Autor Thema: Hyam Hyams  (Gelesen 26395 mal)

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Stordfield

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Hyam Hyams
« am: 15.11.2009 17:05 Uhr »
Hyam Hyams : Porträt eines Verdächtigen
( von Wolf Vanderlinden )
( von mir übersetzt )

Die Theorie , daß der Ripper jüdisch gewesen sein dürfte , ist nicht neu . Das Gebiet , in dem die Morde stattfanden , wurde von jüdischen Einwanderern bevölkert . In den Jahren 1880 bis 1886 haben 20000 Juden die Einwohnerzahl anschwillen lassen und Spannungen zwischen den Menschen hervorgerufen . Nachdem die Mordserie an nichtjüdischen Opfern begonnen wurde , zeigte man schnell mit den Fingern auf die Neuankömmlinge . Tatsächlich war der erste Verdächtige , der die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregte , ein Jude , der als „ Lederschürze“ bekannt war . Dieser Mann , John Pizer , wurde verhaftet .                                                                                                                                                                                                                       
Auf dem Höhepunkt der Mordserie suchte ein hysterisches Volk Antworten und tadelte die jüdischen Rituale und Sitten , tatsächliche und imaginäre . Außerdem wurde allgemein angenommen , daß kein Engländer für solche brutalen Verbrechen verantwortlich sein könnte .
Dieser lange anhaltende Verdacht gegen die jüdischen Einwohner Spitalfields und Whitechapels fand auch Unterstützung durch Herrn Robert Anderson , Ex – Assistentcommissioner der City Police und Mitverantwortlicher bei den Morduntersuchungen , der 1910 in einer Zeitung aus Blackwood schrieb : „ Man muß kein Sherlock Holmes sein , um zu erkennen , daß der Typ ein sexuell Wahnsinniger war , daß er in unmittelbarer Nähe der Tatorte wohnte und daß , wenn er nicht allein lebte , seine Verwandten von seiner Schuld wußten , es aber ablehnten , ihn der Gerechtigkeit zu übergeben .“ Weiter bemerkt er : „ Während meiner Abwesenheit im Ausland haben meine Leute eine Haus – zu – Haus – Suche vorgenommen und dabei die genauen Umstände jeden Mannes im Bezirk durchleuchtet . Dabei waren auch solche , die kommen und gehen konnten , wann sie wollten , die aber keine Blutflecke aufwiesen , was sie vom Verdacht befreite . Das Ergebnis , zu dem wir kamen , war , daß der Mörder und seine Leute zu der untersten Klasse der Juden gehörten …Und das Ergebnis hat bewiesen, daß wir mit unserer Diagnose in allen Punkten Recht hatten .“ Er fügte noch eine wichtige Information hinzu : „ …ich werde nur sagen , daß das Individuum , das wir vermutet haben , in einer Anstalt eingesperrt wurde .“
Nachforschungen in den Akten der Londoner Asyle und Anstalten haben einen wahnsinnigen Juden ans Licht befördert : Hyam Hayms .
Er wurde am 8. Februar 1855 in Aldgate als Sohn von Solomon und Fanny Hyams geboren .
Sein Vater , ein Zigarrenhersteller , verließ die Familie , als Hyam 26 Jahre alt war . Dieser lebte nun mit seiner Mutter , seinen drei Brüdern ( Barney , George , Morris ) , seinen Schwestern ( Jane , Clara ) und Janes Ehemann John Abrahams zusammen in  Mitre Square Nr. 29 , Aldgate . Im Census wurde sein Beruf als Obsthändler angegeben .
