Autor Thema: Tunnel unter London?  (Gelesen 39088 mal)

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Colin Benson

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Tunnel unter London?
« am: 30.08.2004 21:16 Uhr »
Patrick Mulshaw, a night porter in the employ of the Whitechapel District Board of Works, living at 3, Rupert-street, Whitechapel, said on the night of this occurrence he was at the back of the Working Lads' Institute in Winthorpe-street [Winthrop-street]. He went on duty about a quarter to 5 in the afternoon, and remained until about five minutes to 6 the next morning, when he was relieved. He was watching some sewage works. He dozed at times during the night, but was not asleep between 3 and 4 o'clock. He did not see any one about during that period, and did not hear any cries for assistance, or any other noise. The slaughterhouse was about 70 yards away from where he was. Another man then passed by, and said, "Watchman, old man, I believe somebody is murdered down the street." Witness then went to Buck's-row, and saw the body of deceased lying on the ground. Three or four policemen and five or six working men were there. London Times 09/18/1888

Ich halte den Zeugen für glaubwürdig weil er a) nicht als Wichtigtuer aufgefallen ist und b) sogar zugegeben hat, daß er ein oder zwei Schläferchen gemacht hat :oops:

Bisher geht die Interpretation dahin, daß Mulshaw vollkommen korrekt berichtet, aber seine Beobachtungen ebenso vollkommen ohne Zusammenhang mit dem Mord an Polly Nichols sind. Ich war lange geneigt, daß zu glauben, aber etwas hat mich immer gestört. Würde einer von Euch lässig an einem Wachmann vorüberschlendern und dabei nebenbei zurufen, daß es einen Mord gab? Irgendwas stört mich denn doch daran, das Verhalten wirkt.... falsch.

Was war das für eine Baustelle in der Kanalisation, die Mulshaw beaufsichtigt hat? War das ein Zugang, ein möglicher Fluchtweg? Hat unser unbekannter Mörder hier den arglosen Wachmann weggelockt, um unerkannt in die Kanalisation zu entkommen? Zeitlich könnte das Szenario hinkommen.

Grüße

CB
LUX ET TENEBRAE

Scharfnase

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Auf dem Teppich bleiben
« Antwort #1 am: 31.08.2004 09:30 Uhr »
Hi Colin Benson,

also ich würde die Aussage mal nicht überinterpretieren. Mulshaw sagt ja nur, dass ein Mann vorbeikam ("passed by") und ihm mitteilte, dass dort vorne jemand ermordet wurde. Von auffälligem Schlendern steht da also gar nix.

Und ob die bewachte Baustelle überhaupt einen weiteren Ausgang hatte, ist ebenfalls nur pure Spekulation. Außerdem würde der Ripper wohl kaum einen bewachten Tunnel wählen, wo er sich nicht sicher sein kann, geschnappt zu werden. Was wäre gewesen, wenn der Wachmann stehen geblieben wäre? Das wäre ihm wohl zu unsicher gewesen.;-)

Gott zum Gruße,
Scharfnase

Colin Benson

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #2 am: 31.08.2004 13:05 Uhr »
Hi Scharfnase,

prinzipiell stimme ich Dir zu, die Tunnelthese habe ich auch mehr als eyecatcher angefügt, wenn ich sie auch noch nicht vollkommen von der Hand weisen möchte. Sicher, ein Risiko, aber der Täter ist nun wahrlich oft genug Risiken eingegangen.

Mich stört, wie der Mann vorbeigegangen ist. Das Schlendern war eine leichte Überhöhung, er ist in der Tat "einfach vorbeigegangen", und da hakt es aus.

Er geht vorüber, beiläufiger Zuruf, und verschwindet. Der Mann hat es nicht eilig, zur Arbeit zu kommen, was eine Erklärung böte. Er ist nicht aufgeregt, obwohl die Morde etwas schrecklich Neues und Aufregendes sind (kein Mord 1887, aber das bereits dritte brutale Gemetzel 1888). Seine Gangart deutet an, daß er wohl Zeit hat, trotzdem bleibt er nicht auf ein kurzes Schwätzchen.

