Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 308412 mal)

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Re: Jacob Levy
« Antwort #270 am: 13.09.2016 10:15 Uhr »
Guten Morgen Arthur!

Das sind ja alles die Quellen, die wir kennen.

Es ist ja offensichtlich, dass die Straße vormals geprägt war durch die Petticoat Lane, östliche Seite. Westliche Seite war Middlesex Street. Vielleicht spielte jene Trennung City/Metropolitan dabei eine Rolle. Irgendwann hieß es dann aber nur "Formerly Petticoat Lane". Alles war dann Middlesex Street. Wenn du auf die Karten schaust siehst du eben eine sehr ähnliche Nummerierung. 1-72 auf der ehemaligen Petticoat Lane (ohne eine 69) und auf der anderen Seite (1-50). Zweimal eine 36.

Nun siehst du ja, dass auf der östlichen Seite unter 36 das Tea Warehouse war. Scott schrieb mir, er sieht für 1894 im Directoryy die Paget & Piggott Tea Merchants und sieht sie als Nachfolger von Levy´s Shop an. Unter der Nummer 69 sieht er 1894 im Census einen Daniel Bodgerhart (fried fish shop), im Directory 1891 ist unter der Nummer 69 noch Jacob Levy geführt. Hält Scott die 36 oberhalb der westlichen Seite für Levy´s Shop, was ich glaube, dann hat er vielleicht nicht bemerkt, dass das Tea Warehouse ganz woanders liegt, nämlich auf der östlichen Seite. Scott hat mir eine Karte geschickt, wo man nur die westliche Seite der Middlesex Street erkennt. Und dort gibt es ja auch tatsächlich die Nummer 36 nahe der Kreuzung Stoney Lane. Wäre ja Zufall, wenn beide 36 durch Teehändler belegt wurden. Keine Ahnung ob beide, King und Scott, der Petticoat Lane Nummerierung gewahr sind. Scott schrieb aber selber "Butcher Shop/ Petticoat Lane". Aber soweit ich das verstehe, wurde der nordwestliche Teil niemals Petticoat Lane genannt. Man liest halt in den Unterlagen und schaut dabei nicht immer auf die Karten, warum auch. Scott meint auch, dass 36 und 69 unterschiedliche Adressen waren. Ich kann für diese Zeit aber keine 69 erkennen. Ich meine, irgendwann muss man diese beiden Straßenseiten ja zu einer Straßennummerierung zusammengefasst haben. Dabei könnte die 69 erst entstanden sein.

Ich habe ihm mein Verständnis der ganzen Sache gestern abend noch einmal detailliert geschickt, mit Karten usw. Hoffe, dass er uns dann asbald ein klareres Bild darlegen kann. Auf jedenfall gibt es dort Nummernsalat, ansonsten würde jemand wie Scott Nelson eine Teehändlerlocation nicht für Levy´s ehemaligen Shop halten.

Ich bin für heute ersteinmal raus, bin unterwegs, bitte nicht wundern.

Lestrade.   
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #271 am: 13.09.2016 19:41 Uhr »
Hallo Lestrade, hallo allesamt,

ich habe nochmal genauer über die Situation in der Middlesex Street nachgedacht:


Gehen wir mal davon aus, Harry Cox observierte tätsächlich in der Middlesex Street.

Cox schrieb:
"We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers."

Gegenüber Middlesex Street 36 (Westseite unter Stoney Lane) liegen östlich die Hausnummern 52 bis 72.

Gegenüber Pettycoat Lane 36 (Ostseite, Warehouse) liegen westlich die Hausnummern 15 bis 20.

Wer war dort laut Post Office 1888 / 1889 gemeldet? Weiß das jemand?


Interessanterweise war jedenfalls an der Ecke Middlesex Street / New Goulston Street das südöstliche Eckgebäude (Hausnummer 50) der Pub "The Bell" (den es übrigens immer noch gibt). Von dort aus hätten Beobachter schon mal einen Blick auf die Tür der nordwestlichen Middlesex Street 36 gehabt.


Cox schrieb:
"When darkness set in I saw him come forth from the door of his little shop and glance furtively around to see if he were being watched. I allowed him to get right out of the street before I left the house, and then I set off after him. I followed him to Lehman Street."

Cox ließ den Verdächtigen erst die Straße verlassen, bevor er ihm folgte. Er hätte seinem Verdächtigen wohl nicht mehrere hundert Meter Vorsprung gegeben, sonst hätte er ihn aus den Augen verloren. Der Verdächtige musste seine Straße also bereits nach wenigen Metern verlassen können.

Da er danach in die Leman Street ging, könnte er also zuerst von der Middlesex Street über die New Goulston Street in die Goulston Street gegangen sein, und von dort weiter in Leman Street.
Gehen wir davon aus, dass Cox die nordwestliche Middlesex Street 36 beobachtete, so passt das: Denn die New Goulston Street mündet nur wenige Meter südlich der Adresse ein.

Dies trifft auf die Pettycoat Lane 36 so nicht zu, da wäre es nach beiden Seiten wesentlich weiter gewesen bis zu einer anderen Straße (Aldgate High Street oder New Goulston Street), über die man dann in die Leman Street gelangen konnte.
 

Soweit meine Überlegungen.

Interessant wäre es jetzt, wenn jemand die Post Office Daten von 1888 / 1889 für die o.g. Häuser hätte.


MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #272 am: 13.09.2016 22:38 Uhr »
Hallo Arthur!

