Autor Thema: James Thomas Sadler  (Gelesen 6613 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Stordfield

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 169
  • Karma: +0/-0
James Thomas Sadler
« am: 28.02.2017 15:14 Uhr »

Hallo!

James Thomas Sadler, allgemein bekannt als Thomas, oder „Tom“' Sadler.
(Liebhaber von Frances Coles, Zeuge bei der Untersuchung zu ihrem Mordfall)
Geboren wurde er um 1838 in Stepney. Seine Mutter Maria war früh Witwe, da ihr Mann James Meal Sadler, ein Kanzleiangestellter in Lincoln Inn Fields, bereits mit 27 Jahren starb. Es scheint, dass Tom der älter von zwei Brüdern war. Laut Maria fiel der jüngere Sohn allerdings schon in Kindertagen einer Lungenkrankheit zum Opfer. 
Während seiner prägenden Jahre lebten Tom und seine Mutter in der  Jubilee Street, einer Straße, die die Mile End Road mit der Commercial Road verknüpfte. Frau Sadler erklärte, dass sie Tom gelehrt habe, "Worte zu lesen, aber nicht zu schreiben". Im Alter von 9 Jahren kam Tom in die Primrose School, wo er bis zu seinem 15. Lebensjahr blieb. Danach begann er eine Arbeit als Untersekretär in den London Docks. Bald schon langweilte ihn das Leben an Land, er träumte von exotischen Seereisen. Seine Mutter war strikt dagegen, dass ihr Sohn anheuerte, jedoch ignorierte er ihre Warnungen. Sadler verhielt sich seiner Mutter stets korrekt, er schickte ihr die Hälfte seines Lohns nach Hause, oder übergab ihr das Geld im Hafen. Teilweise bestand sein Leben nicht nur aus der Seefahrt, sondern auch aus Perioden an Land. Dann arbeitete er überwiegend in den Tee- Lagerhäusern und wohnte dann zusammen mit seiner Mutter in Kingsland (eine Siedlung im Stadtteil Hackney) und an verschiedenen Orten im Eastend.
Im Jahre 1886 heiratet er Sarah Maria Chapman (!), die bereits ein Kind hatte (Ruth). Später kamen noch Daisy und Primrose dazu.
Einzelheiten über ihre Ehe gab Sarah (wohnhaft zu der Zeit 3 Skinner Street, Chatham, Kent) Chefinspektor Donald Swanson  am 21. Februar 1891. Demnach zog das junge Paar gleich nach der Trauung nach  Elephant & Castle, einem  Viertel im Londoner Stadteil  Borough of Southwark. Zu der Zeit arbeitete Tom bei Torr's Tea Warehouse, Cutler Street, Houndsditch. Doch ihm gefiel es nicht, jeden Tag die London Bridge zu überqueren und so zogen sie in ein Haus in der Buck`s Row, Whitechapel. Sie teilten sich das Gebäude, das irgendwo in der Mitte der Straße lag, mit einigen Bürstenmachern, die in den Minories arbeiteten. Später fanden sie eine Wohnung in 77 Tetley Street, Poplar. Von dort ging es dann in ein Eckhaus in der Hurley Road, Lower Kensington, wo Sadler sich als Gemüsehändler betätigte. Danach lebten sie in der Manor Street, Walworth. Auch hier fand Sadler wieder sofort einen Job, diemal in einem Bettenlager in der Cutler Street. Doch auch hier hielt es sie nicht lange. Sie zogen in die Colebrook Terrace, Bethnal Green.  Im Jahre 1888 wohnten sie  dann in 2 Johnson Street, Commercial Road und trennten sich im August dieses Jahres nach einem Streit. Am 15. August verließ Sarah London, um bei ihrer Mutter in Chatham zu leben.