Kurzum, er verhält sich vollkommen anders als ein sozialisiertes, menschliches Geschöpf es unter diesen Umständen täte. Und das steckt mir ordentlich quer.

Einfach nur zufällig ein asozialer, deemotionalisierter Charakter? Noch ein Zufall? Mit den ganzen Zufällen, die es hier angeblich geben soll, hat London seinen diesbezüglichen Vorrat aber bis mindestens 2009 aufgebraucht.

Jan_Schattling

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #3 am: 31.08.2004 13:59 Uhr »
mmmh... ich würde dieses Verhalten nicht überbewerten.
Einige der Dinge die du für seltsam hällst sind denke ich ganz ok.

Etwas anderes stört mich aber gewaltig.
Das Verhalten dieser Person.

Ich habe mich mir Etikette in der ZEit auseinander gesetzt und wenn man etwas nicht tat, dann war es einem Fremden auf der Straße eine Konversation mit einer profanen einleitung aufzuhalsen, bzw. überhaupt jemand anzusprechen.
Das diese Person das gemacht hat ist für mich am seltsamsten.

Ach ja... die Tunnelidee ist gut. Wir sollten aber auch nicht die U-Bahn vergessen die auch unter Whitechapel verlief.


Jan

Colin Benson

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #4 am: 31.08.2004 14:11 Uhr »
Okay, wie mans auch dreht, es ist ein seltsames Verhalten. mein gut feeling mag es nicht.

Was die U-Bahn angeht - ich habe leider keine Pläne aus dem Jahr 1888, in der sowohl die fertiggestellten als auch die in Bau befindlichen Abschnitte eingetragen sind.

Wenn da jemand aushelfen könnte....

Scharfnase

  • Gast
Was anderes noch...
« Antwort #5 am: 31.08.2004 14:24 Uhr »
Hi Colin Benson,

macht Dich nicht viel mehr stutzig, dass der Mann zu Mulshaw sagt, dass dort jemand ermordet worden sei, obwohl er das eigentlich noch gar nicht wissen konnte. Am Anfang war ja noch gar nicht klar, dass Polly überhaupt tot war, geschweige denn wie sie zu Tode gekommen war. Woher weiß der Mann das dann?

Gott zum Gruße,
Scharfnase

Colin Benson

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #6 am: 31.08.2004 14:29 Uhr »
"Mulshaw then went to Buck's-row, and saw the body of deceased lying on the ground. Three or four policemen and five or six working men were there."

Gefunden war sie zu dem Zeitpunkt schon, Polizei war auch schon da, ebenso Gaffer.

Offline thomas schachner

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Tunnel unter London?
« Antwort #7 am: 31.08.2004 16:04 Uhr »
hallo,

von hier aus

http://www.starfury.demon.co.uk/uground/renames.html

kommt man bestimmt bei den links unten weiter...kann leider momentan nicht mehr helfen..zu wenig zeit .-(

gruss
thomas.
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Colin Benson

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #8 am: 01.09.2004 12:39 Uhr »
Scharfnase,

habe noch einmal alles Material gesichtet, und für das, was Du sagst (daß Polly zu dem Zeitpunkt noch nicht entdeckt war), besteht tatsächlich eine gewisse Chance.

Wie weit ist es von seinem Posten zu Fuß in die Buck's Row, streckentechnisch? Und wenn wir dann für die Berechnung seines Weges folgendes zugrunde legen:

- Mulshaw war nicht mehr der Jüngste
- Er wird wohl nicht gleich losgerannt sein, sondern überlegt haben
- Er wußte nicht genau, wo er hin mußte, d.h. er mußte in der Finsternis ein klein bißchen suchen (nicht richtig, recht präzise war der Zuruf ja)

Wie lange mag er da gebraucht haben? Wir können die Zeit seiner Ankunft ungefähr festlegen; 3:55, denn Thain, Neil und Mizen und Gaffer waren vor Ort, die Leiche auch, Llewellyn noch nicht.

Legen wir jetzt noch die Zeit fest, die der Fremde gebraucht hat, um überhaupt erst vom Tatort an die Stelle zu gelangen. Dann rechnen wir alles zusammen und können dann eine zumindest fundierte Schätzung abgeben, ob der Fremde verdächtige Kenntnis vom Mord an Nichols besaß oder nicht.

Grüße

CB

LUX ET TENEBRAE

Scharfnase

  • Gast
Todesursache?
« Antwort #9 am: 01.09.2004 12:53 Uhr »
Hi Colin Benson,

es ging mir eigentlich nicht so sehr um die zeitliche Abfolge, als vielmehr um die Tatsache, dass der Zurufer schon so kurz nach dem Entdecken der Leiche genau wusste, dass sie ermordet wurde. Wieso sagte er nicht, da liegt eine Tote, eine Leiche oder da liegt der Körper einer Frau? Er sagt ausdrücklich ermordet. Zu diesem Zeitpunkt konnte ja noch nicht einmal die Polizei genau sagen, was die Todesursache war. Es könnte auch ein Unfall gewesen sein. Wieso weiß es dann der Rufer schon, das macht mich ein wenig stutzig.

Gott zum Gruße,
Scharfnase

Colin Benson

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #10 am: 01.09.2004 13:15 Uhr »
Hi Scharfnase,

schon klar, Du schreibst verständliches Deutsch. Ich denke aber, wir alle auf diesem Thread finden die Aussage etwas seltsam, aber wir stochern im Nebel von Interpretation, Exegese und Gefühl. Also versuche ich jetzt, den ganzen Kram in die zeitlich Abfolge reinzubringen, um zu sehen, ob mehr als dieses Bauchgefühl existiert.

Grüße

CB

LUX ET TENEBRAE

Rolf

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #11 am: 01.09.2004 13:39 Uhr »
Hallo Leute,

nehmen wir einfach mal unter dem Aspekt der zeitlichen Abfoge und vor dem Hintergrund, dass eine unbeteiligte Person eigentlich nicht wissen konnte, dass die auf dem Boden liegende Frau ermordet worden ist, an, es könnte unser Freund Jack gewesen sein, der Mulshaw angesprochen hat. Was können wir hieraus für Rückschlüsse ziehen? Über sein Aussehen wohl keine, eine Beschreibung hat Mulshaw ja offenbar nicht abgegeben. Vielleicht könnte man aber einen Rückschluss darauf ziehen, wohin Jack nach seinen Taten verschwunden sein könnte. Er wird ja wohl nicht weiter in der Gegend herumgelaufen sein, sondern sich eher nach Hause begeben haben. Nehmen wir dies an, dann lag die Baustelle also möglicherweise auf dem Weg vom Tatort zu Jacks Wohnung. Möglicherweise...

Gruß
Rolf

Colin Benson

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #12 am: 01.09.2004 14:36 Uhr »
Rolf:

Wenn der behauptete, unbewiesene Einzeltäter nach verrichtetem Mordwerk auf dem Nachhauseweg war - hätte er sich dann nicht etwas unauffälliger verhalten?

Alle anderen:

U-Bahn fällt wohl flach, hat jemand die Kanalisationspläne zur Hand 8) ?


Grüße - CB

Offline thomas schachner

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Rolf

  • Gast
Tunnel unter London?
« Antwort #14 am: 01.09.2004 16:32 Uhr »
Hallo CB,

davon bin ich nicht überzeugt. Zunächst einmal scheint es ihm auf einen gewissen Nervenkitzel angekommen zu sein. Umsichtig war sein Verhalten jedenfalls nicht. Zudem: Wohin sollte er sich denn zurückziehen, wenn nicht in sein Versteck/Zuhause?

Gruß
Rolf