Heutiger Mailaustausch mit Scott:

Hi Karsten,

Es würde keine zwei 36 in der gleichen Straße geben. Die einzige Erklärung wäre, dass sich die Nummerierung während der Kartenerstellung der von dir angehangenen Karten änderte. Die pdf mit der ich arbeitete (und dir schickte) stammte von 1887. Diese zeigt keinerlei Nummerierung für die Ostseite der Straße. Aber zu jener Zeit gab es keine Petticoat Lane Bezeichnung mehr (außer für den Markt). Falls die Karte älter ist, kann es sein, dass sich die Nummerierungen teilweise wiederholt haben, als Westseite Middlesex Street war und die Ostseite Petticoat Lane. Jacob Levy übernahm den Butcher Shop der Middlesex Street 36 an Stoney Lane nachdem Hyam Levy (Vater vom Zeugen Joseph Hyam Levy) starb. Ich glaube, obwohl ich mir nicht sicher bin (Tracy Ianson wäre wohl eher in der Lage dir zu helfen), dass er mit seinem Shop in der Nummer 69 direkt gegenüber, nördlich der New Goulston Street am Ende landete. Die Frage die ich habe lautet, aus welchem Jahr stammt die Karte in der Mitte?


(Anmerkung: Ich habe ihn drei Karten Ausschnitte geschickt, Middlesex Street Westseite, Middlesex Street mit Petticoat Lane, Ostseite und einen von der Geoff Cooper Karte.)     

Nebenbei, ich halte Rob Clack für den Meister solcher Karten und Straßenaddressänderungen.

Sag mir ob dir das hilft, Scott.


Meine Antwort, nachdem ich auf dem Insurance Plan of City of London genauer hingeschaut habe:

Hi Scott,

Ja, es ist hilfreich...

Karte in der Mitte: VOL. XI: sheet 318 = 1890 (siehe Anhang) -Ostseite-
Die andere Karte: VOL. III: sheet 71 = 1887 (siehe Anhang) - Westseite-
 
Du siehst, deine Karte stammt aus der gleichen Zeit wie die Vol. III: sheet 71 (Insurance Plan Of City of London).

Die Nummerierung änderte sich zwischen 1887 und 1890? Richtig? Und der Teehändler Laden in der Middlesex Street 36 in 1890 & 1894 war nicht der Levy Shop von 1887? Richtig?

Karsten.


Soweit, so gut. Warten wir seine Antwort ab. Die Nummerierung hätte sich dann ja gegen 1890 für die ehemalige Petticoat Lane in der Middlesex Street ergeben und die westliche Seite hätte sich dann wohlmöglich geändert. Klar, aus der 36 dort, hätte sich dann die 69 ergeben können, ohne Umzug.

Deine Überlegungen zu Cox sind logisch. Ich frage Scott dann nach jenen Directory Adressen in der nächsten Antwort.

Besten Gruß, Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #273 am: 14.09.2016 12:53 Uhr »
Scott bestätigt meinen Eindruck, allerdings habe ich ihn vergessen zu fragen, wie er nun über die 36/69er Konstellation denkt!

Habe gefragt wegen den 1888/89 (also dann eher 87/88) Post Office Adressen. Vorab die 1891 (für 1890), welche ich schon länger notiert habe:

Card & Cardboard Makers: Isaac Woolf 15
Wardrobe Dealers: Simon Simmons 17
Boot & Shoemakers-Wholesale: Wolff Weber & Sons 18
Fishmongers: David Hyams 51
Chandlers Shops: Godfrey Marks 52
Publicans: Joseph Aarons “Horns” 53
Piece brokers: Louis Prince 54
Dairyman: John Jenkins 56
Ironmongers: Emanuel Siegenberg 58
Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan 62
Piece brokers: Fishel Littman 64
Greengrocers: Brothers Levy 65
Butchers: Hyams Syckerman 66, Hyman Sampson 67,Jacob Levy 69 (eine kleine Butchers Row?)
Furriers: Benjamin Hyam 70

Vielleicht können wir daran dann auch erkennen, wie sich die Nummerierung zwischenzeitlich änderte, siehe 36/69.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #274 am: 14.09.2016 12:55 Uhr »
Wegen der Nummerierung müsste man auch noch mal auf George Bolam schauen, der hatte ja irgendwann auch eine kleine Schlächterei in der Middlesex Street neben seinem Kuhstall in der Aldgate High Street... frage ich ihn auch noch...
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #275 am: 14.09.2016 21:06 Uhr »
Hallo Lestrade,

vielen Dank für deine Mühen, ich habe die Daten mal von Nord nach Süd sortiert entsprechend der Stadtpläne.


1. Gegenüber Middlesex Street 36 (Westseite) liegen östlich die Hausnummern 48 bis 72.

Belegung 1890 / 1891:

70   Furriers:                                    Benjamin Hyam                Kürschner / Pelzhändler
68   Cook & Confectioner:                  Harry Joseph                    Koch und Konditor
66   Butchers:                                  Hyams Syckerman            Metzger
64   Piece brokers:                            Fishel Littman                  Restehändler
62   Fried Fish Shops:                       Mrs. Polly Nathan              Fried Fish-Imbiss
60   Fishmonger / Fish Frier / Coffee: Zuss Joel                         Fishhändler / Kaffee
58   Ironmongers:                            Emanuel Siegenberg         Eisenwarenhändler
56   Dairyman:                                John Jenkins                     Milchmann
54   Piece brokers:                           Louis Prince                      Restehändler
52   Chandlers Shops:                      Godfrey Marks                  Krämer oder Kerzenmacher?
---   Einmündung New Goulston Street
50   The Bell Public House:               William Rose                    Pub
48   unbewohnt                                                                     (auch 1887 als "vac." markiert)


Das wären also die Gebäude, von denen die Polizei die nordwestliche Nr. 36 observiert haben könnte.
Insbesondere haben wir 1890 also gegenüber auf der Ostseite einen Cook & Confectioner, einen Fisch-Imbiss, ein Fischhändler mit Café (?), den Pub The Bell und darunter noch ein leerstehendes Haus.

Direkt unterhalb des leerstehenden Hauses beginnen laut Firemap übrigens die Gebäude der Clothiers der Petticoat Lane:
46 Clothing Fac.
44-38 Tarling, Bagg & Co. Clothiers Warehouses
(36 Tea Warehouse)
34 WHO Clothiers

Cox: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age."



