Autor Thema: Miller`s Court  (Gelesen 44565 mal)

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Offline Isdrasil

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Re: Miller`s Court
« Antwort #45 am: 16.09.2010 09:11 Uhr »
Hi

Also ich sehe das ein wenig anders - ich denke zwar auch, dass der Ripper die Situation relativ gut einschätzen konnte, bin aber der Meinung, dass er in die jeweilige Tatsituation durch das Opfer gebracht wurde. Er war sich bewusst, dass eine Prostituierte mit ihm eine einigermaßen "ruhige" Stelle zur Verrichtung des Geschäfts aufsuchen würde. Im Prinzip konnte er die Wahl des Ortes also getrost den anderen überlassen - er musste sich nur sicher sein, die Tat an sich schnell und zielgerichtet bewältigen zu können und einige kleinere Vorbereitungen oder Überlegungen anstellen (Stichwort: Organtransport).
Wenn man mit diesem Hintergrund die Taten durchdenkt, dann wird Kelly auch verständlicher - der psychologische Druck, den der Täter verspürte, muss von Tat zu Tat gestiegen sein. Die Unsicherheit, dass sein Opfer ihn aufgrund der Rippermanie in eine Falle locken konnte oder etwas schiefgehen konnte, stieg von mal zu mal an. London und letzten Endes der ganze Erdball gerieten immer mehr in Aufruhr. Man könnte nun vermuten, dass der Täter seine Taktik geändert hätte, die Stadt gewechselt hätte oder mehr auf Sicherheit bedacht gewesen wäre - dieser Täter war aber nicht so. Im Gegenteil: Er reflektierte seine Unsicherheit, in dem er seine Grausamkeit steigerte, die Tatausführung war das direkte Ventil seiner inneren Wut auf diesen Umstand der Unsicherheit. Viele Menschen reagieren bei Unsicherheit aggressiv. Aggression ist ein Anzeichen von Angst und einer instabilen Gemütslage. Also ist dieses "Ich verlasse mich auf meine Opfer" für mich mit ein Grund der Aggressionssteigerung. Gerne kann man auch über einige Briefe als Ventil nachdenken, wer weiß. Ich glaube nicht, dass dieser Täter damit anfing - aber als die Ripperbriefe üblich wurden, wird er eventuell ein oder zwei verfasst haben, um sich Ausdruck zu verschaffen.

Ja, und genau hier kommt Millers Court ins Spiel: Kelly nimmt den Täter mit in ihr Zimmer. Eine völlig neue Situation. Eine völlig ungeplante und nie durchdachte Möglichkeit. Der Täter plante zwar die Tat nicht und überliess den Opfern die Tatortwahl, er dürfte aber die Tat an sich oft genug gedanklich durchgespielt haben. Jede Abweichung ist als ungeplant zu werten, und sei es nur das Wetter. Und dann ist die Tat auch noch in einem kleinen Innenhof. Man kann sogar in die Fenster schauen, ohne dass derjenige innen hinausschauen könnte (schonmal nachts aus dem Fenster gesehen? Unheimlich, oder?). Noch dazu müsste nur von außen die Tür versperrt werden oder der Gang in den Millers Court bewacht werden. Eine klassische Falle. Im Prinzip steht die ganze Existenz des Täters auf dem Spiel.
Und dann kommt diese unheimliche und gewaltige Entladung dieses inneren Zustandes des Täters, das explosionsartige Öffnen dieses Ventils, mitsamt der Wut und der Unbefriedigung, die der Täter im letzten Monat angestaut hat.

Für mich passt Millers Court perfekt in dieses Bild. Bei Stride habe ich da mehr Probleme, das sehe ich so wie KvN.

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 16.09.2010 09:34 Uhr von Isdrasil »

