Autor Thema: Luxemburger Wort  (Gelesen 36779 mal)

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #15 am: 29.07.2011 21:25 Uhr »
Luxemburger Wort
18 Juli 1889
London, 17. Juli. „Jack der Aufschlitzer" ist wieder aufgetaucht. Sein letztes Opfer ist eine vierzigjährige Frau, welche heute Morgen mit durchschnittenem Halse und aufgeschnittenem Leib in Whitechapel von einem Konstabler aufgefunden wurde. Es ist noch keine Verhaftung vorgenommen worden.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #16 am: 29.07.2011 21:25 Uhr »
Luxemburger Wort
20 Juli 1889
London, 17. Juli. Der Schauplatz des gemeldeten Mordes, Castley-Alley, ist ein Flintenschuß weit von der Stätte der übrigen Blutthaten entfernt. Nachts stehen eine Menge Wagen und Karren in dem Gäßchen. Die Leiche der Ermordeten wurde zwischen zwei vierräderigen Wagen gesunden. Der Polizei war die Alley längst als gefährlich bekannt, da Nachts viele obdachlose Prostituirte dort auf den Wagen zu schlafen pflegen. Bis vor einem Monat standen daher zwei Schutzleute beständig vor dem Gäßchen Wache. Die Oertlichkeit war so verworfen, daß sich keiner von der Nachbarschaft nach Anbruch der Dunkelheit in dieselbe getraute. Verhaftungen sind bis jetzt keine vorgenommen worden. Die Polizei soll während der letzten Wochen wieder mehrere mit „Jack, der Aufschlitzer" unterzeichnete Briefe erhalten haben. Der Mörder scheint gestört worden zu sein, ehe er seine gewöhnlichen Verstümmelungen beendigen konnte. Es fehlt wie früher an jedem Ansatz, welcher auf die Spur des Thäters führen könnte. Auffällig ist, daß Niemand in der Nähe schreien hörte, was wohl darauf hindeuten möchte, daß der Unhold seine Opfer erst betäubt. Dieser Frauenmord ist der achte, welcher im Laufe der letzten anderthalb Jahre in Whitechapel stattgefunden hat. Der Zeit nach sind sie sich gefolgt: Weihnachten 1887. 1888: 7. August, 31. August, 7. September, 30. September, 8. November. 1889: 17. Juli.
Der Chef des Polizeiamtes, Monro, war anderthalb Stunden nach der Mordthat auf der Stelle; der Chef der Geheimpolizei, Anderson, ist im Ausland, angeblich um für die „Times" den politischen Vergehen nachzuspüren, welche einige Parnelliten vor zwölf Jahren begangen haben sollen! Darin liegt der Humor dieser hochtragischen Situation.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #17 am: 29.07.2011 21:26 Uhr »
Luxemburger Wort
31 Juli 1889
Der St. Raphaels-Verein
zum Schutze der Auswanderer
schaut bereits auf eine nahezu zwanzigjährige segensreiche Thätigkeit zurück. Fast in allen Hafenstädten der allen und neuen Welt, wo, Auswanderer sich ein- und ausschiffen, hat der Verein seine Vertreter, theils Priester, theils Laien, die in der opferwilligsten und uneigennützigsten Weise der Rath- und Hülfesuchenden sich annehmen. Dank dem regen Interesse des hochwürdigen Klerus, sowie dem unbegrenzten Vertrauen der katholischen und akatholischen Auswanderer ist es gelungen, Hunderttausenden die Segnungen und Vortheile des Vereins zuzuwenden, sie vor materiellen und geistigen Schäden zu bewahren, sie zu schützen gegen die zahllosen Gefahren der Seereise, und ihnen jenseits des Oceans ein Heim zu sichern, wo ihr zeitliches und ewiges Wohl nicht gefährdet ist. Zahlreiche Dankschreiben legen hierfür beredtes Zeugniß ab.