Irgendwann nach 1881 heiratete er eine Frau namens Rachel , mit der er zwei Kinder zeugte ( William und Kate ) .
Am 29. Dezember 1888 wurde er morgens gegen 6 Uhr von einem Beamten der City Police aufgegriffen und ins Whitechapel Arbeiterkrankenhaus gebracht . Dort wurde sein Zustand als Delirium tremens diagnostiziert , einer Krankheit , die gewöhnlich von Halluzinationen und Wahnvorstellungen begleitet und durch schweren Alkoholmißbrauch verursacht wird . Sein Wohnort wurde mit 217 Jubilee Street , Mile End angegeben . Er wurde nach 13 Tagen entlassen , aber schon 3 Monate später lieferte man ihn erneut ein . Hyams gab an in 4 Bell Court Lane zu wohnen , verheiratet , 34 Jahre alt und „ allgemeiner Händler“zu sein . Noch am gleichen Tag überwies man ihn in die Colney Hatch Irrenanstalt , da man bei ihm ein „ schwaches Gemüt“ festgestellt hatte . Er galt als gewalttätig und gefährlich , besonders seiner Ehefrau gegenüber , die er schon mal am Kopf verletzt hatte . Auch war er Epileptiker und starker Alkoholiker .
Am 30. August 1889 entließ man ihn nach viereinhalb Monaten , aber bereits 10 Tage danach gab man ihn , weil er seine Frau angegriffen und auf sie eingestochen hatte , in das City of London Lunatic Asylum in Kent . Man lieferte ihn als „ irrsinnige Person“  ein . Seine Ehefrau sagte aus , daß sie in den letzten neun Jahren sehr unter seinem gestörten Verhalten gelitten habe . Er glaubte , daß sie ihm untreu sei und periodisch traten immer wieder epileptische Anfälle bei ihm auf . Er wurde immer gewalttätiger . Außerdem verübte er Selbstmißbrauch ( Masturbation ) und trank sehr viel . Allerdings , meinte sie , daß er gelegentlich auch gütig , zivil und fleißig war . Dann legte er auch große Aufmerksamkeit auf seine äußere Erscheinung und pflegte sich .
Am 4. Januar 1890 wurde er zurück nach Colney Hatch gebracht . In der dortigen Fallakte steht : „ …hatte häufig epileptische Anfälle und war dann sehr gewalttätig und schmutzig . Sonst ruhig , aber verbittert gegen die Ehefrau .“ Offensichtlich waren diese Anfälle zyklisch , erst kamen sie jeden Monat , dann alle vierzehn Tage . Er wurde „ ein gefährlicher Wahnsinniger , der sein Bettzeug zerstörte , masturbierte , die Wände mit Kot beschmierte und öbszöne Worte schrie .“ Seine Fehlvorstellung betreffs der untreuen Ehefrau wurden immer gravierender , schließlich beschuldigte er sogar die Anstaltsärzte , etwas mit ihr zu haben . Er sang und weinte und hoffte , daß „ Gott ihn zu sich nehmen würde“. Einmal verlangte er nach einem Messer , um sich selbst zu töten . Er wurde beschrieben als laut , gewalttätig , bedrohlich und zerstörerisch und soll andere Patienten und das Personal angegriffen haben .
Hyams wurde zweimal im Census von 1891 aufgeführt , einmal als Insasse von Colney Hatch ( als H. H. , 35 , Zigarrenhersteller , irrsinnig ) und einmal wohnhaft in 40 New Street , Gravel Lane , Aldgate ( Hyam Hyams , 37 , Möbeltischler ) . Letzteres war wahrscheinlich ein Wunschtraum seiner Frau , die eventuell hoffte , daß er als geheilt entlassen und zu ihr zurückkehren könnte .