Offline Lestrade

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Re: Miller`s Court
« Antwort #46 am: 16.09.2010 15:18 Uhr »
Ich glaube, ich habe es schon einmal erwähnt. Es ist meiner Meinung nach wie bei jemanden, der ungesichert Hochhäuser hinaufklettert. Er würde sich dieser Gefahr kaum aussetzten, wenn er sich nicht dabei und damit sicher fühlen würde. Jemand der so etwas tut, der weiß was er tut, auch wenn es nur in seiner Vorstellung existiert. Aber er fühlt dann eben so. Nicht du oder ich aber derjenige dann. So stelle ich mir den Ripper vor.
Er wußte was dem EastEnd bevorstand, nur er alleine. Der Ripper war gut vorbereitet. Allen anderen vorraus, den Opfern, der Polizei, allen. Er begann "seine Häuser hinaufzuklettern", zum Erstaunen aller Umherstehenden und die wunderten sich, das er nicht herunterfiel. Darüber wundern wir uns ja heute noch. Er konnte aus seiner Sicht dieses Risiko ruhig eingehen. Die Vorraussetzung aus meiner Sicht dafür ist, das er seine Revier gut kannte. Er konnte sich darin sicher bewegen. Er dürfte die Bewegungen der PC gut gekannt haben und auch die anderer Sicherheitseinrichtungen. Er begab sich ja an keinen Ort, wo er hätte sicher sein können. Entweder hatte er nicht die Möglichkeit oder er wollte es auch einfach nicht. Ich glaube nicht, das sich ein Indoor- Mord so schnell wiederholt hätte. Kelly hatte eben ein eigenes Zimmer, ersparte ihm Hinterhöfe, Höfe oder dunkle Ecken. Er zog ja auch nicht in Betracht, seine Opfer zuzudecken oder anders zu positionieren oder irgendwo hinzuschleifen. Er hätte wahrscheinlich nie, trotz evtl. vorhandener Möglichkeiten, eines seiner Opfer dort hingebracht, wo es nicht leicht zu finden gewesen wäre. Diese Möglichkeit denke ich, hatte er so oder so nicht und auch garnicht in Betracht gezogen. Zu seinem MO gehörte, seine Opfer vor Ort zu töten und zu verstümmeln. Seine Phantasie. Könnte mir auch vorstellen, sie so "entblößt" liegenzulassen, gehörte auch zu seinem MO. Sieht sehr nach Verhöhnung der Opfer aus. Was er wahrscheinlich wollte war, einige Minuten unentdeckt mit seinen Opfern zu sein. Mehr war wahrscheinlich auch garnicht drin. Mit Ausnahme von Kelly. Da war das Risiko geringer auf Arbeiter zu treffen (Nichols) oder auf Klogänger (Chapman) bzw. auf Passanten einer schlecht gewählten Uhrzeit wie bei Stride oder eines sich direkt nahenden PC am Mitre Square. Und wer wollte in den Miller´s Court eintreten? Barnett? Die Tür wäre ihm wohl nicht geöffnet worden und hätte Barnet durch das Fenster geschaut, naja, dann wäre der Ripper durch die Tür und sicherlich nicht von Barnett verfolgt worden oder jemand anderen, da hätte man wohl zuerst nach Kelly geschaut. Ohne kaputte Scheibe wäre das aber auch garnicht möglich gewesen. Wer wußte das schon? Wir wissen ja nicht, wie der Ripper sein Risiko dabei selbst einschätzte. Nur ein ganz aufmerksamer Zeuge, hätte ihn hier in die Falle gehen lassen können. Hörte der Ripper etwas, hätte er ja den toten Mann markieren können. Bauernschlau war der schon. Ich weiß auch nicht, ob Nichols mit Absicht auf dem Gehweg getötet werden sollte. Meine Ansicht ist die (nur meine und meine eigene), das der Täter zumindest bei Nichols, Stride und Kelly, eine gewisse Zeit mit den Opfern vor deren Tötung verbracht hatte. 1-2 Stunden (auf welche Art und Weise auch immer). Irgendwann entschied er sich ja mal für jemanden. Ich denke, er checkte schon den Bereich aus, um zu sehen, wo der beste Ort für sein Vorhaben sein könnte bzw. bei Kelly, ob er sich auf einen Indoormord einlassen kann. Bei diesen Opfern denke ich, das er sich dann kurz von den Frauen trennte, um kurze Zeit später zurückzukehren, durch welchem Vorwand auch immer, um dann die finale Attacke anzusetzen. Es gab also einen Zeitpunkt, den er für richtig empfand. Vielleicht war bei Nichols ein Hof oder Eingang dann nicht mehr zugänglich. Der Fehler bei Stride könnte der gewesen sein, das er ungeduldig geworden war, vielleicht durch den Erfolg vorangegangener Taten geblendet und entgegen seiner Gewohnheit, zu früh zuschlug. Diesen Fehler versuchte er noch in der gleichen Nacht wettzumachen.
Was spricht dagegen, nachdem der Raum bei Kelly als geeignet von ihm empfunden wurde, sie kurz zu verlassen, um mit irgendeinem Versprechen, gleich nocheinmal kurz wiederkehren zu wollen? Er geht raus, checkt den Court, alles ist ruhig, wird vielleicht auch so für ein paar Minuten bleiben. Er befreit sein Messer, geht zurück, klopft bei Kelly an, die weiß ja wer noch mal kurz vorbeikommen will, sie öffnet die Tür, bereits im Schlafgewandt und der täuschende Ripper schlägt zu. Sie schrie, vielleicht hielt er danach kurz inne und als nichts passierte macht er weiter. Blieb alles ruhig, konnte er ja auch ungestört wie noch nie weitermachen. Und es schien wohl alles ruhig geblieben zu sein. Was schließt Kelly denn als Ripper- Opfer aus? Ihr Alter und die Indoor- Tat? Und die oft auch hier als mögliche Ripper- Opfer genannten Frauen? Ada Wilson war ca 20 Jahre und wurde "Indoor" attackiert, Martha Tabram ebenfalls nicht auf der Straße angegriffen und getötet. Rose Mylett war 29 Jahre, Frances Coles 26 Jahre. Aus dieser Sicht wäre ihr Alter und eine Indoortat kein Einzelfall.
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Offline Isdrasil

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Re: Miller`s Court
« Antwort #47 am: 18.09.2010 08:56 Uhr »
Hi Lestrade

