Hallo Euch allen,
icih habe mir vor kurzem nochmal den Michael-Caine-Film "Jack the Ripper/ Das Ungeheuer von London" angesehen (leider nur
die damals aus dem TV kopierte, wohl gekürzte Fassung in 2 Teilen, nicht die Kauf-DVD). Diese Verfilmung halte ich zwar für näher
an den belegbaren Fakten als den (dafür athmosphärisch besser gemachten) Depp-Film "From Hell", aber es stören mich trotzdem
viele Details daran - mal abgesehen vom Finale, das uns dort präsentiert wird (Gull und sein Kutscher warens angeblich). Besonders
auch deshalb, weil der Film, wie im Vorspann betont "auf neuen Erkenntnissen und Akten beruht, die zum Teil jetzt erst freige-
geben wurden". Dann frag´ich mich allerdings, wieso man sich an diese Fakten nicht auch beim Dreh hält.
Mal kurz im Überblick einige Kritikpunkte:
- die vorhergehenden Morde, bei denen man die Täterschaft JtRs auch nicht ausschliessen kann, werden, wie z. B. der Fall
Tabram, mit keiner Silbe erwähnt. Der Film steigt mit dem Mord an Nichols ein, eine Vorgeschichte gibt es nicht.
- Die der Polizei damals durchaus bekannten und auch überprüften wirklichen Tatvedächtigen (mit Ausnahme der kurz am Rande
auftauchenden "Lederschürze"),werden ebenfalls nicht mit einem Wort erwähnt. (Kosminski, Chapmann, Druitt, Tumblety etc.)
- Dafür werden andere Verdächtige detailliert gezeichnet, die niemals ernsthaft in Verdacht gerieten (berichtigt mich, wenn ich
mich da irre), wie das Medium Lees, Dr. Lewellyn, Dr. Akland (gabs den?) und den US-Schauspieler Mansfield. Fehlt eigentlich
nur noch der arme John Merrick, um den Blödsinn perfekt zu machen...
- Abberline wird als Alkoholiker (möglich, aber bewiesen?) und Choleriker dargestellt, der hauptsächlich damit beschäftigt ist,
Zeugen niederzubrüllen und einzuschüchtern und jeden zu verdächtigen, der zufällig in seine Bahn gerät. Ein Profi handelt
anders.... ausserdem wird suggeriert, er und sein Sergeant seien fast "Einzelkänpfer" gewesen.
- Das "Bürgerschutzkommitee" (ups, richtig geschrieben?) wird als prekommunistischer Haufen von Unruhestiftern gezeigt, sein
Vorsitzender Lusk als gewissenloser Machtmensch, dem es nur um Aufwiegelung geht. Dass die Mitglieder dieses Vereins
zu Lynchjustiz neigten und sicherlich sauer auf das Establishment waren, ist logisch, aber ich halte diese Darstellung für reichlich
einseitig
- Beim Stride-Mord wird gezeigt, wie Diemschutz mit seinem Karren die tote Lizzie findet, sogar das scheuende Pferd wird gezeigt -
aber der "Lipski"-Vorfall unmittelbar vorher wird komplett unterschlagen (und den halte ich ebenfalls für megawichtig, denn meiner
Ansicht nach war es niemand anders uns´ "Jack", der mit dieser Beschimpfung den anderen Zeugen neben Diemschutz verjagd
hat). Übrigens wäre Diemschutz bei der Gelegenheit eine Kutsche mit königlichem Wappen, die da im Armenviertel der düsteren
Bernerstreet etwas deplaziert rumgestanden hätte, mit Sicherheit aufgefallen!
- Die schauspielerische Besetzung der Opfer halte ich für sehr unglücklich, die Darstellerin von Cathie Eddowes ist ein wenig zu
attraktiv geraten, sie gleicht im Film - rein optisch - eher einer feinen Dame als einer ärmliche Gelegenheitsnutte. Und Stride
wird vor dem Mord als total bestrunken gezeigt, was bekanntlich den Autopsieergebnissen widerspricht. Mary Jane Kelly wird als
einfältiges Dummchen dargestellt, was ich angesichts der Zeugenaussagen über sie auch für zweifelhaft halte. Es sollte doch
heute möglich sein, Darstellerinnen zu finden, die wenigstens etwas mit den Originalen assoziiert werden können...
- Dem Film nach hatten Kelly, Eddowes und Stride einen Zuhälter - und auch noch denselben!!!
- Der ermittelnde Sergeant (im Film Abberlines rechte Hand) sitzt mit 3 Ladies am Tisch in einer Kneipe und pflegt geradezu
freundschaftliche Konversation mit ihnen - und das sind ausgerechnet die 3 späteren Opfer, die sich nicht nur kennen, sondern
sogar relativ gut befreundet sind. Sehr wahrscheinlich bei 1000den von Dirnen in Whitechapel, dass die sich kannten ... und
niemals auch nur im entferntesten belegt. Vom Kontakt zur Polizei, bevor sie abgeschlachtet wurden, ganz zu schweigen.
(Abgesehen von Cathies Kurzaufenthalt in der Ausnüchterungszelle, der übrigens auch nur mit einem Satz erwähnt wird).
- Außer Abberline und sein Sergeant werden alle anderen Beamten, besonders die uniformierten, als komplette Idioten
oder uninteressierte Quertreiber dargestellt - auch das dürfte trotz der Rivalität der beteiligten Dienststellen übertrieben sein...
Alles in allem fand ich den Film damals schon enttäuschend - der Augenmerk auf Kommerz und Verkaufserfolg eines Filmes sind
sicherlich ok, aber bei einem Film, der angeblich auf "Ermittlungsakten und neuen Erkenntnissen" basiert, darf man wohl historische
Genauigkeit, soweit möglich, erwarten!
Ich habe mich immer schon geärgert, wenn historische Stoffe verfilmt und dabei wider besseres Wissen total verfälscht werden -
das fängt schon bei ansonsten sehenswerten Monumentalschinken wie "Quo Vadis" (und bei neueren Streifen z. B. "Gladiator")
an - und warum man immer irgendeinen Blödsinn drumrum dazudichten muß, wie bei "Titanic" zum Besipiel, wenn die historischen
Tatsachen und Ereignisse für einen Regisseur, der sich peinlich genau an die Fakten hielte, mit Sicherheit genug für einen
spannenden Film, der dann sogar noch glaubhaft wäre, hergeben würde. (Sorry für den Monstersatz!
)
(Gerade bei "Titanic" gibt es beispielsweise so viele erstaunliche und überlieferte Vorkommnisse in den 3 Stunden der Katastrophe,
dass das allein ausreichen würde, einen spannenden Film zu drehen!). OK, "Titanic" ist pure Unterhaltung, stimmt schon, aber
sobald der geschichtliche Hintergrund um der Unterhaltung Willen verdreht wird, hörts bei mir auf. Beim "Herr der Ringe" oder -
schon eingeschränkter - bei Sagenstoffen wie "Troja" darf das Drehbuch natürlich so viel "spinnen", wie es will, aber wenn ich eine
historische Verfilmung sehe, dann erwarte ich historische Korrektheit, zumindest bei den erwiesenen Tatsachen - kurz, der Rahmen
muss stimmen! Und das tut er leider in den seltensten Fällen.
Eure Meinung dazu?
Gruß Peter