Im März 1889 schrieb Sadler ihr einen Brief, in dem er sie bat, sich mit ihm in der Fenchurch Street Station zu treffen. Sie willigte ein und so verbrachten sie die Zeit zusammen. Zuerst schauten sie sich die Geschäfte in der Gegend an, bevor sie in ein Coffee House gegenüber Mile End Gate gingen. Am nächsten Tag nahmen sie ein paar Drinks  in einem Lokal in Whitechapel, wo Sadler einen Streit mit anderen Kunden begann. Daraufhin lief sie nach draußen und wartete auf ihn. Als er dann kam, machte sie ihm Vorwürfe wegen seines Verhaltens.  Sie schlug vor, getrennte Wege zu gehen, doch Sadler wollte ihr einen Ort zeigen, an dem eine Frau ermordet worden war, was ihr überhaupt nicht behagte. Sie rannte davon, doch Sadler holte sie wieder ein. Schließlich überredete er sie, mit ihm zum Essen zu gehen, um ihren Streit beizulegen.  Nach dem Essen kehrten sie zum Kaffeehaus in Mile End Gate zurück, wo sie bis zum Montagmorgen blieben. Frau Sadler fuhr dann zurück nach Chatham.
Was James` Charakter betraf, sagte Sarah, schwankte der zwischen gut und schwierig. Er war gereizt, wenn er betrunken war. Dabei zerschmetterte er schon mal Gegenstände, was ihm aber hinterher immer leid tat. Da er meistens bis 20 Uhr arbeitete und bis dahin auch getrunken hatte, war er nicht der Mann, der nachts noch ausging. Sie weigerte sich zu sagen, ob er sie jemals angegriffen hatte. Er besuchte sie gelegentlich in Chatham und blieb von einem Tag bis zu einer ganzen Woche.
Nach dem Mord an Frances Coles geriet Sadler in den Kreis der Verdächtigen. Am 14. Februar 1891, nachdem er von Sergeant John Don im Phoenix Public House, Upper East Smithfield gefunden und zur Vernehmung gebracht wurde, gab er eine Erklärung vor Chief Inspector Swanson ab. Seine Aussage war  sehr erschöpfend und deckte seine Beziehung zur Getöteten, sowie seine Bewegungen in der Nacht vom 12. Auf den 13. Februar,  auf. Sie ist hier von mir leicht gestutzt und etwas verständlicher gemacht:
„James Thomas Saddler (sic) von Davies Boarding House, East Smithfield, sagt: ,Ich bin Feuerwehrmann und allgemein bekannt als Tom Saddler. Ich hatte um 19 Uhr Feierabend und ich glaube, ich ging danach auf ein Glas Holland Gin bei Williams Brothers an der Ecke der Gouldston Street. Ich ging dann um 20.30 Uhr zum Victoria Home. Ich verließ dann das Haus und ging zwischen 20.30 und 21 Uhr in die Prinzessin Alice. Dort sah ich eine Frau, die ich von früher kannte. Seit ungefähr 18 Monaten. Ich traf sie damals zuerst in der Whitechapelstreet und ging mit ihr zur Thrawl Street, einem Quartierhaus, und ich blieb bei ihr die ganze Nacht, nachdem ich ein Doppelbett in einem Lod (Anm.: Sicherlich  ist hier ein Lodging House gemeint.) bezahlt hatte. Oh, ich erinnere mich nicht mehr an den Namen des Lod.  Ich glaube ich habe dann ein Schiff genommen,  an dessen Namen ich mich jetzt nicht erinnere, ich sah diese Frau nicht wieder, bis ich sie in einer anderen Bar der Prinzessin Alice sah und sie erkannte, sie winkte mir zu. Es war niemand mit ihr. Sie hat mich gebeten, die Kneipe zu verlassen. Wir verließen die Prinzessin Alice und gingen in ein anderes Pub. Wir gingen zu einem Haus an der Ecke der Dorset Street, wo eine andere Frau (namens Annie Lawrence) zu uns kam. Dies ist die Frau, die im CID-Büro eine Erklärung abgibt. Frances und ich gingen dann zu White's Row Chamber. Ich bezahlte für ein Doppelbett und wir blieben die Nacht dort. [ Randnote - "Mi.Nacht"]. Ich hatte eine Flasche Whisky (halbes Pint), die ich bei Davis, White Swan, Whitechapel gekauft hatte . Frances und ich verließen Whites Row Chambers zwischen elf und zwölf Mittag, und wir gingen zu einer Reihe von Pubs: Eines davon war „The Bell", Middlesex Street. Wir blieben dort für etwa zwei Stunden um zu trinken