Hyam Hyams starb am 22. März 1913 in der Colney Hatch Irrenanstalt . Als Todesursache wurde Epilepsie und Herzversagen angegeben .
Es ist nicht schwer zu verstehen , warum Hyam Hyams in den Kreis der Verdächtigen geriet . Zunächst einmal war er ein Wahnsinniger , der zusehends gewalttätiger wurde , als sein geistiger Gesundheitszustand immer mehr zusammenbrach . Er hat mehr als eine Person mit dem Messer angegriffen . Nach seiner Einweisung hörten die Morde auf . Außerdem wurde er am Mitre Square geboren , einem der Tatorte . Mark King erklärte , daß C. Eddows Leichnam an den hinteren Fenstern eines Zigarrenladens gefunden wurde , der einem Mr. Taylor gehörte, der ihn von Hyams` Onkel Lewis Levy übernommen hatte . Gemäß dem Census von 1881 und dem Londoner Branchenverzeichnis von 1884 betrieb ein anderer Onkel , John Levy , ein Tabakgeschäft in der 254 Whitechapel Road . Das ist nur eine Haustür neben der Adresse , wo der Arbeiter Thomas Coram nach den Morden an Stride und Eddows ein langes Messer gefunden hatte , das in ein blutverschmiertes Taschentuch gewickelt worden war .
Im Whitechapel Arbeiterkrankenhaus gab er seine Adresse mit Jubilee Street an . Dort gab es auch einen Laden für Lederwaren , der einem Mr. Marsh gehörte . Im Oktober 1888 kam , als gerade die Tochter des Besitzers , Emily , hinter der Ladentheke stand , ein Mann herein und erkundigte sich nach dem Wohnort von Mr. Lusk , dem Vorsitzenden der Whitechapel – Bürgerwehr . Das Verhalten des Fremden erweckte den Argwohn des Mädchens und als der Mann wieder ging , schickte sie den Ladenjungen hinterher . Später wurde ein Unbekannter , dessen Beschreibung auf den Besucher paßte , gesehen , wie er das Haus von George A. Lusk beobachtete , der kurz darauf ein Päckchen mit einer halben Niere erhielt .
Von größtem Interesse ist die Theorie , daß der Augenzeuge Joseph Hyam Levy, Hyam Hyams und dessen Familie gekannt haben dürfte . Es ist unmöglich , dies mit Bestimmtheit zu sagen . Sie lebten alle schon viele Jahre um den Mitre Square herum und hatten eine lange Verbindung zu dem Platz . Levy hat , zusammen mit Joseph Lawende und Harry Harris , kurz vor dem Mord ein Pärchen am Eingang zur Church Passage stehen sehen . Kann es sein , daß er die beiden erkannt hatte ? Er sagte zu Harris , daß er nicht gern allein nach Hause geht , wenn er solche Typen sieht . Ripperologen fragen sich , was ihn an den beiden so erschrocken hat . Eine Zeitung vermutete , daß Levy etwas wußte und befürchtete , dies vor Gericht preisgeben zu müssen . Aber das sind nur Spekulationen . Das Gleiche gilt auch für den Rest von Kings Theorie . Das Messer zum Beispiel wurde von Dr. George Bagster Phillips untersucht und er meinte , daß dies nicht die Mordwaffe gewesen ist . Hyams Erscheinungsbild stimmte auch nicht mit Emily Marsh` Beschreibung des Mannes in ihrem Laden überein .
Man kann Vieles im Fall Hyam Hyams weglassen oder bagatellisieren , fest steht : Wegen seinem gewalttätigen Charakter und den Angriffen auf andere Personen ist er genau die Art Individuum , die man näher untersuchen sollte , wenn man nach einem Tatverdächtigen für die Whitechapel – Morde sucht .


