Hallo Anirahtak!
Tatsächlich bin ich jetzt etwas konfus... Wenn sie sich schlafen legte und er trotzdem nicht einbrechen musste, meinst du, sie legte sich in seinem Beisein schlafen?
Ja, das halte ich zumindest für eine weitere Möglichkeit. Es gibt andere Mordfälle jenseits von JtR, die durchaus mit dem von Mary Jane Kelly vergleichbar sind, wo ähnliches scheinbar tatsächlich geschah: Beispiele:
Die Prostituierte
Dora Piernick zum Beispiel (1903), ich habe sie an anderer Stelle schon mal erwähnt (
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1250.msg19088.html#msg19088), hatte der Zeugin Annie Cohen, einer anderen Prostituierten, zufolge Angst, allein in ihrem Zimmer im Lodging House zu schlafen (Sie hatte angeblich kurzfristig Gold in Höhe von 8 Pfund bei sich und fragte in der Mordnacht auch öffentlich diverse Personen wie den Händler Abraham Cohen, die Restaurantbetreiberin Jane Barber und ihre Schwägerin Sarah vergeblich, ob sie es ihr wechseln könnten – vielleicht hatte sie deshalb Angst?) - Sie hat anderen Prostituierten, wie u.a. Annie Cohen, aber auch ihrer Schwägerin Sarah daher angeboten, bei ihr zu nächtigen, was Annie Cohen zwar einige Zeit tat, in Dora´s letzter Nacht aber trotz des gemütlichen Kamins, den Dora bewusst als Lockmittel einsetzte, ausschlug. Julian Bartelle, Dora Piernick´s ´Untermieter´ (der Mann im Raum unter ihrem) hörte, wie sich gegen 1h morgens die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und irgendjemand den Raum betrat. Er schlief dann ziemlich durch, hörte aber gegen 6h morgens einen entsetzlichen Schrei, mehrere Schmerzenslaute einen lauten, krachenden Ton und zersplitterndes Glas, begab sich rauf und lauschte an der Tür von Dora, vernahm aber ´nur´ Stöhnen, lief vor´s Haus, um zu sehen, ob jemand aus dem Fenster türmte, und nachdem das nicht der Fall war, begab er sich wieder zu Bett. Am nächsten Nachmittag erkundigte sich ein junger Mann nach Dora. Die Frau des Landlord´s, Rosa Pourvoyer, die am Morgen ebenfalls Geräusche vernahm, stellte fest, dass der Schlüssel zu Dora´s Raum nicht da war (wohl ein Hotelartiges Etablissement) und Dora dementsprechend ausgegangen sein müsse – einige Stunden später brach aber schließlich ein Constable die Tür auf: Dora lag mit durchschnittener Kehle auf dem Bett, ihre Klamotten waren säuberlich zusammengelegt – Schlüssel und Mordwaffe fehlten, dafür war ein Fenster offen...
Auch
Esther Praager (1908) hat ihren späteren Mörder – scheinbar ein Freier oder eine neue Bekanntschaft - vermutlich mit auf ihr Zimmer genommen und sogar Zeugen in der Unterkunft gegenüber angegeben, dass sie sich nun (also in Begleitung des fremden – und übrigens sehr schweigsamen – Mannes, den sie dabei hatte) schlafen legen werde... Wohl ein fataler Fehler, den Praager (wie Kelly nur mit Unterwäsche bekleidet, als man sie fand) nicht überlebte, aber so scheint es gewesen zu sein.
Ich denke eigentlich, dass es auch bei Mary Jane Kelly im Prinzip nicht viel anders gewesen sein könnte... Keine Beziehungstat, kein Einbrecher, kein Stalker oder Schlüsselfinder, sondern vielleicht nur ein auf der Straße aufgegabelter ´Freier´ oder ´neuer´ Bekannter, der ein bösartiges Ziel verfolgte, bereits mehrere Prostituierte auf dem Gewissen hatte, und letztendlich sogar kürzer blieb, als vom späteren Opfer ursprünglich gedacht...
Der Raum war sehr klein. Ich weiß nicht, ob man bis zu einem gewissen Maß zwangsläufig an Möbel stieß. Aber vielleicht hat er die Möbel auch extra verrückt, dass es so passieren musste. Nur, worin liegt da sein Vorteil?
Inwiefern das Türaufbrechen in sein Konzept passte, ist mir auch nicht so ganz klar. Er konnte nicht wissen, dass die Polizei die Axtmethode anwenden würde. Sollte er darauf spekuliert haben? Ich denke, das war ihm ziemlich egal.
Vorteil war´s nicht unbedingt, aber vielleicht kam es letztlich auch nicht gerade ´ungelegen´ – wir rätseln ja heute noch darüber. Ich denke jedenfalls, dass ein Einbrecher die Tür genauso gegen die Möbel hätte krachen lassen wie die Polizei - und jemand, dem Kelly die Tür öffnete, ihn aber nicht unbedingt hereinlassen wollte, hätte sie wohl an den Möbeln vorbei zum Bett ´manövrieren´ müssen...
Wie auch immer -
zum Thema Schlüssel und Miller´s Court generell: Ich habe vorhin ja im Faden über den Miller´s Court u.a. einen Link zum Prozess zum Mordfall
Kitty Ronan (1909) im Miller´s Court gepostet. Darin findet sich auch folgende Aussage von DI Wensley:
„
Diese Passage im ´Morning Advertiser´: ´Die Türen der Häuser im Hof sind des nächtens nie verschlossen, so, dass jeder eintreten könnte´ ist die einzige Referenz, die ich von der offenen Tür kenne.“
Original, unter falsch geschriebenem Opfernamen, nämlich ´Kitty Roran´ (sic):
http://www.oldbaileyonline.org/browse.jsp?id=t19090907-name-325&div=t19090907-77#highlightMan könnte daraus doch möglicherweise u.a. auch ableiten, dass es eventuell auch Sache des jeweiligen Mieters war, selbst für ein Schloss zu sorgen (dann hätte McCarthy (während aller Morde im Miller´s Court Landlord, wenn meine Recherchen stimmen) in der Tat keinen zweiten Schlüssel gehabt und an dem Aufbrechen der Tür war im Grunde gar nichts sonderlich außergewöhnliches),....
Tja, schwierig, das Ganze, und dann eben auch noch die Frage, ob da nun Blut an der Scheibe war, und wem das dann gehörte, das wurde aber auch schon mal in einem anderen Faden diskutiert. (
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1018.0.html)
Ach ja, die anderen Fälle habe ich natürlich nur zum Vergleich erwähnt, nicht weil ich sie mit JtR in Verbindung bringen wollte – das wäre doch recht absurd, obwohl es mancherorts vorkommt.
Beste Grüße,
panopticon