Autor Thema: Krank  (Gelesen 19420 mal)

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Offline Isdrasil

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Re: Krank
« Antwort #15 am: 13.05.2008 12:27 Uhr »
Hi Floh

Nun, ich weiß, Du meinst es wohl so (schätze Dich mal so ein), aber ich möchte davon ausgehen, dass Du von einer bewussten aktiven Isolation eines Menschen ausgehst. Bedenke auch die vielen Fälle, in denen Menschen durch andere ausgegrenzt werden. Oftmals kann ein isolierter Mensch nichts dafür - obwohl die Auswirkungen auf die Psyche durchaus dieselben sein können.
Nicht, dass wir isolierte Menschen gleich als "asozial" bezeichnen...dann wäre Merrick es ja auch gewesen...man muss bedenken, dass auch so eine nicht gewollte Isolation dazu führen kann, dass sich ein Mensch gewollt zurückzieht. Die Ursache der Wirkung muss bedacht werden. Vielleicht wurde dein Kollege (von denen ich auch so Spezies kenne) als Kind schon ausgegrenzt und zeigt deshalb ein Verhalten weg von der Gruppe  :icon_wink:
 
Grüße, Isdrasil

Mort

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Re: Krank
« Antwort #16 am: 13.05.2008 18:17 Uhr »
Vielleicht ist es nicht normal sich von seiner Umwelt abzukapseln. Man könnte aber auch die These aufstellen, ob die Welt und die Gesellschaft welche einen Menschen dazu veranlasst sich zurückzuziehn die eigentliche Krankheit ist. Es sind fast ausschliesslich sensible Menschen, die sich dann in sich zurückziehn. Ich würde sogar behaupten, dass
Serienmörder (oder zumindest die meisten) sehr sensibel sind  :icon_rolleyes:. Und ich meine, dass spontanere Taten im Vergleich oft sogar brutaler sind als lang geplante.

Floh82

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Re: Krank
« Antwort #17 am: 13.05.2008 20:21 Uhr »
asozial heißt nichts anderes als aktiv der sozialen Gemeinschaft oder seiner Normen abweichend.

Außenseiter sind keine asozialen. Sie sind Außenseiter und die darausfolgenden psychischen Ungereimtheiten sind ja eher Depressionen oder Manien. Wir sprechen hier aber von einer brutalen Mordserie...ich gehe nicht davon aus dass der Täter besonders sensibel war, zumindest zu der Zeit der Taten.

Viele sensible Menschen, da gebe ich dir Recht, legen die Sensibilität wieder ab...ich gehöre dazu. Diese Menschen haben leider Gottes jegliche Sensibilität in ihren Mitmenschen gesucht und keine gefunden...ergo lernen sie selbst diese Sensibilität abzulegen. Serienmörder sind während der Taten oder nach der ersten Tat allgemein nicht mehr sensibel.

Mort

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Re: Krank
« Antwort #18 am: 20.05.2008 10:07 Uhr »
Ich habe letztens bei Galileo Mystery  in der Folge "Das Böse im Menschen" erfahren, dass man das Böse im Menschen wegoperieren kann. Es ist eine Störung des Gehirns.
Ja, eine Schädigung. Diese sitzt im präfrontalen Cortex, einer bestimmte Stelle des Gehirns. Diese Menschen wissen auch gar nicht das sie böses tun. Ich denke, dies könnte auf die meisten Serienmörder zutreffen. Jack the Ripper wusste daher vielleicht gar nicht, was er tut. Er sah dies nicht als böse an, weil eben diese Region in seinem Gehirn
anderst tickte. Deshalb können solche Menschen sicher auch kein Mitleid mit ihren Opfern empfinden. Kann dies damit zusammenhängen? Diese Sache würde das Wort "Krank" dann wirklich erklären, wenn man dass so sehen kann.
« Letzte Änderung: 20.05.2008 10:18 Uhr von Mort »

Offline Isdrasil

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Re: Krank
« Antwort #19 am: 20.05.2008 10:19 Uhr »
Hi Mort,

Ja, das glaube ich auch. Ich glaube nicht, dass dies eine Einbahnstrasse in die Kriminalität darstellt, aber es gibt anscheinend gewisse körperliche Umstände, die eine verbrecherische Laufbahn begünstigen könnten bzw. die Betroffenen anfälliger machen. Da fällt mir doch mal wieder der gute alte Harbort ein:

Biologisch/psychopathologische Bedingungsfaktoren

Im Zuge dieser Untersuchung hat sich herausgestellt, daß die Ursachen serieller Tötungen ausnahmslos durch die Wechselwirkung insbesondere biologischer, psychopathologischer, soziologischer, kognitiver und lerntheoretischer Präferenzen herleitbar erscheinen. In Deutschland bestehen jedoch insbesondere zu den biologischen Bedingungsfaktoren hinsichtlich sexueller Devianzen und dissozialen Verhaltens erhebliche Forschungslücken. Daß vornehmlich frühkindlich erlittene Hirnschädigungen das Fundament darstellen können, auf dem sich psychopathologische Entwicklungen vollziehen, legt der Umstand nahe, daß insbesondere bei sadistischen Serienmördern (acht Probanden) in sieben Fällen größtenteils gleichartige hirnregressive Anomalien diagnostiziert wurden. In einem Fall konnten keine neurologischen Untersuchungen durchgeführt werden, da der Proband seine Zustimmung versagte. Dieser Befund erscheint auch unter Berücksichtigung der geringen Fallzahl signifikant, da bei den übrigen sexuell motivierten Tätern lediglich in einem Fall und bei den sonstigen Tätertypen nur vereinzelt (bei allen Vergleichsgruppen: 32,7 %) eine gleichartige Hirnanomalie festzustellen war. Beachtlich sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Ergebnisse zweier neuerer amerikanischer Studien: Lewis et al. stießen bei neurologischen Untersuchungen von 15 Serienmördern in sämtlichen Fällen auf Hirnanomalien. Langevin explorierte jeweils 13 Triebmörder, gewöhnliche Totschläger und Sexualsadisten computertomographisch. Ein Drittel der Sexualmörder und der sadistisch veranlagten Täter wiesen im rechtsseitigen Temporallappen einen organischen Befund auf, während bei keinem der übrigen Probanden derartige Anomalien festzustellen waren. Auch deutsche Untersuchungen jüngeren Datums belegen eine solche Tendenz, wonach Hirnanomalien bei Sexualmördern überproportional häufig diagnostiziert werden. Einen Zusammenhang zwischen frühkindlichen Hirnschädigungen und psychopathologischen Auffälligkeiten belegen zudem eine Vielzahl von Studien an schwer erreichbaren Kindern, die in bis zu 93 % der Fälle positiv verliefen.

Dies würde natürlich nur einen Tätertypus betreffen, nämlich den sexuell motivierten Mörder. Hier ist nicht die Rede von Ritual, Rache oder sonstwie motivierten Tätern, daher mag dies auch nur auf die Gruppe der Sexualtäter zutreffen. Das müssen wir beachten.

Aber ich glaube, wir driften langsam in dieses Thema ab (deswegen ein kleiner Link)... :icon_wink:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,975.0.html

Grüße, Isdrasil

Floh82

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Re: Krank
« Antwort #20 am: 20.05.2008 14:28 Uhr »
Das "Böse" ist ebenso wenig wie das "Gute" nicht wegzuoperieren. Ich halte von solch einer Aussage gar nichts....und da können Wissenschaftler herausfinden was sie wollen. Ein Mensch kann durch Erziehung, Umwelteinflüsse und persönliche Erfahrungen jederzeit "austicken". Jederzeit können Emotionen in zerstörerische oder konstruktive Energie gewandelt werden.

Hirnanomalien mögen Dinge begünstigen...sie sind aber als Erklärung ungenügend!

Offline Isdrasil

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Re: Krank
« Antwort #21 am: 20.05.2008 14:47 Uhr »
Hi

Hirnanomalien mögen Dinge begünstigen...sie sind aber als Erklärung ungenügend!

Stimme ich zu - war nie anderer Meinung. Das kann nur eine Komponente von Vielen sein  :icon_thumb:

Grüße, Isdrasil

Mort

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Re: Krank
« Antwort #22 am: 20.05.2008 20:49 Uhr »
Ein Mensch kann durch Erziehung, Umwelteinflüsse und persönliche Erfahrungen jederzeit "austicken". Jederzeit können Emotionen in zerstörerische oder konstruktive Energie gewandelt werden.

