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Andromeda1933

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Die Beweiskraft des Abdrucks feiert Geburtstag
« am: 27.05.2013 08:57 Uhr »
Die Beweiskraft des Abdrucks feiert Geburtstag
Fingerzeig am Tatort
Hannover - Meist sind sie unscheinbar, bei der Aufklärung von Verbrechen kommen sie aber oft ins Spiel: Die Beweiskraft von Fingerabdrücken beschäftigt die Polizei täglich. Hierzulande feierte die Idee dazu vor 125 Jahren in Preußen Premiere - und scheitere zunächst.
Deutsche Innovationskraft und penible Aktenführung gehen bekanntermaßen oft Hand in Hand. Vor 125 Jahren war es aber ausgerechnet eine äußerst unsaubere Aktenführung, die den Ausschlag gab für eine wegweisende Erkenntnis in der deutschen Kriminalistik. Im Jahr 1888 entdeckte der Tierarzt Wilhelm Eber in einem Berliner Schlachthof, dass die ständig blutverschmierten Hände der Mitarbeiter in den Geschäftsbüchern höchst individuelle Abdrücke hinterließen.
Der in Hannover geborene und ausgebildete Veterinär entwickelte ein System, Fingerabdrücke mit Jod haltbar zu machen. Dann schlug Eber der preußischen Regierung vor, mit dem Verfahren Verbrecher zu überführen. Aber seine Ausarbeitung zur „Möglichkeit der direkten Belastung einer Person auf Grund mindestens 1 Quadratzentimeter großer Handspuren am Tatorte eines Verbrechens“ scheiterte.
In nüchternem Verwaltungston beschied ihm ein Mitarbeiter des Innenministeriums am 19. Juni 1888, dass „Ihre Vorschläge zurzeit praktisch noch nicht verwertbar erscheinen und ich daher davon absehe, auf dieselben näher einzugehen“. Ebers Geistesblitz aus dem Schlachthof setzte sich also nicht durch, es vergingen 15 weitere Jahre, bis in Dresden die Premiere gelang. Vor 110 Jahren, am 1. April 1903, schuf Polizeipräsident Paul Köttig im Königreich Sachsen die erste mit sogenannten daktyloskopischen Formeln arbeitende Sammlung.
Es begann ein Siegeszug des Fingerabdrucks für die Polizeiarbeit hierzulande. Dabei war das Ausland schneller und die Daktyloskopie hat mehrere Väter. So begann der englische Chief Officer William J. Herschel bereits 1858 in Indien, mit Fingerabdrücken als Nachweis den Betrügereien beim Auszahlen von Renten einen Riegel vorzuschieben.
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) reicht die Historie des Themas sogar 5000 Jahre zurück. So hätten die Micmac-Indianer um 3000 vor Christus Bilder gemalt, die die feinen Linien der Handflächen besonders betonen. Und in China reichten Quellen, die die Beweiskraft der Abdrücke am Tatort genau beschreiben, sogar ins Jahr 1160 zurück.
Deutschland war also eher langsam - aber immerhin schneller als die Franzosen, bei denen laut BKA erst der Raub der „Mona Lisa“ aus dem Louvre in Paris der Daktyloskopie zum Durchbruch verhalf. Der Täter Vincenzo Peruggia hatte das berühmte Gemälde 1911 aus dem Rahmen getrennt und einen Fingerabdruck zurückgelassen. 1914 führte dann auch Frankreich die Daktyloskopie ein - elf Jahre nach Dresden.
Heutzutage nutzen Bund und Länder ein automatisiertes System zum Abgleich von Fingerabdrücken. Die vor knapp 20 Jahren gestartete AFIS-Datenbank speichert 2,8 Millionen Blätter mit Fingerabdrücken und fast zwei Millionen Handflächenabdrücke - denn auch dort sind die feinen Linien der Haut individuell. Der Kern der Polizeiarbeit läuft aber noch immer per Auge: Werden am Tatort gesicherte Fingerabdrücke zur Datenbank geschickt, spuckt die eine Liste mit möglichen Treffern aus. Die genaue manuelle Kontrolle ist am Ende Sache von Experten.
Einer von ihnen ist Hans-Herbert Frank. Der Sachverständige für Daktyloskopie arbeitet im Landeskriminalamt (LKA) in Hannover. Mit Zehntausenden Abdrücken hatte der 55-Jährige schon zu tun - und kein einziger war identisch mit dem eines anderen Menschen. „Selbst bei eineiigen Zwillingen gibt es Unterschiede“, erklärt er. Dabei ist selbst deren Erbgut DNA, also der genetische Fingerabdruck, komplett identisch. Würden Zwillinge oder geklonte Menschen morden, könnte sie der Handabdruck vom Tatort überführen - nicht aber eine DNA-Spur.
Wobei übrigens Fußabdrücke genauso individuell sind, sagt Frank. Entscheidend ist, wo sich die Profillinien der Haut an Fußsohle oder Handinnenfläche treffen oder gabeln, wo sie enden oder anfangen.
