehende Kleidung (die dem Zeugen George Hutchinson später auffallen wird) und sucht sich schließlich eine erkennbar besser gestellte Prostituierte, die zwar nicht mehr seinem bevorzugten Beuteschema entspricht, aber über ein eigenes Zimmer verfügt: Mary Jane Kelly.



Soweit meine These. Was haltet ihr davon?


MfG, Arthur Dent



Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #456 am: 08.07.2017 19:11 Uhr »
Ich denke Arthur, dass insbesondere das East End ein Billiglohnsektor war, eine ohnehin überbevölkerte Gegend, durch Einwanderung geprägt, Arbeitslosigkeit, da musste man sich breiter aufstellen, als Angestellter wurde man da so oder so nicht reich.

Ich bin in der DDR groß geworden, mit meinen 6 Geschwistern, waren wir vier, die Verkäufer gelernt haben, eine weitere Schwester wurde später noch zur Verkäuferin. Das hatte vorallem einen Grund, die Versorgungslage. Zwei Schwestern lernten in Lebensmittel, eine arbeitete dann später im Verkauf für Baustoffe, mein Bruder weiße Ware und ich Rundfunk-TV-Hifi. Mein Vater war fast sein ganzes Leben lang Kraftfahrer für Brennstoffe, was ihm, durch das Trinkgeld (Termine absprechen, Kohle in den Keller verfrachten) ein zweites Gehalt einbrachte und zahlreiche andere Dinge, wie Westwaren, Westgeld bzw. Forumschecks sowie auch dadurch nützliche Kontakte. Meine Mutter arbeitet nebenher bzw. schneiderte und nähte privat. Reich geworden sind wir nicht aber wir saßen immer an der Quelle bei allen wichtigen Dingen. Der Schneiderberuf war vielleicht, durch seine Häufigkeit, irgendwann nicht mehr ganz so lukrativ, so wird sich eine Familie daran gemacht haben, sich in einigen Richtungen aufzustellen. Ich bin für solche Fragen aber alles andere als ein Fachmann. Wenn die Eltern oder ein älteres Geschwisterteil nicht ganz gesund war, dann kann das durchaus für andere Geschwister nicht gerade als der Wunschberuf angesehen worden sein, wie dem auch sei bzw. war... ist ja auch nicht ganz so wichtig für uns...

Deine Theorie, nun ja, da gibt es schlimmere und deine ist alles andere als schlimm. Eine Sache könnte das alles etwas weniger schlüssig erscheinen lassen, etwas, was leicht übersehen wird.

Folgt man den Angaben aller Polizisten um den Mitre Square, dann sieht es so aus, dass sich der Ripper noch etwas länger dort aufhielt. Der untere Bereich war zu was Beamte anging. Nördlich wäre er in Windeseile daheim gewesen. Ich müsste genau nachlesen aber ca. 15-20 Minuten nach Eddowes hörte man noch seine Schritte. Warum? Irgendetwas war, er könnte in der Falle gesessen haben, weil er eigentlich südlich hinaus wollte. Vielleicht schaffte er es aber auch noch südlich aus der Mitre Street und dann war Schluss. Dann ging es aber wieder hoch Richtung Norden und auch weiter Richtung Goulston Street. Die Polizei ging wohl davon aus, dass er Richtung Whitechapel am Ende floh, eher zurück Richtung ersten Tatort. Nun mag man das interpretieren, wie man mag und das ist legitim, wer weiß, welche anderen Umstände sich dort noch für ihn ergaben. Im Prinzip entkam der Ripper wohl immer sehr schnell, könnte man zumindest vermuten. Aber nach zwei Morden sich dann noch länger am Mitre Square auzuhalten, am Ende noch, wenn auch nicht allzuweit von daheim, in der Goulston Street zu landen, passt nicht ganz so gut. Bevor Watkins und Morris wirklich tätig werden konnten, hätte er schon lange sein Zuhause erreicht haben können aber das geschah offenbar nicht.

Ich weiß von Ripperologen, die ihn auch eher noch deswegen ausschließen, weil er einst Angaben machte, er hätte Angst anderen Menschen etwas anzutun. Ich habe eine nicht so hohe Wertigkeit dafür und du auch nicht, falls ich mich richtig an frühere Diskussionen erinnere. Aber es ist, wie soll ich sagen, vielleicht etwas ungewöhnlich für einen Serienkiller dieser Art. Doch auszuschließen ist ein solches Statement nicht gänzlich für den wahren Ripper.

Ich versuche mir immer einen klaren Kopf zu bewahren auch wenn Levy ein guter Kandidat ist aber ich versuche auch die Schwächen in solchen Szenarien zu erkennen. Bei Levy gibt es vielleicht nicht wirklich viele oder gar gewaltige, im Gegenteil (mal abgesehen davon, dass wir wohlmöglich über einen vollkommen unschuldigen Menschen sprechen, der einfach schwer erkrankte) doch wir können das eben nur so gut darlegen wie möglich.

Wer weiß, inwieweit unsere Darlegungen mit den neuen Informationen von Tracy korrespondieren. Da gilt es nun abzuwarten. Ich lebe mit dem Gedanken, dass Levy und dieses Szenario eine gute Überlegung ist, keine sehr gute aber eine gute. Und das ist in der Ripperologie bereits sehr viel wert. Ich habe einfach zu viele Zweifel, ob Cox und/oder Sagar über Levy sprachen. Da sehe ich, aufgrund von Angaben, eher eine Verbindung zu den Aussagen von Anderson, Swanson, Macnaghten, Sims und Griffiths aber selbst da, zögere ich etwas mit dem Unterschreiben. Warum? Weil ich vermute, nach all der Zeit, dass sich einiges sehr gleichen konnte und man vor Überraschungen einfach nicht sicher sein kann. Vielleicht ist es auch ungewöhnlich, dass jemand wie Levy, der bereits 9 Jahre in 1888 verheiratet war und viele Kinder hatte, solch ein Mörder hätte werden können. Aber lasse dich nicht von deinen Überlegungen abbringen, ich versuche nur ein fairer Partner zu sein und dabei vielleicht eben all die Fragen beantworten zu können, die diesbezüglich irgendwie im Raum stehen.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #457 am: 09.07.2017 12:35 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zitat
Folgt man den Angaben aller Polizisten um den Mitre Square, dann sieht es so aus, dass sich der Ripper noch etwas länger dort aufhielt. Der untere Bereich war zu was Beamte anging. Nördlich wäre er in Windeseile daheim gewesen. Ich müsste genau nachlesen aber ca. 15-20 Minuten nach Eddowes hörte man noch seine Schritte. Warum? Irgendetwas war, er könnte in der Falle gesessen haben, weil er eigentlich südlich hinaus wollte. Vielleicht schaffte er es aber auch noch südlich aus der Mitre Street und dann war Schluss. Dann ging es aber wieder hoch Richtung Norden und auch weiter Richtung Goulston Street. Die Polizei ging wohl davon aus, dass er Richtung Whitechapel am Ende floh, eher zurück Richtung ersten Tatort. Nun mag man das interpretieren, wie man mag und das ist legitim, wer weiß, welche anderen Umstände sich dort noch für ihn ergaben. Im Prinzip entkam der Ripper wohl immer sehr schnell, könnte man zumindest vermuten. Aber nach zwei Morden sich dann noch länger am Mitre Square auzuhalten, am Ende noch, wenn auch nicht allzuweit von daheim, in der Goulston Street zu landen, passt nicht ganz so gut. Bevor Watkins und Morris wirklich tätig werden konnten, hätte er schon lange sein Zuhause erreicht haben können aber das geschah offenbar nicht.