Arthur Dent

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #1 am: 20.11.2009 21:28 Uhr »

Man kann Vieles im Fall Hyam Hyams weglassen oder bagatellisieren , fest steht : Wegen seinem gewalttätigen Charakter und den Angriffen auf andere Personen ist er genau die Art Individuum , die man näher untersuchen sollte , wenn man nach einem Tatverdächtigen für die Whitechapel – Morde sucht .




Interessanter psychiatrischer Fall - aber meines Erachtens widerlegt gerade diese Krankengeschichte die These, dass Hyams der Ripper gewesen sein könnte.
Seine Erkrankung nahm ihm, nach allem, was hier zu lesen ist, ganz offensichtlich die Kontrolle über seine Handlungen und die Situation.
Alkoholismus, Epileptische Anfälle, Wahnvorstellungen und unkontrollierte Gewaltausbrüche...  
Dadurch dürfte es ihm schwerlich möglich gewesen sein, in den Tatnächten nicht aufzufallen - ganz zu schweigen davon, sich das Vertrauen der Opfer zu erschleichen und während der Tat und auf der Flucht Herr der Lage zu bleiben.

MfG; Arthur Dent

Stordfield

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #2 am: 20.11.2009 22:45 Uhr »
Hallo AD !

Ich stimme Dir in allen Punkten zu.

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #3 am: 27.12.2010 22:50 Uhr »
Hyam Hyams? Äußerst interessant. Einer von 4 Personen, neben David Cohen, Jacob Levy und Aaron Kosminski, auf denen der Seaside- Home identifizierte "Kosminski" passen könnte. Findet zu wenig Beachtung. Die Krankengeschichte würde ich nicht allzu stark als Contra werten.
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Mort

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #4 am: 28.12.2010 00:48 Uhr »
Nein auch für mich sind diese Krankheitssymptome nicht unbedingt ein Hindernis. Zumindest Wahnvorstellungen dürften sowieso bei allen Vieren der von Lestrade erwähnten Verdächtigen zu finden sein. Was unkontrollierte Gewaltausbrüche angeht passt dies meines Erachtens auch ganz gut ins Bild welches ich derzeit vom Ripper habe. Ich denke so einer muss schon vorher durch sowas regelrecht aufgefallen sein. Jedenfalls würde ich es keinesfalls als Kontrapunkt sehen. Alkoholismus: Wenn einer viel verträgt müsste er sich trotz Alkoholismus in gewissen Situationen zumindest einigermaßen verhalten können. Was die epileptischen Anfälle betrifft kommen diese ja unter anderem häufig von Alkoholismus. Und wer soff den eigentlich nicht im East End?

KvN

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #5 am: 28.12.2010 07:12 Uhr »
Hi zusammen!

Also ich sehe das ein bisserl anders...
Epilepsie, Wahnvorstellungen (Delirium), Affektdurchbrüche, das sind eindeutige Kennzeichen eines Entzugssyndroms in seiner schwersten Ausprägung. Nie und nimmer ist ein Mensch in diesem Zustand in der Lage, die hier zur Diskussion stehenden Verbrechen zu begehen, weder physisch noch psychisch. Patienten in diesem Stadium des Alkoholabusus können im Regelfall nicht einmal mehr ihre Muskelfunktion koordinieren. Die Verstümmelungen, die JtR seinen Opfern antat verlangten zwar nicht unbedingt die Kenntnisse eines Chirurgen, hohe Anforderungen an die Feinmotorik stellten sie aber allemal. Nein, keine Chance für Hyam Hyams...

Grüße   

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #6 am: 28.12.2010 10:22 Uhr »
Es geht mir ja in erster Linie darum, wer im Seaside- Home identifiziert wurde. Mich interessieren dabei ersteinmal keine Krankenakten, die 1888 sicherlich anders aussahen als 2010. Außerdem berichtet seine Frau, das er neben Phasen des Hängenlassens, auch sehr zivil und gepflegt auftrat. Und da erinnere ich mal an die Beschreibungen von Zeugen (Hutchinson gegen den Rest). Kurt, ich verstehe deine Agrumentation aber Wahnvorstellungen oder impulsive Handlungen, kommen nicht nur durch einen Entzug. Das solltest du sicherlich wissen. Und Epilepsie bricht nicht 3mal am Tag aus. Schwere Trinker können auch Rekorde brechen. Tony Adams und Paul Merson (beide Arsenal) waren Hochleistungssportler und Alkoholiker vom feinsten.
Zwischen 7.Dezember 1888 und 4 Februar 1891 wurden vier offenbar psychisch Kranke jüdische Männer in Anstalten eingeliefert. Vier Männer von denen wir wissen. Solche, wie von Anderson, Swanson und Macnaughton beschrieben. Mehr oder weniger zutreffend. Wenn keiner übersehen wurde und die Identifizierung nicht 10 Jahre später stattfand, sollte der "Kosminski" aus dem Seaside- Home dabei sein. Beachtet man den frühen Tod des Verdächtigen, wie von Swanson eingefordert, bleiben Cohen und Levy übrig. Hat der sich geirrt (z.B. Cohen mit Hyams oder Levy mit Aaron Kosminski verwechselt) fallen alle vier ins Raster. Cohen noch gewalttätiger als Hyams, letzterer mit Wohnorten an den Tatorten. Levy ein Schlächter mit einem Zeugen (Joseph Hyam Levy) und wohl einem Bruder in der GS im Schlepptau. Und wie sehr Aaron Kosminski wirklich "Schwachsinnig" und "Gewaltfrei" war, weißt doch auch niemand wirklich.
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KvN

