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Ganz so plötzlich hat sich George Hutchinson danach wohl nicht in Luft aufgelöst: Nachdem er am Abend des 12. November mit Abberline gesprochen hatte, hat er sich bereit erklärt, mit 2 Officers auf der Suche nach dem von ihm beschriebenen Mann, durch die Straßen zu ziehen, und am nächsten Tag darauf hat er Kelly dann wohl identifiziert, wobei den jeweils anwesenden Ermittlern eigentlich hätte auffallen müssen, wenn er hier nur so getan hätte als ob. Außerdem wusste die Polizei ja, wo er üblicherweise zu finden war, wenn er nicht gerade wieder mal nach Romfort wanderte, wie am Tag vor der Mordnacht.
Zudem stellt sich die Frage, was Huchinson, der zwar scheinbar nicht nur von Sarah Lewis, sondern, wie es aussieht, auch von dieser gewissen Mrs. Kennedy (vorausgesetzt, es handelt sich nicht um ein und dieselbe Person) gesehen worden sein könnte, zu befürchten gehabt hätte, außer vielleicht maximal, dass sie ihm selbst über den Weg laufen: Die Beschreibung von Lewis war doch recht vage, wodurch zu bezweifeln ist, dass ihn jemand anderer dieser Beschreibung hätte zuordnen können.
Weil hier auch die Frage mit aufkam, warum Hutchinson nicht an der Tür lauschte: Wenn man diversen Zeitungsberichten glaubt, hat sich Hutchinson übrigens sehr wohl Mary´s Raum genähert: Er sagte, er sei den Hof ´hinaufgegangen´ und dort einige Minuten geblieben, hat aber im ganzen Haus kein Licht gesehen und keine Geräusche gehört. Interessanterweise wissen einige Zeitungen aus Übersee (Bsp.: Atchison Daily Globe, Kansas, USA, 14. 11. 1888; Decatur Daily Republican, Illinois, USA, 15. 11. 1888 u. a.) diese Geschichte, wenn auch wohl alle von der selben Quelle (da ziemlich Wort-ident), ein wenig anders zu berichten: Hutchinson hätte ´sounds of merriment´ (in etwa: „Klänge/Geräusche der Belustigung/Fröhlichkeit“) aus Kellys Zimmer wahrgenommen, und daraufhin die nächste Dreiviertelstunde am Eingang zum Hof verbracht, bis die Geräusche gegen drei Uhr schließlich aufgehört hätten, worauf er in den Hof ging und feststellte, dass das Licht in Marys Zimmer ´extinguished´ war (also eigentlich: ausgegangen, gelöscht, was darauf hinweisen könnte, dass er schon zuvor einmal im Hof war, als das Licht (noch) brannte.) Auch wenn die britischen Berichte das etwas anders bringen, schließen sie eigentlich nicht aus, dass Hutchinson Geräusche hörte, bevor (!) er schließlich in den Hof kam, bzw in den Hof kam, weil er plötzlich keine mehr hörte. Vielleicht waren es ja gerade die Geräusche, die ihn, aus welchem Grund auch immer, derart faszinierten, dass er eine Dreiviertelsunde vor dem Miller´s Court verbrachte – bis diese eben aufhörten. Vielleicht hat sich Hutchinson den Mann zuvor überhaupt nur so genau angesehen, weil er der Neigung der ´Geräuschspannerei´ zugetan war, und sich davor eine gute Basis für sein späteres ´Kopfkino´ verschaffen wollte. Zu tun hatte er ja wohl nichts mehr, und in seine übliche Bleibe konnte er auch nicht (da sie ja schon geschlossen war), also hat er irgendwie Zeit tot geschlagen.
Aus dem, was Hutchinson nämlich danach gemacht haben will, machte er auch kein großes Geheimnis, und das, obwohl es ihm in keinster Weise ein Alibi verschaffte (Ausser vielleicht kurzfristig durch den Polizisten, den er in der Commercial Road gegen 3 Uhr getroffen haben soll): Laut Daily News vom 14. November 1888 lief er, da das Victoria Working Men´s Home in der Commercial Street ja schon zu hatte, die ganze Nacht in der Gegend herum, bis es eben am Morgen wieder aufsperrte. Interessant wäre diesbezüglich, wann dieses eigentlich generell aufsperrte, bzw, wann es des nächtens schloss. Ebenso, ob Hutchinson für die Übernachtung doch noch Geld hatte, oder ob er dort gar keines (mehr) benötigte (Vorauszahlung / Kredit), was erklären würde, warum er, der sein ganzes Geld in Romfort angebracht haben will, in jener Nacht auch keine andere Unterkunft angesteuert hat. Vorstellbar wäre jedenfalls, dass er den Tag verschlief und überhaupt erst am nächsten Tag von dem Mord erfuhr... Eine gute Basis für Jack the Ripper wäre das Victoria generell, wie es scheint, aufgrund der Öffnungszeiten wohl kaum gewesen...
Grüße,
panopticon