Wie ehedem, so ist auch heute noch der Auswanderer mannigfachen Gefahren ausgesetzt. Gefahren für sein Geld und Gut. Gefahren für seinen Glauben und seine Tugend; ihnen zu entgehen, soll der Auswanderer freudig die schützende und rettende Hand ergreifen, die der Verein ihm darbietet und sich ganz und ungetheilt der Leitung de« Vertrauensmannes des Vereins hingeben in Allem, was zur Reife erforderlich ist. — Erwacht in Dir der Gedanke, nach Amerika zu ziehen, so höre nicht auf das prahlerische Gerede sog. Deutsch-Amerikaner, noch auf die Anpreisungen von manchen gewissenlosen Agenten; nicht das Interesse für Dein Wohl ist's, das aus ihrem Munde spricht, wohl aber das Interesse für den eigenen Vortheil. Wende Dich vielmehr zuerst brieflich an einen der Vertrauensmänner des Vereins, theile ihm Deine Ansicht und Deine Verhältnisse mit, er wird dann auf Grund langjähriger Erfahrung Dir mittheilen, ob die Auswanderung für Dein zeitliches und ewiges Wohl ersprießlich ist, oder nicht. Sein Rath ist durchaus zuverlässig, weil unentgeltlich und nicht von materiellem Interesse beeinflußt. Es gereicht dem Vereine zum großen Verdienste, Taufende vor leichtsinniger Auswanderung, damit zugleich aber auch vor schwerem Unglück bewahrt zu haben. Billigt der, Vertrauensmann Deinen Plan, so wird er Dir zugleich den richtigen Weg zeigen, auf welchem Du unbeschadet an Leib und Seele das Ziel erreichen wirft. Er weist Dir ein Gasthaus in der Hafenstadt an, wo weder Deinem Geldbeutel, noch Deiner Tugend Gefahr droht; er überwacht die materiellen Ungelegenheilen, wie Lösung des Schiffsbillets, Umwechseln des Geldes, Einkauf des zur Reife Nöthigen. Vor Allem aber bietet er Allen die Gelegenheit, sich christlich auf die gefahrvolle Reise vorzubereiten durch würdigen Empfang der heiligen Sakramente, durch Gebet, Predigt und Segen; am Tage vor Antritt der Seereise wird in allen Hafenstädten besonderer Gottesdienst für die Auswanderer abgehalten, um Gottes Segen und Hülfe zu erflehen. Um dem Einflüsse schlechter Gesellschaft in den Tagen der Seereise vorzubeugen, vertheilt der Verein Bücher und Zeitschriften unentgeltlich an die Auswanderer, denen kleine Gebetzettel beigefügt sind.
Sobald der Auswanderer, ausgerüstet mit der Empfehlungskarte des Vereins, das jenseitige Ufer betritt, erwarte: ihn dort der Vertrauensmann, der ihn mit christlichem Gruße empfängt und mit priesterlicher Liebe für ihn Sorge trägt, um ihn seinem Endziele zuzuführen. Allen Auswanderern ist somit Gelegenheit geboten, unbeschadet der heiligsten Güter des Lebens die schwierige und gefahrvolle Reife zu machen, wenn sie nur der Führung und dem Schutze des St. Raohaels-Vereins sich anvertrauen wollen. Möchte daher unser Wunsch endlich in Erfüllung gehen, daß von nun an kein katholischer Auswanderer mehr zum Wanderstabe greift, es sei denn an der Hand des Vertrauensmannes des St. Raphaels-Vereins. Zugleich bitten mir dringend den katholischen Clerus, mit uns Hand in Hand zu wirken und feine auswandernden Pfarrkinder auf die Fürsorge des Vereins hinzuweisen; Gottes Lohn und der Auswanderer Dank wird ihm reichlich zu Theil werden.
Auskunft über die Statuten des St. Raphaels-Vereins ertheilen: die Vertrauensmänner in den Hafenstädten:
Bremen: Herr Pfarrer Peter Schlösser, Lindenstraße 6 ; Hamburg: Herr Theodor Meynberg, Große Reichenstraße 52, und Herr Pfarrer Prachar, an der kl. Michaeliskirche 29 ; Antwerpen: Herr I. W. Würden, Avenue Charlotte 49 ; Rotterdam: Herr Jakob Zöller, van der Tackstraat 17; Amsterdam; Herr Eduard Huf, Nieumendyk 215; Liverpool: Herr Frz. Egon Clotten, 24 Horton Street; London: Herr Pfarrer Dr. Verres, 47 Union Street, Whitechapel; Havre: Herr Pater Lambert Rethmann, 3 Rue Doubet; New-York: Rev. I. Neuland (nicht mehr Jos. Kölble). 6 State Street; Porto Alegre: Herr Clemmcio Wallau, Prov. Rio Grande do Sul, Brasilien; Ioinville: Herr Pastor C. Börgeshaufen, (Dona Fiancisca), Prov. Santa Catharina. Brasilien; Buenos Aires: Herr Adolfo Hopmann, Defensa Nr. 140, Argentinien; Kapstadt : Rev.Dr. Fred. C. Kolbe, Hope Street, Capcolonie, Südafrica.
