Autor Thema: Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!  (Gelesen 13872 mal)

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Mycroft

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Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!
« am: 13.05.2003 11:33 Uhr »
Hallo beisammen.

Wenn wir über den Ripper, das East End und London anno 1888 reden, sollten wir uns auch die möglichkeit geben, ein wenig eingehender auf die Epoche an sich einzugehen.
Wenn man bedenkt, das ein viertel der Weltbevölkerung damals unter der britischen Krone lebte, das Empire sich beinahe täglich vergrößerte (oft sogar um die eigentliche Größe Englands an sich...) und Weltwitschaftsmacht Numero Uno war, so möchte man gar nicht glauben, das ein paar kleine unbedeutende Morde diesen Koloß erschüttern konnten.
Wir haben es hier mit einer Zeit zu tun, die uns alle reichlich beschäftigt, doch noch so viel ungenanntes für uns alle birgt, so viele Zusammenhänge und sonstiges. Die Dominanz Englands in der Welt (schließlich war Victoria der erste Herrscher der Weltgeschichte, nach dem bereits zu lebzeiten eine Epoche benannt wurde!) und das allgemeine Leben, Politik und Imperialismus, der versnobte Lebenswandel, das bornierte Verhalten Englands gegenüber der restlichen Welt sollen uns hier beschäftigen.
Pax Britanica!
Ich freue mich auf eine lebhafte Diskussion und viktorianische Gespräche, die nicht unmittelbar mit dem Ripper zu tun haben, sondern mit der Zeit an sich!
 :!:

Mycroft

  • Gast
Kurzer Abriss eines Jahrhunderts
« Antwort #1 am: 13.05.2003 16:18 Uhr »
So! Jetzt hab ich´s geschafft! Es folgt ein kurzer Abriss über das allgemeinbild der viktorianischen Ära:

Ab 1838 beginnt der regelmäßige Schiffsverkehr zwischen England und Amerika, 1850 wird ein (englisches) Telegraphenkabel im Kanal verlegt, 1851 findet die "Great Exhibition" in London statt, 1854 - 1856 fügt der Krimkrieg dem unbesiegbaren Bild des Empires einige schwere Macken zu, 1858 wird das erste (wieder englische) Transatlantikkabel verlegt, 1869 der Suezkanal eröffnet, 1874 wird Victoria "Kaiserin von Indien" , der Eisenbahnbau boomt und damit der Bau der großen Brücken (meist aus englischem Stahl, die Lokomotiven meist mit walisischer Kohle befeuert) - alles urenglische Erfolge!

Bei allem Fortschrittsglauben war der Zufluchtsort aber mehr denn je Heim und Familie, häusliches und moderaters Verhalten galt als vorbildlich. Massenmedien wie seit 1875 "The Times" aber auch Magazine wie "Strand" (in denen Dickens und Doyle zuerst veröffentlichten...) wurden zu dem was uns allen heute der Fernseher ist.
Ab etwa 1875 aber begann eine Krise, die eigentlich bis heute anhält. Um 1880 begannen Deutschland und Amerika den Engländern den Rang als führende Industrienation abzulaufen, die Irlandfrage sorgte für Bruderzwist, die ersten Labourvertreter wurden ins Parlament gewählt, in Südafrika revoltierten die Buren usw...

Victoria hatte einer großen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Epoche einen Namen gegeben, die bei ihrem Tode 1901 schon Vergangenheit war. Der Untergang der alten Zeit begann, der mit dem ersten Weltkrieg seine Vollendung fand.

Eine der größten Nationen der Welt hatte seine Epoche an seine Enkelkinder vergeudet. (Kaiser Wilhelm war Enkelsohn der Queen...)

Doch die Legende war grade erst geboren...

 :wink:

Eastsidemags

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Re: Kurzer Abriss eines Jahrhunderts
« Antwort #2 am: 15.05.2003 16:10 Uhr »
Gut nun einen Bereich zu haben, der etwas allgemeiner ist...

Zitat von: "Mycroft"


Eine der größten Nationen der Welt hatte seine Epoche an seine Enkelkinder vergeudet. (Kaiser Wilhelm war Enkelsohn der Queen...)



