Dabei ist die Psychologie in meinen Augen auch nicht anders als Mathematik, nur noch nicht derart ausgereift und erforscht, dass man hieb- und stichfeste Ergebnisse präsentieren könnte. Noch nicht.
Das sehe ich etwas anders, denn in der Mathematik werden bestimmte Objekte aufgrund ihrer Eigenschaften zu Mengen zusammengefasst, z.B. die Menge der natürlichen Zahlen {1,2,3,...}. Anhand dieser Eigenschaften lassen sich dann Sätze und Regeln ableiten.
In der Psychologie geht das meines Erachtens nicht so einfach, das Menschen dafür einfach zu komplex sind. Jede Formulierung von Regeln ist daher nur eine (unzulässige) Verallgemeinerung, z.B. "Frauen können nicht einparken." oder "Einzelkinder sind egoistisch!"
Ich habe dazu erst vorgestern eine interessante Dokumentation gesehen: Ein Mentalist schickte zwei Menschen in den Supermarkt und lies beide einkaufen. Der Haken: Bereits vor dem Einkauf sagte er voraus, welche Produkte die Probanten kaufen würden. Durch unbewusst platzierte Botschaften und Schauspieler innerhalb des Supermarktes bewegte er die Probanten anschließend zielgerichtet zu den Produkten. Und tatsächlich entsprachen die Einkaufswägen nach dem Experiment zu einem beeindruckend großem Teil dem des Mentalisten.
Ein Scharlatan? Mentalisten das sind doch so Jahrmarktzauberer, oder?
Nein hier hat jemand eine ungeheure Ahnung von den Gesetzen der Psychologie, die in Werbung und Alltag ständig auf uns niederprasseln. Wir sind im Prinzip unfreier als wir denken würden selbst wer gezielt gegen die Manipulation geht, lässt sich in diesem Moment schon wieder durch die Manipulation in eine Richtung drehen.
Ich habe diesen Beitrag leider nicht ganz gesehen, aber hat der Typ sich wirklich als "Mentalist" bezeichnet? Ich dachte, das wäre so ein "Supermarkt-Psychologe", der eben versteht, wie er seine Kunden zu lenken hat. Dabei muss man aber auch wissen, dass er seinen Probanten vorher gesagt hat, was sie einkaufen sollen, z.B. Pizza. Dass dann einer an dem mittem im Weg aufgestellten Regal mit den Zutaten (Fertigteig, passierte Tomaten,...) hängen blieb, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich. Der andere Probant nahm immerhin eine Fertigpizza, die der Mentalist nicht in seinem Muster-Einkaufswagen hatte.
Richtig ist aber, dass wir alle sehr leicht Opfer von Manipulationen werden.
Weshalb wurde der Ripper gezwungen, gerade diese Opfer an gerade diesem Ort zu töten?
Wurde er denn gezwungen? Ich denke, dass Serienmörder zwar einen gewissen Drang zur Gewaltausübung verspüren, aber das tun sicher viele andere auch, die eben nicht zum Mörder werden. Vielleicht auch einige hier im Forum. Entscheidend ist für mich, dass bei Serienmörder die Hemmung zur Gewaltausübung geringer ist, sei es, weil ihnen prinzipiell die Empathie fehlt, sei es (später), dass sie ihre Tötungshemmung bereits überwunden haben und sich somit in einem Bereich befinden, den wir nicht betreten können und wollen. Von daher ist es für uns auch schwer, nachzuvollziehen, was solche Menschen treibt. Ob es sich aber um Zwang handelt?
In diesem Zusammenhang ist mir immer ein Zitat vom Green River Killer Gary Ridgway im Ohr: "I killed them because I wanted to kill them."
Er spricht also von einer Willensentscheidung. Auch Ted Bundy wollte meiner Meinung nach Töten, denn nur so konnte er Opfer für seine nekrophilen Neigungen kriegen. Würde es sich nicht um Willensentscheidungen handeln, wieso ist dann die Opfergruppe bei beiden auf spezielle Opfertypen (Prostituierte bzw. College-Girls) beschränkt? Wäre ein Zwang zum Töten da, wieso beschränkt sich dieser Zwang auf bestimmte Opfertypen?