wäre dies dann aber nicht etwas anderes? Ich gehe davon aus, dass diese Menschen wissen, dass sie böses getan haben. Nur sie hatten sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr
unter Kontrolle. Dies geschah wie Du schon sagtest durch Umwelteinflüsse, Erfahrungen, Probleme. Sicher gehe ich davon aus, dass der Ripper auch durch diese Dinge (oder
etwas ähnliches) in seinem handeln beeinflusst wurde. Den gewissen Unterschied aber sehe ich darin, dass es bei ihm schon soweit war, dass er im Gegensatz zu dem von Dir gemeinten "austicken" in einer Art Wahn war.
Er war zwar genauso wie jene die "austicken", dass heisst er könnte z.B. auch einer Arbeit nachgegangen sein, sozusagen normal und unauffällig gelebt haben.
Aber dieses "krank" könnte bei ihm bedeutet haben, dass er sowas schon immer in sich trug, und gewisse Lebensumstände eventuell nur der Auslöser waren.  :icon_question:

Offline irene_adler

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Re: Krank
« Antwort #23 am: 25.05.2008 15:30 Uhr »
Servus

Welche zwei Verhaltensmuster willst du nun entgegensetzen?  :icon_confused:
Der Wahn kann in solch einem Mensch schon lange im Unterbewusstsein "genistet" haben - und hat möglicherweise irgendwann dann einen Punkt überschritten, an dem er ausbricht, an dem grausame Fantasien und Vorstellungen nicht nur mehr in Gedanken eines Täters stattfinden. Also schließt der „Wahn“ auf der einen Seite das „Ausbrechen“ auf der anderen Seite nicht aus – oder habe ich da etwas missverstanden?

Ich gehe davon aus, dass diese Menschen wissen, dass sie böses getan haben. Nur sie hatten sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unter Kontrolle.

Ripper konnte immerhin die Kontrolle über sich selbst soweit wahren, dass er nie geschnappt wurde und dass er möglicherweise vor/nach/zwischen den Taten wieder in ein „normales Leben“ übergehen konnte - wenn auch nur zum Schein für seine Mitmenschen.


Ansonsten zu den Diskussionen, die schon sehr weit in einen anderen Tread übergreifen, möchte ich noch ein Zitat von Hans Pfeiffer ("Der Zwang zur Serie") anführen:

"Der Schuld eines Täters für sein Verbrechen steht auch eine Un-Schuld entgegen, ein unverschuldeter Defekt seiner Persönlichkeit, den andere Mächte zu verantworten haben, die gesellschaftlichen und familiären Verhältnisse und ererbten Anlagen."


Gruß
Irene
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Offline Isdrasil

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Re: Krank
« Antwort #24 am: 09.06.2008 15:39 Uhr »
Hi

Schönes Zitat, Irene  :icon_thumb:

...und schönes Bild übrigens.

Zumindest kann man bei beiden Seiten (körperlicher Veranlagung und gesellschaftlicher, erzieherischer Umgebung) von äußeren Einflüssen sprechen, mit denen sich der Mensch konfrontiert sieht. Das Böse wächst denke ich nie aus dem reinen und komplett selbst bestimmten Willen des Menschen heraus, sondern ist immer auch Teil eines von äußeren Einflüssen (dazu zähle ich auch körperliche Defekte im Sinne von „äußerlich des bestimmten Willens gelegenen“) hervorgerufenen Vorganges.
Die Schuldfrage kann daher nur mit der Zurechnungsfähigkeit geklärt werden, doch dies ist äußerst schwer – ich finde, noch schwerer als die Frage nach den Ursprüngen.

Man kann in meinen Augen nicht nur Erziehung und Gesellschaft verantwortlich machen – denn ein großes Gegenbeispiel lebte zufälligerweise in direkter Nachbarschaft der Rippermorde: Merrick.
Wenn wir Hänseleien, Verstoßen durch die Eltern und traumatische Erlebnisse, gesellschaftliche Ablehnung und ein sozial schwaches Gefüge für die Krankhaftigkeit verantwortlich machen wollen – wieso war dann Merrick ein so friedfertiger Mensch?

@Mort
Interessante Überlegungen. Wenn Du mit „Wahn“ meinst, dass der Ripper nun ein Mörder war und nicht mehr zu dem Leben eines „normalen“ Menschen zurückkehren konnte, gebe ich Dir Recht. Wahn setzt man nur schnell mit einer Art außer Kontrolle geraten gleich. Das sehe ich nicht so. Der Ripper hatte sich bis zu einem gewissen Level unter Kontrolle, wenn nicht sogar noch während der Morde. Trotzdem kann er sich ja in einer Art „Rauschzustand“ befunden haben. Ach, immer diese Wortdefinitionen… :icon_confused:

Ich vergleiche das immer gerne mit Sex. Da ist man auch voll bei der Sache (hoffe ich doch), trotzdem kann man sich noch soweit kontrollieren, dass man es hört, wenn jemand die Treppe hoch stiefelt.  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil





Mort

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Re: Krank
« Antwort #25 am: 09.06.2008 18:14 Uhr »
Ja, Isdrasil. Ich wollte damit auch sagen, dass der Ripper vielleicht unzurechnungsfähig war.  Vergleichen wir das mal mit einem Familienvater, der unter extremen Einflüssen
durchdreht und seine Familie umbringt. Das ist eine schlimme Tat. Aber dieser Mensch ist meist nicht von Grund auf Böse. Solche Menschen sind zu diesem Zeitpunkt
"Krank". Also durchgedreht, im Wahn sozusagen. Ich weiss, das ist eigentlich ein wenig was anderes. Aber ich glaube Du weisst was ich meine. Weiss grad nur nicht so die rechten Worte dafür. Aber dies würde eigentlich auch meiner obigen Aussage ein wenig widersprechen :icon_confused:
« Letzte Änderung: 09.06.2008 18:29 Uhr von Mort »

Offline Anirahtak

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Re: Krank
« Antwort #26 am: 22.07.2010 22:33 Uhr »
Ich muss hier, einmal mehr, die "psychisch kranken" etwas verteidigen. Wenn man hier von psychisch kranken spricht, hört sich das nach irren Massenkillern, Satanisten und Wahnsinnigen an. Das sind psychische Extremfälle! Der "normale" psychisch kranke, muss nicht nach außen hin auffallen. Depressive Veranlagungen können von Mitmenschen absolut übersehen werden und erst bei einem Ausbruch erkannt werden (Beispiele gewünscht? Gerne...leider sogar aus dem privaten Bereich). Manisch-Depressive Charaktere werden oft missverstanden, man kreidet ihnen andere Krankheiten an (Beispielsweise ADS), bevor man die tiefsitzende psychische Störung erkennt. Gespaltene Persönlichkeiten müssen nicht zwingend Männer/Frauen sein, die wie Jakill und Mr. Hide (der übrigens auch nicht sofort erkannt wurde) auf so krasse Art und Weise zwei völlig unterschiedliche Charaktere ausbilden. Psychische Krankheiten und/oder Störungen lassen sich nicht sofort und nicht sehr leicht zuordnen. [...]
Das sehe ich ebenso. Ich glaube, es ist sinnvoll, zwischen "psychischer Erkrankung" (zB Depression, Schizophrenie) und Persönlichkeitsstörungen zu unterscheiden (auch wenn die Grenzen fließend sein können). Psychisch Erkrankte haben auch heutzutage ein schlechtes und falsches Image in der Öffentlichkeit, speziell Schizophrene. Ich kenne auch einige. Die haben zwar merkwürdige Gedanken und tun manchmal eigenartige Dinge, der Umgang mit ihnen ist mitunter anstrengend. Sie sind aber nicht zwingend gefährlich. Wenn überhaupt im Sinne von Eigengefährdung, mir ist aber kein Fall bekannt, wo ein an Schizophrenie Erkrankter andere angegriffen hätte.

Solches ordne ich eher den Persönlichkeitsstörungen zu. Diese fallen auch weniger durch merkwürdiges/extravagantes Verhalten auf (wie eben Schizophrene), sondern im Rahmen der jeweiligen Persönlichkeitsstörung, was sich aber mehr oder weniger innerhalb gesellschaftlicher Normen abspielt. Oder zumindest auf eine Weise, die eher als kriminell und weniger als psychiatriereif wahrgenommen wird. Bspw. kann jemand als rücksichtslos bekannt sein, was die Umwelt als unsympathisch empfindet, jedoch nicht als klassisch verrückt.

Für Serienmörder wie JTR würde ich die Dissoziale/Antisoziale Persönlichkeitsstörung zugrunde legen.

Natürlich muss man auch zwischen Ripper-Zeiten und heute unterscheiden. Damals gab es für psychisch Erkrankte überhaupt keine Behandlung (und selbst heute ist es noch schwer). So hätte er mit psychischer Erkrankung keine Möglichkeit gehabt, rechtzeitig "aufgefangen" zu werden, bevor alles zu spät ist. Andererseits ist mir auch bei den modernen Serienmördern keiner bekannt, bei dem bspw. Schizophrenie diagnostiziert worden wäre. Bei einigen habe ich gelesen, sie seien zuvor unauffällig oder gar beliebt gewesen (siehe auch den letzten Kandidaten aus Kalifornien). Also werden auch hier und heute öfter Persönlichkeitsstörungen vorliegen als klassische psychische Erkrankungen.
« Letzte Änderung: 22.07.2010 22:59 Uhr von Anirahtak »

