Hi.
Woher weiß man bzw. warum vermutet man denn, dass er die Gedärme über die Schulter gelegt hat?
Das mit den Gedärmen und der Schulter bei Chapman und Eddowes ist, wie KvN schon erwähnte, den Autopsieberichten zu entnehmen. Siehe z. Bsp. auch hier: (Vorletzter Absatz)
http://www.jacktheripper.de/opfer/chapman/ und hier (direkt unter den drei Bildern) :
http://www.jacktheripper.de/opfer/eddowes/ Des weiteren gibt es die von mir im Zusammenhang mit dem Wiener Fall (wo diese Vorgehensweise übrigens nicht stattfand) erwähnte Skizze der toten Catherine Eddowes von Frederick William Foster. Auch darauf ist zu sehen, wie der Täter sein Opfer ´hinterließ´. Du findest sie zum Beispiel hier (irgendwo war die gesamte Skizze auch hier im Forum, wenn ich mich recht erinnere, nur leider finde ich sie gerade nicht):
http://photos.casebook.org/displayimage.php?album=35&pos=7Wieso denn? Hältst du ihn dafür für zu kaltblütig? Ich fände es seltsam, wenn hinter der Organentnahme nichts Symbolisches stünde. Wenn es nur zur Qual oder Demütigung der Opfer gedient hätte, hätte er sie doch nicht vorher getötet, oder?
Der eigentliche Grund, warum ich persönlich das ausschließe, liegt darin, dass ich diesen Fall schon während meiner Studienzeit bezüglich kunsthistorischer, kommunikationswissenschaftlicher und sozialpsychologischer Aspekte äußerst ´detailversessen´ untersucht und diskutiert habe. Das "
Bild", das JtR hinterließ, wäre jedenfalls
im Prinzip dem ´Symbolismus´ zuzurechnen,
wenn er es denn bewusst hinterlassen hätte, was ich eben ausschließe. Nur zur allgemeinen Erklärung: Beim ´
Symbolismus´ handelt es sich um eine Strömung in Bildender Kunst und Literatur, die sich aus der Romantik entwickelte und etwa zeitgleich mit dem von may_roora erwähnten ´Naturalismus´ seinen Höhepunkt erreichte (in etwa um 1890), wobei festzuhalten ist, dass ´Naturalismus´ als Epochenbegriff primär die Literatur betrifft – in der Bildenden Kunst gibt es diesen (in enger Verbindung mit dem ´Realismus´) zwar auch, allerdings wird der Begriff ´Naturalismus´ dort heute in erster Linie zur Beschreibung einer Darstellungsweise verwendet. (Ähnliches gilt auch für den Symbolismus, dessen Einfluss sich zum Beispiel besonders stark bei den Surrealisten erkennen lässt.) Die Themen der ´Symbolisten´ waren etwa das Verdrängte, das Unterbewusste, das Mythologische und das Okkulte, in erster Linie aber das Rätselhafte. (Zu erwähnen, dass auch die als ´Impressionismus´ bezeichnete Strömung zeitgleich koexistierte, ist hier wahrscheinlich überflüssig, zumal Walter Sickert oftmals damit in Verbindung gebracht wird, obwohl er , streng genommen, kein typischer Vertreter dieser Richtung war.)
Um aber auf JtR zurückzukommen und auf ´
Symbolik´ einzugehen: Im Gesamteindruck (!) lässt sich an den jeweiligen Verletzungen, und der Art und Weise, wie der Täter die Toten an den Tatorten hinterlassen hat, kein System von Symbolen zweifelsfrei erkennen, dem in der damaligen (!) englischen / europäischen Gesellschaft oder Kultur in dieser Form eine über die sinnlich wahrnehmbare Sache hinausweisende Bedeutung zuerkannt wurde. Wenn wir es hier also abseits einer generellen Warnung des Täters vor sich selbst und vor dem, zu was er imstande ist, mit einer Art Symbolik zu tun haben, dann lediglich mit einer, die letztendlich nur für den Täter selbst zweifelsfrei nachvollziehbar war (wie Shadow Ghost eben bereits erwähnte), ferner vielleicht mit einer für eine ganz spezifische Zielgruppe (dazu unterscheidet sich sein Vorgehen von Fall zu Fall allerdings doch recht stark), oder aber eben mit einer, die aufgrund bestimmter (vielleicht nicht einmal zutreffender) und aus dem Gesamtkontext gerissener Details von den damaligen Medien (zur Auflagensteigerung) oder Laien hineininterpretiert wurde. Fazit: Ganz egal, was sein eigentliches Motiv war (und selbst wenn er, was nicht gerade wahrscheinlich ist, im ´Auftrag´ einer anderen Person oder ´übergeordneten´ Sache handelte): Dem Täter ging es hier in erster Linie letztlich um sich selbst, oder anders formuliert:
Ja, er war ziemlich kaltblütig. (Insofern glaube ich aufgrund der Vorgehensweise des Täters auch nicht, dass die Morde für ihn primär zur Qual oder Demütigung der Opfer dienten (da wäre er dann wahrscheinlich, wie Du schon erwähnt hast, anders vorgegangen), sondern zu seinem wie auch immer gearteten eigenen ´Nutzen´, selbst wenn dieser ´Nutzen´ eventuell nur ´Befriedigung´ war.)
@panopticon: Ich bin durchschaut! Korrekt, ich bin auch in Wien z´haus...
Grüße,
panopticon