Autor Thema: bericht von 1965  (Gelesen 10124 mal)

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Offline thomas schachner

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bericht von 1965
« am: 29.09.2008 15:33 Uhr »
hallo alle zusammen,

ich habe mal wieder was für euch eingescannt - ein bericht von 1965....sehr interessant, vor allem für alle die hargrave nicht gelesen haben.
viel spass!!!

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War es Jack-the-Ripper?
Der Fall George Chapman



Wenn jemand durch Gift aus dem Wege geräumt werden soll, wird dazu in den meisten Fällen Arsen benutzt. Arsen ist schon seit Jahrhunderten das »Mordgift« schlechthin. Im Jahre 1903 kam vor einem Londoner Schwurgericht ein Mann mittleren Alters zur Aburteilung, der ausnahmsweise Antimon verwandt und damit drei Frauen umgebracht hatte. Die eigenartige Begehungsweise seiner Taten ließ damals den Verdacht aufkommen, daß es sich bei diesem Mann um den gleichen Verbrecher handelte, der Ende der 80er Jahre nach der Ermordung einiger Frauen den Namen »Jack-the-Ripper« (ripper = Aufschlitzer14) erhalten hatte. Ob dieser Verdacht begründet war, ist noch immer eine offene Frage.
  Der Angeklagte, 37 Jahre alt, stammte aus Polen und hieß Severin Klosowski. Er nannte sich aber George Chapman und wurde auch unter diesem Namen verurteilt. Er war mit 15 Jahren in seiner Heimat bei einem Heilpraktiker in die Lehre gegangen und hier als Heilgehilfe und Friseur ausgebildet worden. Diese Ausbildung wurde später an einer Klinik vervollständigt. Nach anderthalb Jahren Militärdienst als »Feldscher« wanderte er nach Großbritannien aus, wo er schätzungsweise im Frühjahr 1887 eintraf. Landsleute von ihm erinnerten sich später, daß sie 1888 und 1889 mit ihm zusammengewesen waren.
  Seinen Lebensunterhalt erwarb er sich in London zunächst als Friseurgehilfe, machte dann im Stadtteil Tottenham ein Friseurgeschäft auf, kehrte aber - nachdem dieses Unternehmen fehlgeschlagen war - kurze Zeit danach als Gehilfe in eine unselbständige Stelle zurück.
 
14 Im Slang wird das Wort freilich auch in der Bedeutung: >Prachtkerl<, Teufelskerle gebraucht.
 
 
  Im August 1889 verheiratete sich Klosowski mit einer Polin namens Lucy Baderski. Kurze Zeit nach der Eheschließung kam eine Frau aus Polen zugereist und behauptete, sie sei die rechtmäßige Ehefrau dieses Mannes. Eine Zeitlang lebten beide Frauen mit ihm zusammen, dann kehrte die später gekommene in ihre Heimat zurück, und Klosowski wanderte mit der anderen nach den Vereinigten Staaten aus.
  Da sie sich nicht miteinander vertragen konnten, kehrte die Frau schon nach wenigen Monaten nach England zurück, und ihr Mann folgte ihr 1893. In London zogen sie wieder zusammen und hatten zwei Kinder miteinander. Wegen fortgesetzter Untreue ihres Mannes verließ ihn schließlich seine Frau und lebte dann ständig von ihm getrennt.
  Klosowski nahm jetzt Beziehungen zu einer jungen Frau mit Namen Annie Chapman auf und lebte ein Jahr mit ihr zusammen. Nachdem auch sie ihn verlassen hatte, nahm er ihren Familiennamen an und nannte sich George Chapman. Durch diesen Namenswechsel wollte er sich offenbar den Ansprüchen vieler Frauen entziehen, mit denen er im Laufe der Jahre zu tun gehabt hatte. Seinen alten Namen leugnete er generell ab, auch den Behörden gegenüber. Nach englischem Recht kann man durch bloßen Gebrauch einen Namen erwerben und den früheren verlieren.
  Nach seiner Trennung von Annie Chapman begann er seine verbrecherische Tätigkeit. Sein erstes Opfer war eine Mrs. Spink. Sie wurde ihm - der sich auf Frauen ausgezeichnet verstand - eine leichte Beute.
  Diese Frau hatte er bei einer Familie Renton kennengelernt, bei der er früher gewohnt hatte. Als er ihre Bekanntschaft machte, war sie mit einem Gepäckträger namens Spink verheiratet, der sie eben erst wegen ihrer Trunksucht verlassen hatte.
  Nachdem Chapman zu einer Familie Ward gezogen war, wurden er und Mrs. Spink sehr viel zusammen gesehen. Den Leuten erklärte Chapman, sie würden bald heiraten. Im Oktober 1895 teilten sie ihren Freunden und Bekannten mit, sie hätten jetzt geheiratet. Das war jedoch eine Lüge, denn beide waren nicht geschieden.
  Mit Hilfe eines kleinen Geldbetrages, über den Mrs. Spink verfügte, kauften sie ein Friseurgeschäft, in dem sie ihm bei der Bedienung der Kunden tatkräftig half. Mitunter rasierte sie die Kunden sogar selbst, was damals noch durchaus ungewöhnlich war; Frauen pflegten das nicht zu tun.
  Als das Geschäft zunächst wenig florierte, kaufte Mrs. Spink ein Klavier und spielte den Kunden darauf vor, während sie von ihrem Mann bedient wurden. Wegen dieser »musikalischen Rasuren« wurde das Geschäft bald im ganzen Stadtteil bekannt und zog eine Menge Kundschaft an. Dabei verdiente Chapman so viel Geld, daß er ein Boot anschaffen konnte.
  Zu den Kunden gehörte auch ein Drogist, den Chapman im April 1897 bat, ihm Brechweinstein (tartar-emetic), eine Antimon-Verbindung, zu verschaffen. Der Drogist lieferte ihm daraufhin 30 Gramm von diesem - wie er später sagte - selten verlangten Gift, und zwar in einer Flasche, die mit dem Vermerk »Gift« versehen war. Gleichzeitig legte er ihm sein Giftbuch vor. Chapman gab seine Unterschrift und schrieb in die Rubrik, die für den Verwendungszweck vorgesehen war, ein unleserliches Wort hinein.
  Der Umsatz im Friseurgeschäft ging bald wieder zurück, nicht zuletzt wegen der Trunksucht der Frau. Das Geschäft mußte schließlich verkauft werden.
  Chapman erwarb dann im Laufe des Jahres 1897 eine kleine Gastwirtschaft in London, die den Namen »Prince of Wales« trug. War Mrs. Spink bis dahin eine verhältnismäßig gesunde Frau gewesen, so traten jetzt bei ihr Perioden schwerster Krankheit auf. Innerhalb kurzer Zeit war ihre Gesundheit völlig zerrüttet. Schwere Brechdurchfälle wechselten mit qualvollen Unterleibsschmerzen. Eine Nachbarin, die Chapman um Hilfe bat, sorgte dafür, daß endlich ein Arzt geholt wurde. Dieser nahm den Fall aber nicht weiter wichtig und kümmerte sich nur wenig um die Kranke. Mrs. Spink wurde immer schwächer und starb am 25. Dezember 1897.
  Ihren Bekannten erschien dieses Ende als Erlösung aus einem qualvollen Leid. Chapman brach zusammen, war untröstlich und fand überall Teilnahme. Das hinderte ihn aber nicht, seine Wirtschaft noch am gleichen Tag wieder zu öffnen. Der Arzt machte sich keinerlei Gedanken über das rätselhafte Ende seiner Patientin, stellte ohne weiteres den Totenschein aus und gab darin als Todesursache »Schwindsucht« an. Chapman ließ die Verstorbene, um die Kosten der Beerdigung niedrig zu halten, in einem Gemeinschaftsgrab bestatten.

