Moin allerseits!
Wie ihr wißt, bin ich noch nicht übermäßig lange "dabei", habe aber die vergangenen Wochen genutzt, um meinen Wissensrückstand etwas zu verringern und mich in einem ruhigen Moment mal hingesetzt und mich gefragt, was ich jetzt eigentlich über JTR wirklich weiß, bzw. zu wissen glaube. Das Resultat dieser Überlegungen will ich euch im Folgenden präsentieren. Es ist sicherlich nicht der finale Fangschuß für Klosowski, sondern lediglich eine Annäherung. Aber selbst das ist bei diesem vertrackten Fall ja immerhin schon mal etwas.
Tja... Klosowski. Egal aus welcher Perspektive ich die einzelnen Aspekte dieses Falls betrachte, irgendwie komme ich immer wieder auf ihn zurück. Ich bin mittlerweile so weit, Bury und Tumblety, aufgrund der Indizienlast gegen sie, als ernsthafte Verdächtige zu akzeptieren. Die "Polish Jew"-Kiste wackelt zwar an allen Ecken und Kanten (Wer wurde denn nun eigentlich wem wo wann gegenübergestellt und anschließend wo wie lange verwahrt?) muss aber wohl auch mit entsprechender Ernsthaftigkeit behandelt werden. Dennoch kann ich mir JTR nicht als chronischen Säufer (Bury), extravaganten Quacksalber (Tumblety) oder sabbernden Irren (Kosminski/Cohen/Kaminsky/Wer-auch-immer) vorstellen. Blieben noch der große Mr. Unbekannt und sein Kumpel Mr. Leider-nur-sehr-vage-bekannt (Alaska, Fogelma, etc.). Klar, die gibt es immer. Aber brauchen wir die denn wirklich, wenn wir einen solchen Verdächtigen wie Klosowski haben?
So, genug der Vorrede. Auf geht's!
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Von welchen Annahmen gehe ich bezüglich JTR aus?
1. Der "local"-Aspekt
1a. Brauchte JTR detailierte Ortskenntnisse?
Es wäre sicherlich vorteilhaft gewesen, nicht aber zwingend notwendig. Das nötige Wissen hätte man sich auch mittels einer Karte oder eines Kurzaufenthalts aneignen können.
1b. Wohnte JTR im Eastend?
JA. Ich gehe so weit, zu behaupten, dass er seinen Wohnsitz sogar im geographischen Zentrum der Morde haben musste, so dass er die Tatorte leicht zu Fuß erreichen und nach getaner Arbeit wieder nach Hause gehen konnte. Weiterhin gehe ich davon aus, dass er allein wohnte, da seine Mitbewohner anderenfalls Verdacht geschöpft hätten.
2. Welche Morde schreibe ich JTR zu?
- Martha Tabram
Wenn in so kurzer Zeit in einem so begrenzten Raum ein so ähnlicher Mord passiert ist ein Zufall unwahrscheinlich.
- Die kanonischen 5
Kommentar überflüssig. Bei Stride ist es halt dumm gelaufen.
- Carrie Brown
Der Mord weist so viele Parallelen zu den K5 auf, dass ich von einem Ripper-Mord ausgehe.
Daraus ergibt sich, dass sich JTR vom 7.8.1988 bis zum 9.11.1888 in London und am 24.4.1891 in New York befand.
3. Welche "Ripper-Dokumente" halte ich für echt?
"Dear Boss" und "Saucy Jack" - Fakes
"From Hell" - Möglicherweise
Graffitti - Möglicherweise
Nimmt man "From Hell" und das Graffitti als echt an, läßt sich daraus der Schluß ableiten, dass JTR der englischen Sprache nur begrenzt mächtig war (was er mit einem scheinbar irischen "Akzent" zu verbergen suchte), ergo ein nicht-englischsprachiger Ausländer sein muss. Dies deckt sich mit verschiedenen Zeugenaussagen.
Darüber hinaus läßt sich ableiten, dass JTR Lesen und Schreiben konnte.
