Hallo zusammen.
Ich bin dieser Frage vor längerer Zeit auch schon einmal sehr intensiv nachgegangen. Der aus dritter Hand stammende Originalwortlaut ist: ´
I think I know him.´ > also am adäquatesten übersetzt mit ´
Ich glaube, ich kenne ihn.´ und das ist eine extrem dehnbare Formulierung, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass nicht einmal genau eruierbar ist, ab wann sich Catherine Eddowes und John Kelly nun tatsächlich in Kent aufgehalten haben. (@ Shadow Ghost: Vor Anfang September findet die Hopfenernte zumindest üblicherweise nicht statt...) Was mir auch noch fehlte, waren die Berichte der lokalen Zeitungen in Kent in diesem Zeitraum. (Auf Casebook wird der ´
The Thane Advertiser´ aus Kent zu dieser Zeit ziemlich ausgespart, aber es bleibt ohnedies die Frage, was die wahrscheinlichste Basis für diese angebliche Äußerung gewesen sein könnte – und die lässt sich nicht klären.
Was sich aber feststellen lässt, ist dass wir von zwei unabhängigen Quellen eine Information haben, die zumindest auf Eddowes subjektive ´Konstruktion´ des Täters schließen lässt: Sowohl im
East London Observer vom 13. Oktober 1888 (also in der Quelle des Zitats), als auch im
Star vom 3. Oktober 1888 finden sich Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass sich Eddowes zumindest nicht vor dem Täter fürchtete, oder glaubte, ihm überlegen zu sein:
1.
East London Observer, 13. Oktober 1888:
´An Extraordinary Incident.
A reporter gleaned some curious information from the Casual Ward Superintendent of Mile End, regarding Kate Eddowes, the Mitre-square victim. She was formerly well-known in the casual wards there, but had disappeared for a considerable time until the Friday preceding her murder. Asking the woman where she had been in the interval, the superintendent was met with the reply, that she had been in the country "hopping". "But," added the woman, "I have come back to earn the reward offered for the apprehension of the Whitechapel murderer. I think I know him." "Mind he doesn't murder you too" replied the superintendent jocularly. "Oh, no fear of that," was the remark made by Kate Eddowes as she left. Within four-and-twenty hours afterwards she was a mutilated corpse.´
2.
The Star , 3. Oktober 1888:
(John Kelly:)´
She told me she had made up her mind to go to her daughter's in Bermondsey. I begged her to be back early, for we had been talking about the Whitechapel murders, and I said I did not want to have that knife get at her. "Don't you fear for me," said she, "I'll take care of myself, and I shan't fall into his hands." With that she went out.´
Offensichtlich hätte also John Kelly zumindest Auskunft darüber geben können, was Eddowes ihm über ihre subjektive Vorstellung des Ripper sagte, was er aber, soweit ich informiert bin, nicht tat. Wie wir aber wissen, erzählte sie Kelly so wie so nicht immer alles bzw nicht unbedingt alles den Tatsachen entsprechend – es wäre also folglich ohnedies mit Vorsicht zu interpretieren gewesen, aber immerhin etwas...
Die Frage, die ich mir stelle, ist eigentlich:
Warum wollte sie überhaupt aus dem Polizeigewahrsam entlassen werden? Kelly vermutete sie, da sie über Nacht wegblieb, ohnedies bei ihrer Tochter oder in Gewahrsam (da machte er ja scheinbar unterschiedliche Angaben) - und die Arrestzelle war eigentlich eine gute Gelegenheit, sich die Kohle für die Nacht zu sparen – Eddowes hätte folglich nur noch ein wenig betrunkener tun müssen, als sie ohnedies war, stattdessen lief sie aber wieder in Richtung Aldgate - so wie es aussieht, um zu betteln oder auf der Suche nach Kundschaft... Zudem ist da noch dieser merkwürdige amerikanische Zeitungsartikel, der generell nur so vor Fehlern strotzt, und der Eddowes mit einem scheinbar religiösen Fanatiker in Verbindung bringen will, der ihr Geld gegeben haben soll, um ihr Leben zu ändern. Allerdings war Eddowes zum Zeitpunkt, als diese Geschichte stattgefunden haben soll, sehr wahrscheinlich in Kent. Wie dumm für das Blatt.
Was bleibt also? Ein angebliches ´I think I know him.´ Memo an uns selbst. Punkt. ´Leather Apron´ ist den Zeitungsberichten zufolge jedenfalls nicht das einzige Individum, von dem Prostituierte erzählten, es würde sie erpressen. Ich pflichte Lestrade bei: Es lohnt sich, den damaligen ´Gepflogenheiten´ und ´Arbeitsbedingungen´ der Prostituierten näher nachzugehen (was ich seit einiger Zeit versuche, dazu ein anderes Mal mehr) – denn eines ist ziemlich klar: Die vorwiegend ´überdachten´ Passagen und Höfe, an/in denen sie ihrem Gewerbe nachgingen, wählten sie bewusst, da sich dort zu später Stunde nicht einmal die Polizisten allein durchtrauten, wie diverse Beats beweisen (vgl. in diesem Fall z.Bsp. Mitre Passage) – und die Prostituierten waren sicher nicht die, für deren Geschäfte solche Orte am besten geeignet waren. Wer ihnen da sonst noch um diese Uhrzeiten freiwillig nachfolgte, war entweder von allen guten Geistern verlassen, sexuell extrem ´notdürftig´, hochgradig kriminell, ärmlich aussehend, nicht bemerkbar, ortsbekannt, schwer bewaffnet oder gar nicht allein. Und zumindest irgendwas davon traf wohl auch auf den Rippper zu.
Grüße,
panopticon