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #7 am: 28.12.2010 11:15 Uhr »
Hi Kölner Kumpel!

Ich sage ja nicht dass Hyams uninteressant ist, aber aus der zeitgenössischen Beschreibung der Symptome ergibt sich ein eindeutiges Krankheitsbild. Und das ist eben mit den Taten nicht in Einklang zu bringen. Wobei es mir gar nicht so sehr um die beschriebenen Krankheitszeichen geht (z.B. die Epilepsie), viel mehr um den allgemeinen Zustand der sich daraus folgern lässt.
Naja, stur wie ich bekanntermaßen bin glaube ich nach wie vor nicht an die Taten eines psychisch Kranken im damaligen Sinn. Die Morde fanden nicht im Blutrausch statt, der Täter handelte eiskalt und mit Kalkül...

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #8 am: 28.12.2010 14:15 Uhr »
Deine Sturheit macht dich sehr liebenswürdig... Aber du kennst ja meine Passion für den "Anderson- Verdächtigen". Ich beackere dieses Feld, einer jenes, der andere wiederum dieses...

Und dabei besonders interessant: Starb dieser Verdächtige wirklich? Oder hat Swanson falsche Informationen bekommen?

Cohen starb am 20. Oktober 1889 in Colney Hatch. Bis dato, die gefährlichste Person, die dort jemals eingeliefert wurde. Hyams, der “Terror of the City of London Police” wurde am 30. August 1889 aus Colney Hatch entlassen. Am 15. April 1889 (Macnaughten: about march 1889) war er dort eingeliefert worden (“under restraint and in a noisy condition.”,  “violent and dangerous“) nachdem er erst in´s Whitechapel Workhouse Infirmary vorstellig wurde. Dort war er schon einmal, vom 29.12.1888- 11. Januar 1889. Er war also mit Cohen insgesamt 5 Monate in Colney Hatch. Am 9. September 1889, also kurz nach seiner Entlassung, kam er nach Stone, Kent (Anderson) um am 04. Januar 1890 wieder von Kent nach Colney Hatch verbracht zu werden. Da war Cohen schon verstorben. Hätte sich Swanson zum Jahresende 1889 nach einem sehr gefährlichen, gewalttätigen Mann in Colney Hatch erkundigt, dann wäre dort keiner mehr gewesen. Cohen war tot. Hyams in Kent. Und beide Männer fielen besonders durch Gewalt auf. Knappe zwei Monate nachdem Hyams aus Colney Hatch entlassen wurde (fü ca. 10 Tage auf freiem Fuss) starb Cohen. Cohen starb am Bett gefesselt und dürfte mächtig Eindruck gemacht haben. Mehr als der entlassen Hyams, der vielleicht einmal "Fortschritte" zeigte. Eine gute Konstellation, um auf eine falsche Annahme zu kommen. Ähnlich funktioniert dies auch mit Levy und Aaron Kosminski. Obwohl Levy niemals in Colney Hatch war sondern in Kent. Aber Anderson schloß ja Kent nicht aus. Aaron Kosminski hatte aber die gleiche Geschichte wie Cohen und Hyams (Arbeiterkrankenhaus und Colney Hatch).

