Autor Thema: Überlegungen dazu, WARUM der Ripper stets unerkannt bleiben konnte  (Gelesen 14810 mal)

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Dick Brucinson

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was spricht eurer Meinung nach dafür, dass der Ripper sich ausschließlich UNERKANNT und als NICHT VERDÄCHTIGE PERSON durch das East End bewegen konnte - insbesondere sogar in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe vor und nach den Morden?

ich stell mir Whitechapel - spätestens nach dem 2. Mord (?) - Annie Chapman - (Tabram also nichtmal mit eingerechnet) als ein Viertel in aufgebrachter Hysterie vor, in welchem die Bevölkerung mit Argusaugen auf jeden nur ansatzweise Verdächtigen geschaut haben muss.

aber die Fähigkeit des Rippers, seelenruhig auf Opfersuche zu gehen, in aller Ruhe das Opfer umzubringen (und vor allem: offenbar problemlos zunächst überhaupt dessen Vertauen zu gewinnen - und DAS vor dem Hintergrund der gleichzeitig stattfindenden Mordserie) und danach genauso unerkannt - und vor allem unverdächtigt - zu entkommen, legt nach meinem Empfinden den Schluss nahe, dass die Bevölkerung "den Wald vor Bäumen nicht gesehen hat".

was ich also damit sagen will:

erscheint es insofern also nicht ganz unabwegig, dass der Ripper keiner der üblichen aufgelisteten mehr oder weniger "auffälligen" Verdächtigen war, sondern eher eine Person von allgemein hohem Sozialprestige innerhalb der Bevölkerung Whitechapels - vllt sogar jemand, der GERADE durch seine Rolle und Funktion als "vertrauenswürdige Person des dortigen öffentlichen Lebens" im Stadtteil überhaupt nicht als Verdächtiger in Betracht gezogen (um nicht zu sagen: "übersehen") wurde?? (ich stell mir da zum Vergleich gerade so das typische Dorfklischee vor: "was - der allseits bekannte und geschätzte Herr Prof. Dr. SoUndSo aus UNSERER MITTE - DER würde doch NIEMALS nachts in den Supermarkt einbrechen! wie kannst du sowas nur behaupten?! schäm dich!")

mich interessieren mal eure Meinungen dazu.

« Letzte Änderung: 05.04.2010 22:29 Uhr von Dick Brucinson »

Stordfield

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Hallo Dick!

Auch Dir ein herzliches Willkommen!
Ich habe es schon des Öfteren erwähnt, dass die "Stärke" vieler Serienmörder in ihrer Unauffälligkeit, in ihrer Anpassungsfähigkeit an ihre Umwelt liegt. Also stimme ich Dir zu, man sieht es und merkt es den meisten nicht an, weil sie gut mit dem Strom schwimmen können.

Gruß Stordfield

Dick Brucinson

  • Gast
danke für die netten Wilkommensworte - stimmt, ist mein erster Beitrag hier, obwohl ich schon seit 'nem Jahr "mitlese" ;-)

ich dachte bei meinen Ausführungen jedenfalls an alle möglichen Formen von "öffentlichen Prestigeträgern" - für mich kommen z.B. meinetwegen der Ortsbürgermeister von Whitechapel oder auch der im Viertel sicher "allseits bekannte Nachtwächter" genauso in Frage wie z.B. auch dieser Chef der "Bürgerwehr" in der Ripper-Sache - ich glaube, George Lusk hieß der. also alles Charaktere, die man überhaupt nicht zu verdächtigen WAGEN würde.
 

Offline Lestrade

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Hallo Dick! Herzlich Willkommen.

Man könnte auch anders fragen:

War der Mann tatsächlich so unauffällig und unverdächtig? Für die Polizei vielleicht, die Ihn übersehen haben könnten.

Die hatten damals keine Ahnung und konnten mit Sicherheit kaum den Täterkreis, wie man es heute vielleicht kann, einkreisen. Damit meine ich nicht Beruf oder Religion. Sondern die Art seiner Persönlichkeit und seines Handels.

Lestrade
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Dick Brucinson

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Hallo Dick! Herzlich Willkommen.

Man könnte auch anders fragen:

War der Mann tatsächlich so unauffällig und unverdächtig? Für die Polizei vielleicht, die Ihn übersehen haben könnten.