Fakten zum Fingerabdruck
- Von der Geburt eines Menschen bis über den Tod hinaus sind die Papillarleisten von Natur aus unveränderlich. Allerdings können äußere Einflüsse wie etwa Narben das Bild teilweise verändern.
- In der Datenbank der Polizei aus Bund und Ländern lagern aktuell 2,8 Millionen digitalisierte Fingerabdruckblätter und 1,9 Millionen Handflächenabdrücke. 400 000 Spuren sind ungelöste Fälle. Das System schlägt bei einer Anfrage mögliche Treffer vor, der Abgleich erfolgt aber per Expertenauge. Je nach Schwere des Deliktes werden Abdrücke nach einer Frist wieder gelöscht. Das geschah 2012 in 158 000 Fällen.
- Manchmal ist das Abnehmen von Fingerabdrücken äußerst knifflig. Der Experte Hans-Herbert Frank vom Landeskriminalamt in Hannover erinnert sich an einen Fall, wo eine Leiche im Rosenbeet verscharrt war. Trotz der starken Verwesung gelang es den Kriminaltechnikern, die Haut der Hände wieder so aufzubereiten, dass Fingerabdrücke möglich waren. Das ermöglichte dann die Identifizierung der Leiche.
- Das Bundeskriminalamt kennt keine Fälle, in denen ausschließlich der gesicherte Fingerabdruck zu einer Verurteilung eines Angeklagten führte. In der Praxis gelte es stets, alle möglichen Beweise zu würdigen - also etwa weitere Spuren. Auch klassische Polizeiarbeit mit Zeugenaussagen, Vernehmungen und der Suche nach Motiven spiele eine zentrale Rolle. Die Ermittler suchten stets auch Entlastendes.
dpa



Fingerabdrücke
Bettina Wiegand, Stand vom 15.04.2013
Jeder Mensch hat einen einzigartignen Fingerabdruck. Durch die spezielle Anordnung der sogenannten Papillarlinien an den Fingern und der Handinnenfläche kann eine Person eindeutig identifiziert werden. Deswegen gehört die Analyse des Fingerabdrucks seit etwa 100 Jahren standardmäßig zu den Ermittlungsmethoden zur Aufklärung eines Verbrechens.
Was ist Daktyloskopie?
Untersucht werden Fingerabdrücke mit Hilfe des Fingerabdruckverfahrens. Das Fachwort dazu heißt Daktyloskopie, was wörtlich übersetzt Fingerschau bedeutet (griech. "daktylos" = Finger und "skopein" = schauen). Experten für Fingerabdrücke werten unter anderem Tatortspuren aus und sind für die Personenerkennung zuständig. Fingerabdrücke konnten sich als Beweismittel in der Kriminalistik durchsetzen, weil sie einmalig und unveränderlich sind. Außerdem lassen sich sie sich in bestimmte Grundmuster einteilen.
Die Entstehung der Daktyloskopie
Fingerabdrücke haben mit Abstand die längste Geschichte aller biometrischen Erkennungsverfahren. Bereits im Jahre 1684 veröffentlichte der britische Botaniker Nehemia Grew eine Arbeit über Fingerabdrücke. In seinen Untersuchungen beschrieb er charakteristische Merkmale wie Hautrillen, Furchen, Täler und Porenstrukturen. Im 18. Jahrhundert untersuchten und beschrieben verschiedene Forscher die anatomischen Formationen von Fingerabdrücken. Wissenschaftlich gesehen wurde dem Fingerabdruck jedoch wenig Bedeutung beigemessen.
1888 gelang dem Naturforscher und Genetiker Sir Francis Galton schließlich der eigentliche Durchbruch. Galton gilt allgemein als Begründer der Daktyloskopie, also des Fingerabdruckverfahrens. In einer umfangreichen Studie über Fingerabdrücke beschrieb er erstmals die so genannte Minutia-Eigenschaft von Fingerabdrücken. Er zeigte auf, dass die charakteristischen Linien – die Papillarlinien – in der Fingerkuppe individuell einmalig und erblich sind.
Mit dem Individualitätsproblem setzte er sich als Erster auseinander und fand eine Möglichkeit, mathematisch nachzuweisen, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich die Fingerabdrücke zweier verschiedener Personen gleichen können. Grundlage dafür war ein Modell, bei dem der Fingerabdruck in Felder eingeteilt wird. Auf der Basis der Individualität, also der Einmaligkeit eines jeden einzelnen Feldes, berechnete Galton dann die Individualität eines gesamten Fingerabdrucks.
Einen wichtigen Beitrag zur Identifikation und zur Wiedererkennung von Fingerabdrücken leistete Edward Henry im Jahre 1899. Er und seine beiden indischen Assistenten veröffentlichten das nach ihm benannte Henry-System. Sie klassifizierten Fingerabdrücke nach bestimmten Kriterien und machten es so möglich, verschiendene Abdrücke miteinander zu vergleichen.
