Hallo Stordfield!
Es gibt ja auch die Story, dass jemand nach Kelly´s Beisetzung an ihr Grab ging und darauf spuckte. Geschah dies wirklich, so wäre das in der Tat eine sehr pietätlose Handlung gewesen. Wenn dem so war, gäbe es dafür sicherlich die verschiedensten Erklärungen. Es könnte sich um den Täter gehandelt haben, um einen Familienangehörigen oder um einen verschmähten Liebhaber bzw. einem Verehrer usw. Kelly schien in der Tat eine sehr attraktive Frau gewesen zu sein, die vielleicht auch aufgrund ihrer Attraktivität einigen Bonus bei Männern hatte, welche ihr dieses oder jenes Verhalten billigten bzw. großzügig übersahen. Sie war noch recht jung aber auch schon recht erfahren in Beziehungen, die sicherlich mal länger, mal kürzer andauerten. Das Joseph Barnett sicherlich Probleme hatte das Ende zwischen Ihr und ihm zu verstehen oder es vollends zu akzeptieren, davon würde ich stark ausgehen. Gut möglich, dass er seinem älteren Bruder nach Rat und Hilfe fragte.
Da ist also die eingangs erwähnte Story, die Umstände am Miller´s Court, sprich also Tür/Schlüssel, das Motiv von Joseph Barnett oder gar eines Daniel Barnett, weil er vielleicht gerne der Mann an Kelly´s Seite gewesen wäre usw. Hätte es zur gleichen Zeit nicht die Jack the Ripper Morde gegeben, sondern nur dieser eine Fall mit Kelly als Opfer, dann wären die Barnetts sicherlich viel, viel interessanter geworden. Aber so war es ja nicht und die Whitechapel Morde passierten im wahrsten Sinne des Wortes um die Ecke. Dazu solch schwere Verstümmelungen, die noch stärker ausgeprägt waren als bei Chapman und Eddowes.
Der Tatort Miller´s Court ist in der Tat sehr außergewöhnlich und lässt erst einmal viel Raum für diverse Spekulationen. Ich denke, der Mann, welcher auch zumindest für die Taten an Nichols, Chapman, Stride und Eddowes verantwortlich gewesen war, wusste nach der Nacht des DoubleEvents, egal in welcher geistigen Verfassung er war, dass er mächtig aufpassen muss, um nicht erwischt zu werden oder weiter in Verdacht zu geraten. Er lernte stetig dazu. Es hätte zu diesem Zeitpunkt besonders zwei Dinge für ihn gegeben haben können:
Wie kann ich meine Fantasien endlich bis zum Ende ausführen?
Wie sicher kann ich dabei sein, während und nach der Tat?
Er musste in jeglicher Hinsicht Zeit gewinnen. Solch eine Location wie Kelly sie bewohnte, war dafür doch gut geeignet. Ich denke jedoch aber, dass auch Sie, genau wie alle anderen Opfer, Zufallsopfer wurden. Kelly eben auf eine andere Art, weil er, der Täter, einfach eine andere Strategie verfolgen musste. Dabei hätte er nicht den großen Denker markieren müssen, sondern einfach instinktiv gehandelt haben können. Im meinen Augen hätte er so wie bei Kelly, nicht in Zukunft weiterverfahren müssen, weil solch eine “gelungene Tat“ hätte auch dazu führen können, dass er aus Übermut beim nächsten Mal wieder leichtsinniger agiert hätte. Seine Logik sollten wir nicht unbedingt mit unserer Logik vergleichen.
Whitechapel und Spitalfields, das East End allgemein, waren ein Gebiet, wo Prostitution extrem verbreitet war. Die Dorset Street gehörte mit zu den schlimmsten Straßen in London. Auch im Miller´s Court gab es Prostitution und die dürfte sich herumgesprochen haben. Genau in dieser Art, gab es weitere, unzählige Orte dieser Art und der Ripper dürfte jeden Ort gekannt haben. Das gehörte zu seiner Leidenschaft. Wer heute in´s Internet geht, der findet alles an Pornografie was er sucht. Man muss eben nur suchen. Und dann weiß derjenige, was er, wenn er es will, wo abrufen kann. Und der Ripper sollte dieses Elendsviertel der Prostitution genau gekannt haben. Es dürfte ihm bewusst gewesen sein, dass es neben reiner Straßen/Hinterhof-Prostitution und Bordellen auch Prostituierte gab, die ihre Kunden in eigenen Wohnräumen bedienten. Im Miller´s Court waren es vielleicht Mrs. Prater oder Mrs. Cox, die neben Kelly dort “aktiv“ waren. In einem anderen Court sind es diese Personen, in diesem Yard eben folgende Frauen und in irgendeinem Square eben jene Damen usw. Jack the Ripper kannte das alles. Ebenfalls sollte man daran denken, dass Kelly auch hin- und wieder “Mitbewohnerinnen“ hatte. Und Apropos Mrs. Cox:
Ich hatte schon einmal darauf hingewiesen, dass Mrs. Cox nichts bezüglich der Türsituation erwähnte, als sie Kelly mit Blotchy sah. Beide gingen schlicht und einfach in Kelly´s Raum.
Und ich halte es für gut möglich, dass Jack the Ripper genau das tat. Er ging einfach hinein, weil die Tür in Kelly´s Raum schlicht und einfach unverschlossen gewesen war. Wer weiß, an wie vielen Türen er bereits vorher gerüttelt hatte, wo er wusste, es könnte sich auch lohnen zu rütteln. Er suchte genau das, eine Prostituierte in den eigenen vier Wänden. Ich erinnere an den Internet Porno Sucher. Er wird finden was er sucht. Und auch der Ripper fand letztendlich, was er suchte. Das tat er immer aber diesmal war es eben die gewünschte Indoor- Situation. Bei Mrs. Prater hätte er so keinen Erfolg gehabt, sie hatte ihre Tür verrammelt. Aber Kelly tat das meines Erachtens nicht. Vielleicht wartete sie noch auf eine ihrer Mitbewohnerinnen, welche übrigens auch den “Mord“ Schrei ausgerufen haben könnte. Es handelte sich um den grauenvollsten Anblick, der einen Menschen erwarten kann aber vor allem auch schockieren wird. Ein früherer Entdecker(in) als McCarthy hätte unfähig gewesen sein können, überhaupt irgendeine Anstalt zu machen um Alarm zu schlagen. Derjenige hätte ebenfalls, wegen der verschlossenen Tür, das gleich durch´s Fenster wie McCarthy gesehen haben können. Kelly hätte aber auch vergessen haben können, die Tür zu verriegeln, weil sie leicht angerauscht gewesen war.
Ich weiß nicht, wie der Täter sich Kelly dann näherte, wie sie ursprünglich im Bett lag. Es war keine Unordnung zu entdecken, keine Kampfhandlungen nachzuvollziehen. Er sollte aber wieder recht schnell und leise getötet haben, so wie immer. Und dann war er in der Situation, von der er träumte. Mit einem toten Opfer ganz allein und ohne zu erwartende Störung. Das Fenster mit einem Mantel zu gehangen, das Schloss von innen verriegelt, etwas Licht durch den Kamin erzeugt, was sollte passieren? Das er vor dem Verlassen des Raumes bemerkt haben könnte, dass er von außen durch´s Fenster die Tür wieder verriegeln kann, warum sollte das dann genau so auch nicht passiert sein? Er hätte dann zum ersten Mal ein Opfer auch “versteckt“, um die Entdeckung der Leiche hinauszuzögern. Steht die Polizei am nächsten Tag irgendwann vor seiner Türe, was hätten diese dann tun können? Der Täter hatte sich bis dahin grundgesäubert. Von möglichen Bluthunden usw. hätte er ja nicht unbedingt was wissen müssen.
Jack the Ripper hatte möglicherweise in jener Nacht bereits an 10 Türen diverser Locations gerüttelt die jedoch alle verschlossen blieben. Kelly ihre Tür war unglücklicherweise, warum auch immer, unverschlossen. Vielleicht ließ sie die Tür bewusst für eine Schlaffreundin offen, wer weiß das schon? Ich denke aber nicht, dass sie noch viel realisieren konnte. Als der Täter ging, griff er durch´s Fenster und verschloss die Tür. Keiner kam doch nach der Entdeckung auf die Idee, durch das Fenster zu fassen. Keiner der Anwohner rief “Greift durch´s Fenster“. Sie brachen die Tür letztendlich, nach einigem hin.- und her, auf. Von innen war dieser Möglichkeit mit dem Fenster eher zu erkennen als von außen, dass sollte man den Beamten zu Gute halten. Hier hatte der Ripper einen deutlichen Vorteil gehabt.
Gruß, Lestrade.