Vielleicht war das Verhältnis von Trevor Birdsall und Peter Sutcliffe ja so ähnlich wie das zwischen dem Soldaten von Pearly Poll und dem von Martha Tabram: Erwischt hat er ihn vielleicht nicht und war auch kein Mittäter, aber gedacht hat er sich einige Zeit später, als er von dem Mord erfuhr, vielleicht schon seinen Teil, auch wenn der Kollege in diesem Fall vielleicht sogar wirklich unschuldig war...
Ich denke natürlich in erster Linie auch an einen Einzeltäter. Sollten wir uns diesbezüglich jedoch irren, glaube ich auch nicht an eine Obsession als Motiv (zumindest nicht an eine Obsession sexueller Natur). Da wären dann eben andere Gründe wahrscheinlicher.
Auf jeden Fall sollten wir diese ´zwei-Männer-eine-Frau-Geschichte´ zumindest im Hinterkopf behalten, auch aus anderen Gründen. Und insofern ist mir jetzt übrigens noch die Aussage eines inoffiziellen Zeugen aus der Nacht des ´Double Event´ wieder eingefallen, die ich mir, sofern etwas dran ist, überhaupt nicht erklären kann, nämlich die von
James Blenkinsop, der ja kurz vor dem Mord an Eddowes und in etwa zur selben Zeit als (bzw kurz bevor) Lawende, Lewis und Harris den Imperial Club in der Duke Street nach eigenen Angaben verließen, am St. James´s Place, also gleich nördlich des Tatortes,
von einem respektabel gekleideten Mann gefragt worden sein soll, ob er dort einen Mann und eine Frau vorbeikommen gesehen hat. Also, wenn Blenkingsops Geschichte stimmt – (mal ganz abgesehen von den eher unwahrscheinlichen Möglichkeiten eines Komplizen oder gar eines gemischtgeschlechtlichen ´Mördertrios´, oder der Möglichkeit, dass irgendeine Zeitangabe nicht genau stimmte, und einer der Herren aus dem Imperial Club nochmals zurückkam, weil ihm das Pärchen doch nicht so egal war: )
Was für Gründe könnte es für so eine Frage gegeben haben? Hat da jemand seine Gesellschaft verloren? Ist da einer zu einer Verabredung zu spät gekommen, und das Pärchen, das er treffen wollte, war bereits weg? War da einer von der Bürgerwehr ursprünglich auf der richtigen Spur bzw fast zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Oder war unser Freund Hutchinson oder ein ähnlich veranlagter Herr mal wieder am ´Pärchen´-Stalken?
Ging der Ripper (ganz unabhängig davon, ob er der Mann war, den Blenkinsop sah, oder nicht) vielleicht generell auf Nummer sicher, dass seine späteren Opfer zuvor mit einem anderen Mann gesehen wurden? Vielleicht heftete er sich aber auch gerade auffälligen Freiern an die Fersen, die überhaupt nicht seinem Aussehen entsprachen und schlug zu, als diese sich gerade von einer Prostituierten verabschiedet hatten? Was war da also los, am St. James´s Place, und vor allem: Warum wurde Blenkinsop nicht zur gerichtlichen Untersuchung geladen? War sich die Polizei bei dem ´Seemann´, den Lawende beschrieb, so sicher, dass nur dieser der Mörder gewesen sein könnte, oder gab es andere Gründe? - Womit wir auch wieder bei einer von Lestrades ursprünglichen Fragen, nämlich der nach zurückgehaltenen Täterbeschreibungen, wären. ´Respektabel gekleidet´, wie Blenkinsop dem Star über den Mann mitteilte, ist ja nicht gerade eine sehr genaue, öffentliche Beschreibung,... Um Andersons und Swansons Zeugen dürfte es sich allerdings bei Blenkinsop, zumindest dem Namen nach zu urteilen, auch nicht gehandelt haben, zumal deren Zeuge ja jüdischen Glaubens war. Dennoch wäre hier zumindest klar gewesen, warum die Polizei nur einen einzigen Zeugen zur Gegenüberstellung geladen hatte, und dass eine solche in den Zuständigkeitsbereich der City Police gefallen wäre. Ach ja, @ Lestrade: Ob nur ein Zeuge zur Gegenüberstellung im ´Seaside Home´ geladen war, wissen wir ja eigentlich nicht, sondern nur, dass der Verdächtige dabei letztendlich von
einem Zeugen identifiziert worden sein soll.
Auch wenn ich Stride und Eddowes nach wie vor zwei verschiedenen Tätern zuordne, hätte mich jetzt irgendwie schon interessiert, ob der Mann vom St. James´s Place eine Pfeife oder ein Messer dabeihatte, bzw, ob ein alter, schwarzer Lederhut mit weiter Krempe für Blenkinsop noch unter ´respektabel gekleidet´ gefallen wäre.
Wobei: Wie war das noch mal mit der Polizei und den Festnahmen nach dem Double-Event? ´
They arrested one man on the description thus obtained, and a second on that furnished from another source, but they are not likely to act further on the same information without additional facts.´? Hm....
Fielen Gegenüberstellungen von Zeugen und Verdächtigen von zwei verschiedenen Tatorten vielleicht unter den Begriff ´additional facts´?
Praxis waren solche aufgrund einer ähnlichen, optischen Erscheinung von Verdächtigen angeblich schon, zumindest etwas später, und wenn man den betreffenden Zeitungsberichten glaubt: Sowohl im Fall
Frances Coles, als auch im Fall
Alice Graham soll es ja jeweils eine Gegenüberstellung mit einem Zeugen vom Fall Caherine Eddowes gegeben haben. (Ich fasse das mal kurz zusammen, für alle, die diese Berichte nicht kennen): Als wahrscheinlicher Zeuge gilt in beiden Fällen Joseph Lawende, und der Grund dafür wäre dann vermutlich seine Beschreibung des ´seemännisch´ aussehenden Mannes. Diese Beschreibung trifft auf den Gegenübergestellten im Fall Coles,
Thomas Sadler, sowohl optisch, (wie man diversen Zeitungsillustrationen entnehmen kann), als auch auf Grund seines Berufes zu. Der Zeuge soll jedoch nicht in der Lage gewesen sein, Sadler zu identifizieren. Im Fall Graham ist meines Wissens nach nicht wirklich überliefert, wie der Täter,
William Grant Grainger, den man ´red handed´, also ´in flagranti´ gefasst hat, ausgesehen hat, Tatsache ist aber, dass er wohl nach einem abgebrochenen Medizinstudium als Feuerwehrmann auf Schiffen tätig war. Das Interessante dabei ist, dass die
Pall Mall Gazette berichtete, dass ihn der Zeuge von einem der Morde im Fall JtR positiv identifiziert haben soll, obgleich das Blatt selbst die Möglichkeit einer tatsächlichen Identifizierung in Frage stellt - allein schon deshalb, weil die Whitechapelmorde ja bereits fast 7 Jahre her waren. Mittels Suchfunktion habe ich übrigens hier im Forum noch nichts über Grainger gefunden, ich stelle demnächst einmal seinen Fall herein, derweil aber nur noch soviel in Kürze: Grainger erhielt im Endeffekt 10 Jahre Haft für den Mordversuch an Graham. George Kebell, sein eigener Anwalt, hielt ihn für Jack the Ripper, und wohl auch für den Anderson-Verdächtigen und lieferte sich diesbezüglich heftige Kontroversen mit Dr. Forbes Winslow. Abschließend noch etwas Spannendes zum Thema ´Heimlichtuerei´: Wie jemand aus dem Forum im Casebook festgestellt hat, ist im File von Grainger im Online-Archiv von
Old Bailey in erster Linie nur folgender Eintrag zu finden: ´
The evidence is unfit for publication – GUILTY.´ (´
Die Beweisführung ist für eine Veröffentlichung nicht geeignet – SCHULDIG.´)
Was ich merkwürdig finde, ist die Tatsache, dass ein Zeitungsbericht über die Sadler-Gegenüberstellung etwas von Lawendes bekannter Täterbeschreibung abweicht, und sogar ´dressed respectably´ darin vorkommt. Überhaupt gibt es da scheinbar die unterschiedlichsten Beschreibungen, die Lawende zugerechnet werden...
Um nun auch kurz noch mal komplett off-topic zu werden: Auch ich bin der Meinung, dass der Hinterhof der Hanbury Street der riskanteste Tatort mit Ausnahme des Dutfield´s Yard war. Wie ein Einzeltäter da im Falle einer Entdeckung wieder rauskommen hätte wollen, ist mir ein Rätsel. Selbst über den Zaun zu klettern wäre, wie der Zeuge Cadosch beweist, eine ziemlich riskante Angelegenheit gewesen. Zudem konnte der Täter dort eben aufgrund der vielen Fenster kaum Vorkehrungen gegen ein etwaiges, zufälliges Entdecktwerden treffen....
Grüße,
panopticon