die Vertrauensmänner an den Hochwürdigsten Qrdinariaten:
Augsburg: Hîrr Domkapitular Freiherr von Capell; Bamberg: Herr Domoicar Hummer; Budweis: Hochw. Bischöfliches Consistorium; Breslau: Herr Vicedechant Schmolle; Cöln: Herr Domvicar Pesch; Dresden: Hr.Vicariatsrath Ludwig Wahl.; Eichftädt: Herr Domdecan Dr. J. Pruner; Frauenburg: Herr Bifchöfl. Secretär Dr. Siebte ; Freiburg i. Breisgau : Herr Erzbischöfl. Ordinariats-Assessor Vögele ; Fulda: Herr Domkapitular Dr. Braun; Heppenheim a. 0. B. : Herr Pfarrer Sickinger; Hildesheim: Herr Pastor Gerhard Schrader; Leitmeritz: Herr Dompfarrer und Domkapitel-Official Karl Mufch; Limburg a. d. Lahn: Herr Domkapitular Eiffler; Luxemburg: Herr Dompfarrer Lech; München: Herr Domkapitular Kagerer; Münster i. W.: Herr Domkapitular Graf Dr. von Galen; Olmütz: Herr Spiritual Joseph Drobena; Osnabrück: Heir Veneraloikariats-Assissor Freund; Paderdorn: Herr Geistl. Rath, Pfarrer Ruland; Passau: Herr Domkapitular Siegler; Pelplin : Herr Kanzleidirigent, Czarrwski; Posen: Herr Domherr Marvanski;Rottenburg a. R.: Herr Domkapitular Wüllenbücher; Speyer: Herr Domvicar Maginot; Trier: Herr Professor Dr. Schrod; Wien: Herr Ehrendomherr Kornheisl; ferner in Danzig-Altschottland: Herr Pfarrer F. Scharmer; Freiberg (Mähren) : Herr Kaplan Stojan; Reiste: Herr Rechtsanwalt Nadbyl.
(Mitgetheilt.)

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #18 am: 29.07.2011 21:26 Uhr »
Luxemburger Wort
13 September 1889
London, 11. Sept. (Der Mord in Whitechapel.) Es ist der 9. Frauenmord in Whitechapel, welcher gestern Morgen an's Tageslicht kam. Am 8. Septbr. des vorigen Jahres, also fast genau vor Jahresfrist, wurde London durch einen ähnlichen Mord erschüttert. An Einzelheiten über die unmenschliche That liegt folgendes vor: Die Leiche, wie sie der patrouilliende Polizist fand, halte kaum einen Fetzen Kleidung an. Wahrscheinlich ist sie in einem Sacke dorthin geschafft worden, wo sie aufgefunden wurde. Der Körper war schon in Verwesung übergegangen und verbreitete einen furchtbaren Geruch. Lange Zeit hat die Leiche jedenfalls nicht an der Stelle in Back Church Lane gelegen, da jeder Vorbeigehende allein durch den Geruch aufmerksam gemacht worden wäre. In Whitechapel hatte sich nach den früheren Frauenmorden ein Wachsamkeitsausschuß gebildet. Jede Nacht wurde die Gegend der Morde, welche ein umgrenztes Gebiet bildet, abgegangen. Erst, als der große Strike anfing, ließ die Energie des Ausschusses nach und diese Zeit der Aufregung scheint der Mörder benutzt zu haben, um von neuem die Bevölkerung von London zu mahnen, welchen unheimlichen Gast sie in ihrer Mitte besitzt. Der Vorsitzende bei Wachsamkeitsausschusses, Albert Backot [Bachert], zweifelt nicht daran, daß der Mörder in Whitechapel wohnt, dessen Nebengäßchen er genau kennt. Er glaubt sogar, daß der Unhold sich in einem der naheliegenden Häuser befand, als die Leiche des ermordeten Frauenzimmers gefunden wurde.
