Autor Thema: Übergriffe, Gewaltdelikte und mysteriöse Todesfälle in London zur Zeit von JtR  (Gelesen 37055 mal)

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Offline Lestrade

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  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Herzlichen Dank panopticon!

Aber ob ich mir die Mühe machen will? Lese ersteinmal Chris Scott.

War ja nur so eine Idee. Denke mir, der Ripper ist schon vorher aufgefallen. Vielleicht müssen wir einfach mal einen Schritt in der Zeit zurück machen, um voranzukommen.

Liebe Grüße,

Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Lestrade

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Wo du Joseph Fleming erwähnst... Er war ja Maurer/ Stuckateur und Kelly´s Morganstone ebenfalls im Baugewerbe tätig...

Da gibt es eine interessante Zeitungsmeldung, allerdings vom 13. 01. 1884. Ein polnischer Bildhauer (er hatte also auch mit "Stein" zu tun) wurde von der Polizei wegen Diebstahls in die Mangel genommen. Er hatte kein Heim und behauptete erst kürzlich in London gelandet zu sein. Das glaubte man ihm aber nicht ganz. Dieser Mann hieß Francois Kozminski. Er erscheint weder im 1881er, noch im 1891er Census. Jedenfalls schwirrte ein weiterer Koz(s)minski zwischen diesen Jahren in London herum. Und, wenn auch nur für 1884 belegt, ohne Wohnsitz. Er ist der einzige Koz(s)minski, der mir so neben Aaron Kosminski, ungewöhnlich auffiel. Er war auf jeden Fall schon einmal straffällig geworden. Interessant finde ich seinen Vornamen. Ein Pole in 1888 mit einem französischen Vornamen. Findet man wohl heutzutage eher vom polnischen Einwanderen in Frankreich. Oder er wurde bereits in Polen geboren. Dazu fällt mir Stephenson´s Bemerkung ein, die er zu Schreibweise des Wortes "Juden" zum Goulston Street Graffito gemacht hatte. Nämlich das es auch die franz.weibliche Form bedeutet haben könnte. 

Nur mal so als Info...
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KvN

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Hab mal im Time - Archiv rumgestöbert und bin zusätzlich noch auf folgende Tötungsdelikte in London 1888 gestossen:

28.1. Lucy Clark (Mord)
2.2. Mr. und Ms. Potstami (Mord und Selbstmord)
18.5. Ms. Wright (Mord)
24.5. Mary Newman (Mord)
2.6. Mr. und Ms. Lake (Mord und Selbstmord)
4.7. Eliza Schummacker (Mord)
16.10. Annie ? (Totschlag)
3.11. Mr. und Ms.Ardrovitch (Mord und Selbstmord)
22.12. Unbekannte Frau (Mord)

Leider kann ich noch nicht mit exakteren Angaben aufwarten, es mangelt an Zeit. Die Daten beziehen sich auf das Erscheinen der Artikel.
Ich behaupte auch nicht dass eines dieser Verbrechen etwas mit JtR zu tun hat.
Aber wie ist das Gerücht entstanden dass Morde so selten wären? Panopticons Posting, die Erläuterungen von Floh und Loki zu den Torso Morden, meine bescheidenen Ergebnisse...Hhhhm, also für mich wackelt das tradierte Bild des Herbst des Schreckens momentan ganz schön!

Grüße

KvN

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Super, hab grade entdeckt dass ich mir meine tolle Aufzählung einglasen kann...Panopticon hat den link zur entsprechenden Seite schon vor Monaten ins Forum gestellt...

Grüße

Offline Lestrade

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Leider kann ich noch nicht mit exakteren Angaben aufwarten, es mangelt an Zeit. Die Daten beziehen sich auf das Erscheinen der Artikel.
Ich behaupte auch nicht dass eines dieser Verbrechen etwas mit JtR zu tun hat.
Aber wie ist das Gerücht entstanden dass Morde so selten wären? Panopticons Posting, die Erläuterungen von Floh und Loki zu den Torso Morden, meine bescheidenen Ergebnisse...Hhhhm, also für mich wackelt das tradierte Bild des Herbst des Schreckens momentan ganz schön!