Also ich finde, der Ripper wird ein wenig arg stilisiert - im Endeffekt hatte er wahrscheinlich "nur" vier Morde begangen, bei Eddowes wäre er beinahe erwischt worden. Es gibt Täter, die töten jahrzehntelang im eigenen Haus und keiner aus der Nachbarschaft merkt etwas. Dies ist meine Vorstellung von gut vorbereitet. Der Ripper hingegen konnte einfach alle Überlegung nach einem ruhigen Plätzchen etc. seinen Opfern überlassen. Ich sehe kein Indiz, dass er die Bewegungen der PC`s hätte kennen müssen. Ich sehe kein Indiz, dass er sich im East End hätte auskennen müssen. Mitre Square zum Beispiel: Hier wäre er beinahe gesichtet worden. Beinahe wäre es zu einer klassischen Verfolgungsjagd gekommen. Was kann man daraus schließen? Man kann sagen: "Es war ihm egal. Er rechnete damit, in der dunklen Ecke nicht gesehen zu werden. Er war eben ein gerissener Hund!", oder man kann sagen: "Er hat es nicht gewusst. Und eventuell hat er es noch nicht einmal gemerkt. Glück für ihn, dass Prostituierte mit ihren Freiern dunkle Ecken aufsuchen!". Ich bevorzuge die zweite Variante.  :icon_wink:

Ja, wenn man den ganzen Mythos herausfiltert, die ganze Hetze und den ganzen Hype der Presse außer Acht lässt und noch die Verhältnisse des East Ends in Betracht zieht, dann entstand dieser gerissene Übertäter nicht, weil er eben ein solcher war, sondern weil er zu diesem gemacht wurde.

Und wer wollte in den Miller´s Court eintreten? Barnett? Die Tür wäre ihm wohl nicht geöffnet worden und hätte Barnet durch das Fenster geschaut, naja, dann wäre der Ripper durch die Tür und sicherlich nicht von Barnett verfolgt worden oder jemand anderen, da hätte man wohl zuerst nach Kelly geschaut. Ohne kaputte Scheibe wäre das aber auch garnicht möglich gewesen. Wer wußte das schon?

Ja, aber das kann ein Täter doch alles nicht wissen. Ein Täter kann nicht wissen, dass kein Schlüssel existiert, ein Täter kann nicht wissen, ob am Eingang zum Millers Court nicht eine Gruppe von Menschen steht und sonst was macht. Millers Court war höchst unangenehm. Versteh mich nicht falsch - aber dein Szenario: "Dann schaut Barnett durch das Fenster und der Täter flüchtet durch die Tür" hat wenig damit zu tun, wie der Täter gefühlt haben muss - es gibt defintiv keinen derart gerissenen Täter, der so denkt. Und wenn er so handelt, dann äußert es sich in unglaublicher Aggression, die aus Angst resultiert. Ein Täter auf der Flucht ist wahrscheinlich das tödlichste und unberechenbarste, was es geben kann. Und zwar nur aus einem Grund: Er hat Angst. Er hat Angst um seine Existenz als Serienmörder. Und diese Angst verspürt er schon vorher, bei jedem einzelnen Freilichtmord. Seine routinierten Handgriffe haben damit nichts zu tun - Angst muss nicht zu flatterigen Händen führen, die Hormone können auch das Gegenteil bewirken und aus einem ängstlichen Menschen einen überaus vorsichtigen und zielgerichteten Menschen machen. Seine Handlungen können von einer erstaunlichen Präzision geprägt sein. Das hat aber alles nichts damit zu tun, wie es im Täter aussieht.

Das ist jedenfalls mein Bild des Rippers. Routiniert aus Erfahrung aber ängstlich und unsicher in Anbetracht einer möglichen Entdeckung. Die Wunden an den Opfern zeigen beides: Routine und Aggression. Und im Laufe der Taten nehmen die Anzeichen für Routine ab und weichen immer mehr den aggressiven Kompontenten. Der täter wurde von mal zu mal unsicherer. Seinen Zenith erreichte er bei Kelly. Hier dürfte er wirklich unberechenbar geworden sein. :icon_wink:

Grüße, Isdrasil

Stordfield

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Re: Miller`s Court
« Antwort #48 am: 18.09.2010 10:07 Uhr »
Hallo!

Ich habe vergeblich versucht, etwas über die Lampe gegenüber der Tür von M. Kelly in Erfahrung zu bringen. Meines Wissens dürfte dies eine Gaslaterne gewesen sein. Aber wurde sie überhaupt benutzt? Und wenn ja, wer entzündete sie und wann? Gestattete ihr Licht einen Blick von der Straße auf Marys Tür?  :icon_verwirrt:

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Miller`s Court
« Antwort #49 am: 18.09.2010 10:14 Uhr »
Hallo Isdrasil!

