Umfrage

Haltet ihr einen Mord zwischen Eddowes und Kelly für möglich?

Ja natürlich, wieso nicht?
1 (12.5%)
Nein, das kann ich mir gar nicht vorstellen!
3 (37.5%)
Kann mich nicht so recht entscheiden...
4 (50%)

Stimmen insgesamt: 1

Autor Thema: Missing Link  (Gelesen 22997 mal)

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Stordfield

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Re: Missing Link
« Antwort #15 am: 14.09.2009 21:58 Uhr »
Hallo !

Aber wenn das Aufschlitzen und Ausweiden seiner Opfer sein zentrales Verlangen war und dies ihn trieb und erregte, dann dürfte es eigentlich egal gewesen sein, ob sein Opfer nun gutaussehend oder unattraktiv war.

Genau! Denn die Opfer werden entpersonifiziert.

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Missing Link
« Antwort #16 am: 05.03.2013 18:13 Uhr »
Hi Stordfield

Hm...habe gerade einen ergänzenden Gedanken dazu. Meinst Du, es kann für den Täter nicht einen größeren Reiz darstellen, eine attraktive Person als eine weniger attraktive zu töten? Natürlich betrachtet der Täter seine Opfer nicht als Personen in Gänze. Aber eventuell gibt es unterbewusste Vorgänge? Ich kann mir gerade gar nicht mehr vorstellen, dass die Wirkung einer Person so rein gar nichts zu tun haben soll.

Es kommt ja auch auf das persönliche Empfinden des Täters an. Wenn er die Wahl hätte zwischen zahlreichen wirklich völlig unterschiedlichen Opfern, würde er tatsächlich per Zufall sein Opfer aussuchen? Oder gäbe es nicht doch Präferenzen? Und wonach würden die sich richten?


Muss da auch mal drüber nachdenken...  ;)

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 05.03.2013 18:40 Uhr von Isdrasil »

Offline Isdrasil

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Re: Missing Link - Gedankenspiel für zwischendurch
« Antwort #17 am: 05.03.2013 18:37 Uhr »
...bevor Du mich für völlig bekloppt erklärst (wenn das nicht schon eh geschehen ist) weil ich plötzlich sämtliche Lehrmeinungen über Bord werfen will, möchte ich meine Frage an einem etwas fragwürdigen "Experiment" verdeutlichen. Und die Frage stelle ich natürlich an alle...

Wir nehmen uns einen Serientäter und stellen ihn vor meinetwegen 20 Menschen auf. Alle entsprechen seiner bevorzugten Opferwahl - seien es Frauen, Männer oder Kinder - aber unterscheiden sich in allem Anderen: Haarfarbe, Größe, Statur, Alter, Kleidung etc. Und nun darf er spontan wählen und einen Menschen der Auswahl töten.
Danach spulen wir die Szene zurück. Wir löschen sein Gedächtnis, alle Menschen stehen wieder genauso da. Er darf wieder wählen.
Und das machen wir meinetwegen 20 mal.

Frage: Wird er tatsächlich wahllos zuschlagen? Oder können wir doch eine Häufung feststellen? Was glaubt ihr, womit man so eine Häufung erklären könnte? Und wenn der Täter scheinbar wahllos zuschlägt - könnte es nicht doch Gemeinsamkeiten geben? Der Augenaufschlag zum Beispiel, die Form der Ohren, die Farbe der Schuhe? Ist das Opfer tatsächlich zu "100%" entpersonifiziert?

Was meint ihr?

Offline Lestrade

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Re: Missing Link
« Antwort #18 am: 06.03.2013 10:01 Uhr »
Guten Morgen Isdrasil,

Die Opfer können ja auch schlicht nach Verfügbarkeit ausgesucht werden, für den jeweiligen Täter und seinem Modus Operandi. Da reicht es aus, dass es eine Frau ist. Erkennt er vor, oder nach der Auswahl des Opfers, selbstverständlich während oder auch nach der Tat, an ihm bestimmte Dinge, so kann er zur Entpersonalisierung schreiten. Ich würde dies aber sehr komplex betrachten wollen. Persönlich denke ich, ist eine Entpersonalisierung, eine 100% Entpersonalisierung, gar nicht möglich. Es handelt sich immer um Versuche der Entpersonalisierung. Also eher um einen WUNSCH der Entpersonalisierung.  

Erfahrungen, Phantasien,Triggern (beim Löschen des Gedächtnis geht das alles verloren), das alles, was Geist und Körper gespeichert haben, erzählt uns etwas und da kann man Rückschlüsse auf den Akt der Personifizierung schließen als auch auf die Persönlichkeit des Täters.
Jeder, auch der normale Mensch, versucht doch irgendetwas nicht sehen zu wollen und wenn es nur durch die normale Ausblendung ist. Gelingt sie endgültig? Unmöglich! Hierbei auch die Stichworte: Verdrängung, Ausblendung, Abspaltung und Dissoziation, Multiple Persönlichkeit, Trauma.

