Grüezi beisammen...ja, da bin ich mal wieder nach langer, langer, laaaanger Zeit ;-)
Ich hab heute in einem Buch bisschen was über JTR gefunden.
Buch: " Lexikon der ungesühnten Morde"
Herbig Verlag
ISBN: 978-3-7766-2533-2
Das Phantom
(6. August - 9. November 1888)
London hat im Jahre 1888 zwar rund vier Millionen Einwohner und ist die größte Stadt der Welt, aber dieser Ruhm hat auch Schattenseiten. In der viktorianischen Metropole, vornehmlich in den düsteren Elendsvierteln von East End, strotzen enge, schmutzige Gassen mit verfallenen Häusern vor Dreck und Schmutz. Hier leben 450 000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen auf engstem Raum zusammen. Die Armenhäuser und Obdachlosenasyle von Whitechapel sind ständig überfüllt. Es wimmelt nur so von Prostituierten und alkoholabhängigen Frauen, die Jack London in seinen mitfühlenden Büchern über das traurige Los der Armen "Schestern des Abgrunds" genannt hat. Sie halten ständig nach Freiern Ausschau, um sich die vier Pennys für einen nächtlichen Schlafplatz in einem der "Doss Houses", den Logierhäusern von Spitalsfield, zu beschaffen. In den Elendsvierteln ist Prostitution oft die einzige Möglichkeit, das Überleben zu sichern. Die berüchtigte Gegend um die Dorset Street ist das gefährlichste Pflaster der ganzen Stadt. Es vergeht kaum ein Tag oder eine Nacht ohne Prügeleien, Messerstechereien, Vergewaltigungen oder Raubüberfälle. Auch verstärkte Polizeistreifen können die hohe Kriminaliätsrate nicht verhindern, zumal die Polizisten lediglich mit einer Lampe, einem Knüppel und einer Trillerpfeife ausgerüstet sind, mit der sie Verstärkung herbeiholen können. Allerdings verzeichnet die Statistik für das Jahr 1887 keinen einzigen Mord oder Totschlag in Whitechapel.
Montag, der 6. August 1888, ist Bank Holiday in London, ein Feiertag für viele Arbeiter und Angestellte. Ein grauer, regenverhangener Himmel liegt über der Stadt. An diesem Tag geschieht in East End der erste Mord einer ganzen Serie von entsetzlichen Prostituiertenmorden, die bald ganz England in Atem halten und zu einer ernsthaften Krise der Polizei und der Entlassung ihres Chefs Sir Charles Warren führen werden. "The Star", Englands auflagenstärkste Abendzeitung, bringt am 7. August 1888 auf Seite drei unter der Überschrift "Horror in Whitechapel" die kurze Meldung als erste. In der Zeit zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr früh sei ein entsetzlicher Mord geschehen. Ein Streifenpolizist habe auf derm steinernen Treppenabsatz im ersten Stock eines Hauses in der Plumber Street die Leiche einer Dirne gefunden. Die 35-jährige, schwarzhaarige Frau heiße Martha Turner (oder Tabrams) und sei mit 39 Stichwunden vollkommen verstümmelt worden.
Die sogenannten Coroners, die amtlichen Leichenbeschauer, sind 1888 in England meistens medizinische Laien. Umso bemerkenswerter ist, was Coroner Wynne in sein Gutachten schreibt: "Die Organe des Unterleibes wurden mit zielsicheren und geübten Schnitten herausgetrennt. Kein Organ ist verletzt. Der Täter verfügt zweifelsohne über medizinische Kenntnisse und chirurgische Fähigkeiten. Die Richtung der Schnitte deutet auf einen Linkshänder hin. Als Tatwerkzeuge kommen das Seziermesser des Arztes, das Bajonett des Soldaten oder das scharfe Fleischermesser eines Schlächters in Frage. Jede der drei Möglichkeiten ist wahrscheinlich, keine kann mit Sicherheit bestimmt werden. Die sorgfältig durchgeführte Untersuchung ergab, dass ein Organ des Unterleibes fehlte."
Wer begeht eine derart schreckliche Tat? Ein Irrer, ein krankhafter Sexualstraftäter? Ein jähzorniger Zuhälter, der sich rächen wollte? Oder jemand, der das Organ - eine Niere oder die Gebärmutter, die genaue Beschreibung wird im Gutachten bewusst vermieden - gezielt für anatomische Versuche herausgeschnitten hat, um es zu konservieren und auf dem Markt, den es in London dafür tatsächlich gibt, zu verkaufen? Die Polizei tappt völlig im Dunkeln. Inspektor Frederick G. Abberline, wie alle Detektive des erst 1878 gegründeten "Central Investigation Department" (CID) in einem brauen Anzug mit Melonenhut gekleidet, übernimmt neben vielen weiteren Beamten die Ermittlungen. Er gelangt hauptsächlich deshalb zu einiger Berühmtheit, weil er als einer der wenigen bereitwillig Auskünfte an die Presse erteilt.