  Einige Monate nach dem Tode von Mrs.Spink, im Frühjahr 1898, annoncierte Chapman nach einer Kellnerin. Auf die Anzeige hin meldete sich ein junges Mädchen namens Elizabeth Taylor, die Tochter eines Landwirts, die bisher Dienstmädchen gewesen war. Chapman sah sie sich an und nahm sie in seine Dienste. In kurzer Zeit war sie seine Geliebte und sehr glücklich mit ihm.
  Eines Tages teilte Chapman seinen Gästen mit, er habe »Bessie« geheiratet. In Wahrheit war er mit ihr nur ins Grüne gefahren und hatte sich mit ihr einen schönen Tag gemacht. Die junge Frau konnte er - weil noch verheiratet - ebensowenig ehelichen wie vorher Mrs. Spink. Bessie ging aber bereitwillig auf das Spiel ein und ließ sich seitdem »Mrs. Chapman« nennen.
  Elizabeth Taylor, die vorher kerngesund gewesen war, fing nach der »Heirat« zu kränkeln an. Sie magerte sichtbar ab und wurde immer schwächer und mußte schließlich in eine Klinik gebracht werden. Als sie wieder nach Hause kam, wurde sie von Chapman schlecht behandelt.
  Die Ärzte in der Klinik und der Hausarzt waren ratlos und wußten nicht, was sie von diesem Fall halten sollten. Als letzterer eines Tages zur Visite kam, war er überrascht, seine Patientin Klavier spielen zu hören. Zwei Tage danach - am 13. Februar 1901 - war sie tot. Im Totenschein gab der Hausarzt, Dr. Stoker, als Todesursache Erschöpfung infolge übermäßigen Brechreizes und Durchfalls an. Auch dieser Arzt sah sich nicht veranlaßt, den Ursachen des eigenartigen Todesfalles nachzugehen.
  Chapman machte wieder einen untröstlichen Eindruck. »Bessie« war allgemein beliebt gewesen, und so wandte sich ihrem »Gatten« wiederum lebhafte Anteilnahme zu. Er ließ ihr einen großartigen Grabstein setzen und dichtete für die Aufschrift höchstpersönlich einige Verse.
  Die Eltern der Verstorbenen hatten von Chapman schon immer eine sehr vorteilhafte Meinung gehabt. Als sie den Grabstein sahen, sagten sie, sie hätten »niemals einen besseren Gatten gesehen«.
  Wenige Monate nach dem Tode von Elizabeth Taylor kam Chapman mit der Frau in Beziehung, die sein drittes Opfer werden sollte.
Im August 1901 las Chapman eine Anzeige, in der ein junges, 20 Jahre altes Mädchen namens Maud Marsh eine Stellung als Kellnerin suchte. Chapman ließ sie kommen und stellte sie sofort bei sich an. Maud Marsh war die Tochter eines Arbeiters und hatte bisher bei ihren Eltern gewohnt. Als sie ihnen mitteilte, daß sie eine neue Stelle antreten wolle, ging die Mutter zu der Gastwirtschaft, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen. Chapman machte bei diesem Besuch ihr gegenüber verschiedene falsche Angaben. Er erzählte ihr, daß er Witwer sei und im oberen Teil des Hauses noch eine Familie wohnen habe. Dadurch wollte Chapman bei der Frau den Eindruck erwecken, daß es ein solides Haus sei, in das ihre Tochter übersiedeln wollte. Das gelang ihm auch. Die Mutter erklärte sich damit einverstanden, daß ihre Tochter die Stelle antrat.
  Das Mädchen war noch nicht lange auf ihrer neuen Stelle tätig, als sie ihrer Mutter schrieb, ihr Arbeitgeber habe ihr eine goldene Uhr mit Kette geschenkt. Bald danach kam ein Brief, in dem Maud ihrer Mutter mitteilte, ihr Chef habe Zumutungen gewisser Art an sie gestellt, und falls sie nicht tue, was er wünsche, werde er sie nach Hause schicken.
  Diese Nachrichten beunruhigten Mrs. Marsh, und sie gab ihrer Tochter den Rat, diese Stelle zu kündigen und nach Hause zurückzukehren. Unglückseligerweise folgte das junge Mädchen diesem Rat nicht. Statt dessen erschien eines Tages Chapman mit ihr und hielt bei ihren Eltern in aller Form um ihre Hand an. Bei dieser Gelegenheit legte er den Eltern ein Testament vor, worin er »seiner Frau« für den Fall seines Todes £ 400 vermachte.
  Die Eltern Marsh blieben nach wie vor mißtrauisch und rieten ihrer Tochter, nur ja recht vorsichtig zu sein. Als diese eines Tages ihren kranken Vater im Krankenhaus besuchte, trug sie einen Ring am Finger. Befragt, ob sie geheiratet habe, bejahte sie. Die Hochzeit mit ihrem Arbeitgeber habe in einem römisch-katholischen »Raum« in der Bishopsgate Street stattgefunden.
  Wie schon früher hatte Chapman auch jetzt eine Hochzeitszeremonie fingiert, um seine Umgebung und die Verwandten der jungen Frau über ihre wahren Beziehungen zu täuschen. Die »Zeremonie« bestand darin, daß er mit Maud in einer Droschke in London umherfuhr, dann zu seinem Restaurant zurückkehrte und sich dort von seinen Gästen feiern ließ. Die Pläne Chapmans wurden nur dadurch gefährdet, daß Mrs. Marsh erschien. Sie war nämlich nicht willens, der Erzählung von einer Eheschließung ohne weiteres Glauben zu schenken, und wurde den Verdacht nicht los, daß die Sache mit der Heirat nicht stimme. Ihr Mann war noch mißtrauischer und verlangte von Chapman die Vorlage seiner Heiratsurkunde. Seine Tochter dagegen war bemüht, diese Zweifel zu beschwichtigen und ihn von seiner Forderung abzubringen.
  Einige Zeit danach wurde Maud plötzlich krank. Sie mußte sich ständig erbrechen, litt an Durchfall, wurde von Unterleibsschmerzen, brennendem Durst und Übelkeit gepeinigt. Chapman zeigte sich sehr besorgt um seine »Frau« und wandte ihr die aufmerksamste und liebevollste Pflege zu. Da sich der Zustand der Kranken täglich verschlechterte, beschloß man, sie in ein Krankenhaus zu bringen.
  Die Klinikärzte wußten nicht, was sie mit dieser Krankheit anfangen sollten, sprachen von Krebs, Rheumatismus und einer Magenkrankheit und bewegten sich mit alledem in Vermutungen, die von der Wahrheit weit entfernt waren. Niemand kam auf den Gedanken, daß ein Giftmordanschlag vorliegen könnte.