Nun ja, wenn die Zeitangaben der Polizisten stimmen (wir wissen ja, genaue Zeitangaben sind aus technischen Gründen ein großes Problem in dem Fall) und es tatsächlich lange dauerte, bis sie die Verfolgung aufnahmen, hätte auch jeder andere schon längst die nähere Umgebung des Tatorts verlassen haben können - das ist ja völlig unabhängig davon, wer JTR war und wo letztendlich sein Zuhause oder Versteck war. Da lautet die Devise für jeden möglichen Täter: Erst mal so viel Abstand wie möglich zum Tatort schaffen.
Eine mögliche Erklärung habe ich ja erwähnt und du auch selbst angeführt: Vielleicht saß er vorübergehend in der Falle, musste zunächst Haken schlagen oder sich zeitweise verstecken (möglicherweise gar in der Synagoge - der Frevler). Das können wir nicht wissen.
Was wir wissen ist nur, dass sich da ein Verdächtiger in Richtung Osten vom Acker machte, als die Polizei bereits in Alarmzustand war und die Verfolgung aufnehmen konnte.

Und für das mit der Goulston Street hatte ich ja eine These geliefert: JTR wollte vielleicht nicht nur die Schürze als Beweisstück loswerden, sondern die Polizei auch weg von seinem Heim tiefer nach Whitechapel hinein locken. Von Jacobs Shop aus sind es durch die New Goulston Street nur wenige Meter bis zu jenem Hauseingang, das wäre schnell gegangen, die Schürze loszuwerden.
Oder vielleicht war einfach seine Frau noch wach, er war für seine Verhältnisse ja noch relativ früh dran. Das hätte ein Problem werden können: Seine Frau könnte ihn gerade zur Rede stellen, wo er sich wieder rumgetrieben hat, als plötzlich von draußen die Polizeiaktivitäten zu vernehmen sind oder sie gar an die Tür klopfen...
Nein, da macht er sich lieber auf zu einem anderen Versteck und kann vielleicht auch noch die Cops von seinem Heim weglocken - aber allzulange darf er den verhängnisvollen Beweis seiner Tat nicht mitschleppen, also entsorgt er ihn zügig.

Wie schon gesagt: Das ist selbstverständlich nur ein Szenario, aber ich finde es plausibel.


Man kann die These auch noch ausbauen:

Ich war ja bisher eher skeptisch, was die Urheberschaft des Goulston Street Gaffiti angeht.
Allerdings ergibt sich, wenn man den verrückten Butcher Jacob Levy als Tatverdächtigen nimmt, eine plausible Erklärung für die Schrift an der Wand:

Man könnte JTRs Taten als doppelte Rache ansehen: einerseits an den Prostituierten, die ihn mit Syphilis ansteckten, und andererseits an der jüdischen Gemeinde, die ihm wegen des Diebstahls die Butcher-Lizenz entzogen hatte und wegen seiner zunehmenden Verrücktheit vermutlich immer mehr auf Distanz zu ihm ging.

Die Art, wie JTR tötete und ausweidete, erinnerte zunehmend an die Methode des koscheren Schlachtens - und vielleicht war es nicht nur die Gewohnheit, die den Metzger so töten ließ, sondern er könnte diesen Eindruck auch absichtlich verstärkt haben als er merkte, dass die Morde den Antisemitismus anheizten: Wenn er schon leiden sollte, dann sollten die anderen es auch, denen er die Schuld an seinem Niedergang gab.

Zwar waren bereits die Gelegenheitsprostituierten in Angst und Schrecken - und JTR genoss es sicher, dies zu beobachten, wenn er durch die Straßen zog. Es machten aber noch zuviele Täter-Hypothesen die Runde: Von Leather Apron über den gutsituierten Arzt bzw. Medizinstudent bis hin zum Seemann reichten die Verdächtigungen, und die "crazy jewish butcher"-These war nur eine davon.

Warum also nicht etwas nachhelfen mit einem Menetekel an der Wand?

Falls Levy JTR war und er in seinem Wahnsinn dachte, er habe sowieso nichts mehr zu verlieren, könnte es ihn auch nicht gestört haben, dass antisemitische Aufwallungen vielleicht auch ihn selbst betreffen könnten.

Was dafür spricht, dass das Graffiti noch nicht lange dort stand, ist jedenfalls die Tatsache, dass viele jüdische Familien in dem Haus wohnten - jemand von ihnen hätte die antisemitische Schmiererei mit Sicherheit schon weggewischt, wenn es sich bereits seit längerem dort direkt am Eingang befunden hätte. Kreideschrift ist leicht und schnell zu entfernen.
So gesehen ist sehr wahrscheinlich, dass der Satz erst in der Nacht des Double Event geschrieben wurde, und damit könnte das Graffiti in der Tat von JTR gestammt haben.


MfG, Arthur Dent



P.S.

Zitat
Die Polizei ging wohl davon aus, dass er Richtung Whitechapel am Ende floh, eher zurück Richtung ersten Tatort.

Also das halte ich für extrem unwahrscheinlich: Welcher Täter - egal wie verrückt - der bisher immer nachweislich schnell vom Tatort verschwunden ist, sollte so kurz darauf wieder genau dorthin zurückkehren, wo es doch noch von Polizei und möglichen Zeugen wimmelte?

« Letzte Änderung: 09.07.2017 13:06 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #458 am: 09.07.2017 14:27 Uhr »
Hallo Arthur!

Also das halte ich für extrem unwahrscheinlich: Welcher Täter - egal wie verrückt - der bisher immer nachweislich schnell vom Tatort verschwunden ist, sollte so kurz darauf wieder genau dorthin zurückkehren, wo es doch noch von Polizei und möglichen Zeugen wimmelte?

Wenn ich schreibe er ging eher zurück Richtung ersten Tatort, dann bedeutet das nicht, dass er unmittelbar in die Berner Street zurückging. Die Polizei musste, als ein Szenario, davon ausgehen, dass der Täter via Goulston Street zurückfloh, also Richtung Whitechapel. Das schrieb ich ja auch so. Das war für die Polizei erst einmal eine logische Annahme. Auch heute wird das von anerkannte Ripperologen und Profilern so angenommen.

Letztendlich wäre ja auch Levy, als JtR, in deinem Szenario in Richtung des zweiten Tatortes zurückgekehrt. Warum also nicht im Falle des ersten Tatortes? Nehmen wir Aaron Kozminski als Beispiel für den möglichen JtR, dann hätte er bis zu seinen Geschwistern in die Greenfield Street zurückkehren können. Bis zum Tatort Berner Street wäre es ungefähr die gleiche Entfernung vom Wohnort Greenfield Street gewesen, wie der Mitre Square Tatort von Levy´s Adresse entfernt lag.