4. Hat JTR vor und nach dem Herbst 1888 weitere Morde begangen?
Davor: Wahrscheinlich. Wenn keine Morde, so dürfte er zumindest als gewalttätig aufgefallen sein.
Danach: Falls er noch die Mögkichkeit hatte mit Sicherheit. Wenn es einmal so gut läuft hört man nicht einfach auf.
5. Täterbeschreibung
5a. Gibt es soetwas wie einen Kleinsten Gemeinsamen Nenner in den verschiedenen Zeugenaussagen, aus dem sich eine Täterbeschreibung ableiten läßt?
Ich denke ja:
Anfang 20 bis Ende 30
Dunkelhaarig
Schnurbart
relativ klein
wirkt ausländisch / jüdisch
5b. Muss JTR eine Ähnlichkeit zum Phantombild vom Novemer 2006 aufweisen?
Ich gehe nicht davon aus, dass das Phantombild völlig aus der Luft gegriffen ist, sondern eher etwas wie den oben erwähnten Kleinsten Gemeinsamen Nenner darstellt. Insofern: Wäre von Vorteil.
6. Muss JTR medizinische/anatomische Kenntnisse gehabt haben?
Ich denke JA - Zumindest grundlegende.
7. War JTR berufstätig?
JA. Nur so läßt sich erklären, dass die Morde ausnahmslos an Wochenenden und Feiertagen passierten.
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Hier die Schlußfolgerungen in Kürze:
- JTR wohnte (zumindest näherungsweise) im geographischen Zentrum der K5-Tatorte
- JTR wohnte allein
- JTR befand sich vom 7.8.1988 bis zum 9.11.1888 in London
- JTR befand sich am 24.4.1891 in New York
- JTR war ein nicht-englischsprachiger Ausländer und der englischen Sprache nur begrenzt mächtig
- JTR konnte Lesen und Schreiben
- JTR ist bereits vor dem Herbst 1888 als gewalttätig aufgefallen
- JTR hat nach dem Herbst 1888 (falls er die Möglichkeit dazu hatte) weitere Morde begangen
- JTR war Anfang 20 bis Ende 30, dunkelhaarig, relativ klein und hatte einen Schnurbart
- JTR weist zumindest geringfügige Ähnlichkeit mit dem Phantombild vom November 2006 auf
- JTR verfügte zumindest über grundlegende medizinische/anatomische Kenntnisse
- JTR war berufstätig
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Nimmt man all diese Schlußfolgerungen als gegeben an, reduziert sich die Anzahl der Verdächtigen auf 1: Severin Klosowski.
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Weitere Indizien, die auf Klosowski hindeuten:
- Schwarze Tasche
- Gewalttätigkeit/Aggressives Verhalten gegenüber Frauen
- Verurteilter Mörder
Siehe:
http://www.jacktheripper.de/tatverdaechtige/klosowski/Zur Veranschaulichung der Punkte "Geographisches Zentrum" und "Ähnlichkeit mit dem Phantombild" sei hier auf mein Jungfern-Posting verwiesen:
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,895.0.html------------------------------
Schwachpunkte dieser Argumentation:
- Die "Pause" zwischen MJK (9.11.1888) und Carrie Brown (24.4.1891). An Mylett, Jackson, Mackenzie, Coles und den Pinchin St.-Torso mag ich nicht als Ripper-Opfer glauben.
- Nimmt man den Carrie Brown-Mord raus, erweitert sich der Verdächtigenkreis wieder ein wenig.
- Ich weiß bisher nur sehr wenig über Klosowskis Leben in Polen, frage mich allerdings, welchen zwingenden Grund ein junger aufstrebender Assistenz-Chirurg gehabt haben kann, in die Slums einer ausländischen Großstadt zu ziehen und sich dort als Haarschneider zu verdingen.
- Einige der Annahmen und Schlußfolgerungen sind durchaus angreifbar.
- Ich habe immer noch nicht so viel Hintergrundwissen, wie ich gern hätte.
- Ich hatte zum Zeitpunkt der Niederschrift Klosowski bereits zu meinem Champion erkoren. Somit besteht die Gefahr, dass ich die Argumentation ihm angepasst habe.