Autor Thema: Blutspuren  (Gelesen 11582 mal)

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Larkin

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Re: Blutspuren
« Antwort #15 am: 24.02.2010 18:18 Uhr »
Hi May!
Der Gedanke ist nicht schlecht, aber dieser "Trick" wäre wohl unnötig gewesen. Ein simples "Ich-kann-von-hinten-besser" (irgendjemand hat geschrieben, dass das damals eh der "Standart" war, wenn es um Straßensex mit einer Prostituierten ging) hätte auch gereicht; und - schwups! - schon dreht die Gute sich um und die Bahn ist für den Täter frei.
Ich denke auch, dass der Täter sich a) bemühte nicht ins But zu treten und
                                                  b) auch durch den Regen, der ja in mehreren Tatnächten munter prasselte, begünstigt wurde.

Liebe Grüße
Larkin  ;)

Offline panopticon

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Re: Blutspuren
« Antwort #16 am: 27.02.2010 13:18 Uhr »
Hallo!

Gerade bei Annie Chapman sieht es, meines Erachtens nach, nicht danach aus, als ob der Täter von hinten zuschlug. Generell lagen die Opfer dafür dann eigentlich "in falscher Richtung": Wenn man davon ausgeht, dass sich die jeweilige Prostituierte an der jeweiligen Wand vor sich abstützte, während der Ripper hinter ihr stand, hätte sie im Endeffekt eigentlich mit den Füßen zur Wand liegen müssen, was zumindest bei Chapman und Eddowes keineswegs der Fall war: Beide lagen auf dem Rücken - mit den Füßen in Richtung Hof/Platz zeigend und mit dem Kopf näher am jeweiligen Gebäude...

Dazu kommen dann eben auch die Blutspritzer, die George Bagster Philips bei der gerichtlichen Untersuchung beschrieb:

´On the back wall of the house, between the steps and the palings, on the left side, about 18in from the ground, there were about six patches of blood, varying in size from a sixpenny piece to a small point, and on the wooden fence there were smears of blood, corresponding to where the head of the deceased laid, and immediately above the part where the blood had mainly flowed from the neck.´
(Quelle: z. Bsp. The Times, 14. September 1888)

Wenn ich mir dazu auch noch die Illustration von der Pall Mall Gazette vom 10. September 1888 ansehe, auf der diese Blutspuren am Zaun eingezeichnet sind, bestätigt das eigentlich auch meinen Eindruck, dass der Täter Annie von vorne attackiert haben müsste. Generell kann ich mir auch nicht vorstellen, dass eine Prostituierte irgendeinem wildfremden Freier gerne den Rücken zuwendete – Ich halte die Geschichte, dass dies die ´Standardstellung´ war, eigentlich eher für einen Mythos. 


Das mit dem angeblich später umgebundenen Halstuch (wörtlich eigentlich ´Taschentuch´) dürfte aufgrund eines wohl falschen Berichtes des Stars vom 08. September 1888 herrühren:

´Her throat was cut open in a fearful manner, so deep, in fact, that the murderer, evidently thinking that he had severed the head from the body, tied a handkerchief round it so as to keep it on.´

Wie LondonFog schon erwähnte, ist aber prinzipiell wieder auf George Bagster Philips´s Aussage (Inquest) zu verweisen:

´He was of opinion that the person who cut the deceased's throat took hold of her by the chin, and then commenced the incision from left to right. He thought it was highly probably that a person could call out, but with regard to an idea that she might have been gagged he could only point to the swollen face and protruding tongue, both of which were signs of suffocation. (...) A handkerchief was round the throat of the deceased when he saw her early in the morning. He should say it was not tied on after the throat was cut.´
(Quelle: The Times, 14. September 1888)

Für eine Erstickung sprechen also sogar weniger ´Würgespuren´, als ein geschwollenes Gesicht und eine hervortretende Zunge.
Insofern ist may_rooras Idee durchaus ganz gut vorstellbar...


Grüße,
panopticon

Larkin

  • Gast
Re: Blutspuren
« Antwort #17 am: 28.02.2010 11:22 Uhr »
Hallo Panopticon!