Das Schürzenteil hätte Levy hinter jeder Tür, hinter jeden Zaun usw. wegwerfen können, warum also bis zur Goulston Street damit laufen? Um 2.20 Uhr war am Eingang der Goulston Street immer noch nichts. Du vermutest, dass er eine falsche Spur legen wollte. Um 1.44 Uhr fand PC Watkins die Leiche bis 2.20 Uhr sind das ca. 35 Minuten. Um 2.55 Uhr fand PC Long das Schürzenteil. Der Täter trug das Schürzenteil zwischen ca. 35 und 110 Minuten mit sich herum, für was es auch immer herhalten musste. Gehen wir mal davon aus, dass es nicht genau nach 2.20 Uhr wegwarf und auch nicht um kurz vor 2.55 Uhr, dann könnte er grob gesagt eine gute Stunde dieses Schürzenteil mit sich herumgetragen haben. Das hat bei diesen Typ von Täter nichts mit falschen Fährten zu tun. Er floh vom Tatort Mitre Square weg, vermutlich nicht ohne Probleme und auf seiner Flucht pausierte er im Eingang dieses Hauses in der Goulston Street. Es muss angenommen werden, dass es noch ein Stück weiterging, weiter in die Whitechapel Gegend. Das bedeutet nicht zurück bis in die Berner Street Gegend sondern bis in Straßen wie östliche Wentworth Street, Old Montague Street oder Osborn Street, vielleicht irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Tatorten, dies sollte die Annahme der Polizei gewesen sein. Aber es ging eben in die Richtung zurück aus der er kam, in die Gegend, wo er sich auch wieder dem ersten Tatort näherte. In meinem Levyy Szenario ging er eben nicht nach Hause in die Middlesex Street zurück und legte auch keine Fährte in die falsche Richtung. War er JtR dann flüchtete er in die Whitechapel Gegend. Ob er da nun ein gutes Versteck hatte oder eine Unterkunft, sei dahingestellt. Er hätte in den Morgenstunden dann ja bequem nach Hause in die Middlesex Street zurückkehren können, sagen wir 5-6 Uhr, vielleicht etwas später. Ein Täter kann immer in die Nähe eines Tatortes zurückkehren, sei es nun an einem ersten oder zweiten Tatort. Die Behauptung ist etwas strange, wenn man sagt, Levy kehrte dann in die Nähe des zweiten Tatortes zurück aber ein anderer möglicher Täter nicht mit derselben Entfernung in die Nähe des ersten Tatortes. Das klingt nicht schlüssig.

Fakt ist, Levy hätte mit einem normalen Gang 4 Minuten bis nach Hause gebraucht, dass waren 320/330m. PC Watkins fand die Leiche um 1.44 Uhr. Um 1.48 Uhr hätte Levy zu Hause sein können. Er, als JtR, als Doppelmörder in jener Nacht, sich im zweiten Falle seinem Haus nähernd, wäre unmittelbar nach dem Eddowes Mord heimgekehrt aber eben in jener Zeit. Oder aber, er ging zurück in das Herz von Whitechapel, wenn seine ursprüngliche Adresse nicht sein Ziel war.

DC Halse und Co. erfuhren um 1.58 Uhr von dem Mord im Square und gingen unmittelbar dahin. Lass sie zwei Minuten dafür gebraucht haben und noch einmal 2 um zu realisieren was geschehen ist. Um ca. 2.02 sollte die Suche in der Gegend begonnen haben und sie hörten Schritte eines Mannes, den es offenbar lohnte zu verfolgen und dessen Spuren sich in Stoney Lane verloren. War Jacob Levy der Täter, befand er sich noch knappe 20 Minuten ganz nahe am Tatort. Die Frage lautet warum? Zu seiner Adresse hätte er es in dieser Zeit locker fünfmal hingeschafft (einfache Strecke). Es sieht eher so aus, als ob der Täter auf die Whitechapel Road (oder deren nahe Umgebung) wollte aber das nicht auf dem südlichen Wege schaffte sondern einen nördlichen Umweg wählen musste, eben auch via Goulston Street. Man kann eben auch annehmen, dass der Täter tatsächlich eher südlich der Whitechapel Road wollte, eben Richtung ersten Tatort. Nördlich dieser Straße, hätte er ja dennoch bequem via Stoney Lane und Goulston Street fliehen können, tat er offenbar aber auch nicht. Meiner Ansicht nach, steckte er nördlich irgendwie fest, obwohl er, wie in den meisten Fällen aber schnell nach Hause wollte und musste. Die Polizei, die plötzlich präsent auf der Hauptstraße wurde, hätte ihm ganz schön zugesetzt haben können. Für Levy hätte das, bei seiner Adresse in der Middlesex Street, überhaupt kein Problem dargestellt.

Das einzige was für mich Sinn machen würde wäre, wenn Levy sich bei dem Mord an Eddowes verletzt hätte. Das hätte ihn irritiert haben können. Somit hätte er sich nicht gleich vom Tatort entfernen können, wenn sein Ziel seine Adresse in der Middlesex Street gewesen wäre. Das hätte natürlich ein großes Risiko dargestellt. Mit einer solchen Wunde hätte er daheim vielleicht Argwohn wecken können. Gut möglich ,dass er dann vom Mitre Square verschwand aber auch noch nicht nach Hause konnte und es somit in die Goulston Street schaffte. Hörte die Wunde dann auf zu bluten, hätte er seinen Weg nach Hause antreten können ohne aber ein falsche Fährt bewusst zu legen.

Wenn Levy der Ripper war, dann war sein Domizil in jener Nacht nicht seine bekannte Adresse und er legte auch keine falsche Fährte. Diese wäre nur zustande gekommen, wenn er sich verletzt hätte und in diesem Falle hätte er auch eben zu jener Adresse zurückkehren können.

Das er Eddowes ermordete, die Polizei sofort hinter ihm her war und er via Stoney Lane bis in die Goulston Street flüchtete, dort bewusst eine falsche Fährte legte, um dann nach Hause zurückzukehren, das sollte so niemals passiert sein. Im Zusammenhang mit der Polizeipräsenz auf der Hauptstraße, seinem Verharren am Mitre Square und der letztendliche Fluchtbewegung, ist es eher wahrscheinlicher, dass JtR in jener Nacht in den Bereich Fieldgate Street zurückwollte bzw. gegenüber zu den nördlichen Eingängen auf der Whitechapel Road, die zu den dortigen Nebenstraßen führten.

Im Laufschritt hätte Levy es in 2-3 Minuten nach Hause geschafft, Gründe hätte er dazu genug gehabt, zwei Morde, Blut an seinen Händen und eben auch Körperteile, die er mitnahm. Warum dann am Mitre Square verharren? Entweder war sein Shop in der Middlesex Street nicht seine Unterkunft in jener Nacht oder etwas anderes passierte mit ihm und er konnte nicht direkt zurück. Oder aber, er war nicht der verfolgte Mann.

Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #459 am: 09.07.2017 18:36 Uhr »
Hi Lestrade!


Zitat
Wenn ich schreibe er ging eher zurück Richtung ersten Tatort, dann bedeutet das nicht, dass er unmittelbar in die Berner Street zurückging. Die Polizei musste, als ein Szenario, davon ausgehen, dass der Täter via Goulston Street zurückfloh, also Richtung Whitechapel.

Ach so, du meintest damit nur Whitechapel - dann war das ein Missverständnis: Ich dachte, weil du "Richtung Tatort" geschrieben hast, du meinst die unmittelbare Umgebung der Berner Street.
Für mich ist der Begriff "Tatort" angesichts von JTRs kleinem Wirkungskreis schon ziemlich speziell und nicht eine ungefähre Himmelsrichtung oder lediglich der Wechsel von Aldgate zu Whitechapel...

Und was die Umstände und Uhrzeiten seiner Flucht und der Ablage des Schürzenteils angeht, so müssen wir doch zugeben, dass wir lediglich Vermutungen anstellen, denn wir haben zu wenig konkrete Informationen:

Die Polizei hatte relativ spät eine verdächtige Person Richtung Osten verschwinden bemerkt und folgte ihren Schritten durch Stoney Lane und Gravel Lane bis in die Wentworth Street. Das müsste wegen der Ankunft von Halse und Kollegen nach 2 Uhr gewesen sein, rund eine Viertelstunde nach Entdeckung der Leiche. Wenn das JTR war, kann er - wie wir zuvor schon mutmaßten - offenbar nicht früher aus dem näheren Tatortumfeld herausgekommen sein und wird sich wohl vorübergehend irgendwo versteckt haben.
Falls das nicht JTR war, sondern irgendeine andere zwielichtige Gestalt, die aus welchen Gründen auch immer die Polizei meiden wollte, oder vielleicht sogar nur ein unbescholtener Bürger, der es eilig hatte, kann das einfach Zufall gewesen sein, dass dies die Polizei in die richtige Richtung lockte - und JTR kann bereits viel früher weg gewesen sein.
Wir wissen es einfach nicht, wir erstellen lediglich Szenarien anhand der wenigen Infos, die wir haben.

Auch wann genau die Schürze in der Goulston Street abgelegt wurde, ist pure Spekulation: Long und Halse könnten sie anfangs schlicht übersehen haben - es war nur ein Stofffetzen in einem dunklen Getto voller Unrat, und sie hielten ja vor allem Ausschau nach Personen, die ihnen verdächtig vorkamen.


Zitat
Das einzige was für mich Sinn machen würde wäre, wenn Levy sich bei dem Mord an Eddowes verletzt hätte. Das hätte ihn irritiert haben können. Somit hätte er sich nicht gleich vom Tatort entfernen können, wenn sein Ziel seine Adresse in der Middlesex Street gewesen wäre. Das hätte natürlich ein großes Risiko dargestellt. Mit einer solchen Wunde hätte er daheim vielleicht Argwohn wecken können.

Eine sehr gute Überlegung. Vielleicht hat JTR sich ja im Dunkeln und der Hektik selbst geschnitten und sich das Schürzenteil als provisorischen Verband mitgenommen. Das wäre ein plausibler Grund, sich nicht zu Hause zu verstecken.


Zitat
Im Zusammenhang mit der Polizeipräsenz auf der Hauptstraße, seinem Verharren am Mitre Square und der letztendliche Fluchtbewegung, ist es eher wahrscheinlicher, dass JtR in jener Nacht in den Bereich Fieldgate Street zurückwollte bzw. gegenüber zu den nördlichen Eingängen auf der Whitechapel Road, die zu den dortigen Nebenstraßen führten.

Das würde ich auch so sehen: Wie gesagt, er konnte oder wollte vielleicht aus irgendeinem Grund nicht in seinen Shop in der Middlesex Street zurück - sondern machte sich vermutlich über die nördliche Route auf in Richtung Osten zu einem anderen Versteck, das in der Nähe seiner früheren Wohnung war.


Soweit mein Szenario zu Jacob als Ripper.



MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #460 am: 09.07.2017 20:51 Uhr »
DC Halse war um 2.20 Uhr ebenfalls in der Goulston Street und zu jener Zeit sah er ebenfalls das Schürzenteil nicht. Beide, Halse und Long, wollten aber nicht bestätigen, dass es dennoch schon um diese Zeit dagewesen sein könnte. Man kann annehmen, dass Halse Long in der Goulston Street über den Mord informierte, denn Long gab wohl an, davon erfahren zu haben, bevor er auf seiner Route in die Commercial Street einbog. Vielleicht passierte das auch auf dem kleinen Stück Wentworth Street, das zwischen der Goulston Street und der Commercial Street lag. Long ging aber auch in die Commercial Street zur Polizeistation, nachdem er um 2.55 Uhr das Schürzenteil fand und gab an, dann erst von dem Mord erfahren zu haben. Andere Quellen sagen, dass er vom Mord hörte bevor er das Schürzenteil fand (hier könnte also tatsächlich Halse der Informant gewesen sein). Fakt ist jedoch, dass beide um 2.20 Uhr in der Goulston Street waren. Es mag möglich sein, dass sich tatsächlich beide um 2.20 Uhr trafen aber Halse nichts sagte, vielleicht, weil beide unterschiedlichen Einheiten angehörten. Oder aber, sie verpassten sich um wenige Augenblicke, Zeiten wurden schon einmal leicht aufgerundet. Gesehen haben beide um 2.20 Uhr dennoch nichts. Halse ging vorher, bis in die Goulston Street via Middlesex Street und Wentworth Street und erreichte diese um 2.20 Uhr. Vielleicht müssen wir annehmen, dass Halse nicht der war oder zu denen gehörte, die bis zu den Wohnblöcken in Stoney Lane gingen. Wir können nicht sagen, wann genau die Spur in Stoney Lane endete. Es wäre möglich, dass der Ripper in die Goulston Street einbog, bevor Long und Halse diese Straße enterten. Befand er sich dann versteckt in jenem Hauseingang? War er schon wieder weg? Aber keiner von beiden Polizisten sah dann das Schürzenteil. Wann verschwand die Spur in Stoney Lane? Man weiß es natürlich nicht aber es ist eine gute Annahme zu sagen, er kam nach beiden in die Goulston Street. Gehen wir einmal von der geringsten Zeit aus, und setzen ihn um 2.10 Uhr in die Goulston Street. Er hätte sich dann innerhalb von 26 Minuten, einer knappen halben Stunde, nur knapp 500m vom Tatort Mitre Square entfernt, immer noch blutige Kleidung, ein blutiges Schürzenteil und Körperteile von Eddowes mit sich tragend. Wenn Halse hinter ihm war, Levy gerade (verfolgt) aus Stoney Lane entkam, war das ein großes Risiko genau in diese Richtung zurückzukehren, Stoney Lane lag an seiner Wohnung. Selbst Levy musste dann damit rechnen, dass sich seine Verfolger immer noch in Stoney Lane befanden. Halse selber ging ja gerade an seiner Wohnung vorbei und sprach danach zwei Männer in der Wentworth Street an. Ich denke, dass Schürzenteil war tatsächlich erst nach 2.20 Uhr da, das muss nicht heißen, dass er sich nicht schon um diese Zeit dort versteckt (und nicht entdeckt) hielt als Long und Halse vorbeimarschierten. In solche einem Szenario wäre der Täter als auch Levy selber, als Täter, nimmer unmittelbar in sein Haus zurückgekehrt. Und für Levy sehen wir keine Grund, warum er das nicht gleich getan hat. Eine Sache ganz weniger Minuten.

