Autor Thema: Die Begnadigung eines geständigen Komplizen und ihr Zuspruch durch die Ermittler  (Gelesen 11161 mal)

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Offline panopticon

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Hi.

Hier eine Frage, die mich ja schon längere Zeit recht intensiv beschäftigt (neulich ja auch hier schon kurz angesprochen: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,953.msg19861.html#msg19861 - ich denke aber, das Thema verdient eine nähere ´Begutachtung´ in einem eigenen Faden, der hiermit eröffnet ist):

Im Gegensatz zur Zeit davor fand die mögliche Begnadigung eines eventuellen, geständigen Komplizen nach dem Mord an Mary Jane Kelly von Seiten der Ermittler plötzlich auffällig regen Zuspruch. Home Secretary Matthews erklärte am 23. November 1888 angeblich im House of Commons, dass es im Fall Mary Jane Kelly ´gewisse Umstände´ gab, die in früheren Fällen fehlten, und die es wahrscheinlicher machten, dass es ´andere Personen´ gab, die dem Mörder nach (!) der Tat ´assistierten´. Da sich dies aus den uns bekannten Fakten im Fall MJK eigentlich nicht wirklich eindeutig ablesen lässt, erscheint diese plötzliche Meinungsänderung von Matthews schon einmal etwas verwunderlich. Noch weiter verwunderlich ist aber, dass sich direkt nach dem Mord an Kelly eine ganz andere Person für die Begnadigung eines eventuellen Komplizen im House of Commons stark machte, nämlich Dr. George Baxter Phiillips. ´The Echo´ vom 12. November 1888 nannte ihn sogar als die treibende Kraft hinter dem Wunsch nach einer derartigen Maßnahme (http://www.casebook.org/press_reports/echo/18881112.html). Dass sowohl George Lusk als auch (später) Charles Warren diese Idee zu diesem Zeitpunkt bereits ebenfalls unterstützten, lässt sich hier sehr gut nachlesen: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,148.0.html. Auch Abberline, Reid und Beck scheinen eine in Aussicht gestellte Begnadigung eines geständigen Komplizen als hilfreich empfunden zu haben, die angebliche ´Theorie´ von Monro (der sich selbst als jemand bezeichnete, der, wenn er theoretisiert, dies von einem durchführbaren Standpunkt heraus betreibt) soll auf einen ´very hot potato´ hingewiesen haben, und Walter Dew äußerte später ja sogar, dass er der Meinung sei, dass irgendjemand irgendwo das ´schuldige´ Geheimnis von Jack the Ripper mit diesem teilte...

Über das enge Zeitfenster und den Tatort mitten auf einer Polizeiroute im Fall Eddowes haben wir neulich ja bereits diskutiert, und dass sich ein Täter mit einem Komplizen ebenso in den Fällen Nichols und Chapman zumindest aufgrund der Bausubstanz an den Tatorten ´leichter getan´ hätte, ist wohl auch unbestritten. (Von diversen Interpretationen in Zusammenhang mit der Zeugenaussage von Israel Schwartz im Fall Stride ganz zu schweigen.) Natürlich ist klar, dass die Ermittler jedes mögliche Mittel, das eventuell zur Ergreifung des Täters führen konnte, nutzen wollten und dem entsprechend ist auch die Chance hoch, dass sie ebenso bezüglich der Begnadigung mal ´auf gut Glück´ im Trüben gefischt haben könnten - warum sich jedoch auch Dr. Phillips plötzlich für die Begnadigung eines Komplizen so aktiv einsetzte, ist aufgrund der bekannten Fakten schwer zu begründen, es sei denn, er hätte etwas, das wir zumindest nicht eindeutig mit einem Komplizen in Verbindung bringen (oder eben aufgrund verschwundener Unterlagen nicht kennen), festgestellt, das ebenfalls in diese Richtung wies. Abgesehen davon scheint die Mordserie nach dieser Entwicklung ja beendet oder (wenn man den Mord an Alice McKenzie dem Ripper zuordnet) zumindest für einige Zeit unterbrochen worden zu sein (und im Gegensatz zu Eddowes und Kelly erscheinen die Verstümmelungen an Alice McKenzie in ihrer Durchführung verhältnismäßig eher ´vorsichtig ausgeführt´.). 