Die Polizei ist der Ansicht, daß der Mord schon vor 4 Tagen begangen worden ist. Erwähnung verdient das eigenthümliche Eintreffen der Prophezeiung des Gedankenlesers Stuart Cumberland. Derselbe hatte am 27. August vorhergesagt, daß ein neuer Frauenmord in 14 Tagen verübt werden würde. Die Wahrsagung ist bis auf den Sag wahr geworben. Der Frauenmörder scheint auch dieses Mal sein Verbrechen vorher angekündigt zu haben. Wenigstens wurde vorige Woche ein Brief hinter dem Ost London Hospital aufgefunden, in dem es hieß, daß demnächst ein neuer Mord begangen werden würde. Gestern Abend nun wurde in Whitechapel ein zweiter Brief gefunden, in dem der Verfasser prahlte, daß er ja schon vorige Woche den Mord angekündigt habe. Die an der Leiche fehlenden Gliebmaßen sind bis jetzt noch nicht entdeckt worden. In Edinburgh wurden am 31. August beim Reinigen des Unions Kanals Theile einer, menschlichen Leiche gefunden, die noch nicht stark verwest waren. Man hält es nicht für ausgeschlossen, daß dieselben dem ermordeten Frauenzimmer angehörten.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #19 am: 29.07.2011 21:28 Uhr »
Luxemburger Wort
14 September 1889
Die Frauenmorde in London.
Dr. med Archer B. Lillingfoote
Von
                               London, 13. September.
Wie phrasenhaft das klingt, wenn man liest ober sagt: »Ganz London ist unter dem Eindrucke des Schreckens". Eine Stadt von fünf Millionen! Pah, wie kann die unter einem gleichmäßigen Einbrucke stehen! Und doch ist es wahr, buchstäblich wahr. Ganz London schaudert, ganz London fürchtet sich ...
Seit einem Jahre geht ein Ungethüm in London um, eines von jenen grausigen Fabelwesen der Sage, die das Blut des Unglücklichen erstarren machen, welchem das Gespenst erscheint. Neun Frauen sind bis jetzt feiner Blutgier zum Opfer gefallen. Die entsetzliche Lifte lautet:
3. April 1888: Emma Elisabeth Smith. 45 Jahre alt, todt aufgefunden in Osborn-Street, Whitechapel, mit durchgeschnittenem Halse und einem eisernen Pfahl durch den Leib gebohrt;
7. August 1888: Martha Tabram, 35 Jahre alt, todt aufgefunden in Georg-Yard-Buildings, Commercial-Street, mit durchschnittenem Halse und 39 Wunden im Leibe.
31. August 1888 : Mary Anne Nichols, 47 Jahre, alt, todt aufgefunden in Bucks Row, Whitechapel, mit durchschnittenem Halse und vollständig ausgeweidet.
8. September 1888: Annie Chapmann, 37 Jahre alt, todt aufgefunden in Hanbury-Street, Spitalfields, mit durchschnittenem Halse und gräßlich verstümmeltem Unterkörper.
30. September 1888: Elisabeth Strick, 26 Jahre alt, todt aufgefunden in Berner-Street, Whitechapel, mit durchschnittenem Halse, aber unverstümmelt, da der Mörder während der Blutthat durch einen heimkehrenden Händler überrascht wurde. Das Pferd des Wagens, in welchem der Händler fuhr, stieß an die Leiche der Frau, wodurch der Händler, welcher schlief, aufgeweckt wurde. Er hatte, wie er später sagte, die Empfindung, als habe er in dem Augenblicke Aufwachens einen Schatten fliehen sehen. Offenbar war dies der Mörder, der nunmehr, da er bei dem ersten Opfer sein Werk nicht vollenden konnte, in derselben Nacht noch einen zweiten Mord beging.
30. September 1888 : Catherine Eddowes, 45 Jahre, todt aufgefunden in Mitre Square, Albgate, mit durchschnittenem Halse und verstümmeltem Unterkörper.
9. November 1888: Mary Jane Kelly, 23 Jahre, todt aufgefunden in Millers Court, Commercial-Street, mit durchgeschniltenem Halse, abgeschnittenen Ohren und völlig ansgeweidet.
Nach mehr als Monatlicher Pause erfolgte dann am 17. Juli, Nachts zwischen 12 1/4 und 12 3/4 Uhr, der Mord an der 40jährigen Alice Mackenzie, in Castle-Alley, welche mit durchschnittenem Halse, ausgeweidet und verstümmelt gefunden wurde.