Bedenken wir auch, dass wir im täglichen Leben der Entpersonalisierung begegnen. Da kommen wir als Opfer aber auch als Täter in Frage.  

Serientäter stehen tief in traumatischen Erlebnissen und Erfahrungen mit ihren Müttern, elternähnlichen Mutter-Figuren, Schwestern und anderen Anverwandten Damen wie Tanten und Oma. Eigentlich sollten diese ihre Opfer sein aber durch ein gewachsenes Verhältnis zu ihnen, ist eine aktive Tat unmöglich, man kennt sich ja. Finden diese Täter bei anonymen Opfern plötzlich vertrautes, dass sie eigentlich gar nicht töten können, weil ihnen (nun) die Möglichkeit oder der Mut fehlt, so werden sie in den Akt der Entpersonalisierung treten.

Dies wäre jetzt eine Erklärungsmöglichkeit. Manchmal erkennen sie sich aber auch selbst im Opfer wieder. Ich denke, der Mörder von Tristan Brübach reagierte genauso. Es würde mich nicht wundern, wenn er, der Täter, im Alter (13 Jahre) von Tristan (nur mit der Nennung seines Vornamens, mache ich ihn gerade zur wirklichen Person), schweren Missbrauch, egal welcher Art, ausgesetzt gewesen war. Natürlich verstand er damals als Kind nicht, was da passierte und möglicherweise wollte er das durch diese Tat herausfinden. Auf fatale Art… denn er ist oder war tiefgestört.

Edmund Kemper tötete zum Schluss seine Mutter und meldete sich dann bei der Polizei. Ich finde das sehr bezeichnend. Die Mutter war stets grausam zu ihm. Sein tiefkranker Hass, den er in sich trug, kam von ihr.

Auch wenn Du es nicht so gerne hörst. Ich muss es hierbei an dieser Stelle erwähnen. Aaron Kozminski lebte mit ziemlicher Sicherheit abwechselnd mit seiner Schwester Matilda, seinen Schwägerinnen Betsy und Bertha und wahrscheinlich auch mit seiner Mutter Golda zusammen. War er der Whitechapel Mörder, könnte und hätte er mit allen Frauen, oder zumindest mit 2-3 von ihnen, extrem traumatische Erfahrungen gemacht haben. Eine, hätte sich sicherlich als besonders auffallend herausgestellt haben können. In seinem Falle bleibt seine Schwester Matilda dafür die Kandidatin. Da Jacob Cohen, der Angehörige der der letzten Einweisung beiwohnte, auch eine Schwester (Betsy) hatte, welche die Schwägerin von Aaron Kozminski war, käme auch diese in Frage.

“Er hob ein Messer auf und bedrohte seine Schwester“ könnte ein ähnliches Szenario gewesen sein wie bei Kemper und seiner Mutter. Vielleicht reichte Aaron Kozminski genau das und auch das er aus seinem traumatischen Umfeld genommen wurde. Er hätte endlich seinem Peiniger gegenüber seine Macht demonstriert und vielleicht auch in dessen Augen gesehen, dass dieser wusste, wer er war? Er musste nie wieder dorthin zurück bzw. wurde nie wieder von der Straße dorthin zurückgeholt. Ein Grund, in der Anstalt nie wieder einen Mucks von sich zu geben. Er hätte seinen Job getan auch wenn er sie nicht tötete aber sie hatte vielleicht endlich mal Angst vor ihm. Getötet hätte er sie wenigstens 5mal in anderen Opfern.

Beste Grüße,

Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Isdrasil

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Re: Missing Link
« Antwort #19 am: 06.03.2013 12:14 Uhr »
Hi Lestrade

Ich denke, wir verstehen den Begriff "entpersonifizieren" etwas zu drastisch.

Ich glaube nicht, dass ein Serientäter seine Sinne ausblenden kann. Er wird seine Opfer in erster Linie visuell wahrnehmen, bei näherem Kontakt riechen, hören, eventuell fühlen. All diese Eindrücke üben Einfluss auf einen Menschen aus, und natürlich auch auf einen Serienmörder. Wie Du es auch schon meintest: Die vollständige Ausblendung gelingt nicht.
Und diese Sinneseindrücke wirken sich selbstverständlich auf die Tatbegehung aus. Du hast das ja schon ansatzweise geschildert. Anhand verschiedener Prägungen, seien es Kindheitsprägungen, persönlicher Geschmack etc, fällt der Täter schließlich sein Urteil: "Ja, das kann ein Opfer von mir werden", bewusst oder unbewusst.

Der Mensch wird also schon als Person im Sinne von Mensch wahrgenommen, allerdings als leere Hülle. Die Auswahl geschieht allerdings nicht wahllos, und so kann in meinen Augen auch die Attraktivität eine Rolle in der Opferauswahl spielen.