Vieles wurde nach dem Mord an Kelly gemutmaßt – der Täter könnte gestorben, aufgrund eines anderen Deliktes hinter Schloss und Riegel gelandet sein, sich sogar umgebracht haben, oder aufgrund der Verstümmelungen an Kelly komplett (bis zur völligen Handlungsunfähigkeit) meschugge geworden und eventuell letzten Endes gar in eine Anstalt eingewiesen worden sein,etc,etc... Dass aber eventuell eine, und sei sie eine ursprünglich noch so ´ins Blaue´ spekulierte Maßnahme, die von den Ermittlern schon länger propagiert wurde, letztlich doch zumindest irgendwie ´gegriffen´ haben könnte, wird merkwürdigerweise relativ selten in Betracht gezogen, und wenn, dann oft gleich auch mit der ziemlich absurden ´königlichen Verschwörungstheorie´ in Verbindung gebracht. Sind die anderen Begründungen für ein Ende der Mordserie tatsächlich so viel realistischer? – Warum plötzlich die Begnadigung eines eventuellen Komplizen? War sie primär für ´wissende´ Familienangehörige oder Freunde des Täters gedacht, obwohl sie, realistisch betrachtet, wohl kaum einen sonderlichen Anreiz für deren Kooperation darstellte? Verdichteten sich die Hinweise auf einen oder möglicherweise sogar mehrere Komplizen vielleicht tatsächlich? Hatte die Polizei ab diesem Zeitpunkt eventuell doch eine konkretere Theorie? Was hat Matthews letztlich wohl gemeint, mit den ´gewissen Umständen´ im Fall MJK, warum hielt man einen eventuellen Komplizen gerade in diesem Fall (und vor allem warum ´nach´ der Tat?) für möglich, und warum setzte sich Dr. Phillips an höherer Stelle für eine Begnadigung eines geständigen Komplizen ein? Was denkt ihr?


Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Ein wundervoller Beitrag panopticon!

Meine Gedanken wandern hin- und wieder in diese Richtung. Deshalb gestern auch mein Beitrag zum Seaside Home.

Ich denke folgendes:

Die Polizei war engagiert aber auch etwas konfus und sicherlich nicht optimal zur Zeit der Mordserie eingestellt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Polizei, den wahren Jack the Ripper, recht früh in der Serie, schon einmal "interviewt" hatten. Dabei könnten sie aber geschlampt haben und der Mann blieb auf freien Fuss. Vielleicht hatte der Täter einflussreiche Fürsprecher ( Familie, Freunde, Kollegen, Glaubensbrüder) die ihn aus dieser mißlichen Lage holten. Vielleicht vertraute die Polizei zu blind deren Ausführungen. So ein Täter könnte durchaus einmal bessere Tage gesehen haben. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Polizei sich überzeugen ließ (von einem Mann wie Dr. Phillips), das der gesuchte Verbrecher durchaus nach seinen Taten aufgefallen sein muss, wenn er in sein "gewohntes Umfeld" zurückkehrte. Woraus auch immer solche Personen, das geschlußfolgert haben sollten. Es mag weit hergeholt sein aber für Conan Doyle´s Romanfigur Sherlock Holmes, musste ja auch ein Arzt mit sehr guter Beobachtungsgabe herhalten. Vielleicht war Dr. Phillips sein "Profiling" für die Polizei von hohen Stellungswert. Ein Kollege von ihm, nahm ja auch die Rolle eines Detektives an. Der Vorfall mit dem geschwärzten Gesicht, wenn ich mich richtig erinnere. Außerdem wird er Kollegen gehabt oder gekannt haben, die eher der psychologischen Behandlung von Menschen zugetan waren und dies auch beruflich ausübten. Keine Ahnung aber solche Gedanken kann man durchaus einmal mitteilen. Warum bringt man auch jemanden aus Whitechapel in ein sicherlich weiterentferntes Seaside- Resort? Wann immer dies auch stattfand. Es mag viele Gründe geben aber es auch auch etwas mit Seperation zu tun, wie ich finde. Und warum macht man das dann? So entsteht schnell der Eindruck eines "Hot Potato". Der Eindruck gewichtiger Gründe für solch ein Handeln. Und die hätte es dann geben müssen. Sonst hätte auch eine 0185 Polizeistation in London ausgereicht. Ich denke, die Polizei ließ sich mit Vorsatz ihren Verdächtigen dorthin bringen. Sie hatten einen PC in der Hinterhand und einen guten Zeugen, von dem sie ersteinmal überzeugt waren. Dem Verdächtigen wären nach einer standhaltenden Identifizierung, 50-60 Meilen weit weg von Whitechapel, nichts weiter übriggeblieben als eine Reihe von Ermittlern und Polizisten. Niemand, der ihm diesmal aus der Klemme half. Diese Falle hätte wäre dann aber nicht zugeschnappt. Sehr aufwändig die ganze Geschichte dann, auch den Zeugen dahin zu kutschieren.
Naja, wie auch immer, du wolltest wissen was wir dazu denken. Ich hoffe du erkennst was ich sagen will.