2. Gegenüber Pettycoat Lane 36 (Ostseite, Tea Warehouse) liegen westlich die Hausnummern 15 bis 20.

Belegung 1890 / 1891:

--- Einmündung Ellison Street
20   1887 Under Construction                                                    (Firemap 1887)
19   1887 Ruins                                                                        (Firemap 1887)
18    Boot & Shoemakers-Wholesale:      Wolff Weber & Sons        Schuhmacher
17   ?
16   Wardrobe Dealers:                        Simon Simmons             Garderobe / Schränke         
15   Card & Cardboard Makers:             Isaac Woolf                    Kartonagen
--- Einmündung Hutchinson Street

Diese kleinen Hausnummern sind leider nicht im Online-Census 1891 zu finden, danke dafür, Lestrade.
Fehlt nur noch die Aktualisierung für 19 und 20 sowie die Hausnummer 17.


Und natürlich die Antwort auf die Frage, ob die nordwestliche Nr. 36 nun definitiv Levys Butcher Shop war...

MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 14.09.2016 21:43 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #276 am: 14.09.2016 23:02 Uhr »
Hi Arthur!

Mit 19 und 20 kann ich noch dienen.

Clothier: Simons Simmons 19 (der war auch unter 17, du führst ihn unter 16, gehörten ihm wahrscheinlich alle)
Carpenter/ Packing Case Maker: Suggars Mather & Sturrock 20 (die boten aber auch noch andere Dienste an)

Den fand ich auch noch:

Furniture Dealers and Brokers: Henry Levy 57

Ich habe dieses Directory als pdf. Das hat natürlich Volumen. Die Suchfunktion ist nicht ganz einfach, da auch mal was übersprungen wird, z.B. beim vor- und zurückklicken. Ich suchte jetzt noch einmal unter "Middle". Du kannst dir vorstellen, dass ich eben noch einmal ca. tausend Klicks machen musste, um noch einmal durchzuschauen und fehlende Nummern aufzuspüren. Bitte um Veständnis, ist eine komplizierte Arbeit. Bin ganz aus der Puste.

Ich bin mir nun recht sicher, dass Levy´s Shop der in der 36 der nordwestlichen Middlesex Street gewesen war, an Stoney Lane gelegen. Daraus sollte zwischen 1887 und 1890 die 69 geworden sein.

Was mir aber selber gerade auffiel, diese Adressen in der Middlesex Street wurden unterschiedlich geführt, mal für Whitechapel, mal für Aldgate. Wenn Levy 1888 in 36 war und daraus 69 wurde, dann waren andere Butcher 1888 in 33 (Syckerman? dann 66 ) und 34 (Samson? dann 67). Wer vormals in 35 war (und dann in 68) weiß ich jetzt nicht. Da habe ich nichts. Auf jeden Fall war das dann eine kleine Butchers Row, von der es dort, laut Scott Nelson, auch mehrere gab. Vielleicht finden wir, wenn Scott die früheren Directories durchgeht, die eben genannten Butcher unter diesen alten Nummern wieder, ich rechne damit. Für 1891(90) habe ich jetzt da nur noch die Butchers Joseph Joseph 39, David Nussbaum 91 und Abraham White 84. Sie ergeben aber keine Reihe. Vielleicht erkennen wir da mehr via Informationen von Scott. Aber wenn Sager sagte, Butchers Row Aldgate und einige Geschäftsleute unter Aldgate und nicht Whietchapel geführt wurden, dann könnte er vielleicht, ich riskiere das jetzt, auch die Middlesex Street gemeint haben und nicht die Aldgate High Street. Middlesex Street war nunmal die Grenze zwischen City of London (Aldgate High Street gehörte dazu) und Whitechapel. So könnte in der Tat Jacob Levy, der Verdächtige von Sagar und Cox und gewesen sein, da würde die Geography dann stimmen und auch die Umstände, wie der merkwürdige Zeuge Joseph Hyam Levy, Cousin von Jacob Levy.

Vielleicht bekam die (City) Polizei aus Joseph Hyam Levy doch noch etwas raus und Sagar und Cox als Angehörige dieser Einheit glaubten dann, Jacob Levy war Jack The Ripper. Vielleicht war der "Hybrid German" Zeuge von Major Smith (City Police) eben Joseph Hyam Levy. Meines Erachtens, stammte diese ganze Familie ursprünglich aus Holland, unser Nachbarland. Gut gemacht, Arthur. Deine Hartnäckigkeit wirft nun weitere neue Fragen auf. Chapeau! 

Meine Frage als Kosminski Mann lautet natürlich, ob Jacob Levy, als er von seinem Cousin Joseph Hyam Levy mit Eddowes gesehen wurde, einfach weiterging und Eddowes beim betreten des Mitre Square auf Kosminski traf, den dann die Kollegen der MET Police, Anderson, Swanson und Macnaghten (siehe aber auch Sims und Griffiths) eher für den Täter oder zumindest starken Verdächtigen hielten. Da müsste man aber mehr über die Seaside Home ID wissen und sich auch vor Augen halten, dass möglicherweise die Adressen von Aaron Kozminski einst 36 Berner Street (1882) und Providence Street (1988) hießen, direkt am Stride Tatort gelegen und es wahrscheinlich weitere Angehörige gab, die dahinter, in Batty Gardens, in jenen Jahren lebten. Alles in allem ein Konstrukt, dass man im Auge behalten sollte. Sehr spannend und vielleicht nun eine ganz andere Sichtweise auf diesen Fall.

Übrigens: Wir haben uns bei den Häuserummern sicherlich von den Geoff Cooper Karten blenden lassen. Er vereinte wohlmöglich zwei unterschiedliche Karten aus unterschiedlichen Jahren (1887 & 1888) für beide Straßenseiten, ohne zu bemerken, dass die Nummern sich in den Jahren dazwischen geändert hatten. Kann passieren.

Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #277 am: 14.09.2016 23:21 Uhr »
Eben meldete sich Scott. Er fürchtet, aus unerfindlichen Gründen, dass er einige Directory Sachen nicht mehr hat. Er verweist auf Debra Arif und auf Gary Barnett. Ich habe Kontakt zu Debra und werde es bei ihr versuchen. Aber nicht gleich, ich habe aktuell und die kommende Tage noch weitere, auch wirklich wichtige Dinge zu erledigen. Bitte habe Verständnis und fühle dich frei, mich daran nach ein paar Tagen zu erinnern. Vielleicht finde ich auch noch was aus älteren Kommunikationen mit ihr oder mit Chris Phillips.