Es erscheint eher wahrscheinlich, dass der Ripper, wer er auch immer war, nach dem Double Event nicht dahin konnte, wohin er wollte. Man muss wohl mit wenigstens einer Stunde nach dem Eddowes Mord rechnen. Wir wissen nicht, wie es nach Nichols, Chapman oder Kelly war aber nach Eddowes hatte er Probleme. Aber wir wissen auch, laut Sagar und vielleicht auch anderen, dass man ihm nach dem Mitre Square Mord dicht auf den Fersen war. Die Polizei könnte tatsächlich das Problem bei ihm gewesen sein. Fakt ist auch, dass Halse erst um 2 Uhr herum die Anweisung gab, mit der Suche zu beginnen. Und das waren knappe 20 Minuten nach dem Leichenfund durch PC Watkins. Nach diesem Mord, konnte er nicht dahin, wohin er wollte und das sollte eben eher der südliche Bereich gewesen sein und nicht die Adresse von Levy. Nun kann man alles Mögliche in solche Szenarien einbauen aber es erscheint mir, dass er nach seinem Verstecken in der Goulston Street, mit dem Wegwerfen des Schürzenteils, sicher war in ruhiges Fahrwasser zu kommen.

Im Falle von Levy, sehe ich keinen Grund, sich 20 Minuten am Mitre Square aufzuhalten und dann eine falsche Fährte in der Goulston Street zu legen. Das schließt jedoch Levy als Täter nicht aus. Irgendetwas müsste ihm zugestoßen sein, um so lange nahe des Tatortes zu bleiben. Danach waren ihm Polizisten auf der Spur, sodass er sich verstecken musste. Das Schürzenteil hätte er eher dann verloren oder vergessen aber in solch einer Situation an eine falsche Fährte zu denken, ein Mann wie Levy, in seinem Zustand, als solcher Tätertyp? Das passt nicht wirklich. So schnell wäre er dann wohl nicht dorthin zurückgekehrt, zu seinem Heim, denn dort in der Nähe hätte er ja quasi seine letzte Spur vor der Goulston Street hinterlassen. Das macht man nur, wenn diese Straße, auch in der Nähe, nicht unmittelbar im Zusammenhang gesehen wird.

Deine Theorie, Arthur, in alle Ehren (und eine mögliche Verletzung von Levy mit einrechnend) aber sie ist, wenn ich sie lese, einfach zu simpel (was nichts schlechtes bedeutet), zu schön, um so wahr zu sein. Levy musste nur schnellen Schrittes, ungestört, sein Heim in 3-4 Minuten erreichen, was für den Ripper, nach dieser Art Mord, sehr wichtig war aber das geschah nicht. Er setzte sich unnötig einer Entdeckung aus, wartete quasi auf die Polizei. Das passt nicht, auch wenn wir Erklärungen dafür finden können. Seien wir ehrlich, mit einer Verletzung hätte er eine andere Richtung gewählt und wäre da nicht sitzen geblieben.

Es ist, wie schon in meiner ersten Reaktion auf deine Theorie, die wahrscheinliche Zeitspanne zwischen der Entdeckung der Leiche und der Aufnahme seiner Verfolgung, die letztendlich ziemlich nah an seiner Haustür in Stoney Lane endete, welche deine Theorie schwächt. Er hätte nicht an die 20 Minuten am Square gewartet, um dann in Richtung eigene Haustür zu flüchten (was wahrscheinlich auch noch ein paar Minuten dauerte) und dann daran vorbei, um eine falsche Fährte in der Goulston Street zu legen. Das ist nicht wirklich plausibel.

Wir sollten abwarten, was Tracy noch bringen wird. Ich denke (oder hoffe), dass wir dann dieses ganze Szenario
verfeinern können. Es sind, wie ich bereits schrieb, bestimmte Fragen im Raum, die es gilt, als nicht beantwortet oder klar anzusehen. Es geht ja nicht darum, Levy abzuschwächen sondern ein immer besseres Bild aufzubauen, auch wenn man dabei mal einen Schritt zurückmachen muss, das kann am Ende auch einen nach vorne bedeuten.

Lestrade.
« Letzte Änderung: 10.07.2017 00:24 Uhr von Lestrade »
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Re: Jacob Levy
« Antwort #461 am: 10.07.2017 14:15 Uhr »
Ich nutze noch einmal die Chance, bestimmte Bewegungen in jener Nacht zu erwähnen. Es ist klar, dass wir das alles in seiner Korrektheit nicht ganz so wörtlich nehmen dürfen aber wir können das vielleicht interpretieren, auch wenn es dafür einige Varianten gibt.

Alle Angaben zum PC vom Mitre Square dürften bekannt sein, ich erwähne diese jetzt nicht. Klar sollte sein, dass es sehr wahrscheinlich eine Person (im Dienst) gab (außer Lawende), der jemanden in Körperbau und Größe beschreiben konnte und am Tatort sah. 

Cox:

“It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street”

Sagar:

“but I believe he came the nearest to being captured after the murder of the woman Kelly in Mitre-square. A police officer met a well-known man of Jewish appearance coming out of the court near the square, and a few moments after fell over the body. He blew his whistle, and other officers running up, they set off in pursuit of the man who had just left. The officers were wearing indiarubber boots, and the retreating footsteps of a man could be clearly heard. The sounds were followed to King's-block in the model dwellings in Stoney-lane, but we did not see the man again that night.”

“A police officer met a well dressed man of Jewish appearance coming out of the court. Continuing on his patrol he came across the woman's body. He blew his whistle, and sent the other officers who rushed up in pursuit, the only thing to guide them being the sound of retreating footsteps. The sounds were followed to King's Block in the model dwellings in Stoney Lane, but the search got no further.”


Einen ersten Hinweis gab es am 1. Oktober 1888 im Star:

“James Blenkingsop, who was on duty as a watchman in St. James's-place (leading to the square), where some street improvements are taking place, states that about half-past one a respectably-dressed man came up to him and said, "Have you seen a man and a woman go through here?" "I didn't take any notice," returned Blenkingsop. "I have seen some people pass." The murdered woman was found lying on her back, and presented”

Einen zweiten gab es am 2. Oktober in der New York Times:

"The only trace considered of any value is the story of a watchboy who saw a man and woman leave Aldgate station, going towards Mitre-square. The man returned shortly afterward alone. The police have a good decription of him."

