Hallo Superintendent!
Ich gebe Dir gleich den Staffelstab wieder zurück, hoffe aber, wie sicher auch Du, dass wir noch einige Mitläufer für unsere Stafette finden. Ich zitiere gleich etwas aus dem ziemlich unbekannten und, wegen seiner Mörderteam-Theorie (Stephens/Druitt) nicht zu unrecht kritisierten Buch von Jack Wilding „Jack The Ripper“ von 1994. Dennoch, ein fantasiereiches Buch, mit guten Schilderungen der Lebensumstände im East End zur Zeit der Morde.
Ich muss gestehen, mich jetzt noch unsicherer zu fühlen. Jack London lässt seinem belesenen Helden „Seewolf Wolf Larsen“ an einer Stelle sagen, „mein grösster Fehler war, dass ich je ein Buch aufgeschlagen habe“. Langsam schließe ich mich dieser Meinung an.....
Aber bis dem soweit ist, stopfe ich weiterhin das schöne Forum mit meinen Ideen zu.
Ganz kurz vorweg, unter Backstage „Graffito in Aachen entdeckt-des Rätsels Lösung“ findest Du eine Skizze des Fundortes aus dem Buch Wildings. Der wirkliche Text lautete natürlich etwas anders...
Aus John Wildings „Jack The Ripper“ . Ich lasse hier einiges von den dem weg, was der Autor schreibt( ich kennzeichne das durch eine Reihe von Punkten), dass nicht direkt das Graffito betrifft.
( Seite 263):
Als er (PC Long) dann kurz vor drei Uhr zurückkehrte, entdeckte der Beamte auf dem Boden nahe bei einer der Gemeinschaftstreppen, die zu den Wohnungen 108 bis 119 führten, einen Stofffetzen. Über dem Fetzen waren an der Wand die Worte geschrieben:
The Juwes are
The men That
Will not
be Blamed
for nothing
…..............................hier geht es vor allem um das Erscheinen Warrens usw................................
(Seite 265-268)
Warrens angebliche Absicht, das Wort „Juwes“ (1) zu löschen, scheiterte jämmerlich. Die Graffiti* wurde allgemein bekannt, obwohl es hinsichtlich des genauen Wortlauts weitverbreitete Verwirrung gab. Tatsächlich richtete Warrens Verhalten mehr Schaden an, als es nützte. Die Botschaft war gesehen worden und es verbreiteten sich schnell Gerüchte. Das Wort „Juwes“, das eigentlich keinen Sinn ergab, wurde allgemein in das viel schädlichere „Jews“ übersetzt.
*in diesem Buch wird immer von Graffiti gesprochen, es muss ein Übersetzungsfehler sein
….......................................................................
Bei der amtlichen Untersuchung von Catherine Eddowes Tod machte PC Long eine Zeugenaussage und schilderte seine dramatischen Entdeckungen. Einige Zeitungen berichteten, die Graffiti hätte gelautet: „The Jews are the men who will not be blamed for nothing“.
Long behauptete, dass die Schrift an der Wand gelautet habe, „The Jews are not the men that will be blamed for nothing“.
Der Rechtspfleger der City, Henry Crawford, wusste eindeutig, dass Longs Aussage nicht korrekt war. (2) Crawford nahm den Polizisten ins Kreuzverhör und achtete besonders auf die Schreibweise des Wortes „Juwes“. Crawford dachte, dieses Wort von zentraler Bedeutung sei „Juees“ geschrieben gewesen. Wie wir jetzt wissen, hatten alle unrecht. Warren hatte bereits Verwirrung erzeugt.
PC Long war aufgeregt und geriet bei seinem Kreuzverhör vor Gericht ins Stottern. Dann wurde festgestellt, dass er seine Aussage aus dem Gedächtnis gemacht hatte, was eigenartig ist, da Long alle wesentlichen Fakten in sein Notizbuch aufgeschrieben hatte; als man das feststellte, wurde Long angewiesen, das Notizbuch dem Gericht vorzulegen. Aber auch das führte nicht zu Resultaten. Die Notizen des Constable waren nicht zutreffend (3), was erstaunt, das er ja die Graffiti entdeckt und die Schrift ursprünglich bewacht hatte. Man würde erwartet haben, dass er sich so eine verblüffende Entdeckung wortwörtlich aufgeschrieben hätte. Aber das war anscheinend nicht der Fall: In seinem Notizbuch hatte der Constable „Juwes“ als Jewes“ festgehalten.