KvN

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Re: Krank
« Antwort #27 am: 28.07.2010 23:39 Uhr »
Pfffhhh...Dünnes Eis, sehr dünnes Eis...Selbst anerkannte Fachleute tun sich in Bezug auf Diagnosen recht hart, kaum erscheint eine neue Klassifizierung, ist sie auch schon wieder heftigst umstritten. Möchte trotzdem meinen - sehr laienhaften- Senf dazugeben.     
Ich denke dass solche Kategorisierungen immer sehr stark von den äußeren Bedingungen abhängen. Grundsätzlich sollte man ja meinen dass Mörder immer an dissozialen Persönlichkeitsstörungen leiden, aber wie verhält sich das unter Ausnahmeumständen? Ich denke da zum Beispiel immer an den Balkankrieg, als Nachbarn einander plötzlich umbrachten, war das ein kollektiver Ausbruch von Persönlichkeitsstörung? Oder Ruanda, Sabra und Shatila undundund...
Vergessen wir nicht, auch der Ripper lebte unter solchen Bedingungen, die nicht mit unserem Leben heute vergleichbar sind. Die Menschen in den Slums starben wie die Fliegen, die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 22 Jahre (natürlich ein etwas verfälschter Wert, die Kindersterblichkeit war extrem hoch). Man wusste nicht mehr wohin mit den Leichen, auf vielen Friedhöfen lag die oberste Schicht der Beederdigten nur mehr 30cm unter der Oberfläche, die Gläubigen gingen nicht mehr in die Kirche weil der Verwesungsgeruch unerträglich war. Gewalt gegen Frauen war keine Ausnahme, es war der Alltag, siehe Hutts Aussage im Fall Eddowes. Um unter diesen Umständen so auszuticken bedurfte es meiner Meinung nach keiner gröberen psychischen Grunderkrankung, die Taten des Rippers waren von der Normalität in den Slums gar nicht so weit entfernt...
Aber: siehe oben.

Grüße

Offline Anirahtak

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Re: Krank
« Antwort #28 am: 29.07.2010 22:46 Uhr »
Mein Senf ist auch laienhaft. :icon_wink: Und ich bin an sich auch keine große Freundin strikter Kategorisierungen. Mir ging es vorwiegend darum, dass der Ripper kein "klassisch Verrückter" gewesen sein muss, zumal bis heute falsche Vorstellungen über diese Menschen kursieren (bspw. sie seien alle gefährlich). Außerdem können die Grenzen fließend sein, klar.

Dass der Ripper ein Produkt seiner Umgebung war... nun ja, was sind dann die Serienmörder des 20. Jahrhunderts? Die müssten dann ja auch alle aus Slums stammen. Die Umstände haben sicher dazu beigetragen, allein schon deshalb, weil es damals außer Wegsperren keine Behandlung für psychisch Kranke oder auch nur Auffällige gab (wobei man hier schon wieder nicht weiß, ob er im Alltag überhaupt auffällig wurde - was dann aber wieder für die Persönlichkeitsstörung sprechen könnte  :icon_wink:).

Balkankrieg usw. und Persönlichkeitsstörungen - ich gehe davon aus, dass Ausnahmezustände bei jedem etwas auslösen, was tief drin sitzt, sei es gut oder schlecht. Ich denke nicht, dass das zwingend mit einer verdeckten Persönlichkeitsstörung zu tun hat, nein. Es hängt mit unbewussten erlernten Verhaltensmustern zusammen, die dann eben in der Ausnahme-/Nostsituation zum Tragen kommen.

Die Umstände im East End waren auch eine Art permanenter Notsituation und ich schätze, man musste sich recht häufig rücksichtslos und/oder ignorant verhalten, jedenfalls nicht altruistisch, um überleben zu können. Leute erstechen und ausweiden geht aber darüber doch eindeutig hinaus. Innerhalb der Normalität des East Ends hätte er da doch zumindest relativ wohlhabende Opfer auswählen und ausrauben müssen.




KvN

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Re: Krank
« Antwort #29 am: 29.07.2010 23:32 Uhr »
Hi K.

Stimme dir weitgehend zu...Ich wollte nur anbringen dass der Schritt in die Abnormität für JtR ein kleinerer gewesen sein muss als es wohl unter geordneteren Umständen der Fall gewesen wäre. Zu den Serienmördern des 20. Jh.: Auch in materiell soliden Verhältnissen kann es zu negativ prägenden Umwelteinflüssen kommen, siehe Ramirez, Bundy etc.

Grüße