Die hatten damals keine Ahnung und konnten mit Sicherheit kaum den Täterkreis, wie man es heute vielleicht kann, einkreisen. Damit meine ich nicht Beruf oder Religion. Sondern die Art seiner Persönlichkeit und seines Handels.

Lestrade

naja, aber die Einkreisung des potentiellen Täterkreises hat ja in über hundert Jahren zu nichts geführt, und gerade deswegen scheint es mir persönlich aus der Distanz raus umso plausibler, dass der Ripper jemand gewesen sein könnte, den die Polizei damals aus gutem Grund (wenn auch nicht absichtlich!) übersehen haben mag.
den Täterkreis HEUTE kreist man ja meines Wissens ohnehin überwiegend basierend auf der Forensik von 1888 ein.
 

Offline Anirahtak

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[...]

mich interessieren mal eure Meinungen dazu.


Bislang ging ich von einer "auffällig unauffälligen" Person aus, also jemand, der nahtlos ins Straßenbild verschwunden ist, ohne irgendwelche bleibenden Eindrücke zu hinterlassen. Weder vom Aussehen noch vom Verhalten her. An eine bekannte Respektsperson, die über jeden Verdacht erhaben ist, habe ich dabei noch nicht gedacht, das ist eine sehr interessante Idee.

Dick Brucinson

  • Gast
[...]

mich interessieren mal eure Meinungen dazu.


Bislang ging ich von einer "auffällig unauffälligen" Person aus, also jemand, der nahtlos ins Straßenbild verschwunden ist, ohne irgendwelche bleibenden Eindrücke zu hinterlassen. Weder vom Aussehen noch vom Verhalten her. An eine bekannte Respektsperson, die über jeden Verdacht erhaben ist, habe ich dabei noch nicht gedacht, das ist eine sehr interessante Idee.

eben das war mein gedanklicher Ansatz - schön, dass du mich verstehst :-) denn das  würde alle Tumbletys, Barnetts etc. ausschließen.

Offline Anirahtak

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Ja, ich verstehe dich voll und ganz. :icon_wink:

Bei Tumblety dachte ich mal halb im Spaß, halb im Ernst: Wer eine Uteri-Sammlung hat, dem ist auch alles andere zuzutrauen. Aber abgesehen davon, dass ich nicht mal weiß, ob das nur ein Gerücht oder Tatsache ist, war der letztendlich wohl schon ein zielmlich exzentrischer Freak und als solchen stelle ich mir den Ripper nicht vor. Barnett ziehe ich ebenfalls nicht in Betracht - ich halte es zwar für vorstellbar, dass jemand seine Lebensgefährtin aus dem wütenden Moment heraus bspw. erschlägt, weil sie anschaffen geht, aber dass er vorher noch andere umbringt und dann noch auf diese Weise, erscheint mir doch sehr konstruiert.

Aber ich schweife ab. :icon_mrgreen:

Wenn an dem Ansatz mit der bekannten Respektsperson etwas dran wäre, dann dürften diese Sichtungen von den Zeugen, welche die Opfer zuletzt mit einem Mann gesehen haben, ja nicht zutreffen. Also dass es andere, unschuldige Männer gewesen wären und der Ripper immer erst eine Zeiteinheit später den Kontakt gehabt hätte. Oder anders, dass die bekannte Person nicht erkannt worden wäre. Hältst du das für sehr wahrscheinlich?


KvN

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Welcome Dick! Maiden rulez!

Ja, der Ansatz mit der respektablen Person ist durchaus überlegenswert. Die Polizei suchte ja nach einer Art missing link, einem offensichtlich Wahnsinnigen der schon immer auffällig war...Und hat mit diesem Ansatz ja komplett Schiffbruch erlitten...

Grüße

Offline Lestrade

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Nun ja, ich denke der Ripper lief während der Woche eher wie der letzte Penner herum. An den Wochenenden wird er sich dann fein gemacht haben. Um es kurz zu machen, als Ermittler hätte ich in der Woche einen nicht ganz so respektabel gekleideten Mann gesucht und an den Wochenende einen, der einen gepflegteren Eindruck machte aber nicht gänzlich verbergen konnte, das er kein Männermodel ist.

Gruß, Lestrade.
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Stordfield

  • Gast
Hallo !

Eine höhergestellte, vielerorts bekannte Person als Ripper kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Unregelmäßigkeiten im alltäglichen Trott von Whitechapel wären sicher sofort aufgefallen und so ein "Besuch" einer Persönlichkeit in dieser "Kloake" wohl erst recht. Außerdem wäre dann bestimmt in der Nach- Mord- Ära einiges durchgesickert ( :icon_wink:). Ich glaube nicht, dass sich der Bürgermeister, der Polizeichef, der Werkbesitzer, Prinzen, andere Adlige u.s.w. incognito durch diese eigentlich immer belebten Straßen bewegen konnten (und vielleicht auch gar nicht getraut hätten), ohne bemerkt zu werden, zumal sich diese Menschen dort ja gar nicht auskannten und sich, um wenigstens einigermaßen sicher zu sein, dort schon vorher einige Male umgeschaut haben mußten.
Auch der Polizei wäre doch zu Ohren gekommen, wenn sich in diesem Slum eine Person mit allgemeinem Bekanntheitsgrad herumgetrieben hätte, denn warum sollten die Bewohner so jemanden decken?

Gruß Stordfield

KvN

  • Gast
Hi Stordfield!

Woll ma doch ned übertreiben! Zwischen dem letzten Penner (Warum, Lestrade?) und einem Prinz gibts ja schon eine gewisse Bandbreite...Ich glaube auch nicht dass JtR eine prominente Person im heutigen Sinn war. Und Whitechapel als "Kloake" zu sehen ist auch schon wieder so ein Axiom. Eine entsprechende Karte auf casebook zeigt dass alle sozialen Schichten (okay, ausser Prinzen) auf engstem Raum zu finden waren...

Grüße

Offline Lestrade

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Eben KvN!

Ein respektabel gekleideter Mensch im EastEnd war nicht automatisch ein Prinz. Nur weil du auf der Karte "helle" Flecken erkennst, darfst du die unzähligen tausende Menschen im EastEnd, dessen Kinder verhungerten und garnicht so oft das Erwachsenenalter erreichten, so einfach herunterrechnen. Tausende Menschen kämpften dort täglich ums überleben. Die "dunklen" Flecken sind eine ganze Menge Menschen. Eine ziemliche Menge Menschen, Worte wie "Slum" oder "Kloake" sind keine schöne Worte, waren aber Realität. Und das in einem Land wie England. Zu jener Zeit, mit die größte Macht auf unserem Planeten. Und in Whitechapel lebten die Menschen zusammengepfercht. Wenn eine Mutter mitansehen muss, das ihr Kind verhungert (und dies dort beinahe täglich geschah) dann ist dies einfach schlimm genug. Was verschönert an dieser Situation, ein paar Straßenblöcke weiter, mit Leuten, die durch Handel wenigstens was zwischen den Kiemen hatten, das Sterben eines verhungernden Kindes? Erinnert mich an einen krebszerfressen Menschen, dem man sagt, ihre linke Niere ist aber noch okay...

Warum der letzte Penner? Ich gehe davon aus, dass der Ripper die gleiche Schicht wie seine Opfer angehörte. Er fand sie in den übelsten Gegenden, in denen er sich wahrscheinlich gut auskannte. Er wird also nicht in Lack und Leder herumgerannt sein. Zu den Taten wird er sich, wie man heute sagt, etwas aufgepimpt oder aufgebretzelt haben. Jedenfalls das vorgespielt haben, was er nicht war. Unter respektabel gekleidet verstehe ich für 1888 "stinknormal".

Viele Grüße, Lestrade.
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Stordfield

  • Gast
Hallo ihr Beiden!

Im Anfangsposting dieses Threads wird eindeutig von einer "Person von allgemein hohem Sozialprestige" und "vertrauenswürdige Person des dortigen öffentlichen Lebens" gesprochen. Meines Wissens haben diese Persönlichkeiten aber nicht im direkten Brennpunkt der Ereignisse, sprich Dorset Street, Flower and Dean und Thrawl Street gelebt, sondern schon etwas "abseits".

Gruß Stordfield

KvN

  • Gast
Nur um Mißverständnisse zu vermeiden: Ich wollte in keiner Weise das Elend der Bevölkerung in Frage stellen, die zeitgenössischen Berichte sind deutlich genug!
Und das etwas abseits...Hhhhm, mein alltime Favorit Klosowski wohnte nur Minuten weg und war wohl doch so etwas wie eine respektable Person, mit kleinen Fehlern halt...