Vielen Dank für dein Posting. Ich finde es auch sehr gut formuliert.
Hier meine kurze Antwort:
Die Ansichten die Rob House herausgearbeitet hat und auch immer wieder herausarbeitet, sind sehr stimmig mit meinen Überlegungen. Gerade die Polizeiarbeit im Green River Fall als auch den Vergleich Jack the Rippers mit Richard Trenton Chase sind für die Whitechapel Ereignisse sehr hilfreich. Was wir meiner Meinung auf dem Schirm haben sollten ist das, dass sich hier im Prinzip nichts wirklich von heute auf morgen entschied. Es sollte ein Prozess gewesen sein, der sehr lange gedauert hatte. Gerade diese Langatmigkeit, gepaart mit Misserfolgen und vielen Zweifeln, hätte in diesem Fall gar keine große Welle mehr verursachen können, an der Stelle, wo man sie heute vermuten könnte oder sogar vermutet.
Rob hat ja auch noch einmal darauf hingewiesen. Der Dutfields Yard in der Berner Street lag genau da, wo Woolf Abrahams (Kozminski) früher einmal gewohnt hatte. Zur Zeit der Morde lebte er quasi nur in einer Verlängerung davon, der Providence Street. Aus der Geschichte psychisch kranker Menschen wie Aaron Kozminski wissen wir, dass sie oftmals bei Familienmitgliedern wohnen (Eltern, Mutter, Vater, Geschwister) und nur temporär vielleicht auch einmal alleine. Bei Aaron Kozminski ist es amtlich, seine Adressen waren die seiner Geschwister Woolf und Matilda. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass Aaron Kozminski zur Zeit der Mordserie in der Providence Street lebte. In unmittelbarer Nähe eines Tatortes der Ripper- Morde. Parallel der Berner Street, der Batty Street, als deren Verlängerung auch die Providence Street anzusehen ist, gab es einen Vorfall mit blutiger Wäsche, zeitnahe zur Nacht des Double Events (Stride, Eddowes). Als deswegen dort, in diesem Bereich, ermittelt wird, nimmt die Familie Woolf Abrahams ihre Tochter von der dortigen Schule. Es war die Nichte von Aaron Kozminski. Offensichtlich zog sich Woolf Abrahams mit den seinen aus dieser Ecke zurück. Die Polizei observierte dort jemanden, das ist klar, die Chance stehen gut, dass dies Aaron Kozminski gewesen war, zurückgelassen in einer Wohnung, vorerst. Offenbar hat er dann, die Observierung wahrnehmend, diese Bude nicht mehr verlassen. Und es scheint, dass die Polizei auch aufgrund dessen die Beschattung abblies. Und ja, es ist gut möglich, dass sie diese Beschattung erst wieder aufnahmen, als es um Kelly geschehen war. Das wäre fatal aber muss nicht unbedingt Schuld oder Fehler der Polizei bedeuten. Wenn, und das dürfte jedem klar sein, war Kozminski einer von vielen Verdächtigen. Sicherlich stand er oben auf den Listen aber, und dies scheint ebenfalls Fakt zu sein, man konnte ihm nichts nachweisen. Konnte man aber offensichtlich auch sonst niemanden. Auffallend ist aber auch, dass diese neuen Erkenntnisse, die Wohnortsituation und das handeln der Familie sowie der Vergleich mit Chase, Aaron Kozminski als möglichen Ripper hochpuschen und nichts Gegenteiliges passiert. Sollte er allerdings auch eher zur Zeit der Ripper Morde bei seiner Schwester Matilda Lubnowski oder seinem Bruder Isaac Abrahams (Kozminski) gewohnt haben, etwas höher in der Greenfield Street, da war er auch nahe an möglichen Tatorten dran. Nämlich an die von Tabram, Smith und erneut Stride. Ich persönlich könnte mir gut vorstellen, dass er im Herbst 1888 bei Isaac arbeitete und bei Woolf schlief. Auf dieser Route, von der Greenfield Street zur Providence Street, hätte er Stride in der Berner Street getroffen haben können. Dazu ist eben auch das Graffito in der Goulston Street interessant. Der Täter kam aus der Whitechapel Gegend (von Stride zu Eddowes) und wollte offenbar dorthin auch wieder zurück, verharrte