Wir dürfen unterscheidlicher Meinung sein. Und eben, er hat doch vielleicht garnicht gewußt, das Barnett überhaupt existiert. Oder darf ein Freier erwarten, das der Lebensgefährte oder Ex, während er mit der Prostituierten im Gange ist, vorbeikommt und Guten Morgen sagt? Nein.
Er hat zwischen den Beats bei Nichols, Stride und Eddowes gemordet. Wurde so nicht bei der Tat von Neil, Smith oder Watkins bemerkt, die"garantiert" wieder vorbeimarschieren würden. Soll man diese Fakten einfach ausschließen? So ist es passiert.
Serienkiller unterliegen einem Zwang und das Töten ist ein Muss. Je nach Bedingungen und Tätertyp, sehen die Taten und die Tatorte dementsprechend aus. Dieser Mann mordete auf der Straße. Diese Straßen waren sein eigenes Haus und sein Nachbarschaft. Ob nun sehr offensichtlich wie beim Ripper oder versteckt. Jemand, der in das Haus eines Serienkiller´s eindringt, den Ort seiner Greueltaten betritt, wird weniger Chancen haben dort zu überleben wenn der Täter anwesend ist als es draußen der Fall wäre. Dort kann auch der Täter garnicht entwischen, so wie jemand der draußen mordet. Im eigenen Haus wäre die Beweislage zu eindeutig. Intelligende Menschen sind gerissen, weniger Intelligende tragen als Kompensation eine gewisse Bauernschläue. Beides kann und wird durchaus für diese Art von Täter sehr nützlich sein. Selbst ein vollkommener Dummkopf, hätte mit viel Glück diese Taten begehen können. Denke ich aber nicht. Und außerdem, war der Ripper auch bei Stride im Gange, dann hat er Zeugen überleben lassen. Somit kann man nicht sagen, das er einen Eindringling auf jedenfall getötet hätte. Natürlich aus Angst Isdrasil. Angst ist die Ursache allen Übels bei diesen Ereignissen Jack the Rippers gewesen. Und wer sagt eigentlich, das der Täter nicht aus dem EastEnd kam und vielleicht sogar Dingfest gemacht wurde? Keiner von uns weiß es. Ehrlich gesagt überrascht es mich sehr, das du keine Indizien für einen sich im EastEnd gut auskennenden Täter siehst. Das kann nicht dein Ernst sein. Dann würde ich gerne mal all deine Indizien, für einen Täter außerhalb des EastEnds sehen wollen. Du widersprichst damit aber auch gängigen und modernen Ansichten und Meinungen absoluter Experten des Profiling oder aller anderen Kriminalwissenschaften aber vorallen den Erfahrungen. Mutig mit Sicherheit aber ich glaube, es gibt kein Rad, das dort neuerfunden werden will. Das Jack the Ripper aufgrund der Umstände immer mehr Angst bekam, das denke ich auch. Der Zwang des Töten wollen und müssen vs. der Angst gefasst zu werden, dürfte ihn stark beeinflusst haben. Er wurde auf jedenfall dünnhäutiger. Aber Isdrasil, keine Indizien für einen Täter aus dem EastEnd und das von einem Kopf wie dich? Das hast du doch unglücklich formuliert oder?

Liebe Grüße,

Lestrade.
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KvN

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Re: Miller`s Court
« Antwort #50 am: 18.09.2010 18:32 Uhr »
Hallo zusammen!

Von "hochstilisieren" möchte ich mich klar distanzieren. Ein Mord ist kein Geniestreich und auch keine kreative Tat. Ich bin auch weit davon entfernt den Ripper als "Superhirn" zu sehen, siehe andere postings meinerseits...
Ich bin nur der Überzeugung dass er sich in der Umgebung der Tatorte gut auskannte, wie schon gesagt.

Grüße

Offline Isdrasil

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Re: Miller`s Court
« Antwort #51 am: 18.09.2010 19:36 Uhr »
Hi Lestrade und KvN

Klar darf man unterschiedlicher Meinung sein - soll ja kein Kaffeekränzchen hier sein.  :icon_wink: :icon_bussi:

Ich möchte einfach mal drei Zitate von Euch hernehmen:

Er hat zwischen den Beats bei Nichols, Stride und Eddowes gemordet. Wurde so nicht bei der Tat von Neil, Smith oder Watkins bemerkt, die"garantiert" wieder vorbeimarschieren würden. Soll man diese Fakten einfach ausschließen? So ist es passiert.
Ja - es ist genauso passiert wie tausende von Prostituierten jede Nacht ihr illegales Geschäft unbemerkt von der Polizei verrichteten. Meinetwegen gibt es eine Dunkelziffer an "Mitwissern" der Polizei, die für eine regelmäßige Nummer die ein oder andere (Gelegenheits-)Prostituierte deckten - aber diese "unbemerkten" Taten sind absolut nichts Ungewöhnliches. Es war das tägliche Geschäft der Opfer. Sie kannten sich aus, sie boten dem Täter einen Platz, an dem er für ein paar Minuten ungestört sein konnte. Ich finde es nicht außergewöhnlich, dass er nicht von einem PC entdeckt wurde - außergewöhnlich hingegen ist, dass ihn kein Passant in flagranti erwischte. Und genau das war die Gefahr, die ihm im Nacken lag. Nicht die Polizei - sondern Passanten. Und während er bei den Taten an Nicholls, Chapman zugegebenermaßen etwas schwerer über den Zaun und bei Eddowes auch ganz einfach hätte wegrennen können, wäre ihm bei Millers Court eine Begegnung der bürgerlichen Art schneller zum Verhängnis geworden. Das hat er defintiv gespürt.
Ich meine - mal ehrlich: Wir reden hier von einem kriminellen Melting Pot und wundern uns, dass eine kriminelle Tat von vielleicht 5-10 Minuten nicht bemerkt wurde? Ich fände das in einer Stadt verwunderlich, die vortreffliche Mittel gegen Verbrechensbekämpfung und eine Verbrechensrate gegen Null hätte - aber im East End? Da war das wohl in der Tagesordnung...sei es eine Schlägerei, ein Raub oder ein Rippermord. Eine Tat ohne Zeugen und Störung durch PC`s - das war nicht so ungewöhnlich.