"Entpersonifizierung" meint für mich, dass der Täter nicht den Menschen als Wesen wahrnimmt - seine Gedanken, seine Gefühle, sein eigenes Ich. Der Täter lässt das Opfer zu einer Ware verkommen, so als würde er shoppen gehen und sich neue Klamotten kaufen wollen. Einen persönlichen Geschmack oder Prägung gibt es aber dennoch. Deine Schilderung der Entpersonifizierung quasi als Berechtigung des Mordes finde ich auch sehr beachtenswert.

Natürlich gibt es auch wahllos zuschlagende Täter, aber selbst da kann die Wahllosigkeit nur scheinbar sein - vielleicht haben die Opfer ja doch etwas gemeinsam, eine Bewegung, eine unscheinbare Geste, die Aussprache verschiedener Worte, die den Täter letztendlich zur Tat bewegen.

Deswegen denke ich, es würde bei dem "Experiment" eine Häufung geben. Manche würden verschont werden, manche außerordentlich oft zum Opfer.

Grüße, Isdrasil

Stordfield

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Re: Missing Link
« Antwort #20 am: 06.03.2013 12:24 Uhr »
Hallo, Isdrasil!

Deswegen denke ich, es würde bei dem "Experiment" eine Häufung geben. Manche würden verschont werden, manche außerordentlich oft zum Opfer.

Das kann schon möglich sein, aber ist dies nicht immer auch situationsbedingt? Würden in einer anderen Umgebung die gleichen Opfer ausgesucht werden, oder wären es dann ganz andere?

Gruß Stordfield


Offline Isdrasil

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Re: Missing Link
« Antwort #21 am: 06.03.2013 12:49 Uhr »
Hi!

Das ist eine interessante Frage.  :good:

Ich kann mich an einige Aussagen von deutschen Serientätern erinnern, die explizit das Aussehen des Opfers als ausschlaggebend für die Tat angaben:

- Ihre Haut war so weich
- Der Junge war so schön schmächtig und schüchtern
- Blond habe ich schon immer bevorzugt
- Ihr Parfum hat mir den Rest gegeben

Ich würde gerne versprechen, ich die Aussagen noch näher zuzuordnen und zu posten, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das halten kann bzw. Zeit dazu finde...
Jedenfalls schauen Täter schon auf verschiedene Sinneseindrücke, und natürlich spielen Prägungen eine Rolle. Ich würde also die "Entpersonifzierung" auf die geistige Ebene, nicht unbedingt auf die körperliche, beschränken.

Spielt die Umgebung eine Rolle? Hm...man kann sich natürlich erstmal fragen, ob die Umgebung nicht erst den Ausschlag für den Tatvorsatz gibt. Schlägt der Täter nur in Umgebungen zu, die ihm zusagen, oder ist die Umgebung wahllos und spielt keine Rolle? Wenn der Täter immer in einer bevorzugten Umgebung zuschlägt, nachts, in Gassen, im Wald, am Wasser, dann dürfte eigentlich die Opferauswahl immer denselben Regeln unterworfen sein. Dennoch kann sie natürlich willkürlich erscheinen: Tötet der Täter immer nachts in dunklen Ecken, so wird die Haarfarbe wohl weniger eine Rolle spielen, möglicherweise aber die Statur.
Es ist immer die Frage, was der Täter will - schaut er besonders auf visuelle Reize, die man nachts nicht wahrnimmt, dann wird ihn der Tatvorsatz eher tagsüber oder im Morgen- bzw. Dämmerlicht ereilen als in stockfinsterer Umgebung. Achtet er auf besondere Bewegungsmuster, auf Gerüche oder Stimmen, dann schlägt er nachts zu und kann sich demzufolge den Opfern besser nähern.

Ich bin mir noch unschlüssig, was zuerst da ist und was durch was bedingt wird. Ich möchte auch nicht zu pauschal klingen, auch wenn es den Anschein erweckt. Die Tat ist derart komplex, dass solche Fragen es wert sind, lange und ausführlich erörtert zu werden. Aber ich denke, dass sich beides - die Umgebung und das Opfer - gegenseitig beeinflussen und zugleich vom Täter ausgesucht werden. Aber ob zuerst das Huhn oder das Ei da war...hm...überlegen wir noch ein bisschen, oder?
 ;)

Grüße, Isdrasil

Offline Lestrade

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Re: Missing Link
« Antwort #22 am: 06.03.2013 13:32 Uhr »
Ich denke, wir verstehen den Begriff "entpersonifizieren" etwas zu drastisch.

Genau! Da sehe ich ähnlich.

Wir sollten auch daran denken, dass es eine Art von “Personifizierung“ gibt, die sicherlich auch einen Teil der “Entpersonalisierung“ darstellt.

Ein Killer, der es auf dunkelhaarige Frauen mit Mittelscheitel absieht, kann auch zu viel an einer Frau davon sehen, er kann sie aber auch tatsächlich so antreffen, als das was sie ist, eben Dunkelhaarig mit Mittelscheitel. An dieser Stelle kommt aber auch schon wieder ein “Fetisch“ in´s Spiel. 
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...