Autor Thema: Der Zeitaspekt  (Gelesen 25485 mal)

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Tex Murphy

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Der Zeitaspekt
« am: 08.09.2003 04:12 Uhr »
Mir will da etwas nicht einleuchten.
Angenommen, es war wirklich ein Doppelschlag und Stride geht wirklich auf JTRs Konto...wie hat er es geschafft, Eddowes noch zu ermorden?

Ich beziehe mich da auf die Aussage von Lawende. Inwiefern ist die überhaupt glaubwürdig? Weiss ich ehrlich gesagt nicht. Geht man aber davon aus, dass es stimmt, was er sagt, wer war dann der Mann mit dem sie freundschaftlich umging? Sollte ja der Ripper gewesen sein.
Ich frage mich nur, ob sie ihn kannte? Denn sie hatte zuvor gesagt, dass sie glaube, den Mörder zu kennen. Könnte sie freiwillig mitgegangen sein?

Falls sie den Falschen gelaubt hatte zu Kennen und auf JTR hereinfiel und Lawende tatsächlich alles so gesehen hat...dann blieben noch 10 Minuten bis zu dem Fund ihrer Leiche, richtig?
Ist das genug Zeit, um die Nieren zu entwenden und zahlreiche andere Schnitte durchzuführen? Es klingt sehr knapp bemessen zumindest. Zumal er ihr sogar die Lider anschnitt, was auf keinerlei Druck hinweist.

Ich glaube eher, dass Lawende sich da vertan oder gelogen hat.
Was meinen die Experten?

Scharfnase

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Lawendes Uhr kaputt?
« Antwort #1 am: 08.09.2003 08:37 Uhr »
Hi Tex,

sei erstmal willkommen, auf der Ripper-Seite.;-)

Das mit den Zahlen, Daten und Fakten sollte man im Fall Jack the Ripper immer mit Vorsicht genießen, da vieles so einfach nicht stimmen kann. Der Pathologe hat bei der Untersuchung von Eddowes Leiche angegeben, dass der Ripper mindestens 30 Minuten für die Verstümmelungen brauchte, die er ihr zugefügt hat. Wenn das stimmt, was anzunehmen ist, dann können die Zeiten von Lawende eigentlich nicht stimmen. Vielleicht ging einfach seine Uhr falsch oder er hat sich beim Draufschauen vertan. Das passiert uns ja heute auch öfters, dass wir uns mit der Zeit vertun.

Auch dass der Mann, den Lawende mit Ihr sah, der Ripper war, muss nicht unbedingt so sein. Obwohl es durchaus denkbar ist, dass der Ripper den Frauen den galanten Gentleman vorspielte, um sie in Sicherheit zu wiegen.

Dass Eddowes ein Opfer des Rippers war, daran kann es keinen Zweifel geben, da sie die typischen Verstümmelungen aufweist und auch Organe fehlen.

Gott zum Gruße,
Scharfnase

OceanTango

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #2 am: 05.12.2009 23:55 Uhr »
vielleicht sollte ich präziser werden.
der zeitaspekt?
Antwort: gibt es nicht alles was vor 3 uhr morgens passierte , ich meine es gibt Aussagen aber wie "sehr" sie gewiss sind ist im Auge des Betrachters "relativ"!
als sie noch lebte schlief sie wohl um die uhrzeit "laut" Aussagen. deswegen ist es "für" mich sicher das sie "vor" 3 uhr morgens ermordet wurde!
wie gesagt: für mich.