Grüße nach Wien.

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Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #9 am: 28.12.2010 14:24 Uhr »
P.S.:

Läuft übrigens auch umgekehrt mit Swanson und Anderson. Letzter kann den falschen Mann "beschrieben bekomme haben", der, welcher noch am Leben war. So könnten beide den gleichen gemeint haben aber auf unterschiedliche Ergebnisse bei ihren Nachforschungen danach gestoßen sein. Immerhin kam der Verdächtige ja von der City Police zu ihnen, der MET.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #10 am: 28.12.2010 15:53 Uhr »
Ein Thread, der bezüglich Hyam Hyams vielleicht ganz interessant sein könnte:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=11145

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #11 am: 28.12.2010 18:15 Uhr »
Danke Shadow! Ist mir bereits kürzlich schon mal untergekommen.

7. Mai 1895 in der Pall Mall Gazette:

"...and Mr. Swanson believed the crimes to have been the work of a man who is now dead."

Swanson´s handschriftliche Vermerke (die zwischen 1910 und 1924 entstanden sein müssen) in Anderson´s "The Lighter Side Of My Official Life" von 1910, beinhalteten bekanntermaßen auch folgenden Satz:

"...he was sent to Stepney Workhouse and then to Colney Hatch and died shortly afterwards - Kosminski was the suspect - DSS"

Übrigens stammt die "One did not need to be a Sherlock Holmes..." Phrase von Anderson auch aus 1895, findet sich dann aber verändert in seinen Memoiren von 1910 wieder.

Es mag Haarspalterei sein aber 1895 glaubte Swanson dass der Verdächtige nicht mehr lebte. Hundert Prozent sicher hört es sich nicht an aber das ist Interpretationssache. Kann verschiedene Gründe haben oder absolut bedeutungslos sein. Passt aber auch zu Macnaughton Statements zu Kosminski´s Anstaltsaufenthalt:

"He was (and I believe still is..." Der Zweifel stammt aus der offiziellen Version und fehlte aber in der Aberconway Version...

Swanson beschreibt, wenn man haarklein weitermacht, einen Übergang vom Workhouse nach Colney Hatch ohne einen weiteren Tag dazwischen. Cohen war 15 Tage vor CH im Workhouse, Levy niemals da. Aaron Kosminski an 4 Tagen vor CH. Dieser hatte auch bei einem ersten Aufenthalt dort, vom 12.07. 1890 an, drei Tage da verbracht. Hyam Hyams war vom 29.12. 1888- 11.1.1889 14 Tage im Workhouse. Danach ging es wieder heim. Jedoch bei seiner zweiten Einlieferung am 15. April 1889, ging es direkt vom Workhouse weiter nach Colney Hatch. Demzufolge trifft Swanson´s Beschreibung an diesem Punkt voll und einzig auf Hyam Hyams zu.

Major Arthur Griffith´s Aussagen als Inspector of Prisons von 1878 bis 1896 beinhalteten zu einem Verdächtigen bekanntermaßen auch folgendes:

"a known lunatic, who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murder" Dieser Satz könnte im Zusammenhang stehen, zu Hyam Hyams ersten Aufenthalt im Workhouse vom 29.12. 1888- 11.1.1889. Vor einer möglichen Identifizierung oder Verdächtigung.

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Offline panopticon

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #12 am: 28.12.2010 21:48 Uhr »

´Well, I only spoke of it because they say, as a rule, your people come over here expecting to see dukes wearing their coronets and the thieves of Whitechapel in prison-cut clothes, and they are disappointed. But I don't think you will be disappointed in the district. After a stranger has gone over it he takes a much more lenient view of our failure to find Jack the Ripper, as they call him, than he did before. "

Dr. Robert Anderson gegenüber Mr. R. Harding Davis, einem amerikanischen Journalisten, in der Pall Mall Gazette vom 4. November 1889