Ja KvN, geht mir die letzten Tage genauso...Aber ich würde eher empfehlen, auf Gewaltereignisse zurückzuschauen, die 1-2 Jahre zurücklagen. Für den Bereich Whitechapel...Es gibt die Behauptung, ein Verdächtiger befand sich gerade mit Beginn der Ereignisse auf freien Fuss (oder mal wieder) und war den PC und Detektiven bekannt. Deswegen auch kürzlich meine Frage, wer Einblicke in Anstalten hatte und ob eine Person immer mal wieder in Gewahrsam genommen wurde. Das gleiche gilt für Gefängnisse. Und zwar vor dem Herbst 1888. Und ob dieser Name danach auch wieder aufgetaucht ist. Ich vertraue zwar den bisherigen Ripperforschern aber auch sie sind nur Menschen, die mal etwas übersehen könnten.

Liebe Grüße, Lestrade.
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KvN

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Ein guter Tipp, aber ich versuche grad eine andere Schiene. Ich möchte ein wenig weg vom whodunit und mir mehr Klarheit über die Umstände dieser Zeit verschaffen. Ich sehe ja jetzt in diesem Thread, dass ich mit meiner Ansicht über die Häufigkeit von Gewaltverbrechen und Tötungsdelikten echt auf dem Holzweg gewandelt bin. Momentan interessieren mich die Zahlen bezüglich der natürlichen Todesfälle, der Lebenserwartung etc. Wenn mir da irgendwer weiterhelfen kann bin ich natürlich dankbar!
Aber ich werde diebezüglich demnächst einen eigenen Thread starten, möchte das überaus wichtige Thema hier nicht verwässern!

Grüße

Offline panopticon

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Hi.

Also der Mord an Dora Piernick, einer 28 jährigen aus Polen stammenden Prostituierten jüdischen Glaubens am 29. Dezember 1903 hat, so muss ich zugeben, einige Details aufzuweisen, die doch recht an den Mord an Mary Jane Kelly erinnern: Eine Prostituierte mit eigenem Raum und einem Mann, der vor kurzem aus diesem ausgezogen war (in diesem Fall aber unfreiwillig, weil im Knast); andere Prostituierte, die Dora  bei sich übernachten ließ; die Angst des Opfers vor irgendjemandem; Zeugen, die des Nächtens was hören, aber nicht so reagieren, wie nötig; eine Ermordete, die man erst spät unter Tags fand, da man davor annahm, dass diese einfach unterwegs war; eine Tote mit durchtrennter Kehle am Bett liegend; und eine Tür, die von der Polizei aufgebrochen werden musste, weil der Schlüssel des Raumes verschwunden war. Zudem zwar kein kaputtes, aber ein offenes Fenster. Obwohl der Schlüssel und die Mordwaffe fehlten, war sich die Jury bei der Inquest nicht sicher, ob man es hier nicht auch mit einem Selbstmord zu tun haben könnte (da die untersuchenden Ärzte einen solchen nicht ausschlossen), und ließ ihr Urteil ´offen´. Der Landlord hätte sie eventuell ja finden und die beiden Gegenstände entsorgen können, aus Angst, des Mordes verdächtigt zu werden. (Da wundert mich nicht, was man über McCarthy so alles mutmaßt.) Macnaghtan kommentierte diese These im Fall Piernick jedenfalls so: ´Möglich, aber nicht wahrscheinlichEin entscheidender Unterschied zu Kelly besteht aber auf jeden Fall:  Dora hatte in der Vornacht wohl 8 Pfund in Gold bei sich, wo auch immer sie die herhatte. Der Mord fand übrigens in der City statt. (Whitfield Street an der Tottenham Court Road – in der selben Straße wurde bereits 1891 eine Prostituierte namens Elizabeth Stoffel von einem gewissen Paul Acheton getötet.)


