Autor Thema: Gedanken zu Mary Jane Kelly  (Gelesen 20195 mal)

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Offline Arthur Dent 2

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #15 am: 25.04.2016 20:52 Uhr »
Hallo allesamt.


Wie ging JTR bei der Suche nach seinen Opfern vor - zu dieser Frage habe ich ein paar Überlegungen angestellt.

JTR wird von Profilern als Gelegenheitstäter eingestuft, weil er Gelegenheitsprostituierte an einem der dichtest besiedelten Orte der damaligen Zeit an verschiedenen öffentlich zugänglichen Plätzen i.d.R. im Freien tötete. Dies funktionierte nur durch die spontane Einschätzung der aktuellen Umstände vor Ort - planen hätte er da nicht viel können, weil er keinen Einfluss auf die mögliche Anwesenheit von Zeugen hatte.

Aber wirklich wichtig für einen Serientäter ist auch nur, was zu seiner Phantasie, seinem Ritual gehört. Das heißt, dass die Herangehensweise an die Tat - solange sie nicht mit zum Ritual gehört - einfach pragmatischen Gründen folgen kann, denn sie ist nur Vorbereitungshandlung dessen, was ihm wichtig ist. Dennoch kann er eine gewisse wiederkehrende Routine entwickeln, einfach weil sich eine bestimmte Vorgehensweise als praktisch und effizient herausgestellt hat.


Am plausibelsten erscheint mir bei JTR folgende Vorgehensweise:

JTR streifte, wenn ihn das Bedürfnis überkam, nicht einfach ziellos durch die Straßen Whitechapels, sondern begab sich dann bewusst in die Nähe der bekannten Treffpunkte der Prostituierten an den Rand des dortigen Straßen-Strichs - die er von seinen nächtlichen Streifzügen kannte.
Das war z.B. in der Nähe von London Hospital und Whitechapel Station (Nahe Tatort Buck's Row), oder an der als Kirche der Prostituierten bekannten St. Botolphs Church bei der Aldgate Station (Nahe Tatort Mitre Square), oder bei der Christ Church, Spitalfields, mit dem nahe gelegenen Ten Bell Pub, in dem viele Prostituierte sich betranken (Nahe den Tatorten Hanbury Street und Miller's Court).

Dort hielt er im Vorübergehen Ausschau nach einer Prostituierten, die gerade etwas abseits und alleine unterwegs war, damit es keine Zeugen bei der Kontaktaufnahme geben konnte. Vielleicht folgte er auch jenen, die gerade weggingen und in ruhigere Straßen einbogen. Auch Anzeichen von Trunkenheit dürften für ihn interessant gewesen sein, da Betrunkene noch leichtere Opfer sind.

Bei einer günstigen Gelegenheit ohne allzu nahe Zeugen stellte er sich als potentieller Freier vor - oder er ließ sich gar von ihnen selber ansprechen (was eigentlich nicht erlaubt war - womit er sich hätte weismachen können, seine Opfer hätten sich ihm selber angeboten).

Wenn er bei der Kontaktaufnahme irgendwie durch Zeugen gestört wurde oder etwas anderes ihm nicht passte, brach er den Kontakt ab und zog weiter (man erinnere sich an die Aussage von Polizist Cox, der Verdächtige habe mit einer Frau gesprochen, sie dann aber von sich gestoßen und sei weiter geeilt).

Ansonsten besiegelte er das Geschäft und ließ sich von der Prostituierten an einen ruhigen, dunklen Ort führen, womit diese ihm noch dabei half, einen geeigneten Tatort zu finden (vermutlich testeten beide auch, ob das eine oder andere Hinterhoftor vielleicht offen war).

Nachdem er sich umgesehen hatte, ob sie tatsächlich allein waren, überwältigte er das Opfer mit einem Blitzangriff. Je nachdem, wie die Situation sich ergab, würgte er sein Opfer erst oder schnitt ihr gleich mit einer schnellen Bewegung die Kehle durch, wobei er darauf achtete, den Schnitt durch die Halsschlagader von seinem Körper weg vorzunehmen, so dass er nicht vollgespritzt wurde.

Danach konnte sein Verstümmelungs-Ritual beginnen - also das, worauf es ihm eigentlich ankam.


Was denkt ihr dazu?

MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #16 am: 25.04.2016 23:21 Uhr »
Hi Arthur,

Ich fange mal anders an. Meiner Meinung nach waren Prostituierte für den Ripper Abfall. Abfall den es zu beseitigen galt. Prostitution setzte er gleich mit Alkoholismus. Vielleicht sah er sich noch eine Stufe höher als dieser "Abfall", der für ihn gleichzeitig die unterste Stufe des menschlichen Lebens darstellte. Sah er das so, muss er von einem bedeutsamen Selbsthass erfüllt gewesen sein. Ergo wollte er soviel wie möglich von diesen Prostituierten töten, was ihn etwas höher in seiner eigenen Position (weit unten auf der Skala) bingen konnte, zumindest in seiner Gefühlswelt. Seine Machtgefühl wuchs, da er Herr über Leben und Tod wurde. Mehr war er wahrscheinlich gar nicht in der Lage für sich zu tun. Diese Phantasien wuchsen immer weiter, nachdem sie einst begonnen hatten (lange vor der ersten Tat). Es wurde zu einem Zwang. Nach der ersten Tat, war die Hemmschwelle überwunden. Dieser Zwang wurde dann schnell stärker, was man anhand der kurzen Intervalle zwischen seinen Taten erkennen kann. Dieser enorme Hass auf Prostitierte, er muss unvorstellbar ausgeprägt gewesen sein. Woher das kam? Er muss in seinem Leben einer oder mehreren Frauen ausgesetzt gewesen sein, die tranken und wechselnde Männerbekanntschaften hatten. Diese Frauen können die Mutter, Schwestern oder andere Frauen gewesen sein, die für ihn Fürsorge hatten, also auch elternähnliche Personen. Da fand eindeutig eine Fehlentwicklung und Fehlprägung statt die auch eine abnorme, sexuelle Entwicklung mit sich brachte. Hass auf Prostituierte und Verstümmelungsfantasien als "Ersatz" für normale sexuelles Verhalten gingen Hand in Hand. Modus Operandi und Handschrift sagen viel darüber aus ob ein Täter organisiert oder desorganisiert vorgeht und im Falle des Rippers deutet dies auch auf jemanden hin, der einer sehr ernsthaften psychischen Erkrankung erlegen gewesen war und mehr zu der desorgansierten Variante gehört haben muss. Sicherlich war das alles auch Rache für das, was ihm zugestoßen war, zugestoßen von Frauen, die seinen Opfern in gewisser Weise nicht unähnlich waren. Aber ich bin überzeugt, dass die größte Motivation für ihn aus seinen sexuellen Phanatsien entstieg. Er war vorallem eines, ein Lustmörder. Diese Erfahrungen, dieser Hass, der eigene Selbsthass, die psychische Erkrankung, die Sehnsucht nach Rache fütterte seine (fehlgeprägte) Sexualität. Frauen vorallem im Unterleib und an den Brüsten zu verstümmeln war sein sexuelles Ziel. sein innerster Wunsch, der ihn auch körperliche Befriedigung verschaffte. Dort wo er lebte, in Bereich Whitechapel, war die Prostitution zu Hause. Er musste dies nicht suchen gehen. Für ihn gab es genug potentielle Opfer und es wird eine Menge Frauen gegeben haben, die ihm knapp entkamen ohne jemals zur Polizei deswegen gegangen zu sein. Wer nahm Prostituierte schon ernst... sie waren ja "Abfall"...

Ich persönlich denke, dass er irgendwann nur noch davon angetrieben wurde seine Phantasien zu verwirklichen, immer mehr und immer schneller. Er muss zu einem Nachtmenschen mutiert sein, der nur noch "auf der Jagd" war. Nacht für Nacht. Wir wissen ja, dass er seine Taten and Wochenenden oder Feiertagen ausführte. Für mich gibt es dafür vorallem eine Möglichkeit: An den anderen Tagen war er nie gänzlich alleine. Wenn er unter der Woche nicht morden konnte, da wird er diese Prostituierten zumindest auf irgendeine Art und Weise nachgestellt haben. Ich weiß nicht, von welchen Wochentag Cox sprach aber das Wegstoßen einer Prostituierten durch den Mann den er observierte, könnte einer dieser Ersatzhandlungen gewesen sein. Ich empfehle dazu die Aussagen der Frauen zu lesen, die von Leather Apron schikaniert wurden.

Prostitution, wie erwähnt, war dort allgegenwärtig, anzutreffen auf der Straße, in den Bordellen, in den Pubs, an diversen Treffpunkten usw. Der Kontakt kam sicherlich so zustande, wie von dir beschrieben. Er musste dann nur entscheiden, ob der jeweilige Moment nun passt oder nicht... meistens wird er wohl nicht gepasst haben... zum Glück für diese potentiellen Opfer...

Lestrade.
« Letzte Änderung: 25.04.2016 23:41 Uhr von Lestrade »
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #17 am: 27.04.2016 07:48 Uhr »
Hallo Lestrade,

deine Ausführungen zu seiner grundlegenden Motivation teile ich, wenn auch nicht ganz so detailliert, da es zwar plausibel ist, wir m.E. dazu aber zu wenig über die Person des Täters selbst wissen.

Allerdings insbesondere dieser Satz von dir lässt mich an die Krankenakte von Jacob Levy denken:

"Ich persönlich denke, dass er irgendwann nur noch davon angetrieben wurde seine Phantasien zu verwirklichen, immer mehr und immer schneller. Er muss zu einem Nachtmenschen mutiert sein, der nur noch "auf der Jagd" war. Nacht für Nacht."


Wie sagte seine Frau noch bei der Einlieferung in die Anstalt:
Er schlafe nachts nicht mehr, sondern streife scheinbar ziellos umher. Er höre Stimmen, die ihm Dinge befehlen, die er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne und er fürchte, anderen etwas anzutun...

Genau so stelle ich mir den psychischen Zustand von JTR vor, wenn man seine extrem kurze Abkühlphase von wenigen Tagen bedenkt.


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #18 am: 27.04.2016 10:41 Uhr »
Guten Morgen Arthur!

Ja, genau so ein Typ wie Jacob Levy oder ihm ähnlich. So ein Mann war der Mörder im Miller´s Court (und auch der Mörder in den anderen Fällen).

Hier und da schon im Forum erwähnt, halte ich es für sehr gut möglich, dass eben jener Jacob Levy auf der Liste von Verdächtigen bei der Polizei stand. Das gleiche wäre auch in den Fällen von Hyam Hyams und David Cohen möglich (mal abgesehen von allgegenwärtigen "Kosminski"). Man kann auch noch Männer wie Issenschmid oder Cutbush und andere in diesem Zusammenhang erwähnen. Aufgrund gewisser Umstände, und auch hier wieder mein Bauchgefühl, müsste Jacob Levy von der Polizei eigentlich in Betracht gezogen worden sein.

Gruß, Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #19 am: 27.04.2016 18:39 Uhr »
Hallo Lestrade!

Genauso ist es: Es dürfte in dem Armenhaus Eastend viele Gestalten gegeben haben, die aufgrund widriger Lebensumstände ähnliche schwere Störungen entwickelt haben, wenn man bedenkt, dass im ganzen Eastend über eine halbe Million Menschen lebten, und allein in Whitechapel rund 90.000.
Es ist wirklich bedauerlich, dass die Verdächtigenliste der Polizei nicht erhalten geblieben ist - es sollen während der Ermittlungen ja rund 200 Personen in den Fokus geraten sein.
Wer weiß, von wievielen plausiblen Verdächtigen wir heute noch nicht einmal Ahnung haben - während zugleich so abwegige Personen wie der arme Merrick oder der alte Gull als Kandidaten gehandelt werden.
Wenigstens haben wir als einen guten Hinweis die Anmerkungen über die Einweisung eines dringend Verdächtigen.


Übrigens ist mir zu Levy noch etwas interessantes aufgefallen, was ich zuerst übersehen hatte:

Bei Levys Einweisung soll seine Frau nicht gesagt haben, er habe "his business" oder "our business" fast ruiniert - sondern "her business"!
Was auch einer der Gründe sein könnte, warum sie ihn in der Anstalt offenbar nie besuchen kam.

Das klingt mir sehr danach, als wäre Jacob nicht wirklich der "Herr im Hause" gewesen. Wenn er unter der Knute seiner Frau stand und wegen seines wirtschaftlich ruinösen Verhaltens regelmäßig mit ihr Stress bekam, wäre das ein weiterer Grund für Frauenhass gewesen.


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #20 am: 27.04.2016 20:55 Uhr »
Würde ich so unterschreiben, Arthur!  :Laie_99:
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