Hallo, Isdrasil,
Es geht mir um die Überlegung, ob der Tatort eine Auswirkung auf die Signatur eines Täters hat ...
Ich denke, diese Auswirkung betrifft Details, oder verhindert eventuell die komplette Ausführung der Phantasie (Nichols: Tatort: offene Straße, Störung – Täter läßt vom Ausweiden ab). Das heißt aber nicht, daß er nicht Ausweiden wollte, nur, daß er
nicht dazu kamInsofern hat der Tatort den Täter
eingeschränkt, ihn aber
nicht veranlaßt, seine Phantasie zu ändern.
Es ist auch möglich, daß der Tatort dem Täter Möglichkeiten bietet, die im Detail nicht geplant waren, aber dennoch
zur Phantasie passen.
Zum Beispiel Täter, die in Häuser eindringen und sich erst einmal umsehen, ob sie nicht eine passende Mordwaffe finden. Dann verwenden sie, was da ist – Messer, Scheren, Brieföffner, um ihr Opfer zu erstechen. Die Tatwaffe wird hier eindeutig von den Möglichkeiten des Tatortes bestimmt.
Nicht aber die grundlegende Phantasie, die in dem Fall einfach heißt: ich töte mein Ofper mit einem Werkzeug, daß ich vorort finde / daß dem Opfer gehört. Somit gehört der Einfluß, den der Tatort haben kann, zur Phantasie, zum Nervenkitzel.
In dieser Hinsicht stimmt die Überlegung, daß der Tatort die Signatur des Täters „beeinflußt“, allerdings
niemals gegen seine Phantasie.…oder eine veränderte Vorstellung des Täters zu einem Wechsel des Tatortes führen kann. Und so abwegig sind diese Gedanken gar nicht.
Durchaus nicht. Aber, wie du selbst einräumst, brauchen veränderte Vorstellungen ihre Zeit.
Täter sind manchmal experimentell, ändern ein paar Aspekte ihrer Tat und mögen auch mal den Tatort wechseln.
Durchaus, besonders, wenn die Variation zur Phantasie gehört. Oder ein Wechsel aus Sicherheitsgründen angesagt ist.
Dennoch bleibt die eigentliche Phantasie, daher die Signatur, gleich. Der Täter wird immer versuchen, so
viel wie möglich von seiner Phantasie auszuleben.
Aber bei Tabram sind einfach zu viele Dinge völlig anders, vor allem: Tabram sieht nicht wie eine Ersttat einer lang gehegten Phantasie aus. Hier fällt nur eines sofort auf: der Affekt, die Wut.
Eine Phantasie hingegen ist das genaue Gegenteil eines spontanen Wutausbruches.Ich fasse meine Überlegung lieber nochmal kurz zusammen
Und ich werde mich bemühen, ebenso kurz darauf zu antworten.
- Täter hat Fantasie
Seine Mordserie beginnt womöglich mit einer ungeplanten Affekttat, die nicht seiner Fantasie entsprechen muss
NEIN. Warum auch? Es IST seine Phantasie, die ihn zum Mord treibt, auch zum ersten. Daher wird er alles dran setzen, sei es auch noch so stümperhaft oder unvollendet, genau
diese seine Phantasie, die ja der Auslöser für die Tat ist, durch zu führen.
Eine Anpassung von Phantasien an Sachzwänge oder Gegebenheiten findet nicht statt, sonst wären es ja keine Phantasien mehr. Es gibt kein "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.".
Ich hoffe, ich drücke mich klar aus – die Phantasie eines Serienmörders ist die Triebfeder für seine Tat(en), nicht ein plötzlich auftauchender Affekt.
Was nicht heißt, daß so ein Täter nicht auch mal einen anderen Mord im Affekt begehen könnte, im Rausch. Auch an einem Vertreter einer anderen „Opfergruppe“. Aber so ein Mord ist dann eben nicht der Auftakt für seine Phantasie-Serie.
Ein Indiz für diese Überlegung ist die Tatsache, daß viele Serienmörder, deren Opfer Frauen waren, im Gefängnis die Friedfertigkeit in Person sind. Denn, so eigenartig es klingen mag, viele Serienkiller wirken deshalb auf ihre Umgebung so „normal“, weil sie es eben in den überwiegenden Belangen des sozialen Lebens auch sind. Sie haben oft eben nur diesse eine, aber feine „Störung“ Und gerade, weil sie ansosnten ebenfalls soziale Hemmungen besitzen, brauchen sie auch Jahre, bis sie sich überwinden, ihre Phantasien aus zu toben.
Ihre männlichen Mithäftlinge lösen diese aber nicht im geringsten aus – weshalb denen dann auch von solchen Tätern keine Gefahr droht.
Hingegen andere Gewalttäter scheuen sich auch im Gefängnis nicht, ihre gewalttätige Natur auszuleben.
- Der Tatort kann Teil seiner Fantasie sein (aber aufgrund des zweiten Punktes besonders am Anfang von seiner eigentlich bevorzugten Örtlichkeit abweichen)
- Mit zunehmender Erfahrung lebt der Täter seine Fantasien konkreter aus, erweitert sie, ergänzt sie, verfeinert sie
Betonung auf "
kann“, mußt nämlich nicht sein.
Die Fantasie ist nicht konstant und unveränderlich
Warum? Warum jahrelang eine bestimmte Phantasie hegen und pflegen und sie dann aufgeben? Elaborieren – JA, ändern – kaum. Ausnahmen möglich, aber eher nicht die Regel.
Sämtliche Profiler wären brotlos, wenn sich die Serienkiller an diesen letzten Punkt deiner Überlegungen halten würden.
Grüße, JE