Hi.
Der ´Blutrausch´ eines Arztes oder Fleischers sieht im Endeffekt natürlich aufgrund vorhandener Praxis und Gewohnheit im Detail anders aus, als der eines Laien, bleibt aber dennoch ein ´Blutrausch´(und auch optisch als ein solcher erkennbar), selbst wenn so manches/jedes Organ dann in einem solchen Fall letztendlich mitunter ´fein säuberlich´ entfernt wurde. Auch ich gehe eigentlich davon aus, dass wir es hier
nicht mit einem kompletten Laien zu tun haben, aber einige Verletzungen zum Beispiel an Mary Kellys Körper, wie die Verletzungen an den Oberarmen und diverse andere Schnitte, sind im Prinzip dennoch vordergründig nicht wirklich rational begründbar (vor allem nicht bei einem Arzt als Täter). Selbst wenn der Täter ein Arzt war, müsste er nicht zwangsläufig von vornherein geplant haben, ein bestimmtes Organ mitzunehmen. Auch ein Arzt könnte sich erst im Endeffekt lediglich das Organ ´gegriffen´ haben, dessen ´Erbeutung´ ihm im jeweiligen Fall am schwierigsten erschien. An ein Herz kam der Täter ja, wie Shadow Ghost schon erwähnte, wohl aus zeitlichen Gründen überhaupt nur in einem Fall heran.
Shadow Ghost bringt die Sache mit dem Herzen eigentlich überhaupt auf den Punkt, deshalb habe ich jetzt auch noch mal nachgesehen:
Während Dr. Bond bei der post mortem-Untersuchung des Körpers (!) von MJK eigentlich nur festhält ´
The pericardium was open below and the heart absent.´ (womit er eben nicht zwangsläufig ´
from the room´, sondern eben "nur" ´
from the body´ gemeint haben könnte), beinhalten zum Beispiel sowohl
The Star, als auch
The Times vom 10. November 1888 den Satz (wohl von gleicher Quelle): ´
The kidneys and heart had also been removed from the body and placed on the table by the side of the breasts.´ (Auf den Tatortfotos habe ich zwar noch nichts entsprechendes entdecken können, diese lassen aber auch kombiniert gar nicht den ganzen Tisch überblicken, und eine ´Verdeckung´ könnte ebenfalls noch möglich sein.)
Die
Daily News vom selben Tag, weiß sogar folgendes zu berichten:
´
In addition to this, one breast had been removed, the flesh roughly torn from the thigh, and the abdomen ripped as in previous cases, several of the organs having been removed from the trunk and laid on the table beside the bed. It was stated in some of the evening papers that the particular organ missing in two previous murders was also found to have been abstracted in this case also. That, however, is not the case. Small portions of the body are missing, but that, it is somewhat enigmatically stated, can be accounted for.´
Unter dem Strich platzieren also die ersten beiden Zeitungen das Herz wortidentisch auf den Tisch, und die dritte erwähnt, dass maximal ´kleine Teile des Körpers fehlen´. Bei Zeitungen muss man natürlich generell vorsichtig sein, zumal die oben zitierten auch einige Dinge berichteten, die so definitiv nicht der Fall waren, aber in den Akten habe ich (bisher) auch nichts gefunden, was eindeutig darauf hinweisen könnte, dass das Herz komplett fehlte. Wenn man sich die gerichtliche Untersuchung ansieht, findet das Herz darin gar keine Erwähnung, was auch zumindest merkwürdig wäre, wenn es denn tatsächlich gefehlt hätte.
Also so wie es aussieht, lässt sich auf jeden Fall darüber streiten, ob der Täter das Herz tatsächlich mitnahm. Ich habe zumindest keinen Anhaltspunkt darauf gefunden, der explizit darauf hinwies, dass es völlig fehlte. Wenn jemand einen findet/weiß, bitte posten!
Auch wenn ich nach wie vor überzeugt bin, dass wir es hier mit irgendeiner einer
Art (!) ´Blutrausch´ zu tun haben: Allein der Kehlschnitt scheint ja eigentlich bereits darauf hinzudeuten, dass der Täter, vermutlich auch auf Praxis basierend, prinzipiell schon wusste, wie er ´vorzugehen hatte´, was aber eben nicht zwingend bedeutet, dass ihm auch jede seiner Vorgangsweisen während der jeweiligen Tat bewusst war. Warum auch ich eigentlich von keinem absoluten (!) Laien ausgehe, ist zum Beispiel auch, dass ich neulich die Fotografie des Opfers des ´
Wiener Rippers´ (Vielleicht auch ein aus ortsspezifischen Gründen interessanter Fall für Dich, KvN?