aber an diesem Hauseingang in der Goulston Street. Laut PC Long war eine Ecke des dort gefundenen Stückes der Schürze von Eddowes nass vor Blut. Möglich, dass sich der Täter auch selbst verletzt hatte, bei der Attacke an Eddowes oder bei den Verstümmelungen an ihr. Wegen dieser Sache hätte er sich verstecken müssen, unbedingt. Vor der verfolgenden Polizei verstecken und vor Zeugen schützen. War es Aaron Kozminski, hätte er auch schlecht zurück in die Providence Street gekonnt, denn die Ecke war mittlerweile voller Polizei und Menschen und das konnte er sich sicherlich selbst noch denken. Saute er sich zusätzlich zum Blut von Eddowes noch mit eigenem Blut ein, dann musste er sich auch noch irgendwie zusätzlich etwas einfallen lassen um nicht aufzufliegen. Also hätte er auch von der Goulston Street aus in die Greenfield Street gegangen sein können und eben nicht weiter in die Providence Street. Bruder Isaac hatte dort seine Werkstatt im Hinterhof (ähnlich wie die Hanbury Street Situation) und Aaron hätte dort u.U. Unterschlupf finden können und sich seiner Sachen entledigen. Konnte man die bemerkte blutigen Wäsche in der Batty Street dieser Familie zuordnen, dann hätte das riesige Probleme als auch bestimmte Bewegungen zur Folge haben können. Das einzige was die Polizei hatte, war dann blutige Wäsche und eine Geschichte dazu, die von einem Unfall mit einem Hühnerauge oder harter Hornhaut erzählte und vielleicht einen Verdächtigen, der von Außerirdischen erzählte oder angeblich von der russischen Botschaft verfolgt wird. Nun ja, solch einen Müll erzählte Richard Chase auch…
Glaubte die Polizei nun diese Erklärung mit dem Blut? Wohl kaum also wird man observiert haben und wird auch bestimmte Zeugen in die Nähe dieses Verdächtigen gebracht haben. Nicht nötiger weise Vis- a- vis. Als dieser geistig schwache nun nicht mehr aus dem Haus ging, ging auch die Polizei. Was konnte man auch mehr tun? Der Detektiv Cox erzählte uns nun, dass sie unmittelbar nach Kelly an jemanden dran waren. Dazu muss es Gründe gegeben haben. Ich denke, dass dieser Mann bei Cox auch Kosminski war, der gleiche Mann wie aus der Batty Street Geschichte mit der blutigen Wäsche. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass die Polizei mittlerweile Dinge herausgefunden haben könnte, die diesen Kosminski zusätzlich belastet haben können. Nun war er wieder unter Bewachung und wie schon einmal, passierten keine Morde mehr. Einmal war er noch allein und genau da passierte die Tat an Kelly. Klar, der Polizei wäre es unangenehm gewesen und die Öffentlichkeit hätte es anders gesehen aber war das wirklich dann ein Fehler oder wahre Schuld? Die Geheimhaltungsgründe waren sicherlich vielfältiger als wir meinen würden aber der Hauptgrund war wohl der: Sie konnten ihm nichts nachweisen! Genau wie beim Green River Killer, aber einige Beamten waren sicher, dass er es war, wie offenbar auch im Ripper Fall. Der Unterschied ist der, dass sie den Green River Killer doch noch bekamen aber die Londoner Polizei ihren Ripper nur fast (Seaside Home Identifikation). Wegen was sollten sie ihn hängen? Wegen blutiger Wäsche und einer Wunde an ihm (auch wenn das Verhältnis dabei nicht stimmte und es auch noch keinen DNA Beweis gab)? Deswegen, weil er an den Mordtagen alleine war? Deswegen, weil er einige Zeit vor dem Hanbury Street Mord dort im Hinterhof, am Tatort, gesehen wurde? Auf frischer Tat ließ er sich auch nicht mehr erwischen, weil ihm seine paranoide Ader zur Hilfe kam (wie auch bei Chase). Und kein Zeuge konnte ihn identifizieren. Oder auch anders formuliert, nicht zu diesem Zeitpunkt (dazu kam mir in den letzten Tagen noch ein Gedanke). Was kann man also als Polizei machen?