Vorausgesetzt, dass er damals die Wahrheit gesagt hat und auch über den aktuellen Stand der Ermittlungen im Bilde war (!), sollte klar sein, was das dann bezüglich einer Theorie von ´Colney-Hatch-Hyam-Hyams´ (also den neueren Recherchen folgend nicht jener Hyam Hyams, der als Sohn von Solomon und Fanny Hyams am Mitre Square aufwuchs) oder David Cohen als ´Seaside Home Suspect´ bedeutet... Da Jacob Levy nie in Colney Hatch war, bliebe dann (!) wohl nur noch eine einzige der von Dir genannten 4 Personen übrig, auf die Andersons spätere Aussagen über die angebliche ´Identifizierung´ und Swansons Notizen dazu letztlich eventuell irgendwie passen könnten (!), nämlich jemand, der erst nach diesem Interview im November 1889 eingewiesen wurde, wieder freikam, abermals eingewiesen wurde und schließlich direkt in Anschluss daran in Colney Hatch landete: In Anlehnung an Swanson formuliert, ließe sich dann (bezüglich dieser 4 Personen) wohl nur sagen: Kosminski is the suspect.


Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #13 am: 28.12.2010 23:44 Uhr »
Kosminski? Könnte ich gut mit leben.

Kann mir Anderson im November 1889 gut im Understatement vorstellen. Was soll er der Zeitung auch erzählen? Von einer fehlgeschlagene Identifizierung mit einem Rückzieherzeugen? Ohne weitere Beweise? Weißt du ob jemand von der London- City Police mit im Raum war, als die MET Leute ihren Zeugen (und wer sagt uns das dieser überhaupt ein Londoner war?) dem Verdächtigen gegenüberstellten? Wer war überhaupt dabei? Nichts wissen wir. Und Anderson hätte wohl kaum die City Police, via einer Zeitung, über dieses Ereignis "informiert", wenn diese tatsächlich nicht selbst "Zeugen" dieses Szenarios wurden. Da wäre es wohl ein Jahr nach dem letzten Opfer, zu früh dafür gewesen. Zu früh, für solche Statements, die er Jahre später dann abgab. Das Datum der "Seaside Home" Gegenüberstellung könnte hier Klarheit bringen.
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Offline Craddock

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #14 am: 29.12.2010 01:05 Uhr »
So, irgendwo muss ich ja meinen ersten Beitrag setzen und warum dann nicht hier.  :yahoo:

Hyams ist wirklich sehr interessant, sag ich mal, auf das ursprügnliche Thema bezogen... um dann gleich off-topic zu werden.

Kosminski? Könnte ich gut mit leben.

Weißt du ob jemand von der London- City Police mit im Raum war, als die MET Leute ihren Zeugen (und wer sagt uns das dieser überhaupt ein Londoner war?) dem Verdächtigen gegenüberstellten? Wer war überhaupt dabei? Nichts wissen wir.  Das Datum der "Seaside Home" Gegenüberstellung könnte hier Klarheit bringen.

So, Zitat ordentlich beschnitten, gerade so, wie ichs brauche. Ich finde folgende Bemerkung von Swanson interessant:

"On suspect’s return to his brother’s house in Whitechapel he was watched by police (City CID) by day and night."