Liebe Grüße,

Lestrade.
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Offline panopticon

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Hallo Lestrade!

Danke! Ich denke ebenfalls, dass die Frage nach dem Pardon und der Meinung der Ermittler dazu auch bezüglich der angeblichen Gegenüberstellung im Seaside Home sehr wichtig sein könnte, frage mich aber auch, ob Dr. Phillips nicht doch noch mehr vorzuweisen hatte als eine subjektive Mutmaßung über den psychischen Zustand des Täters und seines Umfeldes.


Ich habe da beim Googeln zum Thema jedenfalls noch etwas recht Interessantes gefunden, nämlich das Statement von Home Secretary Matthews am 12. November 1888 im House of Commons, in dem er ausführlich seinen bisherigen Standpunkt bezüglich einer höheren Belohnung und eigentlich indirekt auch einer eventuellen Begnadigung im Fall der ´Whitechapel-Morde´ begründet. Er verweist dabei auch auf andere Fälle, nämlich zum Beispiel auf die neulich auch erwähnten (nämlich hier: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1288.msg19859.html#msg19859) Phoenix Park Morde in Dublin und diverse Dynamitanschläge während der 1880er Jahre in London, bei denen sich eine derartige Maßnahme letztlich als äußerst ineffizient herausgestellt haben dürfte, obwohl es in diesen Fällen definitiv Komplizen gab. Interessant ist auch die Fragenformulierung von Mr. Hunter, die beinhaltet, dass, wenn er es richtig verstanden hätte, sich ein solcher ´Pardon´ wohl nur für den letzten Fall (gemeint ist dem Datum folgend der Mord an Kelly) anböte, und dass sich Hunter (letzten Endes unwidersprochen von Matthews) auch auf den ´ersten Mord´  (Emily Horsnail, ´Fairy Fay´ oder Emma Smith? Wohl am ehesten Letztere, dann stimmt aber das Datum – Weihnachten 1887 - nicht...) bezieht, der aufgrund der Aussagen der Sterbenden eindeutig auf Komplizen hinweist. Nachzulesen ist das alles hier, allerdings etwas weiter unten auf der Seite unter ´Criminal Law—The Whitechapel Murders—Offer of Reward´ http://yourdemocracy.newstatesman.com/parliament/questions/HAN1127314

Hier übrigens eine weitere Debatte vom 14. November 1888, wo (wie auch in den folgenden Tagen) generell das gesamte Budget und das Vorgehen der Polizei im Falle der Morde und die Effizienz von Charles Warren diskutiert wurde, interessant auch die Statements über die Mordstatistik und Aufklärungsrate von 1887: http://yourdemocracy.newstatesman.com/parliament/orders-of-the-day/HAN1127973

Da diesbezüglich auch der so genannte ´Kentish Town Mord´ von 1887 Erwähnung findet (gab es da nicht auch eine Diskussion über die mögliche Begnadigung von geständigen Komplizen?), hier eine Aussage von Matthews vom 17. März 1887 zu einer möglichen Belohnung in diesem Fall (zu finden weiter unten unter ´Law and Justice – The Kentish Town Murder´): http://yourdemocracy.newstatesman.com/parliament/questions/HAN1039485
 

Interessant wäre ja, wie so ein ´Her Majesty´s Most Gracious Pardon´ generell gehandhabt wurde, und welche Umstände dafür gegeben sein mussten, dass ein solcher tatsächlich zum Einsatz kam oder Chancen auf eine Anwendung hatte. (z. Bsp.: Musste man dafür schon jemanden verhaftet oder unter konkretem Verdacht haben? Mussten dafür nicht bereits Namen von mutmaßlichen Tätern und/oder Komplizen bekannt gewesen sein? etc,...) Da bin ich aber noch auf der Suche...


Liebe Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Guten Abend panopticon!