Scott hat mir vor einer Weile schon einmal mitgeteilt, dass er aus der Nummer eigentlich raus ist, schon länger, und das Thema nur noch beobachtet. Viele machen dann in ihren Unterlagen einfach klar Schiff. Ich kann mich jederzeit bei ihm melden und nachfragen aber es hat dann doch auch seine Grenzen. Ihm fehlt jetzt der Enthusiasmus, denn er gerne mit mir vor Jahren geteilt hätte. Zu unserem Glück haben wir aber noch andere Möglichkeiten...
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Re: Jacob Levy
« Antwort #278 am: 15.09.2016 00:04 Uhr »
Noch eine kurze Anmerkung!

Diese Shops für Cox und/ oder Sagar halte ich im Fall der Fälle am wahrscheinlichsten als Observationspunkt:

Dairyman: John Jenkins 56
Ironmongers: Emanuel Siegenberg 58
Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan 62
Fishmonger: Zuss Joel 60
Piece brokers: Fishel Littman 64

Der spannendste dabei ist Zuss Joel. Er findet sich nicht im Directory von 1891 (was 1890 entspricht) aber in 1891er Census ist er dann plötzlich da. Könnte sein, dass dieser Shop zeitweise leerstand. So auch um Ende 1888/ Anfang 1889. Und Jacob Levy´s Shop war mit der kleinste, man denke an Cox´s "little shop"...
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Re: Jacob Levy
« Antwort #279 am: 15.09.2016 00:29 Uhr »
Wer vormals in 35 war (und dann in 68) weiß ich jetzt nicht. Da habe ich nichts.

Du hattest es vorher gepostet:

68   Cook & Confectioner:                  Harry Joseph                    Koch und Konditor

Könnte das gleiche gewesen sein, wie mit Joel (Census/ Directory). Und in 1888/89 ein Butcher vor Harry Joseph? Eine Viererreihe (wenigstens)?

Jetzt aber gute Nacht!
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Re: Jacob Levy
« Antwort #280 am: 15.09.2016 12:05 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zitat
Was mir aber selber gerade auffiel, diese Adressen in der Middlesex Street wurden unterschiedlich geführt, mal für Whitechapel, mal für Aldgate. Wenn Levy 1888 in 36 war und daraus 69 wurde, dann waren andere Butcher 1888 in 33 (Syckerman? dann 66 ) und 34 (Samson? dann 67). Wer vormals in 35 war (und dann in 68) weiß ich jetzt nicht. Da habe ich nichts.

Ja, verzwickt mit diesen Adressen, nicht wahr?
Aber was Sampson angeht, das dürfte unstrittig sein: Beim Diebstahlprozess Sampson gegen Levy 1886 wird in den Akten beim Central Criminal Court für Sampson Hausnummer 35 und für Levy 36 angegeben. Da die westliche Straßenseite damals durchgezählt wurde, wie man in den Firemaps von 1887 sieht, lagen sie offensichtlich direkt nebeneinander.
Denn weiter südlich existierte laut Firemap keine andere Hausnummer 35: Auf der Westseite wurde ja einfach von der Aldgate High an von 1 bis 37 nach Norden bis zur Stoney Lane durchgezählt, und auf der Ostseite (Petticoat Lane) bestand die Nummerierung von Aldgate High an bis zur Wentworth ja bereits nur noch aus geraden Zahlen - was zwar zu Doppelungen bei den geraden Hausnummern gegenüber führte - aber die ungeraden gab es nur einmal.
Folglich war Levys der zweite Shop unterhalb Einmündung Stoney Lane und Sampsons der dritte. Und später mit der Neustrukturierung und Eliminierung aller geraden Nummern auf der Westseite wurde dann Sampson zu Nr. 67 und Levy zu Nr. 69, wie es im Census 1891 steht. Genau gegenüber lagen die geraden Nummern 52 bis 72. Damit dürfte die Restrukturierung abgeschlossen gewesen sein, und man hatte endlich auf der Westseite nur ungerade, auf der Ostseite nur gerade Nummern, aber vor allem jede Zahl nur einmal in der Straße.

Mit Sykerman hast du die Straßenseite verwechselt: die 66 liegt auf der Ostseite, direkt gegenüber der Einmündung Stoney Lane, und dürfte vorher und nachher 66 gewesen sein, das war vorher nicht die 33. Die alte Nr. 33 auf der Westseite müsste später zur 63 geworden sein, und die alte 34 zur 65. Damit würde die Reihe der Hausnummern dann stimmen.
Wer allerdings unterhalb von Levy und Sampson in der alten 34 und 33 war (oder oberhalb in der 37), weiß ich leider (noch) nicht, da die Online Version des Census 1891 nur die geraden Hausnummern von 48 bis 70 aufführt, also diejenigen Gebäude auf der Ostseite, die nach Norden der geschlossenen Front von Clothier Factories und Warehouses folgen, welche die Südhälfte der Straße komplett belegen und von Aldgate High bis Nummer 46 der ehem. Petticoat Lane reichen.


Zitat
Der spannendste dabei ist Zuss Joel. Er findet sich nicht im Directory von 1891 (was 1890 entspricht) aber in 1891er Census ist er dann plötzlich da. Könnte sein, dass dieser Shop zeitweise leerstand. So auch um Ende 1888/ Anfang 1889. Und Jacob Levy´s Shop war mit der kleinste, man denke an Cox´s "little shop"...

Interessant: Das heißt also, im Post Office war Joel noch nicht, und taucht erst im später erhobenen Zensus auf? Wenn das Gebäude vorher eine gewisse Zeit leergestanden hätte, wäre das 1889/1890 der optimale Ort für eine Observation gewesen, denn es war direkt gegenüber der Nr. 36.
Cox: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected..."


Zitat
Aber wenn Sagar sagte, Butchers Row Aldgate und einige Geschäftsleute unter Aldgate und nicht Whietchapel geführt wurden, dann könnte er vielleicht, ich riskiere das jetzt, auch die Middlesex Street gemeint haben und nicht die Aldgate High Street.

Nun ja, ich sehe da auch keinen Widerspruch, selbst wenn er die Aldgate High Street gemeint hätte, denn Sagar schrieb ja "who WORKED in Butcher's Row, Aldgate" und nicht, dass er dort WOHNTE.
Da ich es für wahrscheinlich halte, dass Levy nach seinem Diebstahl bei Sampson 1886 vom Jewish Council die Lizenz entzogen worden war, und nun seine Frau den Laden alleine weiterzuführen versuchte, ist es m.E. ja gut möglich, dass Jacob danach in der Butcher's Row als Aushilfe arbeitete, soweit es sein schlechter werdender Gesundheitszustand zuließ: "He occupied several Shops in the East End..."
Und entsprechend werden sie ihm gefolgt sein und immer jenes Gebäude überwacht haben, in dem er gerade war:
Aberdeen Weekly Journal,16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
Oder London Evening News And Post, 13. September 1889: "He has a business, to which he scarcely ever personally attends."
Die parallele Beobachtung von Middlesex Street 36 und Butcher's Row schließt sich ja nicht aus, man muss ja schließlich Wohnung und Arbeitsplatz eines Verdächtigen überwachen.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 15.09.2016 13:12 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #281 am: 15.09.2016 12:29 Uhr »
Zitat
Gut gemacht, Arthur. Deine Hartnäckigkeit wirft nun weitere neue Fragen auf. Chapeau!

Danke, aber mühsam nährt sich das Eichhörnchen... Mindestens zwei gewaltige Haken hat die Jacob Levy These immer noch:
Dass Swanson und Macnaghten explizit Kosminski schrieben und dass in Sachen Einweisung in eine Irrenanstalt unsere Polizisten von Surrey und Colney Hatch sprachen statt von Stone in Kent, dazu haben wir nur das unbestätigte Gerücht von Lady Anderson...
Da gibt es nur drei Möglichkeiten: Dass sie entweder etwas verwechselt haben, dass es vorübergehende Einlieferungen von Levy gab, die wir nicht kennen ("from time to time he became insane and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey"), oder dass Levy doch nicht der Verdächtige war.


Aber zum Macnaghten Memorandum und seinen Verdächtigen habe ich eine Theorie:

Macnaghten schrieb das interne Memorandum explizit als Argumentationshilfe für seine Beamten wegen der aktuellen Verdächtigungen in der Presse gegen Cutbush.
Er wollte erstens die Falschmeldungen und Gerüchte über Cutbush korrigieren und zweitens seinen Beamten als Argumentationshilfe drei "echte" Ripper-Verdächtige der Polizei mit auf den Weg geben:
 
"Ich kann über Fälle von 3 Männern berichten, jeder von ihnen wahrscheinlicherer verdächtig für die Serie der Morde als Cutbush:"

Macnaghten wählte dazu wohl bewusst drei Verdächtige aus, die unverfänglich und hinsichtlich einer möglichen öffentlichen Reaktion ungefährlich waren:
Den bereits toten Druitt, den irren Kosminski, der außerhalb Londons sicher weggesperrt war, oder den er vielleicht ebenfalls bereits für tot hielt, und den irren Kriminellen Ostrog, von dem er offensichtlich der Meinung war, dass er irgendwo weg von London sicher verwahrt wurde.

Ein Beleg dafür, dass die Polizei spätestens 1894 Druitt nicht mehr wirklich ernsthaft verdächtigte (wenn denn jemals), ist ja, dass sie nach seinem Tod weiter fleißig Verdächtigte observiert hatte.

Meiner Meinung nach zeigt das Memorandum daher weniger, wen Macnaghten und seine leitenden Ermittler tatsächlich für die Hauptverdächtigen im Ripper-Fall hielten - als vielmehr, wen man den Untergebenen und der Öffentlichkeit gut als unverfängliche Gegenbeispiele zu Cutbush präsentieren konnte.
Die Hauptbotschaft des Memorandums sollte wohl lauten: Cutbush kann nicht der Ripper gewesen sein, denn der Ripper ist entweder tot oder wegesperrt.

Falls sich die Führungsebene der Polizei entschlossen hatte, Stillschweigen über die peinliche misslungene Seaside Home Identifizierung ihres Hauptverdächtigen zu bewahren, so wird Macnaghten wohl kaum wissentlich den echten Hauptverdächtigen in das Memorandum aufgenommen haben.

Aber die an den Ermittlungen beteiligten Beamten konnten es sich wohl über die Jahre nicht verkneifen, mit Anmerkungen darauf hinzuweisen, dass sie nicht völlig inkompetent und planlos im Ripper-Fall waren.

Bei Swanson habe ich noch kein klares Bild, denn er machte ja nur private Eintragungen in Andersons Memoiren, insofern hatte er keinen Grund, einen an den Haaren herbeigezogenen Verdächtigen zu nennen wie Macnaghten den toten Druitt.


MfG, Arthur Dent
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Re: Jacob Levy
« Antwort #282 am: 15.09.2016 15:18 Uhr »
Hallo Arthur!

Mit Sykerman hast du die Straßenseite verwechselt: die 66 liegt auf der Ostseite, direkt gegenüber der Einmündung Stoney Lane, und dürfte vorher und nachher 66 gewesen sein, das war vorher nicht die 33. Die alte Nr. 33 auf der Westseite müsste später zur 63 geworden sein, und die alte 34 zur 65. Damit würde die Reihe der Hausnummern dann stimmen.
Wer allerdings unterhalb von Levy und Sampson in der alten 34 und 33 war (oder oberhalb in der 37), weiß ich leider (noch) nicht, da die Online Version des Census 1891 nur die geraden Hausnummern von 48 bis 70 aufführt, also diejenigen Gebäude auf der Ostseite, die nach Norden der geschlossenen Front von Clothier Factories und Warehouses folgen, welche die Südhälfte der Straße komplett belegen und von Aldgate High bis Nummer 46 der ehem. Petticoat Lane reichen.

Das war natürlich Nonsens. Wie du ja schriebst, die rechte Seite bekam gerade Zahlen, die linke Seite ungerade. Ich wollte die vormals 30er Reihe 1:1 in die 60er übernehmen. Schwachsinn...

Die Shops die dann westlich 32,33,34,36,37 1887 zusammenlagen, wurde spätestens 1890 zu 61,63,65,67,69 und 71. Gegenüber östlich lagen dann die genannten:

Dairyman: John Jenkins 56
Ironmongers: Emanuel Siegenberg 58
Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan 62
Fishmonger: Zuss Joel 60
Piece brokers: Fishel Littman 64

Deenen gegenüber lagen dann:

Greengrocers: Levy Brothers 65 (hatte ich noch, also vormals 34)
Butcher: Hyman Sampson 67
Butcher: Jacob Levy 69

Also wohl in diesem Falle nix Butchers Row. Hinter Syckerman wurde Aldgate angegeben, davon habe ich mich auch irritieren lassen und ihn zur Westseite geordnet. Den fand ich im Netz nochmal, angegeben als Sickerman für 66 Goulston Street. Sampson war ja aus der 58 Goulston Street. Aber der ersteren Adresse konnte ich nichts weiter entnehmen. Die Shops um die Levy Brothers und Jacob Levy müssen ja auch nicht immer besetzt gewesen sein, so wie vielleicht der von Joel.

Ich hoffe, ich habe es jetzt so halbwegs. Anstrengend...

Interessant: Das heißt also, im Post Office war Joel noch nicht, und taucht erst im später erhobenen Zensus auf? Wenn das Gebäude vorher eine gewisse Zeit leergestanden hätte, wäre das 1889/1890 der optimale Ort für eine Observation gewesen, denn es war direkt gegenüber der Nr. 36.
Cox: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected..."

Wäre möglich!

Nun ja, ich sehe da auch keinen Widerspruch, selbst wenn er die Aldgate High Street gemeint hätte, denn Sagar schrieb ja "who WORKED in Butcher's Row, Aldgate" und nicht, dass er dort WOHNTE.
Da ich es für wahrscheinlich halte, dass Levy nach seinem Diebstahl bei Sampson 1886 vom Jewish Council die Lizenz entzogen worden war, und nun seine Frau den Laden alleine weiterzuführen versuchte, ist es m.E. ja gut möglich, dass Jacob danach in der Butcher's Row als Aushilfe arbeitete, soweit es sein schlechter werdender Gesundheitszustand zuließ: "He occupied several Shops in the East End..."
Und entsprechend werden sie ihm gefolgt sein und immer jenes Gebäude überwacht haben, in dem er gerade war:
Aberdeen Weekly Journal,16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
Oder London Evening News And Post, 13. September 1889: "He has a business, to which he scarcely ever personally attends."
Die parallele Beobachtung von Middlesex Street 36 und Butcher's Row schließt sich ja nicht aus, man muss ja schließlich Wohnung und Arbeitsplatz eines Verdächtigen überwachen.

Du hast ja selbst mal gesagt, falls ich mich recht erinnere, ob sie vielleicht schon getrennt lebten (oder zumindest zeitweise). Jacob war Syphiliskrank aber Sarah bekam noch Kinder und zwar 6 Stück zwischen 1884 und 1890. Zumindest zum Schluß ging sie ein ordentliches Risiko ein, würde ich sagen.

Joseph Levy born 1880
Isaac Levy born 1881
Lewis Levy born 1884
Hannah Levy born 1885
Nathan Levy born 1887
Jacob Levy born 1888
Caroline Levy born 1889
Moss levy born 1890

Wie konnten die eigentlich ein Geschäft führen? Er krank, verurteilt, Gefängnis, Anstalt, sie stets schwanger... Ärger mit Sampson und dann doch Nachbarn mit ihren Shops... da fragt man sich, ob Sarah was mit Sampson hatte und er ihr half, während sie versuchten Jacob loszuwerden... denk mal an Cox Worte wegen einer Fehlbehandlung durch eine Frau an seinen Verdächtigen. Oder an die Frau/ Angehörige, die sich bei der Polizei meldete, Oktober, November 1888, siehe Presseberichte... so kommt man leicht in Verdacht...

Andererseits: Sagar erzählt von eine Reihe von Schlächtern irgendwo in Aldgate und Reporter machen daraus DIE Butchers Row auf der Aldgate High Street. Und natürlich, Jacob Levy hätte in jedem Shop o.ä. in der Middlesex Street oder Aldgate High Street arbeiten können.

Zum Macnaghten Memorandum denke ich, dass es jener schon auf gewisse Weise recht ernst nahm. Er war interessiert an der ganzen Sache und vielleicht sogar sehr fasziniert. Er selbst schwor irgendwie auf Druitt, gleichzeitig sprach er dann aber von dem "überzeugenden Verdächtigen" Kosminski, der sehr wahrscheinlich einer der, wenn nicht gar der Hauptverdächtige (für eine Reihe bzw. bestimmte Beamte) gewesen war. Ostrog ist vielleicht der, der per Zufall die Dreierreihe komplett machen durfte. Da hätten möglicherweise auch viele andere gepasst. Außerdem sehen wir ja auch über Sims und Griffiths, welche auch mit Anderson zu tun hatten, dass jene drei ihre Erwähnung finden. Da muss ich dann Ostrog schon fast wieder revidieren aber er saß nun mal im Knast oder in einer Anstalt, als die Morde passierten (müsste genauer nachlesen). Es ist allerdings auch in der Familie der Swanson fest verankert, dass dieser hin- und wieder über den Fall sprach und dabei stets erwähnte, dass sie wussten, wer Jack the Ripper war aber eine ID scheiterte, weil der Zeuge zurückzog und er deshalb nicht überführt werden konnte. Es könnte sein, dass Swanson genauso überzeugt von Kosminski schien, wie es auch Anderson war. Plus Kosminskis Erwähnung bei Macnaghten, lässt ihn sicherlich für alle Zeiten ein wichtiger Verdächtiger bleiben. Klar, wäre es schön zu wissen, wen Cox und/oder Sagar meinten. Übrigens kommt bald ein Buch von Adam Wood über Swanson:

Swanson: The Life and Times of a Victorian Detective

Sollte schon veröffentlicht werden aber die Swanson Familie fand weitere Unterlagen und so zieht es sich noch hin.

Natürlich wissen wir nicht genau, was für ein Mensch Jacob Levy ganz genau war. Für die Jack the Ripper Morde speziell, scheint sein Leben vielleicht länger besser gelaufen zu sein, als es am Ende aussah. Meines Erachtens, wurden die Morde von jemanden verübt, der nie etwas auf die Reihe bekommen hat. Garnichts, damit meine ich nichts wirklich dauerhaftes auch wenn er vielleicht in einem Moment oder für kurze Zeit überzeugen konnte. Aber egal, Jacob Levy (oder jemand wie er) könnte der Verdächtige von Cox und/oder Sagar gewesen sein.

Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #283 am: 15.09.2016 17:23 Uhr »
Hallo Lestrade,

ich möchte mich im Voraus für den folgenden Marathon-Text entschuldigen, aber mir schoss gerade einiges zu den verschiedenen angesprochenen Aspekten durch den Kopf.


Zitat
Du hast ja selbst mal gesagt, falls ich mich recht erinnere, ob sie vielleicht schon getrennt lebten (oder zumindest zeitweise). Jacob war Syphiliskrank aber Sarah bekam noch Kinder und zwar 6 Stück zwischen 1884 und 1890. Zumindest zum Schluß ging sie ein ordentliches Risiko ein, würde ich sagen.
(...)
Wie konnten die eigentlich ein Geschäft führen? Er krank, verurteilt, Gefängnis, Anstalt, sie stets schwanger... Ärger mit Sampson und dann doch Nachbarn mit ihren Shops... da fragt man sich, ob Sarah was mit Sampson hatte und er ihr half, während sie versuchten Jacob loszuwerden...

Levy muss ja Neurosyphilis gehabt haben, die das Hirn befiel und ihn dadurch schließlich psychotisch machte. Und bei Tracy Ianson habe ich gelesen, dass diese Form der Syphilis nur in ihrer ersten Phase für ein paar Monate infektiös war. Sobald Jacob in die zweite Phase der Erkrankung kam, stellte er für seine Frau keine Ansteckungsgefahr mehr da.
Aber natürlich wissen wir nicht, ob tatsächlich alle Kinder von ihm stammten - Kuckuckskinder sind ja nicht selten. Sampson dürfte es m.E, aber wohl eher nicht gewesen sein, denke ich, der starb auch irgendwann zwischen 1887 und 1890, wenn ich mich recht erinnere.

Mit Jacobs fortschreitender Erkrankung brauchte Sarah jedenfalls irgendwann sicherlich Hilfe, ihre ältesten Kinder waren dazu schon alt genug und laut Census 1891 wohnte ja auch spätestens ab 1890 zusätzlich ihre kleine Schwester "Flora Abrahams, aged 23, born Whitechapel - Tailoress" bei ihnen.
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night." Vielleicht hielt da jemand Sarahs jüngere Schwester für ihre Tochter?
Und vermutlich gab es ja auch noch Unterstützung, die nicht dort wohnte: Man denke an Jacobs Bruder Isaac direkt um die Ecke in der Goulston Street. Er könnte Jacob zeitweise bei sich aufgenommen haben, um Sarah zu entlasten. Wie schreibt Swanson zur misslungenen Seaside Home Identifizierung: Sie brachten den Verdächtigen ZURÜCK in das Haus seines Bruders, wo er Tag und Nacht überwacht wurde.
Das würde doch dazu passen, dass Sarah und Jacob am Ende schon zeitweise getrennt lebten.

Und nicht zuletzt vergessen sollten wir unsere kühne Spekulation mit Aaron Kozminski bei den Levys... Die zwei verrückt gewordenen Juden, die vielleicht verwechselt wurden, und beide der Ripper gewesen sein könnten... ;-)


Zitat
Zum Macnaghten Memorandum denke ich, dass es jener schon auf gewisse Weise recht ernst nahm. Er war interessiert an der ganzen Sache und vielleicht sogar sehr fasziniert. Er selbst schwor irgendwie auf Druitt, gleichzeitig sprach er dann aber von dem "überzeugenden Verdächtigen" Kosminski, der sehr wahrscheinlich einer der, wenn nicht gar der Hauptverdächtige (für eine Reihe bzw. bestimmte Beamte) gewesen war.

Gegenüber Macnaghtens Memorandum bin ich nach wie vor skeptisch:
Er war der Polizeichef und hatte theoretisch Zugriff auf alle Akten und konnte von den Ermittlern zusätzlich Info aus erster Hand erfragen.
Dennoch strotzt das Memorandum - mit dem er explizit falsche Informationen widerlegen will - vor Ungenauigkeiten und Fehlern insbesondere bei seinen drei aufgeführten Verdächtigen.
So erscheint ausgerechnet Druitt als einer seiner Kandidaten (weil er angeblich irgendwelche privaten Informationen von dessen Familie hatte). Niemand sonst hielt Druitt ernsthaft für den möglichen Ripper - Inspektor Abberline äußerte sich später abfällig darüber, das einzige was Druitt mit den Morden verbinde, sei die Tatsache, dass er zufällig kurz danach Selbstmord begangen habe.
Und Kosminski soll schon im März 1889 eingeliefert worden sein, obwohl er noch bis 1891 frei herumlief? Hätten sie ihn beobachtet, hätte der Zeitraum und das Einlieferungsdatum in den Akten gestanden.

Macnaghten hatte mit den Ermittlungen im Ripper-Fall nichts zu tun gehabt und musste sich auf das verlassen, was die involvierten Beamten in Akten geschrieben oder ihm gesagt hatten, und seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Er behauptete ja auch: Niemand sah je den Ripper. Das klingt so, als wüsste er von der Seaside Home Identifizierung nichts oder wollte sie verschweigen!
Mir kommt das so vor, als hätten Anderson und Swanson die misslungene Identifizierung nie in den Akten aufgenommen und mit allen Beteiligten Stillschweigen über diesen skandalträchtigen Reinfall vereinbart.
 
Die für uns unangenehmere Alternative wäre, dass Macnaghten recht hatte und tatsächlich niemand jemals den Ripper sah. Dann hätten aber Anderson und Swanson lediglich als späte Rechtfertigung ihres Versagens irgendeine unbedeutende Ermittlungs-Sackgasse einer weiteren misslungenen Identifizierung als Teilerfolg aufgeblasen, um nicht ganz so schlecht in der Geschichte dazustehen. Denn dafür, dass ein Zeuge seine Aussage zurückzieht, können die Polizisten ja nichts.
Nach dem Motto: Wir hatten ihn eigentlich, aber der Zeuge brach ein und so mussten wir ihn zähneknirschend gehen lassen, obwohl wir wussten dass er es war. Glücklicherweise landete er schließlich im Irrenhaus...

Ich finde die sich widersprechenden Informationen der Polizeispitze frustrierend.
Ich nehme wie du die Aussagen von Anderson und Swanson zur Identifizierung eines Verdächtigen sehr ernst, kann aber dem Macnaghten Memorandum aus den genannten Gründen nur skeptisch gegenüber stehen.
Und dass es in dem Fall auch zu Verwechslungen kam, ist ja leider evident. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine Anmerkungen machte, erst 1910 und nannte keinen Namen. Vielleicht hatte Swanson nach 20 Jahren auch wegen des Macnaghten Memorandums irrtümlicherweise den Namen Kosmiski im Kopf, als er seine Anmerkungen schrieb? Möglich wäre das.


Kurz und gut: Nach allem, was ich bisher über den Fall weiß, sind für mich derzeit zwei ernsthafte Kandidaten im Rennen: Aaron Kozminski und Jacob Levy.
Wenn wir Pech haben, steht der wahre Ripper nirgendwo namentlich in den erhaltenen Quellen, und wir ackern uns hier an ein paar Unschuldigen ab.
Lass uns sehen, was die Zukunft vielleicht noch an interessanten neuen Details bringt, und in welche Richtung sie weisen. :-)


MfG, Arthur Dent


Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #284 am: 15.09.2016 18:09 Uhr »
Lass uns sehen, was die Zukunft vielleicht noch an interessanten neuen Details bringt, und in welche Richtung sie weisen. :-)

Gerne, Arthur!

Vielen Dank für deine weiteren Ausführungen, Hinweise, Ergänzung und Meinungen.

Wir wissen eben sehr wenig über die Verdächtigen Druitt und Kosminski, so, wie sie sich zu der Zeit darstellten und auch gesehen wurden. Ich denke, wenn wir die Akten einsehen könnten, wenn es sie denn noch gäbe, wären wir sehr, sehr und wirklich überrascht. In solch einem Falle, würden dann wohl auch die Meinungen der einzelnen Beamten aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen sein.

Anderson selber sagte ja, dass der Verdächtige, während er in einer Anstalt Insasse war, identifiziert wurde. Swanson erzählte uns, wie das ablief, sie brachten ihn in ein Seaside Home. Danach, irgendwann, ging es in das Haus des Bruders zurück. Sims erwähnte, dass auch jener Verdächtige noch Zeiten unter seinesgleichen verbrachte, immer wieder. Macnaghten sprach von einer Einweisung um März 1889. Er lag da richtig, vermute ich aber wenn der Verdächtige entlassen wurde, war er eben wieder daheim. Man geht ja nicht automatisch lebenslang in eine Anstalt, sondern meistens ja nur begrenzt. Es scheint aber auch wirklich so, dass Kosminski von der City Police behandelt wurde und somit Macnaghten nicht stets auf dem Laufenden gehalten worden sein könnte. Ob er von der Seaside Home ID wusste? Ich weiß es nicht. Könnte auch nicht sagen, wer nun dabei gewesen sein könnte. Mein Bauch sagte mir, diese ID könnte auch nur eine "Generalprobe" gewesen sein, bevor sie offiziell werden sollte (aber nie wurde). Wenn es Vermerke gab, dann wahrscheinlich inoffiziell. Aber Spekulation wie so oft...

In gewisser Weise, waren ja nicht nur Anderson/ Swanson von Kosminski überzeugt sondern auch Cox/Sagar von ihrem/ihren Verdächtigen. War das bei letzteren nicht Kosminski, könnten wir in diesem Jacob Levy aber eine gute Alternative sehen. Verwechslungen würde ich eher vermuten im Falle von David Cohen und Aaron Kozminski. Bei Jacob Levy könnte sich das anders darstellen. Er könnte gesehen worden sein mit Eddowes durch seinen Cousin Joseph Hyam Levy, der sich vielleicht gegenüber der Polizei doch noch outete. Das wäre schwerwiegend. Gleichzeitig wird aber auch Kosminski von jemanden identifiziert. An welchem Tatort oder in welchem Zusammenhang auch immer. Dazu kommt evtl. ein Constabler vom Mitre Square. Dort wäre aber auch Jacob Levy gesehen worden. Beide Männer entsprechen vielleicht dem psychologischen und geographischen Profil eines solchen Killers. Der eine ist Butcher, der andere stammt aus einer Familie mit Butchern (Opa und Cousin Jacob Cohen). Einer lebt nahe am Goulston Street Grafitto (deine Anmerkung zu Sampson), der andere am Stride Tatort. Beide Männer liefen mit Sicherheit nachts durch die Gegend. Und dann steht man da als Polizist und soll diesen Fall lösen.

Du wirst es nachvollziehen können...
« Letzte Änderung: 15.09.2016 18:45 Uhr von Lestrade »
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