Abermals vergingen 2 Monate, da erfolgte heute eine neue Entdeckung. Unter den Eisenbahnbogen an Pinchin - Street, Whitechapel, wurde der ausgeweidete Leichnam einer Frau gefunden. Beine und Kopf fehlten.
Der District, in welchem alle diese Mordthaten verübt wurden, ist ein verhältnißmäßig kleiner: der Stadttheil Whitechapel. Nachstehenbe Karte gibt ein Bild der Oertlichkeit:

Der Theil von London, in welchem diese 9 Morde verübt worden sind, geholt zu den belebtesten Vierteln der Weltstadt; er liegt sozusagen im Herzen derselben. Ueber jeden Begriff arme Arbeiter; verworfene Dirnen; Gast- und Schankwirthe niedrigster Ordnung; Schiffknechte, Matrosen, kurzum arme Teufel aller Art bilden die Bewohner dieser Straßen, während kaum einen Büchsenschuß weiter, in den Comptoirs der City, über Millionen von Pfund Sterling verhandelt wird.
Aber ich lese schon in aller Augen eine Frage, welche weit wichtiger ist, als alles andere, die Frage nach dem Mörder! Wer hat diese graueneregenden, in der Geschichte der Verbrechen aller Zeiten einzig dastehenden Mordthaten begangen? Düsteres Schweigen... Es ist weder der Polizei, noch dem Zusammenwirken der Bürger, welche ein freiwilliges Polizeicorps mit nächtlichen Runden u.f.w. bildeten, noch endlich dem Zufall, diesem glücklichsten und erfolgreichsten Detectiv, gelungen, eine Spur zu finden. Noch immer hat man, trotz aller Anstrengungen, keine Ahnung davon, wer der Verbrecher sein könne.
Dr. Forbes Winslow, der bekannte Psychiater, vertritt die Ansicht, der Mörder sei ein Wahnsinniger, der von Zeit zu Zeit von einer „Mordmanie" ergriffen werbe und dann wie ein Rasender wüthe. In den Zwischenzeiten zwischen diesen Anfällen habe der Verbrecher — so führt Winslow aus — vielleicht gar keine Ahnung von seinen gräßlichen Thaten. Diese Theorie findet nur wenig Gläubige. Mehr Anhänger hat eine andere Ansicht, nach weicher der Mörder ein hochgestellter Mann sein soll, der in feinem Wagen daherkommt, schnell sein blutiges Handwerk verrichtet und dann wieder fortfährt. Aber auch in diesem Falle hat man es offenbar nur mit einer ganz unhaltbaren Annahme zu thun. Auch die weiteren Vermuthungen, der Mörder sei ein Arzt, ein Schiffer, ein Metzger u.s.w., sind durchaus unbegründet. Man steht vor einem ebenso unheimlichen, als dunkeln Räthsel. Ob es jemals gelöst werben wird? *) ('Str. P')
*) Es gibt Leute, welche behaupten, der Mörder sei unter der Polizei selbst zu suchen.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #20 am: 29.07.2011 21:28 Uhr »
Luxemburger Wort
24 September 1889
London, 20. September. Welche Vermuthung über die Person des räthfelhaften [sic] Frauenmörders von Whitechapel ist bisher nicht schon ausgesprochen worden? Bald hieß es, der Mörder müsse ein wissenschaftlich gebildeter Wundarzt sein, bald hieß es, daß sich Studenten der Medizin den schlechten Witz erlaubt hätten, eine halb secirte Leiche an bestimmte Plätze hinzulegen. Die neueste Lesart besteht nun darin, daß ein Frauenzimmer, welches als Mann verkleidet in den Schlachthäusern von Aldgate und Whitechapel beschäftigt gewesen ist, der gesuchte „Jack der Aufschlitzer" ist. Beweise hat man freilich auch hierfür nicht.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #21 am: 29.07.2011 21:29 Uhr »
Luxemburger Wort
16 Oktober 1889
London, 14. Okt. Der Vorsitzende des Wachsamkeits-Ausschusses, welcher sich seit einem Jahre in Whitechapel gebildet hat, um dem Verüber der grausigen Frauenmorbe auf die Spur zu kommen, hat am Samstag ein Schreiben erhalten, welches »Jack der Aufschlitzer" unterzeichnet ist. Der Schreiber erklärt darin Herrn Albert Backert, daß er den jüngsten Frauenmord nicht verübt habe. Am 18. Oktober aber werde er wieder an die Arbeit gehen, weshalb es heiße, die Augen weit aufzumachen. Zwei der früheren Ankündigungen des Unholdes, daß er an einem bestimmten Tage einen Mord begehen würde, haben sich bekanntlich bestätigt. Dabei bleibt selbstverständlich der Werth des Briefes dahingestellt, obgleich die Polizei ihn nicht ganz als schlechten Spaß zu betrachten scheint.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #22 am: 29.07.2011 21:29 Uhr »
Luxemburger Wort
4 November 1889
London, 29. Oct. "Jack der Aufschlitzer" läßt wieder von sich hören. In einem an Dr. Forbes Winslow gerichteten Schreiben, welches "P.S.R. Lunigi" unterzeichnet ist, kündigt er an, daß etwa am 8. ober 9. November ein neuer Mord stattfinden werde, vielleicht in Clapham ober im Westende, aber nicht in Whitechapel. Gleichzeitig hat der Vorsitzende des Wachsamteits-Ausschusses von Whitechapel einen „Jack der Aufschlitzer" unterzeichneten Brief empfangen, in dem der Schreiber sagt, er beabsichtige, den nächsten Mord nicht im Freien, sondern in einer Stube zu verüben. Ob viele geheimnißvollen Zuschriften von dem wirklichen Frauenmörber ober einem „Spaßvogel« herrühren, läßt sich mit Bestimmtheit nicht sagen.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #23 am: 29.07.2011 21:30 Uhr »
Luxemburger Wort
14 November 1889
London, 10. Nov. Dem eventuellen Entdecker des Frauenmörders von Whitechapel im Londoner Ostend steht eine recht hübsche Summe in Aussicht. Im Ganzen sind von 187 Seiten-Belohnungen ausgesetzt, worunter der Staat mit 3000 Pfund Sterling und einige Private. wie der Lord B., mit bis 10,000 Pfund Sterling. Sämmtliche 187 Posten betragen zusammen 68,520 Pfund Sterling oder mehr als 1,370,000 Mark. Eine so hohe Belohnung ist selbst in dem in diesen Punkten oft mehr als freigebigen England noch nie erreicht worden. Trotz der gewaltigen Summen und trotz Tausender von Anzeigen hat man noch nicht die geringste Spur des Mörders entdeckt.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #24 am: 29.07.2011 21:30 Uhr »
Luxemburger Wort
4 Oktober 1890
London, 3. Dkt. Jack, der Aufschlitzer, hat wieder einmal eine allgemeine Panik im Ostende von London hervorgerufen. Es ist nämlich bei der Londoner Polizeibehörde ein Warnungsbrief eingegangen, in welchem angekündigt wird, daß Jack seine Operationen wieder aufnehmen werbe. In Folge bessert ist vom Vigilanzausschuß die Einrichtung eines Patrouillendienstes beschlossen und der Polizeidienst verschärft worden.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #25 am: 29.07.2011 21:31 Uhr »
Luxemburger Wort
17 Oktober 1890
London, 11 Okt. Der Vorsitzende des Wachsamkeits-Ausfchusses welcher sich in Whitechapel nach den ersten Mordthaten „Jack des Aufschlitzers" gebildet hatte, macht in den Zeitungen bekannt, daß letzter Tage ihm eine Frau mitgetheilt habe, daß vor zwei Jahren ein junger Mann bei ihr wohnte, dessen blutbedeckte Effekten und sonstiges Gebahren in ihr keinen Zweifel übrig gelassen hätten, daß ihr früherer Miethsmann der Frauenmörder gewesen sei. Sie würde diese Aussagen früher gemacht haben, wenn nicht die Furcht in Ungelegenheiten zu gerathen, sie daran gehindert hätte. Die ganze Erzählung klingt etwas unwahrscheinlich und die Veröffentlichung derselben in der Presse wird jedenfalls nicht dazu beitragen, die Verhaftung des Mörders zu erleichtern.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #26 am: 29.07.2011 21:31 Uhr »
Luxemburger Wort
14 Februar 1891
Ein Londoner Polizeibeamter fand in der Nacht vom 13. d. M. unter einem Eisenbahn-Viaduct in Whitechapel die Leiche einer Frauensperson mit abgetrenntem Kopfe. Die Polizei glaubt an ein neues Verbrechen des berüchtigten Mörders, der unter dem Namen „Jack der Aufschlitzer« weltbekannt geworden ist. Im Sladttheil Whitechapel herrscht unbeschreibliche Aufregung. Der Ort des Verbrechens ist ein Bogendurchgang der großen Ostbahn. Ein Bahngepäckträger, welcher das Paar, in den Bogen eintreten sah, beschreibt den Begleiter des Opfers als einen ausländischen Schiffs-Heizer. Darauf sind denn heute die fremden Schiffe in den Docks, besonders die spanischen, durch die Polizei untersucht worden.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #27 am: 29.07.2011 21:32 Uhr »
Luxemburger Wort
17 Februar 1891
London, 15. Febr. Die Polizei hat heute Mittag in den Docks einen Mann mit blutgetränkten Kleidern verhaftet, welcher eine Viertelstunde vor der Auffindung der Frauenleiche in Whitechapel in Gesellschaft der Ermordeten gesehen worden ist. Der Verhaftete ist ein Schiffsheizer, welcher seit langer Zeit polizeilich beobachtet worden ist. Die Polizei glaubt bestimmt, daß sie „Jack den Aufschlitzer" erwischt hat.