Offline panopticon

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #3 am: 13.07.2010 01:30 Uhr »
Also, kommend von KvNs Überlegungen in diesem Faden http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1288.msg19737/topicseen.html#msg19737 und ohne die Frage miteinzubeziehen, wie der Täter im möglichen Zeitfenster von der Berner Street zum Mitre Square kam:

Rein theoretisch könnte der Täter tatsächlich schon am Mitre Square gefuhrwerkt haben, als Lawende, Harris und Levy das Pärchen an der Ecke Duke Street / Church Passage gesehen haben. Harris´s Aussage relativiert jedenfalls die von Lawende bezüglich der Identifizierung, und auch die Aussage von Levy deutet eigentlich darauf hin, dass die 3 Männer ihre Beobachtung erst nach 1:30 gemacht haben, und dadurch jemand ganz anderen als Eddowes gesehen haben könnten. Watkins hat den Mitre Square - seiner Angabe nach - jedenfalls um 1:30h passiert, alle Ecken mit seiner (wohl an seinem Gürtel befestigten) Laterne ausgeleuchtet und nichts gesehen. Als er die Tote gegen 1:44h fand, war wohl das erste, was er tat, George Morris im Lager von Kearley und Tongue aufzusuchen und um Hilfe zu bitten, der während der Tatzeit üblicherweise (von 1h – 2h) seine Pfeife am Mitre Square rauchte, üblicherweise - außer (wie in diesem Fall) samstags, und die Polizei kannte diese Angewohnheit. Mal angenommen, Watkins war um 1:30 gar nicht am Mitre Square, und es gab für die Wochentage ein ´Arrangement´ der diensthabenden PC´s mit Morris - dann hätten wir doch ein rechtes Zeitfenster, müssten dazu aber annehmen, dass Watkins sich vielleicht im Tag irrte, Morris ohnedies am Square vermutete, und den Platz zwischen 1h und 2h ausließ, was aber dann vermutlich auch bedeutet hätte, dass eigentlich Morris die Tote fand – wie wäre Watkins aber davon informiert worden und rechtzeitig an den Platz gekommen? Morris hatte nachweislich zumindest eine Trillerpfeife. Laut Morris und Watkins war die Tür des von Morris zu bewachenden Gebäudes (laut Morris maximal 2 – 3 Minuten) angelehnt, weshalb letzterer ersteren auch gleich aufsuchen und um Assistenz bitten konnte. Ein Nachtwächter, der die Tür des von ihm zu bewachenden Gebäudes offen lässt? Impliziert 2-3 Minuten nicht auch, dass die Tür vorher nicht offen war – dann hätte Morris sie eigentlich sogar ungefähr zu der Zeit öffnen müssen, als der Killer seine ´Arbeit´ am Mitre Square ´vollendete´... Eine weiterer merkwürdige Aussagen von Morris: Er hatte eine Lampe bei sich, als Watkins ihn aus dem Lagerhaus holte. Generelle Frage: Warum denn? Watkins hatte laut eigenen Angaben selbst eine Laterne, mit der er noch um 1:30 alle Ecken des Platzes ausgeleuchtet haben will. Nachdem auch Morris dann die Tote beleuchtet haben will, blies er seinen Angaben nach in seine Trillerpfeife, weil Watkins angeblich keine hatte. Er war es letztlich auch, der PC Harvey von Aldgate holte, bzw zu Hilfe trällerte, während Watkins bei der Toten blieb. Weiterer interessanter Punkt: Morris hat laut seinen Angaben nicht nur nichts von der Tat mitbekommen, er gab auch an, von Watkins in dieser Nacht nichts mitbekommen zu haben, bevor dieser schließlich ans Lagerhaus pochte. Ich will weder PC Watkins diskreditieren, geschweige denn, Morris mit der Tat belasten, aber die Möglichkeit, dass Watkins in jener Nacht gar nicht so häufig durch den Mitre Square selbst lief, ist zumindest gegeben, und über die Duke Street hätte er seine Route am St. James´s Place wieder aufnehmen können. Folglich bliebe dem Mörder unter Einberechnung von Eddowes´s minimalster Zeit, die sie benötigte, um von der Bishopsgate Police Station zumindest auf den Mitre Square zu gelangen, über eine halbe Stunde... Konstruiert definitiv, aber nicht ganz ausschließbar.


Grüße,
panopticon

KvN

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #4 am: 14.07.2010 12:59 Uhr »
Konstruiert würde ich nicht mal so sagen! Betrachten wir die Quintessenz, bleiben folgende Punkte:
Lawende et. al. haben sich bei der Identifizierung geirrt. Durchaus vorstellbar, es war mitten in der Nacht und wenn es sich um eine Person mit ähnlichem Outfit und ähnlicher Größe handelte. Eddowes war durchschnittlich groß und ihre Bekleidung entsprach stilistisch wohl auch dem Großteil der weiblichen Bewohner des Elendsviertels. Dass Eddowes um 1,30 oder später bei der Churchpassage smalltalkte ist absolut auszuschließen.
Dass Watkins mal lieber einen Tee trank als seine Runde zu drehen halte ich ebenso für recht wahrscheinlich, unabhängig von Morris, der allerdings meiner Meinung nach eine sehr dubiose Figur ist. Interessant finde ich aber dass die Aussagen untereinander stimmig sind. Und warum ist der Polizei nicht aufgefallen - trotz der Aussage der obduzierenden Ärzte über den Zeitbedarf - dass Eddowes unmöglich nach 1,30 ausserhalb des Mitre Square gewen sein kann? Lebend - versteht sich...

Grüße
 

Offline Lestrade

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #5 am: 14.07.2010 14:20 Uhr »
Rechnen wir doch doch mal die Sichtung von Lawende und Co. zwischen 1.30 und 1.35 Uhr und die Entdeckung durch Watkins um ca. 1.45 Uhr aus. Blieben also 10min für das Verbrechen. Das er quasi begann, als Lawende und Freunde vorbeimaschiert waren und bei der Endung wohl einem PC beinahe in die Arme lief. Alles könnte doch wirklich sehr schnell gegangen sein. Der Ripper kam eh gehetzt aus der Berner Street, wo ihn drei Männer (Schwartz, der zweite Mann und Diemschütz) ordentlich in die Suppe gespuckt hatten. Er dürfte rasend gewesen sein, innerlich. Und kombiniert mit dem schärfsten Messer das wir uns vorstellen können, zusätzlich ausgestattet mit einer gewissen Erfahrung, kann man eine Menge Schaden anrichten. Zehn Minuten mit solch einem Irren und dessen Messer, ich weiß nicht, ist eine viel zu lange Zeit. Was er mit Kelly angerichtet hatte mit mehr Zeit, wissen wir alle. Wie hätte dieses Opfer Eddowes ausgesehen, wenn wir nicht von den gemutmaßten 10min. ausgehen und auf 20min erhöhen? Ich gehe nicht davon aus, das er "genüsslich" über seine Opfer kniete und den Augenblick entspannt erlebte. Er hatte es aus gegebenen Umständen sicherlich eilig. Siehe Nichols, siehe Chapman. Das waren keine Orte zum verweilen. Der Miller´s Court war das. Aber nicht die Buck´s Row, nicht die Hanbury Street, nicht die Berner Street und eben auch nicht der Mitre Square. An diesen ersten Orten wollte er töten,woanders war es ihm eh nicht möglich. Er wußte dort genau das es schnell gehen musste, sonst wird er erwischt. Nach jahrelangen, sadistischen Fantasien, dürften so einem Täter, 10min. wie eine dankbare Ewigkeit vorgekommen sein. Natürlich wollte er das steigern, tat er auch bei Kelly. Trieben ihm vielleicht auch andere Umstände noch dazu, getan hätte er es aber irgendwann ja doch. Es gab ja auch für ihn, nicht berechenbare Umstände während seiner "Karriere". Ich sehe den Ripper ja nie als den "fertigen" Serienkiller. Er begann irgendwann damit und baute auf seine Erfahrungen auf, keiner der einen Masterplan hatte. Dazu gehört meiner Meinung nach, das er ersteinmal so viel "schaffen" konnte, wie ihm möglich war, traurigerweise. Ich traue ihm diese Verstümmelungen in 10min. zu. Gehe ich mal von 20min. aus, wie oft kann ein Irrer in einer Minute bereits auf sein Opfer einstechen? 20-30 mal? Und das mal 20? Da bleibt doch nix übrig von einem. Freunde, 10min. mit Jack the Ripper und dessen unglaublich scharfer Klinge, der keinen Grund für eine Pause hatte... ist in meinen Augen, eine Ewigkeit...

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Offline Lestrade

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #6 am: 14.07.2010 14:30 Uhr »
Oder anders gefragt liebe Freunde:

Was hätte mit Eddowes in 10min. passieren können?
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domi

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #7 am: 14.07.2010 18:33 Uhr »
hey lestrade
ich glaube das es vollkommen unmöglich (auch für den ripper) war einen menschen in nur 10 minuten so zu verstümmeln.

Offline Lestrade

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #8 am: 14.07.2010 21:13 Uhr »
Hi Domi! Danke für dein Statement. Aber manchmal scheinen uns, im ersten Augenblick oder besser gesagt bei näherem hinsehen, Dinge unmöglich. Es bedeutet aber nicht, das sie dennoch unmöglich sind. Der Ripper attackierte blitzschnell bei Eddowes, mit hoher Wahrscheinlichkeit von hinten, schnitt ihre Kehle durch. Ein Akt der Sekunden dauerte. Dieser Mann war sehr kräftig. Auf was soll er dann warten? Er hatte so oder so keine Zeit zu verlieren. Was sollte er tun? Sich eine Zigarette anzünden? Ersteinmal Pause machen? Überlegen was er nun anfangen soll? Nichts von alledem, denke ich. Beachte, dieses Messer muss so scharf gewesen sein, wie zum filetieren gefertigt, scharf wie eine Rasierklinge und stabil. Und der Ripper war kräftig wie ein Ochse. Obwohl er rasend gewesen sein muss, dürfte er eine hohe Selbstdiziplin und Aufmerksamkeit gezeigt haben. Auch für ihn war es ein Wettlauf mit der Zeit. Er wußte wann Schluß sein musste, dann nämlich wenn er Schritte hörte. Er hörte vermutlich 10 Minuten keine. So ist eben meine Meinung, meine Gedanken dazu, das ist alles.

Grüße.
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Offline Lestrade

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #9 am: 14.07.2010 21:32 Uhr »
Und noch etwas Domi, da ich gerade vom "Schritte hören" spreche und das eventuell hier zum Ripper sehr wichtig sein könnte:

Ich habe es schon einige Male angedeutet. Ich mutmaße, das die Ohren des Rippers, ein sehr erweiterter Teil seiner Augen war. Er "sah" mehr mit seinen Ohren als jeder andere. Um es mal in Bildersprache auszudrücken. Ihm war es enorm wichtig zu "hören" und selber "nicht gehört" zu werden. Deshalb dürfte sein Schuhwerk, sich von der Allgemeinheit doch etwas unterschieden haben. Einmal wurde er selber nicht gehört, zum anderen, konnten ihm fehlende, eigens verursachte Geräusche, nicht selber bei der Geräuschaufnahme seines Umfeldes stören. Er war also jemand, der lautlos durch die Gegend pirschte. Was könnte uns das sagen? Weder brachte er dieses Verhalten aus Kindertagen mit oder aber und das halte ich für wahrscheinlicher, er hatte darin Erfahrung.

Woher könnte er diese Erfahrung haben? In welcher Beschäftigung könnte er einst gesteckt haben, in der er lautlos agieren musste aber selber alle Sinne auf volle Stärke stellen musste.

Da seid ihr jetzt gefragt.
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Jack the Whopper

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #10 am: 14.07.2010 22:32 Uhr »
Lestrade, es ist wie immer sehr interessant, deine Argumente zu lesen. Kompliment! Ich habe übrigens jahrelang in der Zerlegung einer Hähnchenschlachterei gearbeitet, wo ich Hähnchen filetiert habe. Deshalb kann ich nur bestätigen, dass man mit einem scharfen Messer innerhalb weniger Sekunden einiges anstellen kann. Ich glaube, manche würden staunen, wie schnell manche Leute mit einem scharfen Messer ein komplettes Schwein zerlegen können, da ist das was JtR in ca. 15 min. angestellt hat tatsächlich gar nicht mal sooo spektakulär (und auch nicht übertrieben schnell)...
Gruß, Jörn the Whopper

KvN

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #11 am: 14.07.2010 23:33 Uhr »
Hi zusammen!

Da meine eigenen Erfahrungen im Zerlegen von Menschen eher gering sind orientiere ich mich an der Meinung der schon zitierten Ärzte. Und die ist eindeutig: Völlig unmöglich,  allerdings können sie aber mangels Training im Verstümmeln natürlich auch irren...Und, Jack, auch ich habe bereits beim Schweine schlachten mitgearbeitet und habe erlebt dass auch erfahrene Fleischer schon eine gewisse Zeit zum Zerlegen des Tieres benötigen...Lestrade: Genau das ist ja der Punkt: Du hast völlig recht, ein tobender Irrer - der Jack für mich nicht war, dazu ging er auch hier viel zu kontrolliert vor - kann mit einem scharfen Messer in 10 min. Fürchterliches anstellen. Hat er aber nicht. Die - für die Verhältnisse sehr saubere - Organentnahme, die facialen Verstümmelungen, das war Feinarbeit. Das Einschneiden der Augenlider ohne Verletzung der Augäpfel hat mit enthirnter Schlachterei nix zu tun.
Aus welcher medizinischen Fachrichtung sollte eurer Meinung nach ein Experte stammen, der hier eine echt fachkundige Meinung abgeben kann? Ich denke da an einen Militärchirurgen oder so, jemand der gewohnt ist unter Zeitdruck und suboptimalen Bedingungen zu arbeiten.

Grüße

Offline Lestrade

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #12 am: 15.07.2010 00:34 Uhr »
Danke Jörn für dein Kompliment!

Kurt! Wir dürfen zwei Dinge nicht durcheinanderbringen. Der Ripper hat seine Opfer nicht zerteilt (was zweifelsohne länger gedauert hätte), sondern versucht sie auszuweiden. Bei Eddowes ist ihm das gut gelungen. Es ist ein gewaltiger Zeitunterschied zwischen Zerlegen und Ausweiden. Wenn er so "klasse" bei "seiner Arbeit" war, warum konnte er nur ein Teil der Niere mitnehmen? Warum flog im Leichenschauhaus noch ein Teil eines Ohres von Eddowes durch die Gegend? Warum fand man Kotspuren auf dem Teil der Schürze von Eddowes? Weil er besonnen, sauber und chirurgisch vorging? Never Kurt, never... Das war stümperhaft, eilig, wenn auch nicht ganz unwissend von ihm. Woran erkennst du Präzission? Das er überlegt hatte, wie er ihr die Haut vom Gesicht entfernen kann? Da war er wohl kein Experte drin. Kelly ihre Augen waren doch auch heil geblieben. Und ihr Gesicht zerhackt... Das ist kein Beweis für einen Täter mit absolut ruhiger Hand und ´ner Menge Zeit. Von welchen Ärzten sprichst du eigentlich? Meine Erinnerung an einen Arzt lautet "der Täter muss teilweise mit der Hand die Eingeweide herausgerissen haben" o.ä., ich such morgen mal raus, wer das sagte. Saubere Arbeit unter diesen Verhältnissen sagst du, okay das mag sein und auch bemerkenswert für die Zeit von 10Minuten aber keine Feinarbeit Kurt. Und wie gesagt, er schlachtete nicht, er weidete aus. Wie ein Jäger, ist übrigens interessant dieses Wort, es passt gut zu Jack the Ripper. Jäger weiden auch ihr geschossenens Wild aus, sie müssen sich ruhig verhalten, schleichen und gut hören können und vorallem unsichtbar bleiben um dann blitzschnell ihr Opfer zur Strecke zu bringen. Frag doch mal einen Jäger, wie lange er braucht, die einzelnen Wildarten auszuweiden. Der hat allerdings Zeit und ist mit wenig Mordlust ausgestattet. Beachte das dann bei deinen Berechnungen für einen Irren wie Jack the Ripper. Übrigens Kurt, Jack war kontrolliert, ohne Zweifel gegenüber allem in seiner Umgebung im Moment seiner Taten. Nur gegenüber den Opfern, da hatte er, was seinen Zorn, seine Wut und seinen Hass betraf, keine Kontolle mehr in jenen Augenblicken. So mag er nach außen cool erschienen sein aber innerlich war er genau das Gegenteil davon. Diese Coolness war eine Maske und hatte nichts mit seiner wahren Identität zu tun. Die Maske galt es immer zu wahren... immer, in jedem Augenblick... demzufolge hat dieses wahre Gesicht des Rippers, in der Tat nie jemand gesehen. Die es hätten sehen können, waren dann bereits tot, was ich als wahren Glücksfall betrachten würde. Sollte es jedoch mal irgendjemanden in diesem Fall begegnet sein, dann hätte er es wohl niemals vergessen. Und muss sehr überrascht gewesen sein, als es plötzlich zum Vorschein kam...

Liebe Grüße,

Lestrade.
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Offline panopticon

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #13 am: 15.07.2010 01:37 Uhr »
Hallo zusammen!

Ich habe mir die Aussagen der Ärzte, die  vor Ort waren, jetzt noch einmal vorgenommen: Was die Verstümmelungen allein angeht, könnten Lestrade und Jörn schon recht haben, zumindest wenn man die Aussagen der Ärzte in diesem Fall bei der Inquest ansieht :
 
Dr. G. W. Sequeira: keine großartigen anatomischen Kenntnisse des Mörders, Eintritt des Todes nur wenige Minuten vor seinem eigenen Eintreffen vor Ort: vermutlich nicht mehr als eine Viertelstunde (da Sequeira um 1.55h am Tatort eintraf also in etwa 1.40h).
 
Dr. F. G. Brown: Wissen muss vorhanden gewesen sein, allerdings reicht im Prinzip das von jemandem, der eine Übung darin hat, Tiere zu zerlegen; Täter hatte wohl genug Zeit, da er auch die unteren Augenlider einschnitt, arbeitete aber generell schnell. Es hätte mindestens 5 Minuten gedauert (ich nehme an, alle Verstümmelungen – das Einschneiden der Augenlider allein wird er damit ja wohl kaum gemeint haben?) Todeseintritt 30-40 Minuten bevor Dr. Brown eintraf: dementsprechend 1.40-1.50 (letzteres kann nicht sein, da Eddowes ja bereits gegen 1.44 gefunden wurde)
 
Sonderlich ´sauber´ ist der Täter in diesem Fall wohl nicht vorgegangen, zumindest wenn man sich Eddowes´s Schürze ansieht...
 
Insgesamt hätte der Täter rein zur Ausübung der Tat selbst wohl nicht allzu viel Zeit gebraucht, ABER: das Zeitfenster von jemandem, der zwischen den Beats von Watkins zuschlagen musste, und um bzw kurz nach 1:30h noch an der Church Passage mit seinem späteren Opfer herumturtelte, ist extrem klein. Lawende konnte zudem die Tote selbst auch nicht identifizieren (vielleicht war dies aber in diesem Fall auch die eigentliche Intention hinter den Gesichtsverletzungen?) – er meinte, dass die Kleidung wohl die gleiche war, wie die, die er an der Frau an der Passage wahrgenommen zu haben glaubte. Wenn die drei also wirklich Eddowes und ihren Mörder gesehen haben, war das Risiko, dass letzterer ´in situ´ erwischt wird, extrem hoch, selbst wenn er nur 5 Minuten benötigte, was Brown immerhin als Mindestzeit (!) bezifferte. Von einem rein sexuell motivierten Täter würde ich diesbezüglich zumindest nicht ausgehen, und auch, ob er allein war, ist so eine Frage... KvN hat recht: Nach einem tobenden Irren, sieht das in diesem Fall nicht aus – da hätten sie ihn wohl gekriegt, und ob sein ´Zorn´ wirklich primär gegen Frauen gerichtet war..... :icon_rolleyes:
 

Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Der Zeitaspekt
« Antwort #14 am: 15.07.2010 09:58 Uhr »
Ich glaube, in einer Sache reden wir stets aneinander vorbei. Oder wir mißverstehen uns einfach. Jack the Ripper tötete in jener Nacht zwei Frauen, am ersten Tatort gelang es ihm sogar noch, mindestens zwei "Zeugen" in die Flucht zu schlagen. Das zweite Opfer weidete er furchtbar aus. Dieser Mann war äußerst gewalttätig und brutal. Er war schwer gestört, mit grausamen, sadistischen Fantasien ausgestattet. Gerichtet gegen arme, alkoholkranke, gefallene und hilflose Frauen. Damit ging er in die Nacht hinaus. Die Allgemeinheit würde sagen, ein total Irrer und damit hätten sie auch recht. Ihr kennt doch die Tatort- und Opferbeschreibungen des Double Events, den plötzlichen Angriff auf Stride, die Fotos von Eddowes und ihren Obduktionsbericht. Und ihr beide sagt, nach einem tobenden Irren sieht das nicht aus? Ehrlich gesagt, erschreckt es mich, das lesen zu müssen. Wie muss ein Opfer aussehen, das auf die Definition eures tobenden Irren trifft? Ted Bundy hatte einmal in einer Nacht 5 Frauen angegriffen, 2 davon getötet. Die Überlebenden haben Schäden für den Rest ihres Lebens. Die getöten Opfer hat er quasi zerschlagen. Er war besonders stark "durchgedreht" in jener Nacht. Und ja, er hatte eine Menge "geschafft" in jener Nacht, sich an den Opfern ausgetobt mit dem Irrsinn in seinem Kopf. Nur weil man ihn auf dem Weg, von Opfer zu Opfer, nicht als "Serienkiller" erkannte, weil er einen mit ´nem Schläger in der Hand freundlich zulächelte, heißt das noch lange nicht, das ein Opfer Sekunden vorher, diesen tobenden Irren in die Hände gefallen war. Diese Art von Serientäter besitzen eine enorme Portion Selbstbeherrschung. Diese ist präsent vor, während und nach den Taten. Ist sie einmal weg, ist sie in Sekundenschnelle wieder da. Dies ist ein wichtiges Merkmal der Psyche von Serientäter und gleichzeitig bedeutet das einen hohen Selbstschutz für sie. Er versteckt dahinter seine wahren Absichten. Er verdeckt hinter dieser Selbstbeherrschung seine wahren Wünsche, von denen er selber weiß, das diese sich von deren, anderer Menschen unterscheiden. Im Moment des Tötungsaktes wird und muss er etwas von dieser Selbstbeherrschung abgeben, denn er ist ja an "sein Ziel" angelangt und "braucht" sich jetzt nicht mehr beherrschen, den darum geht es ihm ja auch letztendlich, es nicht mehr zu unterdrücken sondern es "rauszulassen". Was er herausgelassen hat, erzählen uns die Opfer selber... Was ich also sagen will ist, diese Täter sind in der Lage, noch freundlich und unauffällig mit dem Opfer zu reden, allein mit dem Opfer, innerhalb kürzester Zeit furchtbares anzustellen und dann, wie in unserem Fall dem PC Harvey oder PC Watkins einen wunderschönen Abend zu wünschen, nachdem sie gerade ein Blutbad angerichtet haben. Sie besitzen eine Selbstbeherrschung, von der wir alle nur träumen können. Das u.a. macht sie ja so gefährlich und unberrechenbar. Schaffst du es, ihnen diese zu nehmen, wirst du die wahre Fratze dahinter erkennen. Deswegen bleibe ich dabei, der Tatablauf ist der gleiche, wie er schon vor 122 Jahren dokumentiert wurde. Eddowes Verstümmelungen waren in ca. 10 Minuten möglich.

Liebe Grüße,

Lestrade.
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