Der dritte Hinweis, Daily Telegraph, 13. November 1888:

“About ten minutes before the body of Catherine Eddowes was found in Mitre Square, a man about thirty years of age, of fair complexion, and with a fair moustache, was said to have been seen talking to her in the covered passage leading to the square. [The description] was given by two persons who were in the Orange Market and closely observed the man. The City police have been making inquiries for this man for weeks past, but without success, and they do not believe that he is the individual described by Cox.” (Mary Ann Cox war hier gemeint)

PC Watkins, fand die Leiche, ging zum Nachtwächter Morris, einem ehemaligen Polizisten. Der ging Richtung Aldgate, wo er PC Harvey traf. Der kam gerade aus der Houndsditch und war gegenüber der Duke Street. PC Harvey sah dann PC Holland und nahm ihn mit. Morris muss die beiden PCs getroffen haben, als PC Harvey gerade DC Halse, DC Marriott und DS Outram (wahrscheinlich stieß Outram etwas später zu Halse and Marriott) hinter sich gelassen hatte. Und zwar aus naher Sicht, denn DC Halse und Co. standen an der Ecke St. Botolphs Kirche. Laut DC Halse hatte er einige Männer in Zivil in jener Nacht zu lenken. Diese Beamten in Zivil trugen leise Schuhe und das passt zu den Aussagen von Sagar.

Oft wird angenommen, dass sich James Blenkingsop in der Zeit geirrt hatte. Aber im Telegraph vom 13. November 1888 lesen wir wieder von 10. Minuten, bevor die Leiche entdeckt wurde. Neben Blenkingsop, könnten also noch zwei weitere Männer im Orange Market (eigentlich St. James Place) gewesen sein, die dort Beobachtungen durchgeführt haben. Einer davon, könnte Blenkingsop angesprochen haben. Das alles eben 10. Minuten, bevor man Eddowes fand. Nun wissen wir natürlich, dass Lawende und Co. Eddowes und ihren Freier am Eingang der Church Passage sahen. Die Orange Market Beschreibung sollte aber eher von dessen Zugang zum Mitre Square sprechen. Die Frage ist natürlich, ob der Watchboy nicht ein Zivilpolizist war, der dieses Pärchen von der Aldgate Station, nahe dem Ort wo DC Halse und Co. standen, bis zum Mitre Square gefolgt war und dann ihn alleine hat den Square verlassen sehen, eben durch den Durchgang Orange Market, da geht es in die nördliche Richtung. Ich kann mir gut vorstellen, dass er das Pärchen am Eingang der Church Lane hinter sich gelassen hatte, dort wo unmittelbar danach Lawende und Co. ihre Beobachtungen machten und er dann, kurze Zeit später, Blenkingsop im Orange Market fragte, ob er ein Pärchen hat dort durch die Passage gehen sehen, was dieser aber nicht sah aber andere Personen erwähnte, die er bemerkt hatte.

PC Watkins muss den Ripper um Sekunden verpasst haben, so viel ist sicher. Watkins Route umfasste auch den Orange Market, wo er aber eben, beim Fund der Leiche nicht, anwesend sein konnte. Er ging sofort zu Morris Richtung Church Passage. War der Ripper und das darf man nicht ausschließen, noch im Mitre Square, irgendwo versteckt, dann war für ihn auch der Fluchtweg Church Passage verbaut, weil Morris aktiv wurde und dort durch nun bald Verstärkung eintreffen würde. Watkins hatte gerade durch die Mitre Street den Durchgang betreten, der Ripper hätte sich, wollte er nach Norden, leicht durch die St. James Passage am Orange Market entfernen können.

Frederick Foster, eine Art Landvermesser, stellte im Eddowes Inquest die mögliche Fluchtroute des Rippers dar:

"I have made the plans produced - I have them in three sections one 8 feet to an inch, another 200 feet to an inch from an Ordnance map of the City - I have marked on an Ordnance Map of the same scale from Berner Street to Mitre Square - that would be 1144 yards about 3/4 of a mile - it would take about 12 minutes to walk it from one to another".

"It is the nearest route that anyone unaccustomed to it would take it - There are 2 routes to Goulstone Street one from Church Passage through Duke Street crossing Houndsditch through Gravel Lane, Stoney Lane crossing Petticoat Lane (Middlesex Street) and through to Goulstone Street. A person going from Mitre Square to Flower and Dean Street would go as the most direct route across Goulstone Street - it would take within 1/4 of an hour to get there"


Hierbei kann man ganz einfach Church Passage durch St. James Passage/Place ersetzen und die beschriebene, schnellste Fluchtroute wie beschrieben nutzen, Blenkingsop war kein Hindernis.

Der Ripper hätte im Mitre Square festsitzen können, wollte er via Mitre Street bzw. Church Passage südlich fliehen. Watkins blieb im Square präsent, in Leichennähe am Ausgang Mitre Street, Morris kehrte alsbald mit PC Harvey und PC Holland zurück, eben aus südlicher Richtung. Auf der südlichen Hauptstraße standen DC Halse, DC Marriott und DS Outram, zwar in Zivil aber sie griffen dann auch irgendwann ein und Halse gab die Anweisungen. Während des ganzen Trubels, hätte der Ripper die Szenerie verlassen können, durch den Durchgang zum Orange Market und dann eben allein von einem der Zivilpolizisten gesehen worden sein. Das hätte passieren können, als der Ripper bemerkte, dass er nicht mehr südlich fliehen kann. Während Halse die Leiche besichtigte, hätte ihn jener Kollege darauf aufmerksam gemacht haben können, was er beobachtet hatte unter anderem halt eben das vor einigen Augenblicken stattgefundene Verlassen des Bereiches durch einen Mann, den er auch mit einer Frau gesehen hatte, vermutlich in Absicht, den Square durch die Church Passage zu betreten.

Das alles ist natürlich nur eine Interpretation der Ereignisse, der Ripper hätte, beim hören der Schritte von Watkins, den Square noch durch die Mitre Street oder Church Passage verlassen können, auch durch die St. James Passage. Wenn die Verfolgung jedoch mit DC Halse zusammenhing, dann war er immer noch irgendwie in Tatortnähe. Dieser Täter hatte bereits in jener Nacht einmal gemordet, wurde wahrscheinlich gesehen und gestört, jetzt wollte er sein Werk aber vollenden, vielleicht reizte er das ganze aus und der Ausgang Mitre Street war zu. Die nächste Chance wäre der Weg gewesen, den er hineinkam, die Church Passage aber wer weiß, vielleicht knarrte Morris seine Tür. Ein Mann, der dort festsaß, mit blutigen Händen und Kleidung, mit einem Schürzenteil und den Körperteilen, der war erledigt. Watkins an der Leiche, Morris konnte jeden Augenblick zurückkommen. Warum dann nicht die Flucht via Orange Market wählen? PC Harvey würde, falls er das nicht mitbekommen hätte, die Houndsditch wieder hochgehen. Meines Erachtens wollte der Täter zurück in die Richtung und zwar so schnell wie möglich, aus Gründen, aus der er kam. Das war nicht möglich. Am Ende blieb ihm nichts anderes übrig.