Am Freitag, dem 31. August 1888, ist der Fuhrmann George Cross gegen 3.30Uhr morgens in Whitechapel auf dem Weg zur Arbeit. In der Buck's Row in der Nähe einer Pferdeschlachterei sieht er auf dem Straßenpflaster ein Bündel liegen. Im Dunkeln erkennt er die Gestalt einer Frau und hält sie zunächst für eine der vielen Betrunkenen, die hier häufig auf offener Straße ihren Rausch ausschlafen. Die Gaslaternen spenden nur wenig Licht, sodass Cross das blutige Rinnsal auf dem Boden nicht sieht. Aber er bemerkt, dass der Rock der Frau hochgeschoben ist. Er zieht ihn herunter und entfernt sich dann, um Hilfe zu holen.
Asl er mit dem Police Constable Mizen an den Tatort zurückkehrt, treffen sie dort den Police Constable Neill, der während seiner nächtlichen Runde ebenfalls auf das Opfer gestoßen ist. Der herbeigerufene Arzt Dr. Ralph Llewellyn stellt den Tod der Frau fest und ordnet an, die Leiche in das nahe gelegene Armenhaus zu bringen und in der provisorischen Leichenhalle aufzubaren, damit er sie dort obduzieren könne. Da es in London noch keine Krankenwägen gibt, bringen zwei Polizisten die Leiche auf einem zweirädrigen Handkarren dorthin. Ein hinzugekommener neugieriger Junge wird angewiesen, das Blut von der Straße zu wischen. Auf Fingerabdrücke wird nicht geachtet, denn die Daktyloskopie ist noch gänzlich unbekannt. Die Tätigkeit eines Polizisten beschränkt sich auf die Sicherung des Tatorts und die Fertigung von Skizzen sowie Zeugenvernehmungen und das Schreiben eines Berichts. Man kann zwar schon fotografieren, aber die Schwarz-Weiß-Bilder sind von schlechter Qualität. Da sich die Fotoapparate in Holzboxen befinden, kann man zudem nur waagerecht fotografieren. Das führt bei Leichenaufnahmen dazu, dass die toten Körper entweder an eine Wand gelehnt oder an Nägeln aufgehängt werden.
So geschieht es auch mit der Leiche der aufgefundenen Frau, die schnell als die 42-jährige Mary Ann Nichols identifiziert wird. Als ihre zerrissene Kleidung aufgeschnitten wird, zeigt sich, dass der Unterleib aufgeschlitzt und ausgeweidet ist, die Gedärme hängen heraus. Dr. Llewellyn, der die Obduktion durchführt, kommt zu dem Ergebnis, dass der Täter sein Opfer zunächst von hinten gepackt, ihm den Mund zugehalten und dann die Kehle mit einem scharfen Messer mit langer Klinge durchgeschnitten hat.
Bereits am 31. August 1888 ist im "Star" genauestens zu lesen, der molligen Frau mit den braunen Augen und brauenen Haaren würden beide Vorderzähne fehlen. Sie sei mit einem abgetragenen braunen Ulster und einer dreckigen, schwarzen Kappe bekleidet gewesen sowie einer Jacke, einem grauen Unterrock, einem weiteren Flanellunterrock und dunkelblauen, gerippten Strümpfen mit Strumpfbändenrn. Und dann heißt es weiter: "Die Brutalität des Mordes geht über das Fassungsvermögen und die Beschreibungskraft hinaus. Der Hals ist gezeichnet durch zwei tiefe Einschnitte, das Instrument muss ein sehr scharfes gewesen sein und wurde in einer äußerst grausamen Art benutzt. Es gibt einen Einschnitt unter dem linken Ohr, der fast bis zum Zentrum des Halses reicht. Etwa in der Mitte des Schnittes gibt es noch einen anderen, der in einem Bogen bis zum Ohr reicht und... beinahe den Kopf vom Rumpf abgetrennt hätte... Dann wurde das Messer in den unteren Teil der Verstorbenen gerammt und dann nach oben gezogen, nicht nur einmal, sondern zweimal. Der erste Schnitt wurde nach rechts gedreht, schlitzte die Leiste auf und reichte zurück bis zur hinteren Hüfte. Doch der zweite Schnitt ging geradewegs nach oben durch die Kärpermitte und reichte bis zum Brustbein. Soch schreckliche Arbeit kann nur die Tat eines Wahnsinnigen sein."
Schaurige Lesekost für die sensationslüsterne Öffentlichkeit und eine schonungslose Darstellung der Einzelheiten, wie man sie in dieser Form selbst in unseren heuten Boulevardblättern kaum noch findet.
so, das war der erste Streich...doch der zweite folgt sogleich...