Wir wissen jetzt, dass all diese Verwirrung völlig unnötig war. Stephen Knight fand in den vertraulichen Briefen, die in den Archiven der Metropolitian Police abgelegt waren, einen Begleitbrief von Sir Warren, der einem Faksimile – einer exakten Kopie – der Goulston Street Graffiti beigefügt war. Warren selbst erwähnt diese Faksimile in seinem Bericht an das Home Office: „....ich hielt es für wünschenswert, die Schrift sofort auszulöschen, nachdem ich eine Kopie angefertigt hatte, von der ich ein Duplikat beifüge“. (4)
Warum wurde dieses entscheidende Dokument nicht bei der offiziellen Untersuchung vorgelegt? Das hätte die Widersprüche gelöst, die sich vor Gericht ergaben. Und außerdem hätte ein Beweismaterial von solcher Wichtigkeit vorgelegt werden müssen.
…...
Viele haben Warrens Behauptung zitiert, der Satz sei „auf dem Seitenpfosten des offenen Türbogens für jedermann sichtbar „ geschrieben gewesen. Diese Aussage stimmt einfach nicht.
PC Long erklärte bei der Untersuchung, der Stofffetzen habe in dem Gang gelegen, der zu der Treppe führte, und die Kreideschrift war „darüber an der Mauer mit Kreide geschrieben...“
Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass die Schrift, so wie sie geschrieben war, nicht leicht auf die schmale Kante einer Ziegelmauer passen konnte. Das Faksimile in den Polizeiarchiven ist nicht zusammengedrängt, sondern breit. Ich glaube, dass Warren gelogen hat und sich nicht etwa geirrt hat.
So weit aus Wildings Buch.
Zu (1) – es gab doch gar kein „Juwes“ zu löschen, oder? Es sollte „Jews“ an der Wand gestanden haben.
Zu (2) – wie bitte? War Crawford am Tatort gewesen oder Long? Woher will der „eindeutig“ gewusst haben, dass Longs Aussage nicht korrekt war? Und wie will er „gedacht haben“, dass Wort lautete eigentlich „Juees“?? Letzteres erscheint mir fast schwachsinnig....
Zu (3) – wie was??? Wie wurde man sich darüber klar, dass Longs Notizen unzutreffend waren? Stand er nun vor der Wand und schrieb das gesehene nieder oder die anderen? Hier scheint mir als einziges „Argument“ die höheren Dienstränge der anderen „einzuleuchten“. Der Chef hat eben recht gegenüber einem einfachen PC. Zumal dessen Aussage unerwünschte Fragen aufwarf.
Zu (4) – ja, warum nicht?
Wenn ich auf PC Longs Eintragung schaue, sehe ich zwar auf dem ersten Blick nicht unbedingt ein „w“ bei „jews“ (ich habe es an anderer Stelle, bei meiner Fantasy über eine mögliche Intrige der magischen Orden gegen die Freimaurer – höchste Polizeibeamte, incl. Warren waren Freimaurer – tatsächlich Longs „juwes“ als „juves“ gelesen. Siehe „Tatverdächtige-weitere Verdächtige-Golden Dawn“.
Mir schwirrt aber der Kopf, warum (also wie?) es zu Aussagen bezüglich „Juwes“, „Juees“ und noch anderen Versionen kommen konnte. Ein Blick ins Notizbuch des PC Long wäre genug gewesen. Laut Warren war es aber „Juwes“. Warum? Einer der beiden irrte sich oder log sogar. Aber wer der beiden? Ich frage jetzt einmal provozierend, war es jener, der das Graffito entdeckte, es von der Wand abschrieb und dessen Eintrag ins Notizbuch wir noch heute lesen können???