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Hamburgischer Correspondent, 13. September 1888

London, den 11. September.
Mordthaten in Whitechapel
Ein Theil der Presse richtet anlässlich der in jüngster Zeit in London verübten furchtbaren Mordthaten scharfe Angriffe gegen die hauptstädtische Polizei und deren Chef Sir Charles Warren. So bemerkt „Daily Chronicle“: „Ein Gutes werden hoffentlich diese furchtbaren Verbrechen haben: das Volk von London wird nicht länger die Launen von Scotland Yard dulden, welche die Leistungsfähigkeit der Polizei ihrer äußeren Erscheinung aufopfert. Ein Polizeibeamter sagte dem Vertreter der Presse freimüthig, dass die Polizei solche Verbrechen, wie die Morde in Whitechapel, niemals ausfindig machen würde, und dass nichts Anderes übrig bliebe, als das Ungeheuer so lange morden zu lassen, bis sich seine Monomanie erschöpft habe. Das ist das mohamedanische Kismet. Mit welcher Nachlässigkeit wurden die Nachforschungen nach dem Verüber der ersten Mordthat geführt, mit welchem geringen Eifer die nach demjenigen der zweiten! Es ist nur die Wahrheit, dass London außer sich ist über den geringen polizeilichen Schutz, welchen Sir Charles Waren ihm angedeihen lässt. Das Regime von Scotland Yard muß entweder anders werden, oder es muß aufhören.“
Ähnlich äußert sich die „Daily News“: „Viel hängt von der Polizei ab. Es ist kaum zu viel, wenn man sagt, dass der Frieden eines ganzen Stadtviertels in London in gewissem Grade in ihren Händen liegt. Wir haben uns schon früher über die Unzulänglichkeit der Polizeimacht in dem von diesen Verbrechen heimgesuchten Districte geäußert. Es zeugt von elendem Patrouilliren, wo so viel in einer halben Stunde geschehen konnte, ohne eine Spur zurückgelassen zu haben. Die Polizei hat sehr viel verlorenen Grund und Boden zurückzugewinnen. Sie hat in den letzten zwei Jahren ermangelt, viele schreckliche Verbrechen an's Tageslicht zu bringen. Es ist sicher, daß keine Anstrengung gespart werden wird; aber das Publikum wird kaum mit einer derartigen Versicherung zufrieden sein. Die Polizei muß diesmal auf irgend eine Weise den Sieg davontragen. Diese Verbrechen verbleiben eine Art von öffentlicher Schande.“
Der „Standard“ sagt: „In dieser Sache sollte die Polizei ihre ganze Energie aufbieten, denn wenn sie jetzt ein Versehen macht, ist ihr Credit und das öffentliche Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit mehr als erschüttert. Zur Auffindung des blutdürstigen Ungeheuers muß jeder Nerv angestrengt werden. “

 

Thomas Schachner
(Dokument zuletzt bearbeitet am 26.04.06)