Hi Chris
Ja, das Buch ist nicht schlecht. Gibt ein paar kleine Fehler, aber die sind verzeihbar. Blättere auch gerne mal darin rum
Stimmt, die Abgrenzung der einzelnen Staaten spielt da wohl auch eine große Rolle. Zudem ist ein Täter in den USA wesentlich schwieriger zu finden als bei uns. Nicht nur alleine aufgrund der Größe des Landes, sondern auch wegen anderen Umständen: So gibt es in den USA keine Einwohnermeldebehörde. Du kannst einfach in eine andere Stadt ziehen, und solange Du keine Arbeit annimmst, in eine Schule oder sonst einen Verein gehst, weiß gar niemand, dass Du dort wohnst. Ich habe einige Zeit in den USA verbracht und habe die Weite und die Abgeschiedenheit so mancher Siedlungen oder Trailerparks erlebt. Ich stelle es mir unheimlich schwer vor, in diesem Land einen bestimmten Menschen aufzuspüren.
Dazu kommt noch der Hang zum - wie soll ich es nennen - "overacting". Die Gründe zu beschreiben würde sehr lange dauern, aber die Einwohner der USA sind im Allgemeinen exzentrischer und eher nach außen gewandt. Kann man im Prinzip überall beobachten. Und dieses Phänomen ist bei US-Tätern nach der Festnahme verhältnismässig häufiger zu beobachten als bei europäischen Tätern: Die Opferverhönung und die Selbstinszenierung kennen oft keine Grenzen, und die Medien stürzen sich gieriger auf diese Nachrichten als in unseren Breitengraden.
Ebenso ist es bei psychischen Krankheiten. Ich will um Himmels Willen nicht wieder diese Diskussion um "unseren" Jack starten, ich will nur sagen, dass es in den USA wesentlich verbreiteter ist, als psychisch krank bezeichnet zu werden und sich selbst zu bezeichnen. Du kannst einfach in den nächsten Walgreens gehen und Psychopharmaka kaufen. Alles kein Problem. In manchen Kreisen zählt der persönliche Psychiater sogar zu einer Art Statussymbol. Während man bei uns eine gewisse Hemmschwelle überwinden muss, zum Arzt gehen, an einen Psychiater überweisen lassen, mit den Rezept zur Apotheke etc., kannst Du dich in den USA binnen weniger Sekunden als depressiv erklären und wirst dafür nicht ausgegrenzt. Im Gegenteil: Psychische Krankheiten gehören zum Alltag, sind eher Gesprächsthema und grenzen dich lange nicht so aus wie bei uns.
Was ich damit sagen möchte ist eigentlich, dass der allgemeine Umgang in der Gesellschaft natürlich auch eine Rolle bei der Reifung einer Persönlichkeit und der Identitätsfindung spielt, und die Identifizierung mit einer Störung, einem Fetisch oder einer für unsere Breitengrade eher abnormen Geisteshaltung fällt wesentlich leichter.
Viele Serientäter treibt dies zu besonders grausamen Taten oder Begründungen für ihre Taten sowie der entsprechenden Inszenierung an - umso höher der gesellschaftlich anerkannte Grad psychischer Krankheiten liegt, umso höher muss auch der für einen Täter zur "ichwerdung" notwendige Grausamkeitsgrad liegen. Der Täter braucht einfach mehr, um aufzufallen, um sich abzugrenzen. Dies zählt für einen unentdeckten als auch für einen verhafteten Täter. "Jetzt habt ihr mich, und jetzt zeige ich euch, wie teuflisch ich bin!".
Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber ich würde deutsche Täter im Gegensatz zu US-Tätern eher als zurückhaltend und sich selbst gegenüber fremder bezeichnen. US-Tätern fällt es leichter, sich schnell mit dem Bösen in sich zu identifizieren, und die Schwelle zum Mord liegt entsprechend niedriger, von der Möglichkeit der Waffenbeschaffung ganz zu schweigen.
Der innere Kampf eines Täters in der unsrigen Gesellschaft dürfte länger dauern, die Zeit zum ersten Mord damit auch, da es mehr Grenzen gibt. Insofern würde ich den US-Täter als allgemein jünger bezeichnen und ihm mehr Versuchstaten zurechnen, da seine Fantasie eventuell beim ersten Mord noch gar nicht genügend ausgereift ist.
Grüße, Isdrasil