Wie meinst du denn das? Wieso hat GB eine Epoche an das DR vergeudet?

Mycroft

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Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!
« Antwort #3 am: 15.05.2003 16:22 Uhr »
Hi!

Das mit dem "vergeuden" war als kleine Spitze gegen die Beziehung zwischen Victoria und Willhelm gemeint. Victoria mochte ihn nicht besonders (aber er war neben ihrem Arzt der einzige, der bei ihrem Tod zugegen war) und verübelte Deutschland immer, das es sich zu einer großen Industrienation mauserte, die Aufrüstung betrieb, den Engländern Teile der Kolonien und der Seemacht streitig machte.
(Und das, obwohl sie dem Haus Hannover entstammte. Windsor nannte sich die Familie erst nach dem 2.Weltkrieg.)
Sie konnte sich nicht damit abfinden, das er (Willhelm) nicht so pro-englisch eingestellt war, wie sie es gerne gehabt hätte. Aber, he - der Mann hat nur das Expansionsverhalten an den Tag gelegt, das er im englischen Vorbil gelernt hatte.
Was die Engländer generell nicht verknusen konnten, war der Krieg, den Deutschland später führte, der erste Weltkrieg.
Somit ist mein "vergeuden" so zu verstehen, das England mit seiner Ausbreitungs und Herrschaftswut zwar Sprößlinge Victorias auf die wichtigen Throne der Welt zu setzen versuchte, aber nicht akzeptieren konnte, das sie dort nicht mehr für nur für England strebten, sondern sich um das Wohl "ihres" Volkes kümmerten. Im Grunde genommen hat das Empire seinen eigenen Untergang erzogen und mächtig gemacht.

Ich habe damit keine politische Festung beziehen wollen; ich habe schlicht versucht, die Sache aus englischer Sicht zu sehen - und aus dieser Perspektive betrachtet finde ich, das diese "große" Epoche durchaus als vergeudet angesehen werden kann, schließlich waren es die Kinder und Enkelkinder Victorias, die das Empire zu Grund richteten.

Sollte ich mit dieser Formulierung jemanden auf den Schlips getreten haben, so bitte ich um Entschuldigung; das war nicht meine Absicht und nicht als Beleidigung (im weitesten Sinne) gemeint. :wink:

Eastsidemags

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Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!
« Antwort #4 am: 15.05.2003 16:59 Uhr »
Grundsätzlich hast du schon recht und nein, ich denke, hier fühlt sich keiner auf den Schlips getreten...

Aber ich würde sagen, im Vergleich zu Albert Edward („Bertie“) war das Verhältnis Wilhelms zu Victoria noch recht gut (Wilhelm hat Victoria sehr verehrt). Genau zur Zeiten der Ripper Morde ereignete sich beispielsweise der „Wiener-Zwischenfall“, der eigentlich eine unverschämte Brüskierung Berties durch Wilhelm war. Vorher war Bertie aber schon Wilhelm auf die „Schnürsenkel“ getreten. Ich würde eigentlich schon sagen, dass Wilhelm anglophil war, aber sein Verhältnis war extrem zwiespältig. Das lag vor allem an den unterschiedlichen Erziehungen. Auf der einen Seite seine liberalen Eltern (Mutter war Engländerin), auf der anderen Seite Bismarck, der von Anfang an versuchte, Wilhelm nach seinen Vorstellungen zu erziehen und diese Vorstellungen waren natürlich preußisch-konservativ und nicht englisch-liberal.
Wilhelm ist ja auch zum britischen Admiral ernannt worden und war stolz wie Oskar . Das war so ziemlich die größte Freude, die man Wilhelm machen konnte.

Na ja, England hat ja seine Königkinder nicht zu Herrschern über die Konkurrenz gemacht. Erstens ist das englisch Königshaus ja selbst deutsch, und zweitens hat die Kaiserin Friedrich (Mutter von Wilhelm) alles versucht, das Verhältnis zwischen den beiden Staaten zu verbessern. Sie hat zwischenzeitlich ja sogar den Kontakt mit ihrem Sohn abgebrochen und sich bitterlich bei Victoria über ihren Sohn beklagt.