Ich weiß nicht wie Freier damals mit Prostituierten auf der Straße Sex hatten, aber ich bin der Meinung, dass es am einfachsten war, wenn sich die Dame nach vorne beugte und sich irgendwo abstützte, während der Freier hinter ihr stand. Nenn mich phantasielos, aber ich hab momentan wirklich keine Ahnung wie es anders gelaufen sein könnte, da es ja auszuschließen ist, dass sich die Prostituierte für den Liebesakt auf den nassen, dreckigen Boden legte.

Ich habe von Anfang an gesagt, dass may_roora´s Gedanke nicht schlecht ist. Aber es gibt da Mankos.
Halstücher gehörten zur damaligen Mode, es ist also anzunehmen, dass die Damen die Tücher bereits trugen, als sie ihren Mörder trafen. Warum sollte der Täter ihnen also ein Halstuch umbinden?

Und selbst wenn ich alle Augen zudrücke und einfach mal durchgehen lasse, dass der Täter es irgendwie schaffte an den Halstüchern herumfummeln zu dürfen, wäre dann nicht die Aufmerksamkeit der Damen viel intensiver auf die Bewegungen und Handlungen des Mannes vor ihnen gelenkt, den sie ja, wie du schon sagtest, nicht kennen und deswegen auch nicht sicher vertrauen können? Sie wären viel aufmerksamer gewesen und hätten bemerkt, wie der Täter das Messer zieht und hätten somit vielleicht auch die Möglichkeit gehabt um Hilfe zu schreien oder sich zu wehren.

Und von hinten legte der Täter ihnen das Haltuch ja deiner Meinung nach auch nicht um, denn -
Zitat
Generell kann ich mir auch nicht vorstellen, dass eine Prostituierte irgendeinem wildfremden Freier gerne den Rücken zuwendete
 ;)

Wie schon gesagt, der Gedanke ist nicht schlecht und auch recht interessant, aber - meiner bescheidenen Meinung nach-  unzutreffend.

Wünsch dir einen schönen sonnigen Sonntag!
Liebe Grüße
Larkin  ;)





Tresschen

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Re: Blutspuren
« Antwort #18 am: 28.02.2010 13:43 Uhr »
Ich weiß nicht wie Freier damals mit Prostituierten auf der Straße Sex hatten, aber ich bin der Meinung, dass es am einfachsten war, wenn sich die Dame nach vorne beugte und sich irgendwo abstützte, während der Freier hinter ihr stand. Nenn mich phantasielos, aber ich hab momentan wirklich keine Ahnung wie es anders gelaufen sein könnte, da es ja auszuschließen ist, dass sich die Prostituierte für den Liebesakt auf den nassen, dreckigen Boden legte.
Diese Methode war damals und in diesen Kreisen wohl tatsächlich üblich, auch wenn es allgemein ja auch ginge, dass der Mann die Frau von vorne nimmt, wenn es denn eine Wand zum Anlehnen gab, doch diese Methode ist wohl bei Größenunterschieden weitaus unpraktischer als die andere, weswegen vermutlich auch die andere Methode beliebter war.

Ich dachte, das mit dem Halstuch hätte sich auf MJK speziell bezogen, bei der ja Hutchinson gesehen haben will, wie ihr Begleiter ihr ein Hals- oder Taschentuch zusteckte, vielleicht auch umband, nach dieser Idee.
Ich glaube nicht direkt an diese Halstuch-Idee, aber ich denke der Täter hatte eine gewisse Methode die Frauen abzulenken, bevor er zuschlug. Obwohl er sicherlich auch allgemein sehr schnell war und deswegen gar nicht große Ablenkungsmethoden brauchte. Vielleicht hat er die Frau die Hand auf den Mund gelegt, während er ihgr die Kehle durchschnitt, dann kam sie nicht zum Schreien und danach wird sie nicht mehr fähig gewesen sein zu schreien.

KvN

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Re: Blutspuren
« Antwort #19 am: 28.02.2010 14:05 Uhr »
Hi zusammen!