Für Levy wäre eine solche Situation aber perfekt gewesen. PC Watkins war gerade nicht im Orange Market, Levy hätte die beschrieben Route, eine schnelle, sofort nehmen können, um seine Adresse in der Middlesex Street zu erreichen.

War Levy nicht der Ripper, dann nahm der wahre Täter jedoch die beste Route, an Levy´s Adresse vorbei, die dann in die Goulston Street führte. Er bewegte sich erst nördlich, um sich dann vermutlich wieder, durch das Betreten der Goulston Street, südlich zu bewegen. 

Nun gibt es keinerlei Beweise, dass dies alles so geschah. Es ist reine Interpretation, wie so vieles im Fall. Hing jedoch die Verfolgung eines Mannes bis Stoney Lane mit DC Halse zusammen, dann war dieser Mann noch länger am Tatort. Ich will nur eine Möglichkeit erläutern, warum das so gewesen sein könnte. Es gab auch gute Möglichkeiten, sich auf dem Orange Market zu verstecken oder auch in einem Yard hinter dem Square. Wie sehr der Ripper mit Risiko agierte, dass sehen wir neben Eddowes auch noch besonders im Falle von Chapman und Stride, natürlich auch in anderen. Am Kings Block in Stoney Lane verlor sich seine Spur. Da gab es aber insgesamt 5 Blöcke. Ein einzelner Beamter, was soll er in einer solchen Situation ausrichten, wenn die Schritte plötzlich verstummten? Nicht viel. Welche Route Halse nahm, ich weiß es nicht. Vielleicht ging er mit diesem Kollegen bis Stoney Lane, ließ diesen dort weitersuchen und machte sich mit dem Überqueren der Middlesex Street weiter auf in Richtung Wentworth Street/ Goulston Street oder er betrat die Middlesex Street via Ellison oder Hutchinson Street und dann eben weiter. Wenn plötzlich Schritte verstummen, ist das meist ein Zeichen von Ruhe. Gut möglich, dass er sich in Stoney Lane kurz verstecken konnte und dann weiterging, Richtung Goulston Street, als Long und Halse dort durchgegangen waren. Ich weiß es nicht. Wenn er um 2.20 Uhr noch nicht da war und um 2.55 Uhr nicht mehr, dann bleibt eine größere Zeitspanne, in der er sich dort versteckt hatte. Er befand sich dann schon wieder in Whitechapel. Fühlte er sich weiterhin verfolgt, was anzunehmen ist, dann konnte das nur ein Zwischenstopp auf seiner Flucht sein. Die Störungen am ersten Tatort, die Ereignisse am Mitre Square, das muss eine unvorstellbarer Stress für diesen Mann gewesen sein. Auch am Eingang in der Goulston Street war er nicht sicher. Ob er die Muse hatte, dort noch etwas an die Wand zu schreiben? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Das einzige Ziel sollte nur noch gelautet haben: Ab in meine Unterkunft. Fakt scheint zu sein, dass Sagar diesen verfolgten Mann mit der Butchers Row in Verbindung brachte. Stimmt das mit der Aldgate Station, dann gingen Eddowes und er an der Butchers Row vorbei zum Mitre Square. Also ist es möglich, dass der Täter im Mitre Square eine Verbindung zur südlich gelegenen Butchers Row hatte und er auch dahin oder daran vorbei auf seiner Flucht wollte, ursprünglich. Hier macht Levy dann wieder mehr Sinn, wenn er einen Job dort hatte oder sogar einen nächtlichen Zugang. Dieses Szenario stelle ich mir eher für ihn vor.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #462 am: 10.07.2017 21:52 Uhr »
Ich habe eben noch einmal bei PC Harvey nachgeschaut, weil ich mir nicht mehr sicher war, wie sein Beat verlief. Er kam nie südlich aus dem Houndsditch. Südlich ging er dort nur hinein. Die Duke Street verließ er immer südlich, nachdem er bis zum Ende der Church Lane dort gegangen war. Danach ging es auf die Aldgate, ein Stück westlich, bis dahin, wo Watkins aus der Leadenhall Street kam. Dort machte er wieder kehrt, Richtung Duke Street, um südlich in der folgenden Straße, Houndsditch, einzubiegen. Auf diesem Wege bemerkte er dann Morris. Zwischen den Eingängen Duke Street und Houndsditch lagen nur ein paar Meter. Er sollte also auf Höhe Duke Street gewesen sein, mit Blick auf den südlichen Eingang der Houndsditch und St. Botolphs mit DC Halse und Co. Gegenüber sah er dann PC Holland, ich vermute, der kam aus der Jewry Street gegenüber der Duke Street.

PC Harvey gab 1.40 Uhr für die Church Lane an. Es war allerdings nur ein kurzes Stück von dort bis zum Ende seines Beats westlich auf der Aldgate und dort drehte er um. Das genaue Timing kann ich nicht bestimmen aber es könnte sein, dass PC Watkins gerade die Mitre Street enterte (er tat das immer südlich), kurz bevor Harvey an diesem Eingang vorbeilief. Watkins Anweisungen an Morris und dessen Aufbruch zur Hilfesuche, könnte zeitlich mit dem Wiedererscheinen von Harvey auf Höhe des Eingangs Duke Street passen. Das könnte bedeuten, dass der Täter noch bei Eddowes war, als Harvey bis zum Ende der Church Lane lief und das er gerade weg war, als Watkins die Leiche fand. Kannte der Täter die Beats (sah und hörte die PCs), dann wusste er, dass zu diesem Zeitpunkt kein PC im Orange Market war (Watkins) und auch keiner in der Duke Street oder der Little Duke Street, welche die Duke Street mit der Houndsditch verband (Harvey). Er wusste dann auch, dass sich Harvey alsbald wieder dem Eingang der Duke Street nähern würde. Der Täter hätte wissen können, dass er den Mitre Square via Mitre Street nördlich als auch via Orange Market nördlich ungestört verlassen kann, tat dies aber offenbar nicht, wenn die Polizei einige Zeit später immer noch seine Fährte aufnehmen konnten. Das könnte möglicherweise seine Absicht umterstreichen, südlich fliehen zu wollen. Floh er tatsächlich via Stoney Lane (notgedrungen), dann bog er in südlicher Richtung in die Goulston Street ein und wir müssen annehmen, dass er, nach kurzer Pause dort, diese Richtung weiter verfolgte und sich in Sicherheit brachte.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #463 am: 11.07.2017 10:01 Uhr »
Church Lane ist natürlich die Church Passage... sah eben, dass ich mich diesmal verschrieben hatte...

Church Lane spielte natürlich in jener Nacht auch eine Rolle, allerdings zeitlich vor dem zweiten und nach dem ersten Mord:

Star, 1. Oktober 1888:

"From two different sources we have the story that a man, when passing through Church Lane at about half past one, saw a man sitting on a doorstep and wiping his hands. As everyone is on the look-out for the murderer the man looked at the stranger with a certain amount of suspicion, whereupon he tried to conceal his face. He is described as a man who wore a short jacket and sailor's hat".


Church Lane mündete an der St. Mary Matfelon Kirche in die Whitechapel Road. Vom Eingang des Hauses in der Goulston Street bis zur Church Lane waren es knappe 500m. Vom Tatort Berner Street in jener Nacht lag die Church Lane ca. 300m entfernt.