Ich studiere es morgen früh. Bin zu müde.
Die Möglichkeit eines Komplizen, könnte aber durch folgendes begründet sein:

Schwartz seine Beobachtung am Stride- Tatort, mit dem Angreifer des Opfers und dem zweiten Mann den er folgendermaßen beschrieb-

Second man: age, 35; ht., 5 ft 11in; comp., fresh; hair, light brown; dress, dark overcoat, old black hard felt hat, wide brim; had a clay pipe in his hand

Diese Variante erzählte er Swanson, glaube ich. Der "Star" veröffentlichte aber jene Story zu Schwartz hier-

Before he had gone many yards, however, he heard the sound of a quarrel, and turned back to learn what was the matter, but just as he stepped from the kerb a second man came out of the doorway of a public house a few doors off, and shouting out some sort of warning to the man who was with the woman, rushed forward as if to attack the intruder. The Hungarian states positively that he saw a knife in the second man's hand, but he waited to see no more. He fled incontinently to his new lodgings


The man who came at him with a knife he also describes, but not in detail. He says he was taller than the other but not so stout, and that his moustaches were red

Was auch immer nun stimmen mag aber his moustaches were red, bringt uns dann zu Kelly und der Zeugen Mrs. Cox-

The man she saw was described as about 36 years old, 5ft 5ins tall with a fresh complexion and blotches on his face. He had small side-whiskers, a thick, carroty moustache and dressed in shabby dark clothes, dark overcoat and a black felt hat. He was holding a quart can of beer

Die Polizei könnte hierbei den "zweiten Mann" vom Stride-Tatort wiedererkannt haben wollen. Schwartz beschrieb ja auch den "ersten Mann". Hutchinson kam wohl im Kelly- Fall, die Rolle des "ersten Mannes" zugeteilt , als Zeuge, rein technisch versteht sich.

Aber es blieb eben der Mann mit dem roten bzw. feuerroten Schnauzer über. Von Schwartz und Mrs.Cox an unterschiedlichen Schauplätzen beschrieben.

Weder dieser oder eben der andere, könnte als "Komplize" aber nicht als ausführender Täter betrachtet worden sein. An dieser Stelle hätte die Polizei ihn mit einer Begnadigung locken können.

So, nun gut.

Nachtigall.
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Offline Lestrade

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Achso, bevor ich pennen gehe...

Glaubt man Henry Cox von der City Police, das der Mann (der seiner Meinung ja auf jedenfall mit den Verbrechen zu tun hatte), welcher von ihm beschattet wurde, der Komplize war, dann muss man feststellen, das jener Typ eben nicht Rothaarig war sondern ein dunkler Typ. Dann wäre der Rothaarige vielleicht der Mann, den wir suchen. Außer Cox observierte jemand anderen, einen "Bruder" z.B.
Dann wäre diese Schlussfolgerung bedeutungslos.

Bye,bye...
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Offline panopticon

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Sehr gute und wichtige Punkte, Lestrade!

Die Beschreibung von Pipeman (Schwartz) und auch die von Blotchy (Cox) hat, diverse Beschreibungen nicht allzu streng/genau genommen (!), durchaus auch irgendwie einige Ähnlichkeit mit der Beschreibung des nächtlichen Angreifers von Ada Wilson (30 years of age, 5ft 6ins in height, with a sunburnt face and a fair moustache, dark coat, light trousers and a wideawake hat), zumal Wilson eventuell (!) nicht nur den Mann vor der Tür, sondern möglicherweise sogar noch einen zweiten im Haus hatte – zumindest ließe sich auch ein derartiges Szenario aus den Aussagen von Rosie Bierman konstruieren (http://www.casebook.org/witnesses/rose-bierman.html).

Die Beschreibung ähnelt aber auch ein wenig dem Typen aus der Nacht von Annie Chapmans Ermordung aus dem Prince Albert Pub mit der ´blutigen´ Hand, den Mrs. Fiddymont und Mary Chappell verdächtig fanden, und den Joseph Taylor schließlich verfolgt hat (laut Taylor: thin, about 5ft 8"tall, 40/50 years of age with a ginger coloured moustache, curling at the ends. short sandy hair, his eyes, wild like hawk's, dressed shabby genteel, with a loose fitting pair of trousers and a dark coat). In Verbindung mit der etwas ungenauen Aussage von Mrs. Long haben wir also zumindest auch aus der Nacht des Mordes in der Hanbury Street einen rothaarigen und einen eher ´ausländisch´ wirkenden Mann. Die Polizei muss auch auf die eventuellen Zeugen aus dem Prince Albert wohl etwas gegeben haben, sonst hätte sie die drei ´Zeugen´nicht fast zu drei Gegenüberstellungen antanzen lassen (Piggott, Pizer, eventuell auch Isenschmid).