Vor allem der in Klammern gesetze Part, wonach der Verdächtge nach der Identifizierung offenbar von der City Police observiert wurde, könnte ein recht konkreter Hinweis sein. Dies würde nämlich, glaubt man Stewart Evans - und ich sehe im Moment keinen Grund, das nicht zu tun -, implizieren, dass die Gegenüberstellung demzufolge ohnehin eine Angelegenheit der City Police gewesen wäre, da ansonsten die Met auch für die Observierung zuständig gewesen wäre (und zwar unabhängig davon, ob der Verdächtige nun auf Met- oder auf City-Gebiet gelebt hätte). Als konkreter Fall käme somit nur der Mord an Eddowes infrage. Womit wir zu dem Punkt kommen, den ich bei der ganzen Seaside Home Angelegenheit als den für mich persönlich als interessantesten empfinde: Wer war der Zeuge? (Hier übrigens noch der Artikel von Evans, auf den ich mich beziehe, den man auf Casebook nachlesen kann. Den Verdächtigen lass ich mal außer Acht, ich nehme mal an, es war Aaron Kosminski, darauf werde ich aber in einem eigenen Thread in seinem Bereich noch mal eingehen, da ich ohnehin in den letzten Tagen ziemlich um ihn herumrecherchiert habe, wenn man das so nennen kann. Und sofern ich hier nicht zuviel Unsinn von mir gebe, wird das dann ja vielleicht sogar jemand lese  :biggrin:. Ach, der Artikel, stimmt ja... Es ist wohl schon zu spät: http://casebook.org/dissertations/dst-koz.html)

Evans spricht sich deutlich für Lawende aus, aber um ehrlich zu sein, mir behagt er nicht besonders. Gesetzt den Fall, es stimmt und Lawende hätte "Kosminski" identifiziert, was genau hätte die Polizei denn damit herausgefunden? Dass der Verdächtige gegen halb 2 morgens mit einer Frau gesehen wurde, die anhand ihrer Klamotten wahrscheinlich Catherine Eddowes gewesen ist? Ein bisschen dünn für meinen Geschmack. Ich bin im Forum irgendwo auf einen Post gestoßen, der die Frage stellt, ob eventuell ein PC der Zeuge gewesen sein könnte (ich glaube der Thread stammt sogar von Panopticon, bin da aber jetzt nicht sicher). Dies würde sich zumindest mit McNaughtens Äußerung vom "City PC near Mitre Square" decken. Andernson bleibt, was den Zeugen betrifft, ja eher zurückhaltend, er spricht ja nur von dem einzigen, der je einen guten Blick auf den Täter hatte und offenbar Jude war. Von Swanson ist auch nicht mehr zu erfahren, außer die wohl zuverlässigste Aussage, dass der Verdächtige "Kosminski" hieß. Da er der  einzige der drei ist, der wirklich in die Ermittlungen damals eingebunden war, würde ich das zumindest unterstellen. Den Umstand, dass er seinen Verdächtigen für tot hielt, messe ich persönlich keine allzu große Bedeutung bei. Dass er sich in diesem Punkt irrt, kann ich akzeptieren. Mir fällt es da wesentlich schwerer zu glauben, dass er den Namen des Verdächtigen vergessen oder verwechselt hat - allein wenn man bedenkt, wie hohe Wellen der Fall geschlagen hat und wie viel Druck von Seiten der Öffentlichkeit auf der Polizei lastete -, schon gar nicht bei jemandem, der angeblich ja identifiziert worden ist. Nein, ich halte es für ausgeschlossen, dass er den Namen verwechselt hat. Ich halte es aber für ärgerlich, dass er uns keinen Vornamen hinterlassen hat, das würde uns viele Spekulationen ersparen.  :biggrin:

Was den Zeitpunkt der Gegenüberstellung betrifft, gehe ich wieder mit Evans konform: Der Juli 1890 scheint für den Fall, dass es AK und nicht jemand anderer war, am wahrscheinlichsten. Die Zeit, die er im Old Town Workhouse verbrachte wäre wohl die günstigste, um eine Gegenüberstellung durchzuführen. Viel später könnte es jedenfalls nicht gewesen sein, denn wäre er schon für verrückt erklärt worden gewesen (falls das grammatikalisch noch Sinn ergibt) und Insasse von Colney Hatch, wäre so etwas wohl rechtlich schon nicht mehr möglich gewesen. Cohen wäre deshalb wohl schon ziemlich unwahrscheinlich, es sei denn die Identifikation hätte schon vor seiner Einweisung in die Anstalt stattgefunden.

So, genug von mir, ich weiß um die Zeit eh nicht, was ich da rumargumentiere...

Grüße, der Neue.  :biggrin: