Autor Thema: Der Ort des Geschehens - Nähere Information  (Gelesen 67291 mal)

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Offline Isdrasil

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #75 am: 14.10.2007 17:00 Uhr »
Hi Alex

Eine späte Reaktion ist immerhin ja auch noch eine Reaktion... :icon_wink:

Ich weiss nicht, ob man Warren derartige Stümperhaftigkeit vorwerfen kann. Als Warren in den Dienst trat, sah er der schwierigen Aufgabe entgegen, eine schlecht organisierte und ausgestattete Metropolitan neu zu formieren. Warrens Kritik am dualen System der Polizei stieß gleich zu Beginn seiner Amtszeit auf Widerworte des Innenministers. In diesem Punkt wurde er sogar von seinem Vorgänger Henderson unterstützt, und man kann daraus erkennen, dass auch Henderson nicht mit dem Zustand der Londoner Polizei einverstanden war - aber nicht die nötige Strenge und den nötigen Mut hatte, Änderungen auch gegenüber dem Innenminister durchzusetzen.

Auch zweifelte Warren sehr wohl an seiner Rolle innerhalb der Struktur, und dies noch vor den Whitechapel-Morden:
"...From the outset Warren had never considered his tenure as commissioner to be anything other than short term and in March 1888 offered his resignation. He felt that he had achieved all he wanted. He had restored discipline within the force....Warren was persuaded not to resign although he repeated his request again some months later..."
(Scotland Yard Investigates, Evans & Rumbelow, p. 43).

An diesen Zeilen lässt sich sehr gut erkennen, dass Sir Warren seine Aufgabe innerhalb der Polizei nur hinsichtlich einer Neustrukturierung sah, mit der sein Vorgänger Henderson gescheitert war. Zweifelsohne war Warren ein äußerst strenger Mann, doch aus diesem Grund wurde er zu diesem Posten herangezogen und aus diesem Grund hielt man ihn weiterhin für geeignet und überredete ihn, die Stelle weiterhin zu führen. Warren liess sich seiner Zweifel zum trotz dazu überreden und geriet so in den Autumn of terror. Am Ende wurde er nicht entlassen, er warf selber das Handtuch - eventuell hatte er selbst gemerkt, dass er auch aufgrund der internen Probleme der Polizei nicht weiterkommen konnte. Seine Resignation ist auch als Resignation in Bezug auf die Strukturen zu sehen, die er von Anfang an kritisierte.

Seine Vorgehensweise bezüglich des GSG wurde schon vielfältig diskutiert, und ich möchte mal einen neuen Aspekt einbringen und ein ganz anderes Licht auf die Sache werfen:
Wie wir alle wissen, spielen manche Serienmörder gerne Spielchen. Das wird natürlich in den ganzen Hollywoodproduktionen oftmals überspitzt dargestellt, aber es gab auch in etlichen reallen Fällen Machtspiele zwischen Täter und Polizei. Das GSG wird ja sehr oft als Verhöhnung angesehen.
Lässt sich Warrens Verhalten nicht auch aus der Tatsache deuten, dass er die Spielchen des Rippers einfach nicht mitspielen wollte? Ich denke, mit dem Entfernen des GSG`s hat er dem Täter eindeutig Wind aus den Segeln genommen. In diesem Falle hätte Warren einfach nur instinktiv nach modernen Maßstäben gehandelt und sich nicht auf die Machtspielchen des Rippers eingelassen...

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 14.10.2007 18:28 Uhr von Isdrasil »

Alexander-JJ

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #76 am: 14.10.2007 19:07 Uhr »
Warren war ja nicht nur Polizist. Seine restliche Karriere, vorher wie nachher, deutet auf einen nicht gerade intelligenten und ziemlich unfähigen Anführer hin. Sicher, zwischen Polizei und Armee gibt es einen großen Unterschied und Südafrika ist auch nicht London. Aber ein Mann, der in Südafrika dermassen versagte, aufgrund eigener Unfähigkeit versagte, der kann nicht ein paar Jahre vorher ein guter Polizeichef gewesen sein.

Sicher war Warren am Ende ein Bauernopfer. Der Druck der Oppositionsparteien war enorm. Bei der Frage: "Innenminister oder Polizeichef?" konnte es nur eine Antwort geben. Das wäre auch heute noch so.

Falls das GSG von JTR stammte, dann hatte JTR mit dieser Verhöhnung zumindest recht. Nach John Pizer und Karl Ludwig gabs ja keine echten Verdächtigen mehr. Der Hinweis, es mal mit einem Juden zu versuchen, war vielleicht zuviel für Warren. JTR hatte ins Schwarze getroffen und das hatte Warren nicht verkraftet. Warren war kein Mensch, der auch mal einstecken konnte. Ich denke Warren sah das GSG und fühlte sich persönlich angegriffen. Das war ja für ihn nichts Neues. Er fühlte sich ja öfters mal persönlich angegriffen.

Warren war meiner Meinung nach eine Fehlbesetzung. Aber mit der alltäglichen Ermittlungsarbeit hatte er ja nicht viel zu tun. Also konnte er auch keinen echten Schaden anrichten.


 :)

Offline Isdrasil

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #77 am: 15.10.2007 13:32 Uhr »
Hi Alex

Aber Warren unterliefen lediglich in der Schlacht bei Spion Kop (zugegebenermaßen) eklatante Fehlentscheidungen – in den darauf folgenden Schlachten trug er mit dazu bei, dem Empire den Sieg zu bringen. In meinen Augen spricht es für den Feldherren Warren, dass seine Niederlage eine für den Ausgang des Krieges nicht wesentlich wichtige Schlacht betrifft und er seine Schmach wieder gutmachen konnte.
Seine Laufbahn zeugt von einem sehr universellen und fähigen Menschen. Es ist immer etwas schwer, jemanden als unfähig zu bezeichnen, der so vielseitig engagiert und von der Regierung eingesetzt wird. Ich denke es ist leichter ein Held zu sein, wenn man einen eindimensionalen Horizont entwickelt. Was ist schon dabei, etwas zu können, wenn man ausschließlich nur dies eine macht? Warren hingegen war ein vielseitiges Talent in der Archäologie, als Feldheer, als Polizist und als Ermittler. Es wäre vermessen, von ihm zu verlangen, in allen Bereichen einer der Besten zu sein.
Er setzte einige Änderung bei der Metropolitan durch, die dringend nötig waren und nachhaltig Wirkung zeigten. Man muss doch bei der Betrachtung der Streitigkeiten zwischen Matthews und Warren auch eines beachten: Warren forderte die Änderung für die Mets, deren Einzugsgebiet unter anderem das East End war – und es ist nicht verwunderlich und bekannt, dass die Konservativen im East End nicht gerade ihr liebstes Kind sahen. Viele Parlamentarier sahen die Unterstützung der in ihren Augen ausreichend ausgestatteten Polizei vor den Whitechapelmorden einfach als Geldverschwendung an. Warren hielt dagegen – und diese Sturheit ist eventuell etwas, was ich ihm in den Kriegen vorwerfen könnte. Er war eben ein strenger Dickkopf, aber meines Erachtens ein sehr vielseitiger und ehrgeiziger.  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil   


Alexander-JJ

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #78 am: 15.10.2007 15:40 Uhr »
Generalleutnant Sir Charles Warren war der unfähigste britische Kommandeur im Burenkrieg. Nach der Schlacht am Spion Kop, am 6. März 1900, wurde er nach Griqualand West, einer "sehr" ruhigen Provinz versetzt und 4 Monate später nach England zurückbeordert. Er war an keinem Sieg beteiligt. Die Entsetzung von Ladysmith ging auch nicht auf sein Konto. Der Burenkrieg dauerte noch bis 1902 an.

Auch seine restliche Karriere deutet nicht auf irgendwelche Fähigkeiten irgendeiner Art hin. Er begann bei den Pionieren, war 1876 bereits in Südafrika, kommandierte Truppen in Singapur und London.

Ein Zeitgenossen beschreibt ihn sehr treffend: " Langsam, aber konfus, übervorsichtig, aber unentschlossen und völlig unwissend, was den Einsatz von Kavallerie betrifft."

Er hat seine Truppen in den Tod geführt. Das ist unverzeihlich und das wurde ihm auch nicht verziehen.


 :)

Offline Pathfinder

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #79 am: 15.10.2007 19:01 Uhr »

@ isdrasil und alexander

kann es sein, dass ihr unterschiedliche bücher gelesen habt, der eine pro und der andere contra warren ?  :icon_biggrin:

aber es macht wirklich spass eueren disput zu verfolgen, bitte mehr davon, so lernen wir alle dazu  :icon_thumb:
UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Offline Isdrasil

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #80 am: 16.10.2007 07:39 Uhr »
Hi!

Ich finde es einfach nur historisch unpassend, Warren in der Ripperologie als Deppen hinzustellen. Warren war ein sehr erfolgreicher Archäologe, dessen Funde noch heute unter Archäologen Ansehen genießen, er wurde mehrfach vom Empire ausgezeichnet, zerschlug den Aufstand im ersten Burenkrieg unblutig und leitete wichtige Änderungen in der Polizeigeschichte Englands ein.
Sicher, er hat Fehler gemacht und ich möchte Alex da nicht widersprechen. Natürlich ist die Schlacht im zweiten Burenkrieg unverzeihlich gewesen und natürlich war er auch im Posten des Polizeichefs nicht der Beste.
Aber betrachtet man Warren als gesamte Person, hinterlässt er in meinen Augen einen durchaus positiven Eindruck – besonders dadurch, da er vor seinem Einsatz als Polizeichef selbst Zweifel an der Sache anmeldete. Ich habe das wortwörtliche Zitat leider nicht zur Hand, aber er meinte, er schlafe lieber in Zelten als in den Mauern der Stadt. Er war eigentlich ein Archäologe aus Leidenschaft. Und er wurde als Polizeichef eingesetzt, er bat keineswegs darum. Das sollte man bedenken. Er wird einfach oft als arroganter Depp dargestellt, der sich den Posten geschnappt hat, um Terror zu machen – und das ist definitiv nicht so gewesen.

@PF und Alex
Vielen Dank für die Blumen... :icon_mrgreen:
Die Sache mit dem Buch wollte ich auch schon nachfragen. Ich ziehe mein Wissen bezüglich Warren hauptsächlich aus „Scotland Yard Investigates“ und zugegebenermaßen viel googlen und Casebook - ich denke, Alex hat sich da schon ein wenig tiefer in das Thema eingelesen. Also, Alex, wenn du einen Buchtipp hast, nur her damit!  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 16.10.2007 07:50 Uhr von Isdrasil »

Alexander-JJ

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #81 am: 16.10.2007 11:08 Uhr »
Nein, natürlich war Warren kein "Depp". Aber er war auch kein fähiger Kommandeur und schon lange kein fähiger Polizist. Sicher hatte Warren auch seine Stärken. Aber das Kommandieren von Truppen im Feld und die Leitung komplizierter Polizeiarbeit gehörten nicht dazu. Als reine Privat-Person mag Warren durchaus erträglich, vielleicht sogar symphatisch gewesen sein. Ganz privat war er vielleicht gar kein schlechter Kerl. Leider, für Soldaten wie Zivilisten, beschränkte er sich aber nicht auf private Tätigkeiten.

Fairerweise muss ich allerdings anerkennen das Warren gegen zwei der gefährlichsten Gegner des Empire (von  aussen: Buren; von innen: JTR) antrat. An diesen Gegnern hätten sich wohl auch wesentlich fähigere Charaktere die Zähne ausgebissen.


Wer mehr über Idioten in Kommandeursposten lesen will: "Die größten Fehlschläge der Militärgeschichte" von Saul David ist lesenswert. Warren befindet sich da übrigens in prominenter Gesellschaft.


 :)

Offline Isdrasil

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Re: Der Ort des Geschehens - Nähere Information
« Antwort #82 am: 16.10.2007 12:05 Uhr »
Hi

Fairerweise muss ich allerdings anerkennen das Warren gegen zwei der gefährlichsten Gegner des Empire (von  aussen: Buren; von innen: JTR) antrat. An diesen Gegnern hätten sich wohl auch wesentlich fähigere Charaktere die Zähne ausgebissen.

Na, das ist doch mal ein Wort  :icon_thumb:
Und noch dazu: Gegen den einen Gegner hat er zumindest in Teilen große Erfolge feiern können!  :icon_wink:

Mich persönlich stört eigentlich nur das Bild, das von Warren durch die populäre Rippermythologie verbreitet wird. Er wird reduziert auf zwei Dinge: „Wischen Sie das sofort weg“ und sein Freimaurerdasein. Dies transportiert schnell ein falsches Bild der Geschehnisse und des Menschen Warren.

Ich persönlich sehe in Warren eher eine tragische Figur innerhalb des Ripperfalls. Womöglich hat er den Umstand, in diesen Fall verwickelt zu sein, selbst verflucht. Und sein Enthusiasmus, sein Ehrgeiz und seine Sturheit - Dinge, die ihm zu archäologischen Zeiten sehr nützlich waren - brachen ihm schließlich das Genick. Warren war jemand, der aneckt. Und Anecken, so etwas sah und sieht man im Empire eben nicht gerne.

Grüße Isdrasil

PS: Dankeschön für den Buchtipp!  :icon_wink: