Nun habe ich mir über EBAY auch das "Tagebuch" gegönnt.
Ich hab´s zwar noch nicht ganz gelesen, wohl aber die Übersetzung der angeblichen Maybrick Schmiere.
Was mir auf Anhieb aufgefallen ist: Auf den ersten Seiten wird ausdrücklich auf die Hitler Tagebücher und den Super-GAU des STERN verwiesen, weshalb man hier besondere Vorsicht habe walten lassen.
Bei der Lektüre von den Gedanken Maybricks erstaunt mich aber schon, dass außer dem Sujet der Whitechapel Morde sonst eigentlich nichts darin vorkommt. Alles, was auf den ersten Blick nicht damit zu tun hat, dient aber im Grunde nur der Erklärung für ein angebliches Motiv.
Nicht jeder Richter ist zwar unbedingt ein großer Psychologe vor dem Herrn, das Wenige, was er in seiner Ausbildung aber lernt, um Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage beurteilen zu können, ließe ihn wohl von Anfang an wohl eher zu dem Schluß kommen, der Inhalt des Tagebuches sei erstunken und erlogen.
Es heißt nämlich:
Je mehr sich die Aussage eines Zeugen um den eigentlichen Kern des Beweisthemas dreht, je öfter er seine Formulierungen in stereotyper Weise wiederholt und je weniger er auch nebensächliche Umstände zu berichten weiß, desto mehr spricht dafür, dass ein Zeuge lügt. Denn "von den Begleitumständen, die ihm ebenfalls bekannt sein müßten, will er aus Angst, sich in Widersprüche zu verwickeln, nichts wissen" [/b](Anders/Gehle Das Assessorexamen, 6. Auflage, Rn.319) Um darauf zu kommen, muss man nun Wahrhaftig kein Richter oder gar Psychologe sein. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass wegen Flories Prozess die Familiengeschichte der Maybricks lang und breit in der Öffentlichkeit durchgekaut wurde.
Als Beispiel sei hier nur der angebliche erste Mord von Maybrick in Manchester im Frühjahr 1888 genannt. Anders als die Rippermorde in Whitechapel fand dieser in den Medien überhaupt keine Erwähnung und Shirley Harrison ist nicht in der Lage zu klären, ob zum Zeitpunkt, den Maybrick im Tagebuch nennt, überhaupt ein Mord dort stattgefunden hat. Wundert es da noch irgendjemanden, dass anders als zu den "kanonischen Fünf" sich Maybricks angeblicher Eintrag dazu auf ein knappes "die Hure ist jezt bei ihrem Schöpfer - Da war keine Lust als ich zudrückte, ich spürte nichts." beschränkt?
Auch die Geschichte, die sich Barrett einfallen ließ, wie er an das Tagebuch gekommen sei, ist mehr als hanebüchen und eines Jerry Cotton würdig. Hätte er gesagt, er habe es im Wald gefunden oder auf einem Trödelmarkt, etc., hätte es zwar nicht so spektakulär geklungen, aber auch nicht so verdächtig nach Grimms Märchenstunde. Gut, die moderne Technik hat ihn entlarvt, vor seiner Phantasie und Dreistigkeit ziehe ich dennoch meinen Hut. Der Mann hat zu unserer Unterhaltung beigetragen.
Na ja, was soll´s. Die Autoren hatten ja nicht so einen Ruf zu verlieren wie der STERN und bis heute dürften sie ja auch die eine oder andere gute Mark gemacht haben. Gebraucht kann ich das Tagebuch allerdings uneingeschränkt als spannendes Pulp Fiction empfehlen.