Aber Isdrasil, keine Indizien für einen Täter aus dem EastEnd und das von einem Kopf wie dich? Das hast du doch unglücklich formuliert oder?
Nö - war schon richtig formuliert. Nenn mir doch welche...ich sehe nur Indizien dafür, dass sich seine Opfer im East End ausgekannt haben.  :icon_wink:
Ich widerspreche da gerne den heutigen Profilern...als Indiz gegen einen Täter aus dem East End kommen mir spontan die Tatabstände in den Sinn. Aber das driftet jetzt nur vom Thema ab...können gerne mal im passenden Thread darüber diskutieren.

Ich bin nur der Überzeugung dass er sich in der Umgebung der Tatorte gut auskannte, wie schon gesagt.
Ja, aber wieso? Und sorry - mit hochstilisieren habe ich wie so oft eine extreme Wortwahl getroffen...

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 18.09.2010 19:49 Uhr von Isdrasil »

Offline Lestrade

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Re: Miller`s Court
« Antwort #52 am: 18.09.2010 20:07 Uhr »
Gut gesagt Kurt, ich gebe dir auch recht. Aber wir alle haben eben auch unsere eigene Sichtweise auf diesen Fall. Der eine sieht bestimmte Dinge so, der andere eben anders. Die meisten beschäftigen sich schon sehr lange damit, da entstehen nun mal bestimmte Strukturen in jedem Kopf. So richtig neue Sachen kommen nun auch gerade nicht zum Vorschein, die diese aufbrechen lassen. Ein Isdrasil denkt sich ganz gewiß viel dabei, wenn er seine Statements abgibt, genau wie ein panopticon. Gut durchdachte Sachen, ernst zu nehmen und als wichtig zu bewerten. Jetzt treffen ihre und meine und deine Meinungen aufeinander. Ein schwieriges Unterfangen, sie unter einen Hut zu bringen. Vieles was wir dann eigentlich sagen wollen, geht dann verloren... Ich finde das immer schade...

Miller´s Court Riskant? Ich denke, jeder Tatort war für Jack the Ripper riskant. Sein Verständnis für Risko, dürfte nicht gleichsam zu setzen gewesen sein, mit unserer Sicht auf Risiko. Er tötete in Serie, eine Zwangshandlung, geprägt durch einen MO. Was kann man z.B. von einem Täter erwarten, der assozial war oder wurde, der vielleicht auch ums Überleben kämpfen musste? Festgelegt und Beschränkt im EastEnd, ohne Möglichkeit sich von da und seiner Lebenssituation zu befreien? Jemand, der vielleicht jahrelang nichts außer das East End sah? Und trotzdem von seiner Fantasie gequält wurde? Eine Fantasie, die vielleicht gerade durch das EastEnd, mit seiner hohen Prostitution, seiner Auswegslosigkeit, Krankheit und von Gewalt geprägt, geschürt und angeheizt wurde? Diese Umstände könnten diesen Mann vielleicht erst zum Serienkiller gemacht haben, das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Wären diese Verbrechen jemals passiert, wenn man ihn Jahre vorher ins WestEnd gebracht hätte? Was ich sagen will, kann man von einem Mann, der kaum im EastEnd überlebensfähig war, erwarten, das er ganz besonders und intelligent vorgeht? Ich denke nicht. Deswegen passen die Opfer, die Tatorte, der allgemeine Tathergang zu eher so jemanden als für einen von außerhalb und vorallem besser gestellten Täter.
Sie sprechen für einen Mann in einer großen Krise ohne sichere Strukturen in seinem Leben. Jemand, der nur noch das sadistische Ausleben seiner Fantasie vor sich hatte. Jemand, der genauso war wie das EastEnd selber, grausam, dreckig und unbarmherzig. Im EastEnd zu leben, bedeutet in großem Risiko zu leben. So berüchtigt wie das EastEnd selber, war auch Jack the Ripper selbst. Er wurde zum aufbrechenden Eitergeschwür, das nach seiner Abheilung Besserung brachte, wie wir alle wissen. EastEnd bedeutet für mich pures Risiko und ich hätte dort, solche Art von Täter, nie erwartet, ohne mit einem höheren Maß an Risiko zu agieren. Warum auch? Interessierte sich irgendwer für die Belange der Prostituierten? Interessierte sich wer für die Lage der Juden, außer sie in ihrer ureigenen Kraft selber? Interessierte sich wer für die unzähligen Kinder die dort ständig starben? Niemand. Die Wahrscheinlichkeit, das ein anderer assozialer Täter, aus einem anderen assozialen Standort anreißte, um im EastEnd zu morden, kann ich mir nicht hoch vorstellen. Sie morden in ihrer assozialen Gegend. Ein gutsituierter Familienvater aus einer schönen und besseren Gegend? Möglich, wenn ihm Whitechapel gut vertraut war, aufgrund was auch immer... Aber geht solch ein Täter solche Risiken ein? Wäre diese Art von Täter nicht planvoller und intelligenter vorgegangen. Hätte diese Art von Täter sich nicht mehr Zeit genommen anstatt wie in den meisten Fällen 10-15min. Hätte er die Prostituierten nicht eher irgendwo hinentführt? Hätte sich dieser Täter nur in solch einem kleinen Areal bewegt und immer wieder dorthin zurückgekehrt? Hätte er seine Opfer nicht weiter verstreut gesucht? Ich bleibe dabei, Jack the Ripper lebte genau in diesem winzigen Areal und das er sich dadurch selbst, unbemerkt, die Schlinge immer fester um seinen eigenen Hals zog. Aus dieser Nummer wäre er auch psychisch selbst nicht mehr herausgekommen. Wie Isdrasil sagte, er ist unberechenbar geworden, besonders für sich selber. Er hätte nicht freiwillig aufgehört. Entweder haben sie ihn gekriegt oder er ist tot umgefallen oder tot umgefallen worden. Der Miller´s Court, passt für mich summasummarum, hervorragend in´s Bild der damaligen Ereignisse. Genau wie alle K5 Opfer. Ob euch meine Meinung passt oder nicht.