PS: übrigens gab es Bündnisverhandlungen zwischen Deutschland und England 1898 und 1901. Wilhelm war diesem Bündnis durchaus aufgeschlossen  :wink:

PPS: wasn das für ein Orden da bei dir? Hosenbandorden?

Mycroft

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Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!
« Antwort #5 am: 15.05.2003 17:15 Uhr »
Hi Eastsidemags.

Du bist so furchtbar fix. Ich habe mein Post geschrieben, bemerkt, das es schwammig war, kurz überarbeitet -schwupp- war Deines da.

Hast recht! Wihelm hat seine Oma sehr gern gehabt, stimmt. (siehe Sterbebett...) Diese zwiespältigkeit war ja das, was ich meinte - er musste irgendwann preussisch regieren, obwohl er anglophil veranlagt war. Das meinte ich auch mit seinem Job den er getan hat.
Ich habe den Wink verstanden, danke, werde mich in Zukunft deutlicher und weniger allgemein ausdrücken.
(Thanks! :lol: )

Aber war es nicht letztenendes diese zwiespältigkeit, die zum Bruch zwischen England und Deutschland geführt hat? Wilhelm musste sich irgendwann entscheiden, wem seine Loyalität gilt - da hat Deutschland eben die Oberhand gewonnen. Und besonders freundlich hat er sich ja im ersten Weltkrieg nicht verhalten...


PS: Hosenbandorden? Das ist das Victoria Cross. (unverdient für mich)
Albern, ich weiß, aber soooooo schön.  :wink:   (Und ich habe lange auf diese Minidarstellung gewartet...)
Obwohl, der Hosenbandorden wäre auch eine hübsche Idee...

Sherlock

  • Gast
Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!
« Antwort #6 am: 28.05.2003 22:37 Uhr »
Das Kreuz hast du schon verdient; bist der Queen ja schlimm vefallen (selbst in der Anwesenheit des Feindes  :wink: ), aber warum das Victoria Cross ? Es wurde in der Blüte des Empires, am 5. Februar 1856, abgeschafft; wäre da für dich nicht eher was "aktuelleres" fällig ?
Lang lebe die Queen,

Gez.

Sherlock

Mycroft

  • Gast
Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!
« Antwort #7 am: 30.05.2003 13:37 Uhr »
Sherlock, ich grüße Dich.

Nö, warum? Das viktorianische Zeitalter endet ja nicht mit der "Abschaffung" des VC. Übrigens wurde es in den Afghanistankriegen und sogar im 1. Weltkrieg noch verliehen. Recht selten zwar, davon in den meisten Fällen Posthum - aber immerhin!
Und was die Queen angeht: Man muß sie einfach bewundern! (Abgesehen davon hat meine Schwester in einem Theaterstück mal die Queen gespielt, also ist es fast schon Familiensache!)

Ach, Regina Imperialis!! Lang lebe die Queen! :wink:

graf_von_froburg

  • Gast
Die viktorianische Epoche - Pax Britanica!
« Antwort #8 am: 28.11.2003 10:53 Uhr »
Victoria war schon Hannoveranerin von Geburt weg, geheiratet hat sie aber einen Coburg und diese deutsche Familie wurde im ersten Weltkrieg in Windsor umbenannt.

Übrigens, die jetzige Queen ist zwar noch Windsor (ehem. Coburg), aber ihr Gatte und somit auch Charles sind Mountbatten's, was der deutschen Familie Battenberg entstammt. Die Engländer haben also seit fast 300 Jahren deutsche auf ihrem Thron  :)  und vorher, mit den Stuarts, warens Schotten  :D

Wie sagt der versnobte Engländer? Verdammte Ausländer! :D

Mycroft

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Deutsches englisches Königshaus
« Antwort #9 am: 16.12.2003 19:23 Uhr »
Auffallend richtig beobachtet.
Lustigerweise steht der deutsche Prinz Ernst August von Hannover ("Prügelprinz" - Nachkomme der Welfen) nach wie vor auf der potentiellen Thronfolgerliste. Wenn also die komplette englische Königsfamilie nebst weitläufiger Verwandschaft wegfallen würde, hätte Ernst August die englische Krone. Meines Wissens nach rangiert er auf Platz 47 in der englischen Thronfolge, könnte aber noch weiter hinten sein.