Der Typ bei Catherine Eddowes´ Ermordung in der Duke Street hatte laut diversen recht variierenden Beschreibungen, die in Verbindung mit Lawendes Zeugenaussage genannt wurden, auch zumindest recht helles Haar, dessen Umschreibungen von ´brown´ über ´fair´ bis ´sandy´ reichen... Dazu noch die Aussage von James Blenkinsop über den Typen, der sich bei ihm nach einem Pärchen erkundigte, wodurch auch in diesem Fall eine wie auch immer geartete ´zwei-Männer-und-eine-Frau´-Situation zumindest dokumentiert wäre.

Alles zusammengenommen müsste der Ripper, wenn er denn überhaupt von Zeugen gesehen wurde, entweder ziemlich rotblond oder braun- bis schwarzhaarig gewesen sein – oder eben beides. ;) Für eventuell mordende Brüder aber wohl eine recht enorme Streuung, will ich meinen.

George Hutchinson im Fall Mary Jane Kelly wiederum ist auch ein gutes Stichwort – abgesehen davon, dass er zu Cox´s Blotchy auch einen eher ausländisch erscheinenden Verdächtigen hinzufügte, und selbst vor der Tür gewartet hat, muss er selbst aber noch lange nicht der Mann gewesen sein, der vor dem Miller´s Court gesehen wurde / der das Pärchen beobachtet hat - ich meine die Aussage(n) von Sarah Lewis / Mrs. Kennedy : Laut Lewis ist die Beschreibung des wartenden Mannes ´not tall, stout, had a black wide-awake hat.´ Das spricht, wenn nicht Hutchinson, nicht gerade für Pipeman, vielleicht aber für den Breitschultrigen? Vielleicht ist auch an Deiner Idee mit dem ebenfalls öfter auftauchenden roten Tuch (Eddowes, Kelly) ja doch mehr dran, als ich bisher dachte, Lestrade...

Und dennoch: was könnte denn Dr. Phillips eventuell festgestellt haben, das zu einem Szenario mit Komplizen passt?


Best regards,
panopticon

Offline Lestrade

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Guten Morgen panopticon!

Ich muss erst einmal die Links von deinem vorherigen Eintrag lesen und brauch Kaffee und etwas zu essen. Mrs. Hudson ist leider schon ausgeflogen... :icon_lol:

Aber die anderen "rötlichen" beschäftigen mich auch schon seit, ach, weiß ich wann... Schön das mal gesammelt in einem Beitrag zu lesen... prima...

Es fällt mir halt schwer zu glauben, das zwei Täter am Werk gewesen sein könnten aber aufgrunde jener Berichte und Beschreibungen sowie der Begnadigungsaktion, muss man es sachte einkalkulieren.

Bei Hutchinson und Cox meinte ich nur, das sie getrennt die beiden Männer gesehen haben könnten, die Schwartz zusammen sah. Ich hatte das mal wieder wie auf Stelzen formuliert...

Bis gleich... 
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Offline Lestrade

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Und dennoch: was könnte denn Dr. Phillips eventuell festgestellt haben, das zu einem Szenario mit Komplizen passt?

Ich weiß es nicht panopticon. Hast du eine Idee?

Was weiß ich zu Dr. Phillips?

Er war bei der Leichenschauen dabei bzw. führte sie ja selber durch, bei Chapman, Stride, Eddowes, Kelly. Es fehlt nur Nichols. Er wurde gar an die Tatorte gerufen, Hanbury Street, Berner Street und Miller´s Court. Bei Eddowes nicht, weil das Gebiet der City Police war. Er war bei der MET der Medizinmann. Er war volllkommen bei der MET anerkannt, ein Fachmann, dessen Meinung auch als "Nicht- Polizist" gewichtig gewesen sein muss. Heute wartet auch jeder Ermittler auf die Arzt oder Forensikberichte mit großer Ungeduld. Ich denke, damals und besonders im Ripper- Fall, war das nicht anders wie heute. Er wird viel mitbekommen haben, von zwei Männern in der Berner Street, von den örtlichen Begebenheiten, die er selber begutachten konnte, wie Hanbury Street oder Miller´s Court. Vielleicht war für ihn die lange Zeit, die der Ripper gerade in Kelly´s Raum verbrachte, ein Zeichen dafür, das irgendjemand Schmiere gestanden haben muss.
Was er an den Opfern gefunden haben könnte, das bei ihm die Meinung entstanden sein könnte, es hätte das Werk zweier Männer sein können, weiß ich nicht. Vielleicht hat er Fingerabdrücke an den Opfern gefunden (und das war garantiert der Fall) die er nicht nur einen Mann zuordnete. Zwei rechte Daumen hat halt keiner, vielleicht fand er so etwas... Keine Ahnung. Erwähnt hat er ja nix...
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Vielleicht ist auch an Deiner Idee mit dem ebenfalls öfter auftauchenden roten Tuch (Eddowes, Kelly) ja doch mehr dran, als ich bisher dachte, Lestrade...

