Hallo Lestrade!
Ich werde auf jeden Fall bei Jeff Leahy anregen, bei der Durchsuchung bestimmter Anstaltsunterlagen in Surrey, nach Jacob Levy mit zu suchen.
Das wäre wirklich toll, wenn er darauf ein Auge haben würde.
Im Prinzip war der bereits im Februar 2012 erschienene Artikel über Jacob Levy im Ripperologist 124 von Neil und Tracey I´anson schon maßgebend genug und ihn erneut zu lesen bzw. die entsprechenden Fäden im Casebook oder JTRForums gründlich zu durchforsten, hätte sicherlich einiges an Arbeit erspart.
Den Ripperologist 124 hab ich ja als PDF vorliegen und Iansons wegweisenden Artikel hole ich mir auch immer wieder hervor - die relevanten Infos daraus dürfte ich in meinem Text wohl alle drin haben.
Mühseliger ist es, die verstreuten Infos aus den Threads der Foren zusammenzutragen, zu ordnen und zu bewerten, da sind auch auch viele Sackgassen und Irrwege mit dabei. Da nimmt man was in die These mit auf und später kommt dann der Verdacht auf, dass es scheinbar doch nicht zutreffend war, so wie die Sache mit dem Barbers Yard.
Für mich persönlich war es recht spannend zu erfahren, wie über Jahre die ehemalige Petticoat Lane auf einer Hälfte zur Middlesex Street wurde und später dann nur noch Middlesex Street hieß. Auch der Umbau der Goulston Street um 1886 mit den dann neuen Wentworth Blöcken wurde mir gewahr.
Ja, das war auch für mich sehr interessant, denn es eröffnet für uns einen Erklärungsansatz, warum vielleicht ein paar Infos der Polizei durcheindergeraten sein könnten.
Ich stelle mir das auch für die Ermittler ziemlich chaotisch vor: Einige Daten aus den Akten stimmen auf einmal nicht mehr, es kommt zu Adresse- und Namensverwirrungen in dieser Gemeinde, in der viele mit ähnlichen Namen rumrennen, ihre Namen ändern und / oder dann auch noch öfter umziehen.
Es fällt mir leichter, den von Macnaghten, Anderson und Swanson beschriebenen Kosminski auf den Verdächtigen von Cox und Sagar zu beziehen (beide könnten ja auch separate Verdächtige beschrieben haben) als Jacob Levy auf die “Kosminski“ Umstände selber. Falls Levy und Kosminski tatsächlich Verdächtige der City Police waren, würde das angebliche schnelle Dahinscheiden von Kosminski in der Tat verwechselt worden sein können mit Levy´s Tod im Juli 1891.
Wie herum auch immer, ich finde es einen interessanten Ansatz mit unserem Jacob Levy, seinem Nachbarn Aaron Krotoski, der Sampsons Shop übernahm, und Aaron Kosminski.
Ich spekuliere jetzt mal ganz wild:
Ab Oktober 1888 begann die Polizei alle Schlachtereien und Metzgereien des Viertels und die Beschäftigten dort zu überprüfen, mitten in den aktuellen Adress-Umstellungen. Das heißt, sowohl Jacob in Nr. 36 als auch Aaron Krotoski in Nr. 35 standen auf einer ihrer Listen, die mehrere hundert Leute umfassten. Und Aaron Kosminski stand als Verdächtiger vermutlich ebenfalls auf einer, er war zwar selber kein Butcher, allerdings hatte er als Verwandten den Butcher Jacob Cohen, der sich um ihn kümmerte.
Kurz nach der Adress-Änderung machte Sarah Levy ihren Shop zu (deren Mädchenname Abrahams übrigens auch der Nachname von Kosminskis Bruder war) und es gab dort nur noch in Nr. 134 Levy Moses, Butcher, aber keinen mehr unterhalb Stoney Lane, wo nur noch Krotoski war.
Aus dem Wust der zusammengetragenen Daten könnte dann in den Erinnerungen vermischt worden sein, dass die City Police einen Metzger in der Butcher's Row überwachte, der dann in die Irrenanstalt kam und dort starb, und dass ein überwachter Verdächtiger namens Aaron Kosminski aus einer vermeintlichen Butcher-Familie (Cohen) in die Irrenstalt kam. Irgendwie wurde wegen der Namen Krotoski und Kosminski beides irrtümlicherweise zusammengeworfen, so dass auf einmal Kosminski derjenige war, der schon bald in der Irrenanstalt starb.
Offen bleiben würde dabei natürlich immer noch die Frage, ob Jacob oder Aaron ihr "Prime suspect" war.
Was mir ebenfalls ungewöhnlich vorkommt, aus meiner Sicht der Persönlichkeit des Ripper Mörders, ist, dass Jacob Levy einst erwähnte, dass er Angst habe, Gewalt gegen andere ausüben zu können. In jenem Alter sind Gewalt- und Tötungsfantasien bereits mehr als ausgeprägt und ein potentieller Killer würde sich, rein psychologisch gesehen, eher so nicht ausdrücken.
Ich bin ja kein ausgebildeter forensischer Psychiater, aber wenn der Täter sich in geistigem Verfall befand, würde mich die anfängliche innere Zerrissenheit zwischen den aufkommenden befehlenden mörderischen Stimmen seiner psychotischen Schübe und den Resten seiner moralischen Integretität nicht verwundern, bis der Wahnsinn dann die Oberhand gewann.
Außerdem war er lange verheiratet, hatte acht Kinder und schien einst auch etwas erfolgreich.
Was die Fallhöhe nur größer macht.
Auch wenn er aus einer Butcher Familie stammte und selber ein solcher war, er wäre damit schon recht früh in seinem Leben mit allen Fähigkeiten für dieses Handwerk ausgerüstet gewesen. Er musste sein Handwerk während der Mordserie nicht lernen und Tabram als auch Nichols wären intensiver verletzt und verstümmelt worden. Man könnte auf Störung am Tatort hinweisen aber bei Tabram hatte er genug Zeit um zahlreiche Messerstiche durchzuführen und bei Nichols sahen die Wunde so aus, als ob der Täter sich noch nicht ganz sicher war, wie er nun agieren soll. Für einen Butcher ungewöhnlich. Man könnte aber auch hier anmerken, dass es etwas anderes ist einen Menschen zu töten anstelle von Schlachtvieh. Für mich sieht es eher nach jemanden aus, der sein “Handwerk“ erst noch lernen musste, dessen Erfahrung mit solchen Dingen länger zurücklag oder er sie gerade erst frisch machte.
Ist ein gutes Argument. Allerdings, wie du selber schriebst: "Man könnte aber auch hier anmerken, dass es etwas anderes ist einen Menschen zu töten anstelle von Schlachtvieh."
Dadurch wäre es m.E. auch für einen Butcher etwas neues - denn es hat ja schon eine eminent andere Qualität, in einer Schlachterei völlig legal und offen ein Tier zu zerlegen, als aus einem inneren Zwang auf offener Straße unter Zeitdruck und Entdeckungsgefahr einen anderen Menschen.
Das könnte die anfängliche "Unbeholfenheit" erklären. Auch beginnende Serientäter müssen schließlich erst mal lernen, was eigentlich der Kern ihrer Bedürfnisse bei ihren Taten ist - und der war sicher ein anderer als beim Schlachten von Tieren.
Cox von der City Police in die Middlesex Street zu stellen ist möglich, es bleiben jedoch noch Fragen diesbezüglich offen. Der Bericht von Cox lässt eher auf eine Straße schließen, die von tatsächlichen Schneidern und Mützenmachern geprägt war, eher im Stile größerer Produktionen. Und die gab es tatsächlich im East End Bereich. Ich vermute eher einen Shop der auch mit diesem Berufszweig verbunden war.
Dass es in der beobachteten Straße eine Bekleidungsindustrie gegeben haben muss, darüber sind wir uns einig, sonst hätte die Ausrede mit den Factory Inspectors keinen Sinn gemacht.
Wie ich allerdings schon einmal als Argument anführte: Wenn man tatsächlich Schneider observiert und dabei bemerkt wird, erzählt man nicht als Ausrede, man würde Schneider beobachten, sonst könnte das den Observierten warnen, wenn es weitererzählt wird. Sinnvoller erscheint es mir hingegen, die eigentliche Zielgruppe in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen, indem man auf die Gruppe daneben als angebliches Ziel verweist.
Zudem deutet Cox Hinweis, dass sie regelmäßig als Kunden im Shop auftraten, weniger auf Schneider hin, als auf ein Geschäft für alltägliche Einkäufe. Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers." Etwas essen mussten die Polizisten sowieso, daher erscheint eine Metzgerei plausibel, aber ob sie Spesen für regelmäßige Schneiderarbeiten bekommen hätten...
Auch sprach Cox von einem Shop, welcher Wohnung und Laden zugleich war.
Levys Shop war klein, wie die Karten zeigen, und zugleich die Wohnadresse, aber wie die Zimmeraufteilung war, wissen wir leider nicht.
Bei Kosminski sehe ich jedenfalls auch ein gewisses Problem mit den Ausführungen von Cox. Denn Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected" - und wenn ich mich korrekt an deine Adress-Liste aus der Greenfield Street erinnere, waren gegenüber von Abrahams und Lubnowski praktisch alle Häuser von anderen Schneidern bewohnt. Welches Gebäude hätten sie nutzen können?
Eine von Sagar´s Observationen in der Butchers Row fanden im Dezember 1890 statt, als Jacob Levy schon in Stone eingewiesen war. Cox und Sagar waren bereits im Oktober/November 1890 an einer Ermittlung beteiligt, die sich auf einen Mann in der Greenfield Street bezog. Dieser lebte nur sechs Türen von Isaac Abrahams (Bruder von Aaron Kozminski) entfernt. Sagar´s Observation in der Butchers Row bezog sich auf ein Bordell.
Das Kernproblem mit Sagar scheint mir zu sein, dass er offensichtlich regelmäßig zu Observationen in verschiedenen Fällen eingeteilt wurde, was eine Zuordnung zum Ripper-Fall schwierig macht.
Was hälst du von Hyam Hyams? Er wohnte u.a. ja direkt hinter der Middlesex Street, falls ich mich nicht irre. Ehrlich gesagt, kann ich mir dich für ihn sehr gut vorstellen.
Da gab es einige neue Erkenntnisse vor längerer Zeit. So soll die Bezeichnung: "the terror of the City of London Police" gar nicht dem uns bekannten Hyam Hyams zuzuordnen sein. Auch fand Rob House einen anderen Hyam Hyams in einer Anstalt. Der Name war, glaube ich, garnicht so selten. Da war auch einer in der Middlesex Street, siehe mal unter unseren Sammlungen nach. Ebenso soll es mögliche familäre Verbindungen zu Joseph Hyam Levy/ Jacob gegeben haben.
Ich müsste auch erst alles auffrischen aber ein neuer Faden, ähnlich wie jetzt Jacob Levy, würde Sinn machen und wir könnten uns ähnlich austauschen wie bisher. Ich denke, es würde spannend und interessant werden und Spaß machen. Was meinst du?
Wir hatten ja schon mal die Idee, diesen Faden um Hyam Hyams aufzunehmen, sind jedoch damals so verblieben, erst mal zu warten, bis sich diese personelle Verwirrung um Hyams gelichtet hat. Wenn da inzwischen ein bisschen Licht in die Sache gekommen ist, so dass wir nicht mehr Gefahr laufen, verschiedene Hyams durcheinanderzuschmeißen, würde mir das durchaus Spaß machen, sofern meine Zeit es zulässt.
Zum Abschluss könnten wir dann die kompletten Profile der verdächtigen Anstaltsinsaassen hier einander gegenüber stellen.
MfG, Arthur Dent