Die Entwicklung der Daktyloskopie
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Fingerabdrucksverfahren standardmäßig in Indien eingesetzt. Die britische Kolonialregierung hatte Schwierigkeiten die einheimischen Bevölkerungsgruppen zu unterscheiden. Das führte oft zu Reibereien bei der Verteilung von Löhnen und Pensionen und in der Krankenbetreuung. Eine Identifikation anhand der Fingerabdrücke war ein praktisches und unkompliziertes Verfahren.
Der Siegeszug des Fingerabdrucks führte im 20. Jahrhundert von den Kolonialverwaltungen aus in die Polizeibehörden der ganzen Welt, in Grenzstationen und Einwanderungsbüros. 1897 überführte Scotland Yard den ersten Verbrecher anhand seiner Fingerabdrücke. Fingerabdrücke als Beweismittel vor Gerichten wurden erstmals 1896 in Argentinien und 1901 in Großbritannien zugelassen.
Wie arbeiten Fingerabdruck-Experten?
Am Tatort müssen Fingerabdrücke zuerst gesichert werden. Dabei ist entscheidend, auf welchem Material die Abdrücke gefunden werden. Bei Stoffen, die keine saugenden Eigenschaften haben, wie zum Beispiel Glas oder Plastik, lassen sich die Fingerabdrücke ganz einfach mit Rußpulver  sichtbar machen und mit einer Klebefolie sichern. Aufwendiger ist es bei Papier oder Holz. Hier werden Chemikalien wie Ninhydrin verwendet. Aus Sicherheitsgründen findet die Analyse jedoch dann im Labor statt.
Im nächsten Schritt werden die Fingerabdrücke anhand der sogenannten Minuzien (lat. minutae für Winzigkeiten) identifizieren, also der herausragenden Merkmale eines Abdrucks, die für einen Menschen einzigartig sind. Keine leichte Aufgabe, denn die Fingerabdrücke am Tatort sind oft unvollständig, verschmiert oder überlappen sich. Nach deutschem Recht gilt die Identifizierung einer Person als einwandfrei, wenn zwölf Minuzien zwischen zwei Fingerabdrücken übereinstimmen.
Seit Anfang 1994 ist zur Unterstützung der manuellen Tätigkeit der Sachverständigen das Automatische Fingeridentifizierungssystem (AFIS) eingeführt worden, das es den Experten ermöglicht, Tatortspuren computergestützt mit bereits vorhandenen Fingerabdrücken von Straftätern zu vergleichen. Und das bundesweit. Die Kartei des Bundeskriminalamtes umfasst mehr als 2,5 Millionen Fingerabdrücke von Straftätern, sowie von Personen, die sich im Zusammenhang mit einem Asylverfahren in Deutschland aufhalten.
Kritik an der Daktyloskopie
Bislang wurden noch nie zwei Menschen mit denselben Fingerabdrücken gefunden. Gestützt wird diese Feststellung von den statistischen Berechnungen des Briten Francis Galton. Danach liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es zwei Menschen mit identischen Fingerabdrücken gibt, bei 1 zu 64 Milliarden. Daher glauben die Befürworter der Daktyloskopie auch fest an die Unfehlbarkeit ihrer Methode. Doch es gibt zunehmend Kritik.
US-amerikanische Rechtsanwälte bestritten 1999 zum ersten Mal die Wissenschaftlichkeit der Daktyloskopie und damit ihre Aussagekraft als Beweismittel. Dabei geht es vor allem um die Fehlerrate bei der Auswertung. Um das Gericht von der Verlässlichkeit der Technik zu überzeugen hatte das FBI seinerzeit einen Test durchgeführt und die Fingerabdrücke eines Angeklagten an sämtliche Labors in den Staaten verschickt. Das Ergebnis war äußerst peinlich für die Bundesbehörde, denn sieben Labors von 50, konnten keine Identität feststellen. Auch bei andere Testreihen in den USA lag die Fehlerquote der Daktyloskopen zwischen drei und 22 Prozent. Für ein wissenschaftliches Verfahren eindeutig zu hoch.
Die korrekte Beurteilung der Fingerabdrücke beruht also auch zum großen Teil auf der Erfahrung des jeweiligen Experten. Am 7. Januar 2002 entschied ein Richter im Bundesstaat Pennsylvania erstmals, Fingerabdrücke nicht als Beweismittel zuzulassen. In seiner Begründung führte Richter Louis Pollak unter anderem an, dass der Vergleich von sauber genommenen Fingerabdrücken auf der Polizeistation mit latenten Fingerabdrücken am Tatort unzuverlässig sei. Denn es gibt Menschen, die sehr ähnliche Papillarmuster haben, so dass kleinste Unsauberkeiten die Unterschiede im Abdruck verwischen können.
Auch der Soziologe Simon Cole von der Cornell Universität in New York stellte in seiner Untersuchung fest, dass die Daktyloskopie noch nie auf ihre Fehlerhaftigkeit untersucht wurde. In Deutschland jedenfalls gilt weiterhin der Spruch des Bundesgerichtshofs von 1952, nach dem die Beweiskraft der Methode uneingeschränkt anerkannt wird.