Ich sehe momentan nur Rot :icon_mrgreen: Nicht nur wegen Haaren oder Bärten...

Echt verwirrend bleibt auch Schwartz seine Aussage oder Aussagen. Einmal kann man davon ausgehen, das dieser zweite Mann den Stride- Angreifer zur Raison bringen wollte und mit einem Messer und ausgesprochenen Warnungen auf diesen losging, andererseits hat der Stride- Angreifer es ja auch geschafft, das Opfer in den Hinterhof zu ziehen und es zu ermorden. Unterbrach der Eingreifer sein Tun? Kehrte er zurück? Neulich schrieb hier wer, es hätte eine Verfolgung von der Berner Street aus gegeben. Dann die Begegnung von James Blenkinsop mit einem Unbekannten am Mitre Square. Dann hätte hier aber jemand Zivilcourage gezeigt und dem Ripper selber, war wohl mittlerweile alles egal... So ein Verfolger wäre aber noch ein besserer Zeuge als Schwartz gewesen...

Der Zeuge Charles Preston, im Fall Stride, sah diese noch zwischen 18-19 Uhr mit:

a coloured silk handkerchief round her neck war wohl ein karierter laut ihrer nach dem Tode aufgenommen Besitztümer.

Zeuge Lawende sah , im Falle Eddowes, dem Mann am Mitre Square mit einem roten Halstuch.

Mrs. Cox bei Kelly (vor Mitternacht): Hatte eine Kleid an und einen roten, geknoteten, gekreutzten Schal um den Hals
Hutchinson bei Kelly (nach Mitternacht), seinen Mann mit einem roten Halstuch hervorzaubernd.

Wie du also sagtest, ein Mann mit einem roten Halstuch bei Eddowes und Kelly. Wo blieb ihr roter Schal ab? Laut Hutchinson´s Lauschangriff, hatte sie ihn ja gerade verloren, dem Gespräch zwischen ihr und dem Verdächtigen entnehmend. Das kann natürlich großer Zufall sein aber sie verliert (oder legte ihn einfach ab) um Mitternacht herum ihren roten Schal und zwei Stunden später trifft sie eben jemanden mit einem Solchen. Da ja Lawende schon Wochen vorher einen roten Schal bemerkte, muss man davon ausgehen, das jener rote Schal im Falle Kelly, auch von vornherein diesem Mann gehörte. Den Kelly zwischendurch einfach nur trug? Könnten Mrs. Cox und Hutchinson am Ende doch den gleichen Mann gesehen haben? Zwei ähnliche Dinge beschrieben sie, ein fleckiges Gesicht (Cox) und ein bleiches Gesicht (Hutch) und eben einen roten Schal. Nimmt man dazu die spätere Aussage von Cox ihrer Nicht, verdichtet sich diese Annahme etwas. Aber es fällt mir schwer zu glauben. Im Finale dieses Falles, kann ich mir aber alles vorstellen.




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KvN

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Erstmal freut es mich wieder von euch zu lesen! Bin derzeit im Urlaub und viel unterwegs, mach mich daher auch ein wenig rarer hier...
Zum Komplizen: Die Geheimniskrämerei um die Gegenüberstellung, die Diskretion der Behörden in vielen Dingen, die Bemerkung dass der Komplize den Ripper NACH der Tat unterstützte...Hhhm, durchaus möglich dass man einen Mittwisser im Polizeiapparat vermutete, oder?
Ansonsten schließe ich mich Lestrade an, einen zweiten aktivenTäter kann ich mir echt schwer vorstellen. Obwohl von der Logik her ja einiges dafür spräche, der Risikofaktor der Tatorte würde sich mit einem Schmieresteher ja glatt ins Gegenteil verkehren...

Grüße