Der Mord an Esther PraagerDie Kleine´genannt – das habe ich nicht übersetzt, das ist wörtlich!), einer ebenfalls jüdischen Prostituierten aus Polen im Oktober 1908 in der Bernard Street beim Russell Square, ist auch in Bezug auf Kelly interessant – sie hat ihren Mörder wohl selbst mit in ihre Unterkunft gebracht, trug aber nur eine Chemise als man sie fand, und man ging davon aus, dass sie eigentlich schlafen wollte. (Sie war erst tags zuvor eingezogen.) Auch hier ist es schon faszinierend, was die Leute so alles mitbekommen und nicht reagieren, sich dafür aber am nächsten Tag sogar über die nächtliche Ruhestörung beschweren, oder alternativ dazu annehmen, dass es nicht aus dem Haus kam...


Wen diese beiden ungeklärten Fälle inklusive der Morde an Harriet Buswell, einem frühen Thames Torso Mord, Emily Dimmock, und einer ganzen Menge anderer von 1837 – 1914 interessieren (darunter auch Alice McKenzie und Frances Coles) – sie finden sich in dem unlängst von mir geposteten Buch von Jonathan Oates : ´Unsolved Murders in Victorian & Edwardian London´, siehe http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1252.msg19087.html#new
Recht spannend, ich habe aber erst ein paar Fälle gelesen. Was auch interessant ist, ist die Liste weiterer ungeklärter Morde am Ende – außer Datum und ungefährer Ortsangabe leider ohne nähere Details, wie zumindest der Todesursache.


Was sich jedenfalls noch sagen lässt: Wenn sich die Jury so anstellt, wie im Fall Piernick, sieht die Realität wohl leider etwas anders aus, als die offizielle Mordstatistik – wäre doch interessant, wie oft es solche ´offenen Urteile´ 1887 /88 nun tatsächlich gab...


Grüße,
panopticon


P.S.: Habe das Jahr bei Piernick ausgebessert - war 1903, und nicht, wie ich ursprünglich schrieb, 1908. Sorry.
« Letzte Änderung: 08.05.2010 01:15 Uhr von panopticon »

Offline Anirahtak

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Sehr interessant, das alles. Auch dann, wenn es nichts mit dem Ripper zu tun haben sollte.

KvN

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Hi Anirahtak!

Das hat eine Menge mit dem Ripper zu tun, auch wenn er nicht unmittelbar für die einzelnen Gewalttaten verantwortlich ist. Ob eine Mordserie herausragend ist oder in einem Umfeld passiert in dem Tötungsdelikte mehr oder weniger systemimmanent sind, das ist doch ein Riesenunterschied!

Grüße

Offline Anirahtak

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Na ja, mich interessiert es eben auch unabhängig vom Ripper, wie es damals dort zuging.

Sollte die ripper'sche Mordserie eher systemimmanent gewesen sein, stellt sich mir die Frage, weshalb sie von der Presse besonders hervorgehoben wurde. Weil es bei den anderen (scheinbar) keine Serien waren, sondern einfach viele einzelne Morde?

Oder vermute ich falsch und es gab generell viel über alle möglichen Morde zu lesen?

KvN

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Morgen!

Habe mir erlaubt mich diesbezüglich in einem eigenen Thread zu äussern...Aber Morde waren -und sind- schon generell ein beliebtes Thema in den Zeitungen, auch die anderen Taten wurden medial recht ausgeschlachtet.

Grüße

Offline panopticon

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20. November 1888: Am Great Western Railway nahe Stoke Canon, 3 Meilen von ihrem Haus entfernt, wird die verstümmelte Leiche von Jenny Rowe aus Cornwall gefunden. Die Tote, die seit einigen Monaten  als Bedienstete des Stadtschreibers von Exeter beschäftigt war, ist voll bekleidet, trägt jedoch statt Stiefeln Hausschuhe. Zuvor wurde sie in Begleitung eines jungen Mannes die Straße entlang gehen sehen, der jedoch bestreitet, dass es zwischen ihnen Streit gab.(Quelle: ´The Star´, 21. November 1888)


So, hier nun ´on demand´ einiges über tote Männer in England aus meinen Notizen, vorwiegend aus der Zeit nach dem Mord an Mary Jane Kelly im November 1888. Da ich dieses Thema nur eher überflogen habe, habe ich die Quellen zum Teil nicht mehr wirklich, die meisten davon sind wohl aus dem Star am Tag danach, wenn ich mich recht erinnere, bei Anfrage kann ich aber noch mal nachsehen – Frühere habe ich bisher noch nicht näher recherchiert :


1. Ungeklärte Todesursache:


´The Star´, 21. November 1888:

´
Mit durchschnittener Kehle in Croydon gefunden

Gestern wurde die Leiche eines gut angezogenen Mannes in Purley-downs, Croydon, mit unter mysteriösesten Umständen grauenhaft eingeschnittener Kehle entdeckt. Die Leiche wurde ins Leichenhaus gebracht.´


 
2. Selbstmorde:

3. Oktober 1888: Ein Mann, der wie ein Handwerker aussieht, springt gegen 10.30h in der Bethnal Green – Junction unter den Augen der Wartenden vor einen einfahrenden Zug.

13. November 1888: etwa 60 Jähriger ließ sich von einem Zug in einem Bahntunnel am Great Northern Railway in Highgate enthaupten, indem er seinen Kopf auf die Schienen legte.

16. November 1888: PC Richard Brown, 36, Metropolitan Police (E Division, Hunter Street) – Selbstmord durch Erschießung im Hyde Park.

16. November 1888: David Lloyd (oder Llannelly), 22, erschießt sich in seinem Zimmer im Royal Hotel in Cardiff nach einigen Runden Billard und einer Diskussion mit der Bardame, ob das Leben lebenswert wäre.

19. November 1888 (Am Morgen von Mary Jane Kelly´s Beerdigung): Edward Buchan, 29, Marine Store Dealer, Selbstmord durch Kehlschnitt an seinem Geburtstag in Nr. 37 Robin Hood Lane, Poplar.



3. Mord und Selbstmord:

18. November 1888: Ein Mann namens Kirby (keine Ahnung, ob er mit diversen Kirby´s von den Polizeikräften verwandt war, Anm.) tötet in der Church Street, Manningham aus Eifersucht zuerst seine Frau und ihr Kind im eigenen Haus und erhängt sich anschließend ebendort.



4. Selbstmordversuch:

16. November 1888: Lumbley Matthews, angeblicher Neffe des Home Secretary Henry Matthews, schneidet sich in seinem Apartment 25 Endsleigh-gardens, Euston Road mit einer Rasierklinge die Kehle auf, setzt sich hin und schreibt eine Selbstmordnachricht. Danach versucht er mit den Händen die Wunde zu vergrößern. Da er am Morgen des 17. November immer noch lebendig in der Blutlache liegt, öffnet er das Schlafzimmerfenster und springt hinaus. Von da wurde er ins University Hospital eingeliefert.


Regards,
panopticon

Offline panopticon

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Habe gerade festgestellt, dass ich über den Mord an Mary Ann Austin 1901 hier noch nichts Näheres angebracht habe, was ich hiermit nachhole: Eventuell nötige Korrekturen (ich habe die Geschichte nur mal schnell zusammengefaßt) wie immer willkommen!

Montag, 27. Mai 1901: Die 28 jährige Mary Ann Austin stirbt an den Folgen von mindestens 10 Messerstichen in den Unterleib, die ihr ein Unbekannter in Crossingham´s Lodging House in der Dorset Street (Nr. 35) in Spitalfields (das ist in der Tat das Crossingham´s, in dem Annie Chapman bis zur Nacht ihrer Ermordung üblicherweise ihre Unterkunft hatte, und damit klarerweise auch in jener Dorset Street, in der Mary Jane Kelly getötet wurde) zugefügt hat. Die Tat ereignete sich, wie die Morde an Stride und Eddowes, in einer Nacht von Samstag auf Sonntag, genauer gesagt: Am Morgen des Sonntag, 26. Mai 1901.

Ungefährer Tatablauf:

Mary Ann Austin erzählte im Laufe des Samstagabends (25. Mai 1901), dass sie einen Russen in der Commercial Road getroffen habe, und diesen noch in dieser Nacht erneut treffen wolle. Kurz vor Mitternacht betrat sie Crossingham´s mit einem Fremden, der dort verhältnismäßig viel für ein gemeinsames Zimmer bezahlte. Nachdem Maria Moore, die Frau des Deputys von Crossingham´s am Morgen danach (zwischen 8h und 9h) darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ein Stöhnen und Ächzen aus diesem Zimmer vernehmbar war, betrat sie das Zimmer und fand darin Mary Ann Austin nackt und schwer verletzt vor. Das Opfer wurde ins London Hospital gebracht, und konnte vor ihrem Tod tags darauf angeblich noch vermelden, dass sie ihren Angreifer, den sie laut ihren Aussagen für einen Juden hielt, nicht kannte und ursprünglich auf der Straße aufgabelte. Nachdem sie mit ihm die Nacht verbrachte, sei sie unter Schmerzen am Morgen aufgewacht und sah den Mann noch türmen. Austin wurde wohl auch in den Rücken gestochen. Die Tatwaffe war vermutlich ein spitzes, scharfes Instrument, höchstwahrscheinlich ein Messer, dessen Länge und Breite sich nicht wirklich sagen ließ. Fingerabdrücke konnten (trotz Versuchs) am Opfer leider nicht gefunden werden. Offensichtlich war Austin auch am ganzen Körper getreten worden, wie unzählige, blaue Flecken vermuten ließen. Moore und ein anderer Lodger im Crossingham´s namens Bates beschrieben den Mann, mit dem Austin kurz vor Mitternacht ihr Zimmer bezog, zusammengefasst folgendermaßen: Kleiner, ´dunkler´ Mann, etwa 40, mit ´jüdischen Merkmalen´, Haar und Oberlippenbart: dunkel, keine Koteletten, Silberring an der linken Hand, grau karierte Kappe (Bates) / Billy-cock-Hut (Moore), rot-schwarzer Schal um den Hals (Bates).

Die Tote wurde auch von ihrem 43 jährigen Ehemann William Austin, einem Dockarbeiter identifiziert, der sie nach einem Streit über ihre Trinksucht und 8 Jahren Ehe um den 15. Mai herum, verlassen haben will. Eine der beiden kleinen Töchter nahm er mit, die andere ließ er bei ihr. Bevor er seine Frau verließ, zahlte er Mrs. McCarthy noch die ausstehendes Rente für ihre bis dahin gemeinsame Unterkunft in der Dorset Street Nr. 37. (Das ist in der Tat die Ehefrau von John McCarthy, der nicht nur Landlord des Millers Courts, sondern auch anderer Gebäude in der Dorset Street war – Nr. 37 befand sich übrigens wie Crossingham´s und Miller´s Court ebenfalls auf der nördlichen Straßenseite, allerdings westlich der Little Paternoster Row, in der Annie Chapman das letzte Mal nachweislich lebend gesehen wurde.) William Austin stand einige Zeit lang scheinbar durchaus auch unter Tatverdacht.

Einer der interessantesten, aber eventuell fiktiven ´Tatverdächtigen´ im Fall Austin ist wohl ein angeblicher, gewisser ´George Neating´, der der Polizei von einer gewissen Mrs. Clarke genannt wurde : Er gab angeblich an, Hufschmied zu sein, wohnte mit seiner Frau Mabel zusammen, und war vor allem ihr gegenüber gewalttätig – Sie stand scheinbar komplett unter der Kontrolle ihres Mannes. Während der ´Jack the Ripper´-Morde 1888  soll er bei der Metropolitan Police tätig gewesen sein, und sich immer, wenn auf seinem Beat oder anderswo etwas schief ging, hinter den Grabsteinen im Stephney Churchyard versteckt haben. Er soll schließlich wegen Trunkenheit aus dem Dienst entlassen worden sein. Ein großes Problem mit dieser Theorie: In der MePo diente 1888 kein Mann mit diesem oder einem ähnlichen Namen...

Nach diesem Mord an Austin, der erneut den Namen ´Jack the Ripper´ in den Medien erscheinen ließ, wurden auch Ex-Detective McIntyre und Inspector Reid von den Medien über ihre Meinung dazu befragt. Während McIntyre es für möglich hielt, dass der Ripper einige Jahre im Gefängnis verbracht hatte, und danach abermals zu neuen Taten in seinem alten Territorium schritt, vertrat Reid die Meinung, dass der Ripper bereits verstorben sei und unter anderem daher wohl auch nicht der Urheber dieser Tat gewesen sein könne.

Mehr Infos über den Mord an Mary Ann Austin: u.a. http://www.casebook.org/dissertations/rn-mary-ann-austin.html, ,...


Grüße,
panopticon

Stordfield

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Hallo Leute!

Aller erste Sahne, diese Aufzählungen und eine wahre Fundgrube für mein kleines privates Archiv!  :icon_thumb: :icon_thumb: Vielen Dank vor allem an panopticon und Lestrade.
Jungs, wenn es euch nicht zu viel Mühe macht, könntet ihr vielleicht mal schauen, wie es mit männlichen Opfern aussieht? Mein Englisch ist leider nicht so gut, daß ich mich leichtfüßig von einem link zum nächsten hangeln könnte.

Gruß Stordfield

Offline panopticon

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Hallo Stordfield!

Allzu viel habe ich diesbezüglich bisher nicht gefunden:


In der Nacht nach dem Mord an Martha Tabram wurde der 28 jährige Maurer John Holland in der Bethnal Green Road zwischen Mitternacht und 1h morgens von drei Männern niedergeschlagen, die danach auch auf ihn einstachen. Hollands Kleidung wies einige Schnitte auf und er hatte einige Stichwunden im Abdomenbereich. Einer der Männer soll Holland Geld geschuldet haben. (Quellen: The Echo, 8. & 9. August 1888: http://www.casebook.org/press_reports/echo/18880808.html, http://www.casebook.org/press_reports/echo/18880809.html)


Ungeklärte Morde an Männern in London habe ich schon noch einige notiert, allerdings Jahre später und zumeist ohne nähere Details. Namen kann ich schon nennen, aber ohne zumindest die Todesursache zu wissen, sind sie wohl weniger interessant. 1897 fischte man übrigens auch ein unbekanntes, männliches Mordopfer aus der Themse (wie gesagt: recht später Tatzeitpunkt, um mit den Morden 1888 eventuell irgendwie in Verbindung gebracht werden zu können). 


Es gab viele Gewaltausbrüche in Verbindung mit verschiedensten Festnahmeversuchen durch die Polizei - zumeist aufgrund von Eigentumsdelikten oder Fällen ´häuslicher Gewalt´ (dokumentiert u.a. in ´East End 1888´  von William J. Fishman, oder ´Jack the Ripper and the East End´ - Peter Ackroyd u.a.) -  Bei einem davon musste 1900 auch ein mit den Morden in Whitechapel und Umgebung in Verbindung stehender PC sein Leben lassen: 

PC Ernest Thompson, der bei seinem allerersten ´Solobeat´ 1892 die sterbende Frances Coles fand, wurde bei seinem allerletzten ´Solobeat´ im Dezember 1900 von einem gewissen Barnett Abrahams (einem Zigarrenmacher) erstochen, den er verhaften wollte. (Quelle: The Eastern Post & City Chronicle, 8. Dezember 1900: http://www.casebook.org/press_reports/eastern_post/easternpost001208.html)


Die in einem Paket gefundenen menschlichen Überreste, die man angeblich im August 1888 in der Guildhall Railway Station fand, die womöglich aus einem fahrenden Zug oder von einer Brücke geworfen wurden, und die eventuell zuvor gekocht oder geröstet worden waren, gehörten wohl scheinbar zu einer Frau. (Quellen: Evening Standard, 25. August 1888: http://www.casebook.org/press_reports/evening_standard/18880825.html und Irish Times, 6. Oktober 1888: http://www.casebook.org/press_reports/irish_times/18881006.html?printer=true) - Auch mit dem ungelösten sogenannten ´Railwaymord´ an Elisabeth Camp Jahre später (1897) scheint dies nicht in Verbindung zu stehen.


Ich bleibe klarerweise aber an dem Thema dran...


Grüße,
panopticon
« Letzte Änderung: 12.09.2010 19:28 Uhr von panopticon »