und zu lachen. Dort sprach sie auch über einen Hut mit mir, den sie sich vor etwa einem Monat hatte zurücklegen lassen. Auf dem Weg zum Hutladen tranken wir unterwegs in allen Kneipen, bis dorthin. Der Laden ist Whites oder Baker's Row und ich gab ihr die halbe Krone, die für den Hut fällig war, und sie ging in den Laden. Sie kam wieder heraus und sagte, dass ihr Hut nicht bereit war, die Frau macht noch etwas Elastik daran. Wir gingen dann in eine Kneipe: ein Haus in Whites oder Bakers Row, und wir hatten mehrere Drinks. Irgendwann holte sie den Hut. Dann ging es zum "Marlborough Head" Pub in der Brick Lane. Die Wirtin war gegen Frances, ich erinnere mich nicht mehr, was die Wirtin gesagt hat. Dennoch gingen wir in die Tränke und ich sprach mit einigen Männern, dessen Namen ich nicht weiß. Ich verabredete mich auch mit einem Herrn Nichols für später in der Spital Street in einem Lokal. Ich verließ also Frances und ging zu meinem Treff. Wie die Kneipe hieß, habe ich vergessen. Als ich wieder bei Frances war, gingen wir die Thrawl Street hinunter und da kam eine Frau mit einem roten Schal und schlug mich auf den Kopf. Während ich am Boden lag, wurde ich von einigen Männern, die um mich herum standen, getreten. Schließlich liefen sie davon und ich konnte nun aufstehen. Ich fand mein Geld nicht, war aber froh, meinen Arsch gerettet zu haben. Ich verließ Frances, ohne einen Termin mit ihr ausgemacht zu haben. Ich war wegen dem Verlust meines Geldes niedergeschlagen. Ich konnte mir jetzt auch keine Unterkunft leisten. Also ging ich hinunter zu den Docks und beantragte, an Bord der SS Fez gehen zu dürfen. Ein strenger Sergeant und ein Constable verweigerterten mir den Zutritt, weil ich ihrer Meinung nach zu betrunken war. Ich beschimpfte die Beiden. In der Nähe eines Tores stand auch einer junger (MET) Polizist. Ein Dockarbeiter kam an und sagte etwas zu mir und  ich antwortete verärgert. Das nahm er nicht gut auf und er meinte, er würde es mir zeigen, wenn der Polizist weg wäre. Als der Polizist tatsächlich seine Nachtstreife in Richtung Tower Way fortsetzte, schlug der Arbeiter auf mich ein. Er schlug mich nieder und trat nach mir, bis ein anderer Arbeiter ihn aufhielt. Endlich verschwanden sie im Smithfield Way. Ich blieb in der Nightingale Lane für etwa eine Viertelstunde sitzen, um mich etwas von meinen Verletzungen zu erholen. Ich ging dann zur Victoria Lod in East Smithfields und beantragte ein Bett. Doch der Nachtportier, ein dicker, fetter  Mann lehnte ab. Ich bat und bettelte, mir doch ein Bett zu überlassen. Ich sagte, ich sei zusammengeschlagen worden, doch er weigerte sich trotzdem. Also wanderte ich umher. Ich weiß nicht, wie spät es war. Ich ging in Richtung Dorset Street. Ich kann nicht sagen, welchen Weg, vielleicht durch Leman Street. Ich fand Frances in der Küche ihrer Unterkunft  in der 8 White's Row, wo sie am Tisch saß und den Kopf auf die Arme gelegt hatte. Ich fragte sie, ob sie ein Doppelbett bezahlen könnte, aber sie hatte auch kein Geld. Der Stellvertreter des Hausbesitzers ließ sich auch nicht erweichen, selbst dann nicht, als ich erzählte, dass ich am nächsten Tag 4 Pfund 15 bekommen würde. Ein Mann begleitete mich nach draußen und ich ließ Frances allein zurück. Ich ging dann in Richtung London Hospital und etwa in der Mitte der  Whitechapel Road hielt mich ein junger Polizist an und fragte, wohin ich ginge. Ich sagte, ich hatte gestern Abend zwei Schlägereien, eine in Spitalfield und eine an den Docks. Ich sagte, ich wäre mit einem Messer oder einer Flasche geschnitten und gehackt worden. Sofort als ich das Wort Messer erwähnte, fragte er, ob ich eins dabei hätte und durchsuchte mich. Ich sagte, ich hätte keins. Meine Schiffskameraden Curley und ein anderer namens