Ist ja wohl auch ziemlich bedeutungslos wie die "Standardposition" (so es eine gab) aussah, der Mörder hatte ja keinen Verkehr mit den Opfern...Beide Varianten (Kehlschnitt von vorne und von hinten) sind unabhängig davon vorstellbar, allerdings tendiere ich auf Grund der Schnittführung eher dazu, eine Attacke von hinten zu präferieren. So der Ripper Rechtshänder war...

Grüße

may_roora

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Re: Blutspuren
« Antwort #20 am: 28.02.2010 14:44 Uhr »
Hey Leute,

@Larkin
Nur weil Halstücher zur damaligen Mode gehörten, muss sie nicht jede Frau getragen haben. :) Vielleicht konnte ja vor allem eine Prostituierte sich finanziell nicht leisten, modisch immer auf dem neuesten Stand zu sein, und der Ripper könnte, um MJK "verführt" zu haben, ihr eins geschenkt haben. Ist nur so eine Idee, aber ich halte sie schon für möglich...

@panopticon
Ist jetzt auch nur meine persönliche Einschätzung, aber ich glaube nicht, dass Prostituierte ein Problem damit hatten, fremden Freiern den Rücken zu zu kehren, sie mussten es doch gewohnt sein, mit fremden Männern Verkehr zu haben. Oder meinst du, sie hatten eher sowas wie Stammkunden? Vor allem, wenn da Alkohol im Spiel war, was ja durchaus häufig der Fall war, glaube ich, dass sie relativ locker damit umgegangen sind. Oder die Frau war wegen dem Halstuch beeindruckt und wollte es sich begeistert umbinden lassen.

Freundliche Grüße,

may

Tresschen

  • Gast
Re: Blutspuren
« Antwort #21 am: 28.02.2010 23:14 Uhr »
ich glaube, es gibt eine Theorie, dass der Mörder den Opfern immer etwas geschenkt hat. Auch Mary-Ann Nichols hatte am Tag ihres Mordes plötzlich einen neuen Hut geschenkt bekommen. Wie das bei den anderen genau aussah, weiß ich nicht mehr. Aber es gibt die Annahme, dass der Täter seinen Opfern etwas schenkte im Vorhinein, vielleicht sogar mit Geschenken lockte.

Offline panopticon

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Re: Blutspuren
« Antwort #22 am: 02.03.2010 17:21 Uhr »
Hi.

:icon_mrgreen: Ja, da hab ich mich wohl ein wenig falsch ausgedrückt, zumal ich damit eigentlich in erster Linie sagen wollte,  dass mir ´schwups! – schon dreht sich die Gute um´ selbst  bei sehr viel Alkoholeinfluss auf die Betroffene doch ein wenig als Pauschalurteil (Sorry, Larkin! ;) ) erscheint. Also korrigiere ich mich mal: Generell kann ich mir auch nicht vorstellen, dass eine solche ´Prostituierte´ (wie die Opfer waren) irgendeinem wildfremden Freier gerne den Rücken zuwandte – ich halte die Geschichte, dass dies die ´Standardstellung dieser Prostituierten´ war, eigentlich für einen Mythos.

Ist jetzt zwar off-topic, aber um das zu begründen:

An Stammkunden (@may_roora) habe ich dabei nämlich eigentlich weniger gedacht, als vielmehr daran, generell zu hinterfragen, was die Opfer denn nun tatsächlich ´gewohnt´ waren, und wie häufig sie tatsächlich der Prostitution nachgingen:

Um die Lage wirklich adäquat einzustufen, denke ich, müssen wir nicht nur das oft vermittelte Bild von ´Jack the Ripper´ selbst zurechtrücken, sondern auch das von den Opfern zumindest hinterfragen: Prinzipiell handelte es sich dabei (zumindest in den meisten Fällen) um Frauen, die primär dann der Prostitution nachgingen, wenn sie keine andere Möglichkeit mehr hatten, um (noch) an Geld für ihre Übernachtung zu kommen, was wohl auch durchaus häufig der Fall war. Wir wissen von den meisten von ihnen aber auch, dass sie, wenn möglich, als Tagelöhnerinnen arbeiteten, dass sie bettelten, ihr Hab und Gut verpfändeten, dass sie Blumen verkauften, und dass sie sich sogar als Näherinnen betätigten und häkelten – letztere Tätigkeit gaben sie ja, wohl aufgrund ihres Wunschtraumes, irgendwann davon leben zu können, auch gerne mal als offiziellen Beruf an. Insofern bin ich mir eben nicht sicher, was wir von jeder einzelnen von ihnen im Umgang mit fremden Freiern in dunklen Hinterhöfen und Plätzen jeweils wirklich als ´selbstverständlich´,  ´Standard´ oder ´routinemäßig´ annehmen können, und was nicht. Wie ich schon einmal irgendwo angemerkt habe, sind ja ein ´No!´  aus dem Hinterhof der Hanbury Street und ein ´No, not tonight, some other night.´ aus der Gegend der Berner Street zumindest aktenkundig, worauf auch immer sich das jeweils bezogen haben mag...


Um aber wieder eine Brücke zum eigentlichen Thema zu schlagen:
Wie KvN bereits erwähnte, hatte der Täter ja auch gar keinen Verkehr mit den Opfern. Es dürfte, sofern er nicht "einfach" spontan im Affekt ausrastete, auch von vornherein nicht das primäres Ziel des Täters gewesen sein, das Opfer "nur" zu töten: Um an das scheinbar eigentliche "Objekt" seiner Begierde heranzukommen, benötigte er im Endeffekt einen Zugriff auf das Opfer von vorne und möglichst viel Platz vor dem Opfer, wohl auch, um die Selbstbeschmutzung mit Blut so gering wie möglich zu halten (womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären!). Abgesehen davon, dass kein einziges Opfer (zumindest meines Wissens nach) mit den Füssen zur jeweiligen Wand aufgefunden wurde: Eine an eine Wand oder in eine Ecke gestützte Prostituierte, die dem Täter den Rücken zuwandte, wäre generell keine gute Ausgangslage für dieses eigentliche Vorhaben gewesen, zumal er sie dann letzten Endes auch wieder irgendwie umdrehen musste. (Was wohl auch wiederum eventuell in mehr Blutspuren resultiert haben müsste, und gerade im Fall Annie Chapman – zwischen Zaun und Stufen – nicht gerade einfach gewesen wäre.) Dazu kommen dann eben auch noch die Blutspuren in etwa 45 cm (18 Zoll) Höhe an der Wand und jene am Zaun der Hanbury Street, die laut George Bagster Phillips vom Schnitt am Hals stammen dürften, und darauf hinweisen könnten, dass sich das Opfer wahrscheinlich schon ziemlich in Bodennähe befand, als der Täter ihr den Hals durchschnitt – wenn sie dann nicht überhaupt bereits lag, zumal die Spuren am Zaun eben mit der Lage des Halses der Toten laut Phillips (siehe oben) doch durchaus korrespondierten...


Liebe Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Blutspuren
« Antwort #23 am: 02.03.2010 19:21 Uhr »
@Tresschen:

Das mit den Geschenken, vermute ich auch schon länger. Der Hut bei Nichols, das rote Halstuch o.ä. bei Kelly, die "Päckchen" unter´m Arm" bei Zeugensichtungen...

@panopticon:

Ich denke, es war nicht viel anders als heute. Blowjob, Handjob, von vorn oder von hinten usw. Auch die "hohle Hand" bei Kunden, die nicht mehr ganz "klar" waren...vielleicht war die "Bückvariante" um diese Zeit etwas im Vorteil...

Die "No´s" kann ich mir nicht ganz erklären, irgendetwas könnte an seinen Wünschen ungewohnt gewesen sein (mal abgesehen von seinen wahren Absichten), keine Ahnung...ist aber interessant...Er wird seine Opfer aber von vorne begegnet sein...

Viele Grüße,

Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...