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KvN

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Re: Miller`s Court
« Antwort #53 am: 19.09.2010 12:32 Uhr »
Natürlich weichen unsere Meinungen oft voneinander ab, ein Diskussionsforum lebt davon! Und der Fall bietet ja reichlich Raum für individuelle Überlegungen...Die Theorie, dass der Ripper sich in Bezug auf die Tatortrisiken auf seine Opfer verlassen hätte, ist nicht uninteressant, aber für mich nicht schlüssig. Für eine Risikobeurteilung sind die eventuellen Folgen nicht unerheblich. Um bei Lestrades Hochhausvergleich zu bleiben: Es ist für die vorgehenden Überlegungen ein Riesenunterschied ob ich 3m hochklettere oder 300. Das Risiko für die Prostituierten war gering, paar Tage Gefängnis vielleicht, beim Ripper gings ums Leben. Daher glaube ich nicht dass er es wagte, auf die Einschätzung anderer zu vertrauen. Sämtliche forensische Ergebnisse zeigen das gleiche Bild: Solche Verbrecher morden dort wo sie selbst sich sicher fühlen und ich glaube nicht dass der Ripper da eine Ausnahme war...

Grüße     

Offline Claudia

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Re: Miller`s Court
« Antwort #54 am: 21.09.2010 03:38 Uhr »
Hi zusammen!

Also ich möchte Isdrasil da mal beispringen, für mich persönlich ist es mehr als logisch, daß sich der Ripper bezüglich der Tatorte auf die Opfer verlassen hat, die kannten sich aus, wussten versteckte Plätze, ein "Ausspionieren" im Vorfeld macht da eher wenig Sinn.

Nehmen wir mal Chapman, der Hinterhof war ja wohl sozusagen ein "Geheimtip" unter den Prostituierten... Was gäbe es da auszukundschaften?
War doch garnicht so schwer, im Eastend achtete eh kaum einer auf merkwürdige Geräusche, ein wenig Glück war natürlich auch dabei, aber von nem großen Risiko für den Täter kann man da doch nicht reden...
Beim "Alltagsgeschäft" der Prostituierten gings bestimmt auch nicht immer ganz so leise zu, da hat man halt gewohnheitsmässig weggesehen bzw -gehört. Da musste wohl schon einiges zusammenkommen, bis man hellhörig wurde, in so einem Viertel, in dem grade Gewalt gegen Frauen und Kinder bestimmt keine Seltenheit war...

Und ob "solche Verbrecher" nur dort morden, wo sie sich sicher fühlen? Schwierig, es gibt genug andere Fälle. Außerdem: Was heißt "sicher fühlen"? Die eigene Wohnung?  Ein Hinterhof in einem Armenviertel ? Die Wohnung einer Prostituierten, die versichert, daß man ganz bestimmt ungestört bliebe? (wie zB im Millers Court).
Wie gesagt, ein Restrisiko für den Täter blieb, wie fast immer, mehr aber auch nicht. Das geht man als triebgesteuerter Täter durchaus ein und wie die Erfahrung lehrt kommen nicht wenige damit durch (wobei viele sich in durchaus brenzligere Situationen begeben).