  Dabei hätte es auffallen müssen, daß sich in der Klinik der Zustand der Kranken sehr rasch besserte. Nach kurzer Zeit konnte sie als geheilt nach Hause entlassen werden.
  Kaum war Maud wieder bei Chapman, als die geheimnisvolle Krankheit von neuem auftrat. Chapman wußte eine erneute Einweisung von Maud in ein Krankenhaus zu verhindern. Er ließ statt dessen den praktischen Arzt Dr. Stoker kommen, den er schon früher konsultiert hatte. Der Arzt konnte die Ursache der Krankheit nicht ausfindig machen und versuchte es mit allerhand Arzneien, die aber nicht anschlugen. Das Befinden der Kranken verschlechterte sich von Tag zu Tag, und der Arzt war ratlos.
  In der Zwischenzeit hatte Chapman ein anderes Restaurant übernommen und war dorthin gezogen. Dr. Stoker behielt die Betreuung der Kranken bei und war Zeuge, wie ihre Kräfte mehr und mehr verfielen.
  Als ihre Mutter und eine Frau aus der Nachbarschaft die Pflege von Maud übernahmen, bestand Chapman darauf, daß alle Speisen, die für sie bestimmt waren, von ihm selbst zubereitet wurden. Auch alle Getränke gingen durch seine Hand. Das Befinden der Kranken wurde von Tag zu Tag besorgniserregender. Ihr Zustand wurde am
Ende so schlecht, daß sie wegen Schluckbeschwerden nur noch flüssige Nahrung zu sich nehmen konnte.
  Eines Tages ereignete sich ein Vorfall, der leicht für Chapman hätte zum Verhängnis werden können. Er hatte für Maud ein Branntwein- und Soda-Getränk zubereitet. Die Kranke trank davon, da sie aber zu schwach war, ließ sie den größten Teil im Glas zurück. Einige Zeit später genossen Mrs. Marsh und die andere an der Pflege beteiligte Frau davon, mit dem Erfolg, daß beide von Brechreiz und Durchfall befallen wurden.
  Trotz dieser auffallenden Vorgänge schöpfte lange Zeit kein Mensch irgendeinen Verdacht. Am sonderbarsten war, daß auch dem Arzt nie der doch wirklich nicht fernliegende Gedanke kam, daß Gift die Ursache dieser geheimnisvollen Krankheit sein könne.
  Erst als die Kranke fast im Sterben lag, kam Mrs. Marsh der Verdacht, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könne. Sie sprach mit ihrem Mann darüber, und dieser faßte den Entschluß, seinen eigenen Arzt, Dr. Grapel, ins Vertrauen zu ziehen und ihn zu bitten, sich seine Tochter anzusehen.
  Dr. Grapel ging sofort zu Chapmans Restaurant und untersuchte dort die Kranke. Schon nach kurzer Prüfung kam er zu dem Ergebnis, daß eine Vergiftung vorliegen mußte. Er war sich bloß nicht darüber klar, um welches Gift es sich handeln konnte. War es Arsenik, oder hatte man es mit einem anderen Gift zu tun? - Damit hatte endlich einmal ein Arzt Verdacht geschöpft.
  Überzeugt davon, daß sofort etwas geschehen müsse, telegraphierte Dr. Grapel an Dr. Stoker und teilte ihm mit, daß die Krankheit der jungen Frau seiner Ansicht nach auf eine Vergiftung zurückzuführen sei. Unglückseligerweise führte dieser Hinweis nicht dazu, daß auf der Stelle eine Untersuchung eingeleitet wurde. Wäre sofort gehandelt worden, hätte das Leben der Kranken gerettet werden können. So aber konnte der durch den Besuch des Arztes alarmierte Chapman Maud eine neue Dosis Gift geben, an der sie nach wenigen Stunden starb. Als sie tot war, fingierte Chapman einen Nervenzusammenbruch und schrie wie ein Kind.
  Durch die Mitteilung seines Kollegen gewarnt, lehnte Dr. Stoker es ab, einen Totenschein auszustellen. Er begründete seine Weigerung mit der Notwendigkeit einer Sektion. Chapman war darüber ungehalten und stellte den Arzt wegen seines Verhaltens zur Rede.
  »Ich kann die Todesursache nicht finden«, sagte der Arzt. - »Es war Erschöpfung, die in einer Entzündung der Därme ihre Ursache hatte«, erwiderte Chapman. - »Und was soll die Ursache der Entzündung gewesen sein?« — »Ständiges Erbrechen und Durchfall.« -»Und was war die Ursache des Erbrechens und des Durchfalls?« -Darauf blieb Chapman zunächst die Antwort schuldig. Später behauptete er, der Tod sei durch den Genuß von arsenikhaltigem Kaninchenfleisch bewirkt worden.
  Dr. Stoker entschloß sich nun, eine private Obduktion der Leiche durchzuführen, und versicherte sich dabei der Hilfe von drei anderen Ärzten. Bei der Öffnung der Leiche wurde anfangs nichts gefunden, was den plötzlichen Tod der jungen Frau erklären konnte. Der Arzt löste daraufhin den Magen und andere Organe aus dem Körper heraus und gab sie einem Chemiker zur Analyse. Dabei wurde festgestellt, daß sich Antimon in den Organen befand.
  Zu kriminellen Zwecken wird manchmal - wie auch im vorliegenden Fall - eine Antimonverbindung benutzt, die man Brechweinstein oder Tartarus emeticus nennt. Sie ist in Wasser löslich und hat einen fadsüßlichen, unangenehmen Geschmack. In manchen Gegenden kam es früher vor, daß man Speisen oder Getränken Brechweinstein zusetzte, um den Dienstboten das Naschen abzugewöhnen. Man hat gelegentlich auch Trunksüchtigen das Gift in die von ihnen eingenommenen alkoholischen Getränke gegeben, um ihnen den Geschmack daran zu verleiden. Giftmordanschläge mit Antimonpräparaten sind heute selten. Die Wirkung des Brechweinsteins ist der des Arsens ähnlich, sie besteht in heftigem, unstillbarem Erbrechen (daher die Bezeichnung »Brechweinstein«), Durchfall, Schluckbeschwerden, Magenschmerzen, Krämpfen, Puls- und Atemstörungen, Ohnmachts- und Schwindelanfällen15. Wenn dieses Gift einem Menschen zu Lebzeiten eingeflößt worden ist, hat es die Wirkung, daß seine Leiche ausgezeichnet konserviert wird, so daß die Person des Toten oft noch mehrere Jahre nach seinem Hinscheiden erkannt werden kann.
  Am 23. Oktober 1902 erging Haftbefehl gegen Chapman. Nur er konnte der Verstorbenen Brechweinstein beigebracht haben. Er hatte im April 1897 eine große Menge dieses Giftes in einer Droge-
 
15 S. dazu Louis Lewin, Gift und Vergiftungen. 4. Ausgabe des Lehrbuchs der Toxikologie. Berlin 1929, S. 207 ff.

rie gekauft, und niemand sonst hatte mit der Toten in ständigem Kontakt gestanden. Bei einer Haussuchung wurden außer 300 Pfund in Gold und Banknoten verdachterregende Büchsen mit weißem Pulver entdeckt. Weiter fand man Personalpapiere, aus denen sich ergab, daß Chapman als Pole die russische Staatsangehörigkeit besaß und Severin Klosowski hieß. Zuletzt stieß man noch auf einige Fachbücher, die von dem Umgang mit Giften handelten, sowie auf die Lebenserinnerungen eines Henkers namens Bary.
  Im Verlauf der polizeilichen Ermittlungen ergab sich sehr bald die Notwendigkeit, auch noch die Leichen von Mrs. Spink und Elizabeth Taylor exhumieren zu lassen. Beide Leichen waren trotz der langen Zeit, die seit ihrer Beerdigung verstrichen war, sehr gut erhalten. Gesicht und Hände von Mrs. Spink waren nach Aussage des Pathologen, der die Sektion vornahm, so, als ob die Frau am Tage zuvor beerdigt worden sei. Schon das ließ darauf schließen, daß sich Gift im Körper befand. Die Obduktion bestätigte es. Die Körper der beiden Frauen waren, wie es ein Sachverständiger ausdrückte, gleichsam in Antimon getränkt.
  Die Hauptverhandlung vor einem Londoner Schwurgericht wurde am 16. März 1903 eröffnet. Den Vorsitz hatte einer der populärsten Richter in England, Mr. Justice Grantham. Die Vertretung der Anklage hatte der damalige Solicitor General (der zweite Kronanwalt) Sir Edward Carson, der einstige Gegner von Oscar Wilde, dem drei weitere Anwälte als Gehilfen zur Seite standen. Als Verteidiger fungierten drei Rechtsanwälte.
  Das Publikum war sehr an der Verhandlung interessiert, und daher waren viel mehr Menschen herbeigeströmt, als Einlaß finden konnten. Dieses Interesse hielt unvermindert bis zum Schluß der Verhandlung an.
  Nachdem der Richter gegen 11 Uhr den Verhandlungssaal betreten hatte, wurde der Angeklagte hereingeführt. Hatte er vor dem Polizeigericht noch eine gleichgültige und selbstsichere Haltung gezeigt, so schien er jetzt bleich, nervös und ängstlich. Auf die Fragen, die man ihm stellte, antwortete er mit leiser Stimme, unsicher und zurückhaltend.
  Der Kronanwalt beschränkte sich in seiner Eröffnungsrede auf eine kurze Zusammenfassung der festgestellten Tatsachen. Der Verteidiger versuchte in seiner schwierigen Situation Kapital daraus zu schlagen, daß Chapman Ausländer war. Dieses Argument machte jedoch wenig Eindruck auf die Geschworenen. Auch daß Chapman während der Rede seines Verteidigers bitterlich weinte, vermochte sie nicht zu rühren.
  Nach der Vernehmung von nicht weniger als 37 Zeugen ergriffen ein Vertreter der Anklage und ein Vertreter der Verteidigung noch einmal kurz das Wort.
  Der Richter ließ dem Angeklagten in seiner Zusammenfassung keine Chance für einen Freispruch. Seine Schuld, so erklärte er, sei klar erwiesen, und so sei der Schuldspruch die unabweisbare Konsequenz dessen, was tatsächlich festgestellt worden sei. Viele der Zuhörer empfanden diesen Schlußvortrag als eine Art Fortsetzung der Anklagerede. Die beteiligten Ärzte bekamen bei dieser Gelegenheit scharfen Tadel zu hören, und es wurde ihnen zum Vorwurf gemacht, daß sie sich durch den Angeklagten so lange hatten täuschen lassen. Der Anklagevertreter hatte die Mediziner noch in Schutz genommen und erklärt, es sei kein leichter Entschluß für einen Arzt, gegen eine Familie Mordverdacht zu äußern, denn wenn er sich nicht bestätige, sei der Arzt ernsten Konsequenzen ausgesetzt. Bei dem Richter fanden dagegen die Ärzte kein Verständnis.
  Die Geschworenen benötigten für ihre Beratung nur 10 Minuten. Als Chapman verkündet wurde, daß er des Mordes schuldig gesprochen sei, fand er nicht die Kraft zu einer Erwiderung. Er blieb auch stumm, als der Richter in der üblichen Form das Todesurteil aussprach. Das Urteil wurde als gerechte Sühne empfunden, und niemand war dafür, Chapman dem Innenminister zur Begnadigung zu empfehlen.
  Im Gefängnis ließ er bis zu seiner Hinrichtung niemanden zu sich - nicht einmal seine polnische Frau, die ihn besuchen wollte. Der einzige Mensch, den er um sich haben wollte, war ein russischorthodoxer Priester.
  Bis zuletzt beteuerte er seine Unschuld und leugnete auch, mit Severin Klosowski identisch zu sein. Am 7. April 1903 wurde er im Wandsworth Prison in London durch den Strang hingerichtet.
  Als die Untersuchungen gegen Chapman abgeschlossen waren und der Fall Verhandlungsreife erlangt hatte, entstand bei den Polizeibehörden der Verdacht, daß Chapman mit einem lang gesuchten Mörder identisch sei, den der Volksmund »Jack-the-Ripper« genannt hatte. Manches sprach dafür, daß es sich um die gleiche Person handelte.
  Der erste Mord, der Jack-the-Ripper zugeschrieben wurde, hatte sich in den frühen Morgenstunden des 31. August 1888 ereignet. Das Opfer war eine Prostituierte, Mary Ann Nicholls, gewesen. Ihr Körper war kurz nach der Tat in Buck's Row in Whitechapel gefunden worden.
  Der Hals dieser Frau war von einem Ohr bis zum anderen durchschnitten und der Unterleib gräßlich verstümmelt. Der Polizeiarzt schätzte, daß die Tote ungefähr eine halbe Stunde vor seiner Ankunft am Tatort ermordet worden war. Aus der Richtung der Schnitte glaubte er schließen zu können, daß es sich bei dem Täter um einen Linkshänder handelte. Er war mit seinem Messer offenbar sehr gewandt und sicher umgegangen, denn nirgendwo hatte man einen Schrei gehört.
  Der zweite Mord war wenige Tage danach erfolgt, am 8. September 1888, nicht weit vom ersten Tatort entfernt. Opfer war wiederum eine Dirne, mit Namen Annie Chapman16. Ihr Körper wies noch schrecklichere Verletzungen auf als derjenige der Nicholls. Bei genauer Untersuchung entdeckte man, daß einige innere Organe fehlten. Großes Kopfzerbrechen verursachte die Frage, welche Waffe der Täter wohl verwendet habe. Unklar blieb, ob es das Bajonett eines Soldaten, das Messer eines Schlachters oder ein Seziermesser gewesen sei. Der Amtsarzt hielt jede dieser Möglichkeiten für denkbar.
  Auch diesmal wurde von dem Mörder keine Spur gefunden. Die Polizei nahm einige bekannte Verbrecher aus der Gegend des Tatortes fest, jeder von ihnen konnte aber ein Alibi aufweisen und mußte wieder in Freiheit gesetzt werden. Die Strafverfolgungsbehörden setzten schließlich einen Preis von £ 100 auf den Mörder aus, hatten aber keinen Erfolg.
  Drei Wochen herrschte Ruhe, dann wurde die Bevölkerung des Londoner Stadtteils Whitechapel in neue Schrecken versetzt. Wieder war eine Prostituierte ermordet worden. Am 30. September in den
 
16 Die Frau, mit der Chapman ein Jahr zusammengelebt hat, trug eigentümlicherweise denselben Vor- und Familiennamen.

ersten Vormittagsstunden entdeckte man in Berners Street den Leichnam von Elizabeth Stride, mit durchschnittener Kehle. Der Körper der jungen Frau wies diesmal keine weiteren Verletzungen auf. In der einen Hand hielt sie Weintrauben, in der anderen einige Bonbons. Auch diesmal fanden sich nicht die geringsten Anhaltspunkte, dem Täter auf die Spur zu kommen.
  In derselben Nacht wurde noch eine zweite Frau getötet, Catherine Eddows, keine 10 Minuten vom anderen Tatort entfernt. Auch dieses Opfer gehörte zu den Prostituierten Whitechapels.
  Aus diesen Umständen ergab sich, wie rasch der Täter arbeitete und wie überaus geschickt er sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen wußte. Um 1 Uhr 30 hatte ein Polizeibeamter den Platz, an dem der Mord geschah, noch umgangen und dabei nichts Ungewöhnliches beobachtet. 15 Minuten später stieß ein Mann am gleichen Platz auf den Leichnam des Mädchens mit durchschnittener Kehle und verstümmeltem Körper.
  Dieser neue Doppelmord in Whitechapel rief unter den Prostituierten eine Panik hervor und wirkte auf London wie ein Schock. Für die Polizei wurde Alarm gegeben. Die Belohnung für die Ergreifung des Täters erhöhte man von £ 100 auf £ 1000.
Ungefähr um dieselbe Zeit gingen bei der Polizei ein Brief und
eine Postkarte ein, die angeblich von dem Täter stammten (höchstwahrscheinlich aber von anderer Seite kamen). Hier tauchte erstmalig der Name Jack-the-Ripper auf. In dem Brief hieß es u. a.:
»Ich bin nach wie vor hinter Huren her, und ich werde nicht aufhören, sie zu zerfleischen, bis ich hinter Schloß und Riegel gebracht werde. Der letzte Job war eine große Sache. Ich gab der Frau keine Zeit zu schreien. Wie können Sie mich nur fassen? Ich liebe meine Arbeit und werde zu neuen Taten schreiten. Sie werden bald von mir hören . .. Beim nächsten Job, den ich vorhabe, werde ich der Frau die Ohren abschneiden und sie den Polizei-
beamten zusenden . . . Mein Messer ist so .. . und scharf.
Alles Gute, Ihr ergebener Jack the Ripper.«
  Auf der Postkarte, die einige Tage danach kam, machte er der Polizei Mitteilung von dem Doppelmord:
  »Diesmal Doppelvorgang. Nummer 1 schrie ein bißchen; konnte sie nicht sofort fertigmachen. Hatte keine Zeit, Ohren für die Polizei zu besorgen . . .   Jack the Ripper.«
  Die Polizei sandte Kopien von diesen Schreiben an die führenden Zeitungen, mit der Bitte, sie abzudrucken. Man hoffte, den Täter mit Hilfe des Publikums durch die Schriftzüge überführen zu können, es meldete sich aber niemand, der in der Lage gewesen wäre, der Polizei auf diesem Wege weiterzuhelfen.
  Die Bevölkerung Londons hatte sich gerade wieder beruhigt, als am 9. November ein neuer Mord geschah. In einem Haus in der Dorset Street wurde eine Frauenleiche entdeckt, die furchtbar verstümmelt war. Einer der herbeigerufenen Ärzte erklärte, er habe niemals einen so gräßlich zugerichteten Körper gesehen. Die Frau, die Mary Jane Kelly hieß, hatte man am Abend noch singen hören. Während der Nacht war sie in ihrem Zimmer umgebracht worden.
  Auf diese neue Schreckenstat hin ermächtigte der Innenminister die Polizei, allen Komplicen des Mörders Straffreiheit in Aussicht zu stellen, falls sie der Polizei Informationen zuleiteten, mit deren Hilfe der Mörder ergriffen werden könne. Auch auf diesem Wege kam man jedoch keinen Schritt weiter.
  Nach einer Pause von mehr als einem halben Jahr wurde dann am frühen Morgen des 18. Juli 1889 eine weitere Frau ermordet, und zwar in ähnlicher Weise wie die Frauen vorher. Auch diese Tat mußte sehr rasch ausgeführt worden sein. Eine Viertelstunde nach Mitternacht hatte ein Polizeibeamter unter einer Straßenlaterne einen kleinen Imbiß zu sich genommen. Genau 10 Minuten später hatte er die Stelle verlassen, um mit einem Kollegen zu sprechen. 50 Minuten nach Mitternacht war er zu der Lampe zurückgekehrt, an der er kurz vorher gestanden hatte, und jetzt lag unter ihr die Leiche einer Frau. 40 Minuten nach Mitternacht hatte es etwas geregnet. Da der Boden unter dem Körper der Frau trocken, ihre Kleider aber naß waren, mußte die Tat zwischen 25 und 40 Minuten nach Mitternacht verübt worden sein.
  Auch dieser Mord wurde niemals aufgeklärt. Wer Jack the Ripper war, wurde nie herausgebracht. Von Zeit zu Zeit behauptete jemand, er habe das Rätsel gelöst, aber keine der aufgestellten Hypothesen hat restlos überzeugen können. Am wahrscheinlichsten war noch, daß George Chapman mit Jack-the-Ripper identisch war. Die Gründe für diese Annahme sind folgende:
  Jack the Ripper verübte die erste Mordserie im August 1888 im Londoner Stadtteil Whitechapel. Chapman kam im Jahre 1888 in London an und arbeitete einige Zeit in diesem Bezirk. Die Frau, mit der er in jener Zeit zusammengelebt hatte, berichtete den Behörden später, daß Chapman damals oft erst um 3 oder 4 Uhr morgens nach Hause gekommen sei; aus welchem Grunde wisse sie nicht.
  Die Art, in der Jack the Ripper seine Verbrechen ausführte, ließ darauf schließen, daß er medizinische Kenntnisse und Fertigkeiten besaß. Chapman war ausgebildeter Heilgehilfe, der einige Jahre bei einem Heilpraktiker und in einer Klinik gearbeitet hatte. Er besaß also anatomische Kenntnisse und war als ehemaliger Feldscher chirurgisch geschult.
  Einer der Zeugen, der Jack the Ripper mit der Kelly gesehen hatte, hat ausgesagt, der Täter sei 34 oder 35 Jahre alt, dunkelhaarig und hätte einen Schnurrbart, dessen Enden hochfrisiert waren. Diese Beschreibung paßte auf Chapman, der immer älter ausgesehen hatte, als er war.
  Im Juli 1889 war der letzte der »Ripper«-Morde geschehen. Im Mai 1890 machte Chapman in der Stadt Jersey City (USA) einen Friseurladen auf. Dort sollen zu jener Zeit ähnliche Morde vorgekommen sein, die Anfang 1892 schlagartig aufgehört haben.
  Die Ansicht, daß Chapman und Jack the Ripper ein und dieselbe Person seien, wurde nicht nur von dem Autor vertreten, der das Material zum Fall Chapman veröffentlicht hatte, sondern auch von dem Beamten der Kriminalpolizei, der mit der Untersuchung der Morde in Whitechapel beauftragt war, sowie dem Biographen von Lord Carson, Edward Marjoribanks. Dieser Kriminalbeamte und ein anderer von Scotland Yard waren jahrelang um die Aufklärung der Verbrechen bemüht, kamen aber über Vermutungen nicht hinaus. Vieles spricht dafür, daß es sich bei Chapman und Jack the Ripper um die gleiche Person handelt. Von Gewißheit kann heute aber ebensowenig gesprochen werden wie damals, als Chapman hingerichtet wurde. So lebt George Chapman alias Severin Klosowski in den Annalen der Kriminalgeschichte als eine mysteriöse Persönlichkeit fort.
<~> any propaganda is good propaganda, as long as they spell your name right <~>

Stordfield

  • Gast
Re: bericht von 1965
« Antwort #1 am: 01.10.2008 09:46 Uhr »
Hallo !

Danke für den interessanten Beitrag .
Ich fand es erschreckend , was für ein skrupelloser Mensch dieser Klosowski / Chapman war . Lug , Betrug , Mord schienen sein ganzes Leben auszufüllen . Nicht umsonst befindet er sich in den top ten der Ripperverdächtigen ( Jaja , ich weiß , der MO . :icon_wink: )

Gruß Stordfield

Stordfield

  • Gast
Re: bericht von 1965
« Antwort #2 am: 31.08.2009 10:44 Uhr »
Hallo !

In einem Buch aus dem Jahre 1970 fand ich einen Bericht, aus dem ich folgende Stellen zitieren möchte.
Dabei stellen sich mir natürlich Fragen, z.B. wie hoch der Wahrheitsgehalt des Inhalts ist, ob Klosowski doch englisch konnte und ob Klosowski/Chapman wirklich eine Person war. Aber entscheidet mal lieber selber.  :icon_wink:

„Ich bin nicht Klosowski!“

Am 16. März 1903, genau um elf Uhr, betrat Mr. Grantham, einer der bekanntesten Richter des Inselreichs, den Verhandlungssaal im Londoner Central Criminal Court.
Den Platz des Angeklägers nahm der zweite Kronanwalt, Sir Edward Carson ein.                Der Angeklagte, der bei den Vernehmungen durch die Detektive von Scotland Yard eine aus Selbstsicherheit und Gleichgültigkeit gemischte Haltung gezeigt hatte, wirkte jetzt ängstlich und nervös.
Richter Grantham eröffnete die Verhandlung mit der altüberlieferten Belehrung der Geschworenen, den Angeklagten so lange als unschuldigen Bürger zu betrachten, bis an dessen Schuld nicht mehr zu zweifeln sei. Dann ergriff Kronanwalt Carson das Wort: „George Chapman, mit anderem Namen Severin Antoniowitsch Klosowski, geboren im Jahre 1865 in Kolo in Polen, Sie stehen unter der Anklage, am 25. Dezember 1897 Mary Isabella Spink, am 13. Februar 1901 Elizabeth Taylor und am 19. Oktober 1902 Maud Marsh durch heimliche Gaben von Antimon vorsätzlich getötet zu haben. Antworten Sie! Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?“
Die Stille im überfüllten Schwurgerichtssaal wirkte bedrückend. Dann kam mit unsicherer, brüchiger Stimme die Antwort: „Ich bin nicht schuldig, Sir. Ich habe die drei Frauen nicht getötet. Mein Name ist George Chapman. Zu keiner Zeit habe ich Klosowski geheißen.“
Der Kronanwalt winkte unwillig ab und ergriff erneut das Wort. Er gab einen Überblick über die bisherigen Ermittlungen. Die von der Anklagevertretung aufgebotenen 37 Zeugen sollten dann Einzelheiten davon bekräftigen.
Als erster trat Frank Froest (m.Anm. Polizeiinspektor) in den Zeugenstand. Er richtete seinen Blick auf den Kronanwalt und erklärte: „ Euer Ehren, ich darf berichten, daß ich im Auftrag des CID- Commander, Sir Edward Henry, in den zurückliegenden Wochen im Königreich Polen war, um den Spuren des Angeklagten nachzugehen. Ich darf dem Vorbild des ehrwürdigen Sir Edward Carson folgen und mich kurz fassen. Der im Jahre 1865 in Kolo geborene Severin Klosowski kam im Alter von 15 Jahren als Lehrling zu einem Heilpraktiker und erhielt nach viereinhalb Jahren das Zeugnis als Bader und Heilgehilfe. Vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1885 arbeitete er im `Praga- Hospital` in Warschau und zwischen dem 20. Januar und 15. November des folgenden Jahres als Gehilfe eines Arztes, der ihm die besten Zeugnisse ausstellte und seine Geschicklichkeit lobte. Im Dezember 1886 bewarb sich Severin Klosowski als Feldscher bei den Militärbehörden. Das letzte Datum, das ich in Warschau ermitteln konnte, lautet auf den 28. Februar 1887. An diesem Tage zahlte Klosowski Gebühren in Höhe von vier Rubel bei der Kasse der Warschauer Gesellschaft der Assistenzärzte ein. Der Zeitpunkt seiner Übersiedlung nach London war nicht genau festzustellen.“
Dann berichtete Froest, daß in der Voruntersuchung ein anderer polnischer Einwanderer ausgesagt habe, er wäre 1888 mit Klosowski in Whitechapel zusammengetroffen. Jener Zeuge habe sich nicht mehr an den Monat erinnert, in dem die Begegnung stattfand, wohl aber an das damalige Aussehen seines Landsmannes. Im Verlauf der Personenbeschreibung hätte sich einer der anwesenden Detektive an ein anderes Ereignis aus dem Jahre 1888 erinnert. Dieser Kollege wäre damals nämlich dabeigewesen, als ein Gast der Spelunke in der Dorset Street den Begleiter der später ermordeten Mary Jane Kelly, also den Ripper, beschrieben habe. Im Yard bestünde somit der Verdacht, daß Klosowski alias Chapman und Jack the Ripper ein und dieselbe Person seien.
Dem Richter erschien diese Schlußfolgerung nun doch etwas kühn. Im Jahre 1888 hatte der Zeuge, der den Ripper vor der Schenke sah, von einem 35jährigen Mann gesprochen. Klosowski zählte damals aber erst 23 Jahre. Außerdem konnte Scotland Yard dem Gericht weder den Landsmann Klosowskis noch den Detektiv, der 1888 dem Verhör beigewohnt hatte, als Zeugen präsentieren. Über die Gründe dafür schweigen sich die zeitgenössischen Berichte aus.
Nach Froest wurden die nächsten Zeugen aufgerufen, wiederum Detektive der CID, die den Spuren Klosowskis in London nachgegangen waren. Vor den Geschworenen entwickelten sie dieses Bild: Klosowski war 1888 nach London gekommen und ließ sich in Whitechapel nieder. Zuerst arbeitete er als Friseurgehilfe und eröffnete dann einen eigenen Salon. Im polnischen Klub lernte er seine Landsmännin Lucy Baderski kennen, die er im August 1889 heiratete. Kurz darauf traf in London eine andere Polin ein, die vorgab, Klosowskis Ehefrau zu sein. Sie lebten zu dritt, bis die erste Frau der zweiten den Platz überließ und nach Polen zurückkehrte.
Severin Klosowski und Lucy Baderski gingen im Mai 1890 nach den USA. Die Frau kam bald zurück, Klosowski aber blieb in den Staaten und betrieb dort einen Friseursalon.
Der weitere Verlauf des Prozesses war recht mysteriös. Die Detektive der CID behaupteten, der Angeklagte sei identisch mit jenem Klosowski. Im Jahre 1892 wäre er nach London zurückgekehrt, habe dann mit einem Mädchen zusammengelebt, das den gleichen Namen wie eines der Ripper- Opfer trug – Annie Chapman -, und schließlich den Namen George Chapman angenommen. Eine Zeugin namens Annie Chapman konnte die CID nicht vorführen lassen.
Der Angeklagte selbst versicherte, Amerikaner zu sein. Alles, was man bisher über jenen Klosowski erzählt habe, sei ihm neu. Er wäre in den Staaten aufgewachsen, hätte schon immer George Chapman geheißen, und 1893 sei er nach London übergesiedelt.
Inspector Godley hatte in Chapmans Wohnung ein Tagebuch gefunden, das dem Gericht vorlag. Diese Aufzeichnungen – in englischer, nicht in polnischer Sprache – unterstützten die Version des Angeklagten. „ Come from America in 1893, independent“ hieß es dort an einer Stelle.
Für die Beweisführung, die drei Giftmorde betreffend, die dem Angeklagten zur Last gelegt wurden, war es allerdings zunächst unwichtig, ob er mit jenem Klosowski identisch war oder nicht. Er hatte die Morde begangen, als ihn seine Umwelt unter dem Namen George Chapman kannte, und er konnte in allen drei Fällen überführt werden.

Für einen Jack the Ripper war dieser Chapman schon eine geeignete Person. Er hatte drei Frauen auf heimtückische Weise vergiftet und zeigte vor Gericht eine beträchtliche Portion Gleichgültigkeit. Wenn er nun gar mit jenem ominösen Klosowski identisch war, paßten die Mosaiksteine noch besser zusammen. Dieser Klosowski verfügte über medizinische Kenntnisse. Zur Zeit der Ripper- Morde sollte er in Whitechapel gewohnt haben, und obendrein war er noch Pole.
Die Beweisführung, daß Chapman und Klosowski ein und dieselbe Person waren, wirkte jedoch nicht überzeugend. Chapman stellte diese Behauptung in Abrede und gab sich zu jeder Zeit des Prozesses als waschechter Yankee. Entscheidende Zeugen, die eine Identifizierung hätten vornehmen können, traten nicht auf.