Passen Opfer wie Tabram oder Kelly in dieses Schema?
Inwiefern Tabram und Kelly in dieses Schema passen, wurde schon ausführlich in den diversen Threads diskutiert. Sie hatten einfach das Pech, zur falschen Zeit den falschen Klienten zu treffen.
Wieso geschahen die Morde so regelmäßig, und weshalb nahm niemand Notiz vom Täter?
Wie kommt es zu so einem Mord? Nun, der Täter trifft zu einer ihm passenden Gelegenheit auf das Opfer. Passende Gelegenheit heißt, dass er sich einerseits sicher fühlen konnte, ihm anderseits aber auch das Opfer geeignet erschien. Schauen wir uns die Opfer von Jack the Ripper einmal an, so fällt mir einiges auf, was sie zum idealen Opfer macht.
Zum einen war in allen Fällen das Wetter nicht unbedingt schön, meistens Nieselregen im Laufe des Abends, dazu auch noch kalt. Einem Täter sagt dies, dass Prostituierte, die jetzt noch unterwegs sind, ihr Geld für eine Unterkunft noch nicht beisammen hatten. Folglich würden diese Frauen auch nicht sonderlich wählerisch sein, und einem eventuell aufkommendem Unbehagen widerstehen.
Zum anderen erschienen alle Opfer verwundbar. Die meisten waren betrunken, Chapman war gesundheitlich nicht auf der Höhe.
Alles in allem: leichte Opfer.
Die Gelegenheten schienen jack auch passend gewesen zu sein. Es war dunkel, das Wetter so lala, also wenig Leute auf der Straße, und wenn, dann würde ihn kaum einer erkennen.
Die Regelmäßigkeit kann sich natürlich einerseits leicht dadurch erklären lassen, dass er wann anders keine Zeit hatte, anderseits kann es auch einfach Zufall gewesen sein. Vielleicht war er jedes Wochenende auf Pirsch, doch nur an den besagten Terminen war er erfolgreich. Wegen der vergleichsweise "wenigen" Opfer erscheint uns das heute als Muster.
Wonach suchte die Polizei zur damaligen Zeit? Wie kamen sie auf manche Verdächtige? Woher nahmen sie ihre Annahme, es könne sich bei Person X um den Täter handeln? Genau hier sind wir an einem Punkt, an dem wir bis zum heutigen Tage einen großen Fehler der damaligen Ermittler aufnehmen und weiter denken: Die Täterpsychologie war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in den Kinderschuhen. Serienmörder wurden noch als Wahnsinnige angesehen, als Andersartige, Sonderlinge, als nicht auffällig im Sinne von auffallend unauffällig. Und so suchte man nach Schlägern, nach Vorbestraften, nach Lunatics, die in irgendwelchen Irrenanstalten zusammen mit anderen Wahnsinnigen ihr Dasein fristeten. Und natürlich es hätte mich verwundert wenn nicht fand man sie. Die Wahrscheinlichkeit in der Gosse der damals größten Stadt der Welt dürfte wohl auch nicht allzu gering sein. Hatte betreffende Person auch noch in irgendeinem Bezug Probleme mit Frauen und Gewalt und auch das war damals wohl keine Seltenheit, eher die Regel im East End hatte man den Verdächtigen, mit dessen Hilfe man den Druck auf die Ermittlungsarbeiten etwas zügeln konnte.
Doch diese Methode war schlichtweg falsch. Der Ripper war kein Lunatic, er hatte auch keine sexuelle Abartigkeit an sich, ja er hätte sogar ein arbeitender Familienvater im West End der Stadt sein können
er war eventuell gar kein sozialer Sonderling, bisher nicht gewalttätig aufgefallen oder körperlich beeinträchtig.
Und unter diesen Gesichtspunkten gibt es bisher keinen Verdächtigen, der auch nur ansatzweise sicher in das Täterprofil passt, denn wir begehen nach wie vor die Fehler, die immer noch in den Köpfen unserer Gesellschaft verankert sind, in der Literatur und den Medien ihren Ausdruck finden und damals dazu führten, dass der Täter nicht verhaftet werden konnte: Wir haben eine eingeengte Sicht auf den Täter, da die Psychologie noch nicht gesellschaftlich akzeptiert genug ist und zu viele falsche Täterbilder in den Köpfen der Menschen umhergeistern.
Dem kann ich so eigentlich nur zustimmen.
Ich würde daher gerne zwei Strategien verfolgen.
1. Briefe von Nachbarn, Vermietern, Kollegen,... an die Polizei, in denen die Schreiber ihre Verdächtigungen äußern. Da sind sicher viele dabei, die nur den harmlosen Spinner von nebenan denunzieren, aber eben vielleicht auch brauchbare Hinweise, handelt es sich doch bei den Schreibern um Menschen aus dem näheren Umfeld, denen Veränderungen schnell auffallen würden. Ich denke nämlich, dass zumindest der erste Mord - das Durchbrechen des Tabus - Veränderungen irgendeiner Art im Täter hervorrufen muss.
2. Die Verhaftungen von verdächtigen Personen. Viele Serienmörder gerieten früh ins Visier der Polizei, doch ihnen konnte nichts nachgewiesen werden. Gary Ridgway fiel der Polizei sogar mehrfach auf. Einmal folgte der Freund (Zuhälter?) eines Opfers ihm hinterher und verlor zwischenzeitlich seine Spur. Später suchte er mit der Familie des Opfers die Gegend ab und fand Ridgways Haus. Der konnte der Polizei aber versichern, dass er nichts mit der Sache zu tun habe. Eine andere Prostituierte erzählte der Polizei, Ridgway habe sie gewürgt. Doch wieder konnte er die Polizei davon überzeugen, dass alles ganz anders gewesen sei, und er sie nur gewürgt habe, weil sie ihn zuvor in sein bestes Stück gebissen habe. Desweiteren fiel Ridgway auf, weil er oft im Rotlichtbezirk gesehen wurde.
Oder aber Jeffrey Dahmer, dem ein Opfer auskam, während er Bier kaufen war. Der nackte Junge mit Handschellen wurde von der Polizei aufgegriffen. Er war noch betäubt vom Schlafmittel, das Dahmer ihm verabreicht hatte. Als aber Dahmer dazu kam, konnte er die Polizei überzeugen, der Kleine sei sein schwuler Liebhaber und hätte etwas zuviel getrunken. In seiner Wohnung konnte er der Polizei noch Nacktaufnahmen des Jungen zeigen, was diese wohl von der Geschichte überzeugte. Kaum war die Polizei aber weg, tötete er den Jungen.
Worauf ich hinaus will: es ist durchaus möglich, dass unter den vielen Verhaftungen, die es im East End zur damaligen Zeit gab, durchaus auch der Ripper dabei gewesen sein könnte. Leider wird in den Zeitungsberichten dazu nur selten der Name genannt.
Persönlich bin ich Anhänger von Listen. Von verschiedenen Eigenschaften, die man vom Täter kennt, werden Listen mit Namen erstehlt, auf die dieses eine Kriterium zutrifft. Steht eine Person dann auf mehreren dieser Listen, so wird er näher untersucht.
Beispiel Peter Sutcliffe: Vom Yorkshire-Ripper war aufgrund von gefundenen Reifenspuren bekannt, dass er ein Auto aus einer bestimmten Reihe von Marken fuhr. Ein Abgleich mit der Meldebehörde ergibt eine Liste von sagen wir mal 10000 Personen.
Weiter war bekannt, aufgrund einer druckfrischen 5-Pfundnote, die nur an eine von fünf Firmen ausgeliefert worden sein konnte, dass er in eben einer dieser Firmen gearbeitet haben könnte. Das ergibt eine Liste von 5000 Personen.
Weiter war bekannt, dass der Yorkshire-Ripper die Rotlichtbezirke frequentierte. Wieder eine Liste mit 5000 Namen.
usw. usw.
Personen, die nun mehrfach in diesen Listen auftauchen, haben es verdient, genauer untersucht zu werden. Das können zwar immer noch 100 Namen sein, aber immerhin, Land ist in Sicht.
Inwiefern sich das auf den Ripper anwenden lässt, ist fraglich, da wir ja nicht einmal wissen, wer alles 1888 im East End lebte, und damit schon einmal die Grundmenge fehlt.