Sind nur meine Gedanken dazu, Grüße, Claudia

KvN

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Re: Miller`s Court
« Antwort #55 am: 21.09.2010 09:04 Uhr »
Ha, endlich wieder mal eine schöne, erfrischende Diskussion!
Ich muss dir gleich mal widersprechen, Claudia! Am Tatort Hanbury Street gäbe es jede Menge auszukundschaften: Wann stehen die Bewohner auf, ist der Tatort von den Fenstern einsehbar, welche Fluchtmöglichkeiten habe ich undundund...Natürlich bleibt ein Restrisiko, keine Frage, aber im Regelfall versuchen Mörder doch dieses zu minimieren. Ausserdem stellte der Ripper an die Tatorte ja bestimmte Ansprüche, so sollten die gestagten Leichen ja unmittelbar nach der Tat entdeckt werden (Kelly ist wieder mal die Ausnahme).
Sieh dir doch mal den Tatort Buck´s Row an: Ohne ein Grundwissen über die Gewohnheiten der Anwohner wäre dieser Tatort eine reine Kamikazeaktion gewesen. Nein, der Ripper kannte die Abläufe an den Tatorten und bezog sie in seine Überlegungen mit ein.
Und nochmal: Der Vergleich mit den normalen Aktivitäten der Damen hinkt schwerstens. Wir haben einen jungen Nachbarn, der hat seit kurzer Zeit eine neue Freundin. Manchmal bricht die Leidenschaft halt mit dem Pärchen so durch, dass wir auditiv miteinbezogen werden. Kostet meiner Frau und mir bestenfalls einen Grinser, wir sind ja auch nicht als altgedientes Ehepaar auf die Welt gekommen...
Würde ich Geräusche einer Mißhandlung hören, wäre ich in 10 Sekunden drüben.
Eine Stehnummer am Gartenzaun ist eine Sache, die damals wohl auch eher ignoriert wurde, aber wir reden von brutalem Mord und grausiger Verstümmelung.
Mir schwebt aber kein Täter vor, der die Tatorte ausspionierte. Er kannte die Usancen einfach, weil er dort lebte, eventuell arbeitete, weil er dort zu Hause war...

Grüße   

Offline Lestrade

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Re: Miller`s Court
« Antwort #56 am: 21.09.2010 14:32 Uhr »
Ein Verbrecher der nicht ausspioniert oder auskundschaftet? Jemand der das nicht tut, ist kein Verbrecher oder wird nie einer. Inwieweit man das dann als Übeltäter noch tun muss, wenn man mit den gegebenen Örtlichkeiten bereits vertraut ist, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls wird er sich so oder so überlegt haben, wo und wann er das Messer ansetzt.

Man kann von keinem großen Risiko für den Täter in der Hanbury Street reden? Ich frage dann erneut, wie hätte ein risikoreicher Tatort für Jack the Ripper denn aussehen müssen? Was er brauchte, waren max. 10 Minuten sturmfrei. Weit nach Mitternacht, bis in die frühen Morgenstunden, war wohl beste Zeitpunkt dafür. Die Zeit, wo zumindest die wenigsten Störungen zu erwarten waren. Es sieht auch danach aus, als wenn seine früheste Tat auch die war, die letztendlich irgendwie aus seiner Sicht scheiterte. Weiterhin sieht es ja danach aus, als wenn er dazugelernt hätte, das selbst diese 10 Minuten, nicht als Störfreiheits- ABO gebucht werden können. Also musste er Alternativen in Betracht ziehen und nach einer solchen Alternative, sieht der Miller´s Court aus. Gepaart möglicherweise mit seine immer weiter ausschweifenden Fantasien. Die mehr als 10-15 Minuten brauchten. Wer so agiert, mit solch einem Risiko und der Gefahr entdeckt zu werden, wo die Verstümmelungen immer heftiger werden, der ist meines Erachtens auf dem besten Wege psychisch zusammenzubrechen, alles in dieser kurzen Zeit, derjenige hat es wirklich nötig. Der macht sich nicht mehr soviele Gedanken, nur noch das nötigste, der macht keine Zeichnungen mehr für seine Pläne und vorallem sich keine Umstände von irgendwo weiter her anzureisen.

Mag schön sein, wenn einige den Täter intelligenter und vorallem besser gestellt in ihren Theorien sehen und nicht als Bewohner von Whitechapel. Ich kann dem leider nicht folgen. Ich erkenne da nichts in dieser Richtung. Ein solcher Täter, der sich nicht einmal Zeit nehmen will, seine Opfer vielleicht sadistisch zu quälen bevor er sie ermordet, obwohl er sie mit sadistischen Spuren und Anzeichen zurückläßt, der ist doch schon weit im Nirvana. Das hat er möglicherweise bereits vorher am lebenden Objekt ausgelebt und sehr wahrscheinlich auch irgendwie "beruflich". Wenn es bereits schon so weit gediegen war, dann kommt der nicht geistig zurück, hört auf und kümmert sich evtl. um Frau und Kinder.

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Offline panopticon

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Re: Miller`s Court
« Antwort #57 am: 21.09.2010 16:42 Uhr »
Hallo!

Da ich gerade einen neuen Thread eröffnet habe, der u.a. auch einige der hier zuletzt diskutierten Aspekte beinhaltet (siehe hier: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1301.0.html ), kehre ich hier jetzt mal in den Miller´s Court zurück und versuche, Stordfield´s sehr interessante Fragen zu beantworten:

Die Lampe war möglicherweise in der Tat eine Gaslampe. Die Frage, ob Kelly´s Tür vom Eingang zum Miller´s Court durch ihr Licht sichtbar gewesen wäre, ist auch eine hochinteressante! – Sie hängt von der Bauweise des Miller´s Court ab, die sich der bekannten Fotografie von Mary´s Raum von außen (trotz Gradationskurvenwerkzeugen) nicht eindeutig entnehmen lässt. Für Miller´s Court gäbe es an sich zwei mögliche Bauweisen, wenn man ihn mit ähnlichen damaligen Bausubstanzen im Vereinigten Königreich vergleicht – Die eine ist wie in der von Isdrasil geposteten Grafik, die zweite, ohnedies aber eher unwahrscheinlichere, entspräche in etwa einer Mischung aus dieser und Hanbury Street Nr. 29, wobei man vom Eingang aus dann direkt nur auf einen Treppenaufgang links neben der (Tür)Öffnung zum Hof hätte blicken können. Es gibt aber auch mehrere Quellen, die uns da weiterhelfen können, darunter mehrere zeitgenössische Grafiken wie u.a. die  in der ´Illustrated Police News´ vom November 1888, die eindeutig zu belegen scheinen, dass Miller´s Court so gebaut war, wie in der Grafik von Isdrasil in unserem Thread hier, und man dadurch vom Eingang in den Hof Blick auf Kelly´s Tür hatte. Bleibt die Frage, ob das Licht dieser Lampe generell dazu ausgereicht hätte, Kelly´s Tür zu beleuchten, aber auch darauf haben wir einen Hinweis: Mary Ann Cox antwortete bei der gerichtlichen Untersuchung auf die Frage, ob Blotchy´s Kinn rassiert war ´Yes. A lamp faced the door.´ Damit ist, denke ich, zumindest ziemlich sicher, dass das Licht der Lampe Kelly´s Tür beleuchtete und dementsprechend sehr wahrscheinlich auch vom Eingang her zu sehen war.


Grüße,
panopticon

Offline Claudia

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Re: Miller`s Court
« Antwort #58 am: 22.09.2010 09:34 Uhr »
Hi KvN!

Nochmal kurz zu den speziellen Begebenheiten in der Hanbury Street:
Ich sehe weder hier noch in der Bucks Row eine Möglichkeit für den Täter, die Lebensgewohnkeiten der Bewohner auszukundschaften.
Das musste er auch nicht, es reichte ihm, im Schutz der Nacht zuzuschlagen, was die Gefahr der Entdeckung minderte, aber nicht gänzlich beseitigte.
Ich hab das nichtmehr so genau im Kopf, aber soweit ich weiß wohnten diverse Mieter in diesem Haus, die gingen bestimmt nicht alle um 8 Uhr zur Arbeit und kamen um halb fünf nachmittags zurück. Es hätte doch schon gereicht, wenn jemand mal nachts kurz in den Hof gekommen wäre, um "auszutreten". Offensichtlich ging der Täter dieses Risiko eben ein und es reichte ihm, ein halbwegs ungestörtes Plätzchen aufzusuchen (wie den Prostituierten offensichtlich auch).

Ich weiß ja nicht, wo Du wohnst, aber sicherlich ist Dein Viertel nicht mit dem damaligen Eastend zu vergleichen :icon_wink:
Ich stell mir das schon so vor, daß Kinderschreie, Schlägereien usw dort an der Tagesordnung waren. Wenn da eine Frau ein, zweimal kurz aufgeschrien hat (mehr war den Opfern ja anscheinend nicht möglich) hat man bestimmt nicht großartig drauf geachtet.
Hat man ja im Übrigen auch im Millers Court nicht, sondern sich mal kurz umgedreht und weitergeschlafen.

Kann natürlich gut sein, daß der Täter ein East-End-Bewohner war, könnte aber auch jemand gewesen sein, der sich nur gelegentlich dort aufhielt.

Soviel erstmal dazu, bevor wir dann in den neuen Thread wechseln, um über panopticons (wie ich finde sehr schlüssige) Anmerkungen
weiterzuquatschen :icon_mrgreen:

Grüße, Claudia

Ach, nochwas: Nur weil die Leichen recht schnell entdeckt wurden kann man meines Erachtens nicht drauf schließen, daß der Täter das so plante. Wahrscheinlich war es ihm schlichtweg egal bzw die Örtlichkeiten brachten es mit sich.
« Letzte Änderung: 22.09.2010 09:44 Uhr von Claudia »

KvN

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Re: Miller`s Court
« Antwort #59 am: 27.09.2010 22:46 Uhr »
Okay, lassen wir´s mal bei unentschieden...Aber: Meiner Meinung nach gehörte die rasche Entdeckung der Leichen schon ins Konzept, aber vielleicht bin ich mit meinen Überlegungen ja auch völlig auf dem Holzweg...

Grüße