So manch einer erinnert sich noch mit Grauen an die Hillsborough-Katastrophe im Jahre 1889, als während eines Fußballspiels in England eine Panik ausbrach und hunderten von Menschen gegen Zäune und Mauern des Stadions gedrückt wurden. Damals starben 96 Menschen.
Die „Mutter“ all dieser Katastrophen, zumindest in England, ereignete sich 16.Juni 1883 in Sunderland (eine Hafenstadt im Nordosten Englands, nahe der Grenze zu Schottland). In der englischen Geschichte findet sich dieses traurige Ereignis als „Victoria Hall Disaster“ wieder. Ursache dieser Katastrophe waren jedoch weder Feuer, Gewalteinwirkung von außen oder sonstiges. Was war passiert?
Die „Victoria Hall“ in Sunderland war ein großer Theaterbau im Stil der damals üblichen Music Halls. Der Saal war unterteilt in Hauptrang und 2 weiteren Obergeschossen, die Platz für hunderte Besucher boten. Schauspiel- und Musikaufführungen wechselten sich hier ab. Auch wurde das Gebäude gelegentlich für politische Veranstaltungen benutzt.
Der 16.Juni 1883 war dem Vernehmen nach ein schöner Sommertag. Ab 15:00 Nachmittag wurde von renommierten Unterhaltern, dem Ehepaar Fay, eine Vorstellung für Kinder gegeben. Die genaue Zahl der teilnehmenden Kinder ist nicht bekannt, es müssen aber um die 2000 gewesen sein.
Offenbar gab es für sie u.A. eine Art Geister-Show, ein Spiel mit „lebenden Marionetten“, es wurde bestimmt gesungen und allerhand Spaß mit den Kindern gemacht. Auch gab es ein wenig Magie. Als Finale ließ Mr. Fay Tauben im Saal herumfliegen, die er vermutlich vorher aus einem Zylinder zauberte.
Obwohl der Eintritt für die Kinder nur einen Penny betrug, war für alle Kinder ein kleines Geschenk vorgesehen – und auch so auf dem Veranstaltungsplakat angekündigt.
Und mit dem Schluss der Veranstaltung nahm die Tragödie ihren Lauf. Es wurden Süßigkeiten von der Bühne geworfen und es wurde damit begonnen, die kleinen Geschenke (Spielzeuge, Bücher usw.) zu verteilen. Die Kinder auf den beiden oberen Rängen (dort saßen vermutlich mehr als 1100 Kinder) hatten vermutlich Angst, nichts mehr ab zu bekommen und rannten die enge verwinkelte Treppe herunter. Am Ende der Treppe war eine schwere Tür leicht nach innen (!) geöffnet, es war nur etwa 50cm Platz, um ein Kind nach dem anderen durch zu lassen. Offensichtlich verkeilten sich die Kinder sofort an dieser Enge und wegen der vielen Körper hinter der Tür, ließ sich diese nicht mehr weiter öffnen. Nachdem die wenigen anwesenden Erwachsenen die Gefahr der Situation begriffen, begannen sie ein Kind nach dem anderen durch diesen Spalt zu ziehen, doch es war bereits zu spät, um eine Katastrophe abzuwehren. Als Helfer von anderen Stellen her in die Victoria Hall eindrangen, fanden sie teilweise 8 oder 10 Kinder übereinander liegend vor. Mit nur wenigen Helfern mehr bei der Aufführung, wäre die Tragödie zu verhindern gewesen.
Insgesamt fanden 183 Kinder den Tod, sie waren allesamt erstickt.
Als die Katastrophe sich in Sunderland herum sprach, strömten um die 20.000 Menschen an den Ort des Geschehens. Die Pressezeichnungen geben das Leid der Eltern sicher nicht im Entferntesten wieder. Wie sollen sich Menschen fühlen, die eben noch ihre Kinder für einen netten Nachmittag wegbrachten und sie nun identifizieren mussten?! Einige Ehepaare verloren sogar mehrere Kinder. Die anschließenden Untersuchungen erbrachten, dass niemand für das Geschehen verantwortlich gemacht werden konnte.
Die Victoria Hall wurde 1941, 58 Jahre nach der Katastrophe, von der deutschen Luftwaffe bombardiert und zerstört.