London, 16. Febr, Gestern Abend lief ein so ueberraschendes Beweismaterial ein, daß Saddier, in dem „Jack der Aufschlitzer" vermuthet und der bisher vorläufig festgenommen war und vielleicht wegen mangelnder Beweise heute freigelassen worden wäre, nämlich unter die Beschuldigung des Mordes gestellt worden ist. Ein großes, furchtbares, zu den Morden wohl geeignetes Messer ward als sein Eigenthum nachgewiesen. Er schien sehr erschüttert. Die Ermordete ist von ihrer Schwester und ihrem Vater, der in einem Arbeitshause untergebracht ist, als Frances Cole anerkannt. Saddler ist 50 Jahre alt, verheirathet, hat 3 Kinder. Er ist Heizer auf dem Dampfer „Fez", er war [?] Monate abwesend.
Er erklärte, daß er Dannerstag bis 11 Uhr Abends mit der Verstorbenen zusammen gewesen sei, dann sich von ihr getrennt habe und nach den Docks gegangen sei. Dort sei er von Dockarbeitern blutig geschlagen worden und habe sich dashalb im London-Hospital verbinden lassen. Die Polizei erhielt vorgestern verchiedene Briefe; einer lautet: "Ich habe mein Auge auf ein fettes altes Weib eines bekannten Tuchgeschäftes geworfen." Darunter stand die Zeichnung eines Messers und die Unterschrift: "Jack der Aufschlitzer."
London, 16. Febr. Der wegen des Mordes in Whitechapel verhaftete Saddler wurde heute dem Richter vorgeführt; nach Erledigung des gesetzlichen Formalitäten wurde die Verhandlung auf acht Tage verschoben.

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #28 am: 29.07.2011 21:32 Uhr »
Luxemburger Wort
27 Februar 1891
Der Frauenmord in Whitechapel.
London, 25 Febr. Das komplizirte englische Rechtswesen kommt bei einem Fall, wie der Frauenmord in Whitechapel ist, zu seiner vollen Entfaltung. Das gerichtliche Verfahren verlangt nicht weniger als drei Untersuchungen. Die erste findet vor dem amtlichen Leichenschauer statt und die Dauer dieser ersten Untersuchung hängt gemeiniglich weniger von dem Takt des Leichenschauers, als von dem Grade der Neugier der Geschworenen ab, welche unter dem Vormund, der Sache auf den Grund gehen zu müssen, immer neue Punkte vor ihr Forum ziehen. Der Staatsanwalt, welcher die Verfolgung des Schiffsheizers Sadler übernommen hat, hätte gern den Verhandlungen vor dem Leichenschauer schon früher ein Ende gemacht, da die Justiz durch die etwas dilettantenhafte Untersuchung nur wenig gefördert wird, doch lieh es sich nicht durchsetzen. Die gestrigen Verhandlungen boten einige interessante Punkte. Unter den Zeugen befanden sich ein Aufwarter in einem Kaffeehaus in Whitechapelroad. Littlewood, der den Sadler am Freitag nach der Mordthat um halb 1 Uhr Morgens bedient hatte; Sadler verlangte eine Tasse Kakao, ging gerade, schien nicht betrunken zu fein, hatte eine Wunde über dem linken Auge und Blut am Almgelenke. Ein anderer Aufwärter, Smith, am Towerhill, sagte aus, daß er den Angeklagten ungefähr 5 Minuten vor 2 Uhr Morgen« vor dem Restaurant gesehen habe. Er war damals übel zugerichtet, hatte gebrochene Rippen, beklagte sich gegenüber den zwei Konstablern über die erhaltenen Prügel und ging dann in der Richtung der Minories ungefähr um zwei Uhr weiter. Wo hat der Mann die Zeit zwischen 2 und 6.30 Morgens zugebracht? Der Mord wurde bekanntlich um ein Viertel nach zwei in Tavillom Garden., Whitechapel, begangen. Sadlers Aussage zufolge ging er ins London Spital in Whitechapel Road, wo seine Wunde untersucht wurde und wo er auch bis 6 Uhr schlief. Aber da er seiner eigenen Aussage und dem Zeugniß verschiedener Personen nach betrunken war, sind seine Erinnerungen sehr konfus. Der gravirendste Punkt ist das Messer welches der Matrose D. Campbell ihm am Freitag zwischen 10 und 11 Uhr Morgens abgekauft haben will. Der Angeklagte leugnet den Besitz dieses Messers gänzlich ab. Er will nie ein Messer gehabt haben, wenigstens keines derart, wie das dem Gericht vorgewiesene. Campbell behauptet, er habe Tarier einen Schilling und Tabak gegeben; es war ein in Amerika fabrizirtes Messer. Als Campbell von dem Mord hörte, öffnete er das Messer, fand jedoch kein Blut darauf. Als er et im Wass r wusch, färbte sich dieses ; ob die orangegelbe Farbe von Blut oder vom Rost herrührte, ließ sich nicht feststellen. Beides ist möglich. Campbell verkaufte das Messer einem Händler für 6 Pence; dieser schliff es und zerschnitt seinen Sonntagsbraten damit. Augenscheinlich ist dieser Beweis vuukt nicht sehr stark. Doch hat Campbell den Angeklagten aus 15 andern Männern als denjenigen bezeichnet, dem er das Messer abkaufte. Von den zwei als Zeugen vernommenen Aerzten sagt der eine, Oxley, aus, daß kein betrunkener Mann die That verrichten konnte. Dr. Phillips loi.ftattrte, daß der HaIs drei Schnitte, zwei von der Linken zur Rechten, einen von. Rechts nach Links hatte, und daß Frances Coles ge- Jodlet wurde, während sie auf dem Boden ausgestreckt lag. Der Hinterkopf zeigte Kontusionen, wie sie ein Fall auf das Pflaster hervorbringt. Der Körper war forgfältig nach links gestoßen, um zu verhindern, daß der Mörder mit Blut bespritzt werde. Kein Kampf oder Ringen konnte stattgefunden haben; es war ein schmerzloser Tod, da die Frau vermuthlich vom Fall betäubt war. Die Wunden konnten von einem Messer, wie das von Campbell vorgewiesene, herrühren; das Messer war jedenfalls nicht sehr scharf. Das auf den Kleidern des Sadler gefundene Blut rührte von seinen Wunden her. Am Freitag wird die Untersuchung vor dem Leichenschauer abgeschlossen werden. Wenn die Jury ihn schuldig findet, kommt der Fall vor den Paoizeirichter, der dieselben Zeugen nochmals verhört unb den Angeklagten dem zuständigen Gericht überweist. Von dem Urtheil dieses letzten Gerichtes ist keine Berufung möglich. Im Publikum setzt sich die Merzen gung fest, daß Sadler unschuldig und „Jack der Aufschlitzer" der Mörder der Francis Coles ist. Millier weile ist das Publikum auf Woche« hinaus mit sensationellem Lesestoff reichlich versorgt. (Frankf. Ztg.)

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Re: Luxemburger Wort
« Antwort #29 am: 29.07.2011 21:33 Uhr »
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3 März 1891
London, 2. März. Der Prozeß gegen den des Frauenmordes in Whitechapel angeschuldigten Schiffsheizer Sadler ist eingestellt worben. (Schon vor der Leichenschauer-Jury ist die Glaubwürdigkeit wichtiger Zeugen erschüttert worden, und verschiedene, Sadler scheinbar belastende Behauptungen haben sich als unbegründet erwiesen. Der Polizeirichter ist offenbar zu demselben Schlusse wie die Leichenschauer-Jury gelangt.)