) gesehen habe. (Habe ich hier schon mal in diesem Thread hier angemerkt:
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,769.0.html ) Ich kann und will sie hier nicht hereinstellen - zum einen aus rechtlichen Gründen nicht, zum zweiten, weil sie auch aus einem ziemlich ´ungünstigen´ Winkel für eine frei zugängliche Veröffentlichung aufgenommen wurde, wodurch selbst eine vereinfachte Skizze davon einen Charakter aufweist, der für ein Posting hier definitiv nicht geeignet ist. Vorweg: Mit JtR haben wir es hier mit Sicherheit zwar nicht zu tun, was aber für das Thema hier interessant ist: Die Art und Weise, wie hier die Vorderseite des Opfers "geöffnet" wurde, deckt sich meines Erachtens nach dermaßen stark mit der Skizze, die Frederick William Foster von der toten Catherine Eddowes anfertigte, dass ich momentan ziemlich überzeugt davon bin, dass dieses Vorgehen irgendwo ´
erlernbar´ ist/war, und sowohl der Täter in Wien, als auch der vom Mitre Square die gleiche, wie auch immer geartete ´Ausbildung´ hinter sich gebracht haben müssen. Die ´
Wiener Zeitung´ berichtete zumindest über den Fall in Wien auch: ´
Der Schnitt, der die ganze Bauchhöhle eröffnete, muß von einer mit dem Schlachten vertrauten Person mit kräftiger Hand, und zwar von unten nach oben, geführt worden sein.´ (Siehe dazu:
http://www.jacktheripper.de/zeitungsarchiv/wiener_zeitung/1898_dezember_28.php) Im Obduktionsbefund war zu lesen, dass der Täter wahrscheinlich ´
in der anatomischen Zerteilung von Leichen versiert´ gewesen sei, und die Absicht, die Tote besonders entsetzlich, und zwar charakteristisch zu verstümmeln, ließe sich auch aus einigen Merkmalen erkennen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es im Wiener Fall keinen Kehlschnitt gab, dass die Schnitte zumindest optisch präziser wirken als bei JtR, und dass als Verdächtiger in diesem Fall auch ein Fleischhauergehilfe gehandelt wurde, der jedoch ein (wenn auch fragwürdiges) Alibi (Schwester) vorweisen konnte. Was aber für das Thema hier noch von Bedeutung sein kann: Die Leber des Opfers wurde wohl ´durch das Zimmer geschleudert´.
Ich würde daher zumindest aktuell, wie unspektakulär und banal das jetzt auch klingen mag, von einem Fleischer, Koch, Bauern, eventuell vielleicht sogar Prosekturgehilfen oder ähnlichem als Täter im Falle der Whitechapelmorde ausgehen, wobei mir einfällt:
Kann es sein, dass der Täter die Gedärme von Annie Chapman und Catherine Eddowes ganz einfach deshalb (womöglich eben sogar unbewusst) über die Schulter legte, weil er das so ´gelernt´ hat? Auch wenn es dem Täter im Fall Eddowes nicht gelang: Wie ich (als kompletter Laie in diesem Bereich!) unter ´Schlachtung´ auf Wikipedia nachgelesen habe, muss beim Entweiden darauf Acht gegeben werden, dass keine Kotreste ans Fleisch gelangen. Auf einem Bild daneben hängen die Innereien allesamt nach unten, bzw über den Oberkörper der Tiere... Weiß da jemand was dazu?
Dass der Täter irgendeinen bewussten Hang zu irgendeiner Art ´Symbolismus´ (jenseits von ´Demütigung per se´) oder gar ´Romantik´ hatte, schließe ich jedenfalls nach wie vor aus. Und Joseph Barnett als Täter im Grunde auch, zumindest stufe ich ihn aufgrund der derzeitigen Sachlage als ´nicht sonderlich wahrscheinlich´ ein. Das ist aber ohnedies wieder ein anderes Thema...
Grüße,
panopticon