Bowen wissen, dass ich seit Jahren kein Messer getragen habe. Der Polizist half mir auf dem Weg zum Krankenhaus-Tor. Ich sprach mit dem Portier, aber der brummelte nur etwas vor sich hin. Ich beschimpfte ich und endlich ließ er mich ein. Ich ging in die Unfall- Abteilung und ließ den Schnitt an meinem Kopf behandeln. Der Portier fragte mich, ob ich einen Platz hätte, wo ich bleiben könnte. Als ich verneinte, ließ er mich auf einer  Couch in dem Raum liegen, in den die ersten Unfälle gebracht wurden. Ich habe keine Ahnung, wieviel Zeit ich dort verbrachte. Als ich rauskam, irgendwann zwischen sechs und acht Uhr morgens ging ich direkt zum Victoria Upper East Smithfield und blieb dort den ganzen Tag, da mir miserabel war. Am weitesten ging ich bis zum „Phoenix“, etwa zwölf Türen weiter. Ich war auch heute morgen zum Phoenix gegangen, um zu trinken. Soweit ich denken kann, war es zwischen fünf und sechs, dass ich in der Thrawl Street angegriffen wurde; jedenfalls wurde es dunkel und es war einige Stunden danach, dass ich zu den London Docks gegangen bin. Ich habe vergessen zu erwähnen, dass Frances und ich etwas aßen bei Frau Shuttleworths in der Wentworth Street´“.
Diese Aussage (die im Original länger ist, aber ansonsten wenig Relevantes beinhaltet) wurde an Sadler übergeben, der sagte, sie sei richtig, soweit er sich erinnern könne.
James Thomas Sadler wurde am Sonntag, den 15. Februar 1891 wegen des Mordes an Frances Coles verhaftet. Dass man ihn auch der anderen Morde bezichtigte, ergibt sich aus der Tatsache, dass er zu einer Gegenüberstellung vorgeführt wurde, bei der ihn ein Zeuge aus einem früheren Mordfall  (evtl. Joseph Lawende) jedoch nicht identifizieren konnte. Auch gaben sich die Polizisten mit Sadlers Alibis zufrieden; er war vom 17. August bis zum 1. Oktober 1888 an Bord der Winestead. Sadler erhielt eine rechtliche Vertretung von der Seemannsvereinigung, die einige starke Zeugen zu seinen Gunsten gesammelt hatte. Infolgedessen wurden die Anklagen gegen ihn am 2. März fallen gelassen, bevor der Fall vor Gericht gehen konnte. Er setzte offensichtlich seine lockere Existenz fort und wurde in der Nacht des 5. April 1891 bei der Victoria Working Men's Home in der Commercial Street aufgenommen, wo er als Marine-  Feuerwehrmann aufgeführt wurde. Die Polizei schien jedoch weiteres Interesse an James Sadler zu zeigen. Im Mai 1891 lebten James und seine Frau bei 121 Danbrook Road, Streatham, wo sie ein Kerzen-Geschäft führten, anscheinend mit Geld finanziert, das Sadler von den Zeitungen nach seinem Freispruch für den Coles-Mord erhalten hatte.
                                                                                                                             
Sarah Sadler schrieb an die Polizei am 10. Dezember 1891 über einen Angriff auf sie von ihrem Mann. Es wurde schnell untersucht und es stellte sich heraus, dass Sadler nicht nur seine Frau angegriffen und sie grausam behandelt hatte, sondern dass er auch drohte, ihr das Leben zu nehmen. James Moffatt, ein Mieter, beschrieb Sadler als »einen tückischen und feigen Mann« und fürchtete ihn genug, um sicherzustellen, daß die Tür zu seinem Zimmer jeden Abend verschlossen war. Er schrieb im März 1892 an die Polizei, dass er sehr über das aggressive Verhalten Sadlers gegenüber dessen Frau besorgt sei. Nachdem Sadler am 9. Mai 1892 Sarah gedroht hatte („Ich schneide dir die Kehle durch.“), wurde er am 16. Mai vor das Lambeth Polizeigericht geführt und ermahnt wurde, Frieden zu halten.
Es ist nicht ganz klar, wann er starb, obwohl der Tod eines James Sadler in Wandsworth im Jahre 1910 und eines Thomas Sadler in Camberwell im Jahre 1906 registriert ist.

Gruß Stordfield




Du kannst fliehen, wohin Du willst; Du nimmst Dich immer mit.