Bei diesen Daten, hätte die Polizei annehmen können, wahrscheinlich müssen, Flucht von St. George in the east (Berner Street) und von Aldgate/City of London (Mitre Square) jeweils nach Whitechapel.

Die Leman Street, von der Detektiv Cox sprach und wohin er seinen Verdächtigten in einer der Nächte folgte, lag zwischen der Goulston Street und der Church Lane.

Auch sprach Cox, genau wie Sims, von verschiedenen Räumlichkeiten, in denen sich der Verdächtige des Nachts befand. Die Church Lane, die Leman Street als auch die Butchers Row auf dem südlichem Abschnitt der Aldgate High Street, befanden sich immer in südlicher Richtung vom Tatort Mitre Square aus gesehen.

Der Ripper schlug in jener Nacht so früh zu, wie nie zuvor oder danach. Berner Street war der südlichste und früheste Tatort. Er wurde vermutlich in der Church Lane gesehen, südlicher Abschnitt der Whitechapel Road. Die Leman Street (Cox) lag südlich der Whitechapel High Street. Die Butchers Row (Sagar) lag südlich auf der Aldgate High Street. Das können alles Indizien dafür sein, dass der Ripper nach Eddowes in südliche Richtung wollte. Die Hauptstraße Aldgate High Street/ Whitechapel High Street/ Whitechapel Road galt es zu betreten oder zu überqueren, um nach Hause zu gelangen. Die Fluchtwege zeigen immer nach Whitechapel direkt. Gut möglich, dass seine Zuflucht irgendwo nahe der Whitechapel High Street/ Whitechapel Road zu finden war, an den angrenzenden Straßen dort, ober- oder unterhalb dieser Hauptstraße.

Kurz gesagt, sollte sein Ziel südöstlicher vom Mitre Square aus betrachtet werden.

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Re: Jacob Levy
« Antwort #464 am: 11.07.2017 11:41 Uhr »
Das Versteck könnte z.B. in dem Gebäude des ehemaligen Shops eines Verwandten, des Zigarrenhändlers John Levy, gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 in den 1880ern einen Zigarrenladen betrieben hatte (Ende 1888 scheint John Levy, bereits im Seniorenalter, einer Gertrude Smith einige Zimmer in seinem früheren Shop vermietet zu haben, welche die Räume als illegales Bordell nutzte, zumindest zeitweise).
Denn interessanterweise wurde vom Zeugen Thomas Coram in der Nacht nach dem Double Event neben dem Shop ein Tuch mit einem Messer darin gefunden. In seiner Paranoia hatte JTR sich vermutlich zunächst nicht von seinem Messer trennen können, doch nachdem er in seinem Versteck zur Ruhe gekommen ist, wird ihm klar, dass er es auch loswerden muss, bevor er wieder den Heimweg antritt. Außerdem könnte es so die Polizei mit ihren Ermittlungen vielleicht noch weiter Richtung Osten locken.

Zu meinen Beschreibungen eben, passt natürlich die Adresse von John Levy in der 254 Whitechapel Road. Das Messer wurde vor der Nummer 253 gefunden. Coram fand das Messer um 0.30 Uhr Montagmorgen. Es war deutlich zu sehen.

PC Drage, der den Fund mitbekam, sagte, dass er 15 Minuten vorher an dieser Stelle vorbeiging und nichts sah. Sicher konnte er jedoch nicht sein. Ca. eine Stunde vorher, sah er die Dame des Hauses, aus der Nummer 253, wie sie Frauen aus der Haustür ließ und dort war definitiv kein Messer. Irgendwann dazwischen, riss es ein Pferd vor dieser Nummer auf den Boden. PC Drage half dabei, es aufzurichten. Drage meinte, dass irgendwer der Beteiligten das Messer während dieses Vorganges dort auch abgelegt haben könnte.

Lange sollte es dort nicht gelegen haben, laut Coram war es gut sichtbar und wenigstens eine Stunde vorher, laut Drage, auch nicht da. Vielleicht wurde es tatsächlich während des Pferdevorfalls dort abgelegt und Drage sah es einfach nicht, als er danach noch einmal vorbeiging. Nach den Ereignissen der Nacht zuvor, da konnte ein Messer nicht lange unbemerkt bleiben.

In unserem Falle würde es bedeuten, dass Levy von gegen 2.30 Uhr der vergangenen Nacht, bis Mitternacht des folgenden Tages, in seinem "Versteck" in der 254 Whitechapel Road verbracht hätte. Das würde ich nicht einmal ausschließen. Er hätte, bei seiner sehr verspäteten Ankunft daheim, das seiner Frau erklären müssen, gerade nachdem, was geschehen war. Und warum sollte er sein Messer, als falsche Fährte, direkt an seinem Versteck ablegen? Wohin wollte er die Polizei damit locken? Zu seinem eigenen Versteck? Wenn Verdacht auf ihn gefallen wäre, hätte die Polizei herausbekommen können, dass er da, wo man ein Messer fand, Verwandtschaft hat. Das macht nicht wirklich Sinn.

Dieser Vorfall mit dem Pferd, das kurz vor dem Fund verunfallte, könnte im Zusammenhang mit dem Messer stehen. Dazu kommen auch noch Meinungen über das Messer, siehe hier, wenn auch nicht ganz vollständig:

https://www.casebook.org/dissertations/ws-reinvestigating-murder.html

Es ist halt schon merkwürdig, dass kurz vor dem Fund dort ein Unfall passierte.

Andererseits, kann ich absolut nachvollziehen, wie verlockend es ist, Levy als kranken Butcher mit seiner Adresse Middlesex Street (Stoney Lane) und der Adresse seiner Verwandtschaft am Ort des Messerfundes im Zusammenhang mit Jack the Ripper zu sehen. Es ist wäre ja auch ein unglaublicher Zufall, wenn der Ripper quasi auf der Flucht an seiner Haustür vorbeilief und dann noch sein Messer bei John Levy ablegt. Es erinnert mich an Charles Cross, der als Ripper herhalten muss, weil seine mögliche Route zur Arbeit an den Tatorten vorbeiführte bzw. seine Mutter in der Nähe des Stride Tatortes lebte.

Dennoch, der Ripper hätte am Mitre Square kurze Zeit in der Falle gesessen und dann, notgedrungen, die schnellste Strecke nördlich Richtung Whitechapel gewählt haben und die führte nun einmal nahe an Levys Shop vorbei. Und wir wissen nicht, was mit dem Pferd vor der 253 geschah, ob es einen Wagen zog oder nicht und wer der Eigentümer oder Führer/ Kutscher war und ob er eventuell der Besitzer dieses Messer war oder auch, ob Kollegen dabei waren oder weitere Helfer, die dafür ein Messer ablegen mussten. Aber es scheint erst dagewesen zu sein, nachdem dieser Unfall passiert war.     

Nun sei´s drum, Arthur! Wir können die Dinge immer nur gegeneinander abwägen und sehen, wie es sich weiterentwickeln wird. 
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