Wir haben im Prinzip zwei gute Augenzeugen, Schwartz und Lawende. Welche Rolle Pipeman spielte wissen wir nicht genau. Eines wusste aber der Ripper in der Nacht des Double Events ganz genau, er wurde nämlich gesehen. Welche Maßnahmen hätte er oder seine Familie unternehmen können, um nicht wiedererkannt zu werden? Genau, das Äußere verändern und dazu viel mir etwas aus der Nathan Shine Geschichte ein. Der behauptete ja, jemanden gesehen zu haben, dessen Haare unter der Schirmmütze seitlich heraushingen und der einen Schnurrbart trug. Detektiv Cox sagte aber, sein Mann hatte kurze lockige schwarze Haare und erwähnte keinen Bart. Für einen Täter wäre es doch möglich, nach so einer durchlebten Nacht, sich seine Haare zu kürzen und den Schnauzer abzunehmen und auch die Schirmmütze beiseite zu legen. Immerhin soll Aaron Kozminski ja auch Friseur gewesen sein. Hätte man nun Schwartz und Lawende zur Observation mitgenommen, hätten die ihn doch gar nicht erkennen müssen. Zunächst einmal. Eine radikale Veränderung erlebte Aaron Kozminski dann in 1890. Es ging ihm immer schlechter. Du weißt, ich gehe davon aus, dass Aaron Kozminski der wahrscheinlichste Ripper war und vermute daher, dass er zwischen dem März 1889 und seiner Einweisung nach Colney Hatch im Februar 1891 nicht viel auf freiem Fuß war, nur temporär. Ich gehe momentan davon aus, dass er in dieser Zeit meisten privat untergebracht war und dass die Seaside Home Identifikation in der zweiten Hälfte des Jahres 1890 stattgefunden hat. Und zwar unmittelbar nach einer (wiederholten) Einweisung in eine private Anstalt. Warum hätte die Polizei in dieser Situation sofort gehandelt haben können? Weil sie plötzlich einen neuen Zeugen hatte oder aber, dass ein alter Zeuge plötzlich erneut relevant wird, also Schwartz oder Lawende. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Kosminski, wenn er denn mal nicht weggeschlossen war, von der Polizei observiert wurde, auch in 1890. Nun wäre es doch gut möglich, dass er nach so langer Zeit aufhörte seine Haare kurz zu halten bzw. sich auch nicht mehr rasierte und wieder seine Schirmmütze trug. Bei Menschen mit dieser Erkrankung lässt die Körperpflege ja immens nach. In Anstalten wird man darauf bei ihm geachtet haben aber war er auf sich allein gestellt, also draußen, und es ging ihm nicht gut, dann könnte er angefangen haben sich zu vernachlässigen. Dies könnte ab Mai/Juni 1890 so geschehen sein. Nun stellen wir uns einen Beamten vor, Sagar, der ihn in dieser Zeit in der Butcher´s Row observiert. Irgendwann fällt ihm auf, dass dieser Mann immer kränker wird und seine äußere Erscheinung immer mehr den Beschreibungen aus dem Herbst 1888 ähnelt. Er gibt diese Information weiter und man beschließt ihn bei nächster Gelegenheit einer richtigen Gegenüberstellung auszusetzten, mit Schwartz oder Lawende. Man verzichtet auf eine Prozedur, vom Gehweg gegenüber aus, so wie in 1888. Beide sollen sich in die Augen schauen. Das passiert dann im Seaside Home und die Polizei erkennt an den Reaktionen beider, dass dies ein Voltreffer ist. Auch wenn der Zeuge zurückzieht, die Polizei weiß, Kosminski hatte ebenfalls den Zeugen erkannt und dies konnte nur der Ripper. Den Rest kennen wir. Die Polizei schaffte es, vielleicht eben auch Grund der Seaside Home Geschichte, Aaron Kozminski von den privaten Einrichtungen in die Öffentlichen zu bringen. Aber auch ich erkenne keinen Grund, dies als Erfolg zu vermelden. Warum? Warum sollten die es, welche an allem beteiligt waren, verbreiten? Weder intern noch eine Pressemitteilung an die Öffentlichkeit abgeben? Ich wüsste nicht warum. Und sie durften es auch nicht, weil sie ihn nicht überführen oder ihm etwas beweisen konnten. Sie wussten, dass er es wahrscheinlich war, mit ziemlicher Sicherheit sogar aber das nützte nichts, auch bis zum heutigen Tag nichts. Nach allem was wir über Aaron Kozminski erfahren durften, über Killer dieser Art überhaupt oder auch über die Polizearbeit an sich, passt er einfach gut in das Bild der Ripper-Morde. Man kann das für sich annehmen oder nicht aber es scheint so, dass Aaron Kozminski seine Jahre in Colney Hatch oder Leavesden verbringen konnte, ohne dass jemand, außerhalb des Kreises einiger Auserwählter, wusste, dass dort der mutmaßliche Jack the Ripper sein Rentnerdasein genießt. Mag unglaublich sein aber offenbar auch pure Realität. Da gab es ja keine Prostituierten oder eine Familie die ihn quälte. Aus dem Milieu was ihm zum Morden brachte war er ja entnommen worden. Für alle Zeiten und somit brauchten sich gewisse Beamte auch keine Gedanken mehr darum machen, dass er im Freigang (ähnlich vielleicht wie zwischen dem Double Event und dem Kelly Mord nach der Observation) mal wieder zuschlägt. Denn das hatte Priorität, wenn nicht schon dingfest machen, dann ihm wenigsten die Chancen versauen. Ganz simpel eben.