Hallo Cassie92!
Inwieweit die Opfer die Situation wahrnahmen, darüber muss man wohl auch etwas spekulieren. Ärger mit Freiern oder anderen Personen wie Gangs waren an der Tagesordnung. Auch war bekannt, dass “Lederschürze“ sein Unwesen trieb bzw. mehrere Personen, die man unter dieser Kategorie einordnen dürfte. Zuhälter taten ihr übriges. Das Leben für Prostituierte war mehr als hart und mit allerlei Gefahren verbunden. Das Ausrauben, Erpressen oder Betrügen von Prostituierten fand genauso statt wie Gewalt an ihnen. Viele “Bordelle“ gab es, wo sich Prostituierte sicherlich wohler fühlten als auf der Straße.
Die Opfer des Rippers sind wohl auch nicht alle als Vollzeitprostituierte zu betrachten. Wieso und warum diese Frauen in die Prostitution abrutschten, kann man sich fragen und nach Antworten suchen. Nichols hatte schon vor langer Zeit ihre Familie verlassen, man bekommt den Eindruck, dass Sie mit den Eheproblemen und den Kindern überfordert war. Um zu überleben, blieb ihr die Prostitution. Das und der Alkohol und ihr insgesamt schlechter Gesundheitszustand sind doch einfach zu viel um noch rational zu denken, meine ich. Wie Arthur schon bemerkte, erst ab ihren Tod begann man die Situation in Whitechapel ernster zu nehmen. Das Opfer zuvor, Tabram, hatte offenbar eine ähnliche Geschichte hinter sich.
Den Ernst der Lage begriff man wohl erst richtig mit dem Mord an Chapman. Auch hier wieder eine ähnliche Lebensgeschichte, der Alkohol in ihrer Partnerschaft übernahm die Kontrolle. Wieder eine Frau, die nicht in der Lage war für ihre Kinder zu sorgen und auch wieder lange vor ihrem Tod. Mit Unterstützung und noch gutem Willen, hier und da, konnte Sie das Abrutschen in die Prostitution noch etwas hinauszögern, falls ich mich richtig erinnere. Und auch hier, der allgemeine Gesundheitszustand schon sehr schlecht.
Für den Ripper waren das leichte Opfer, Frauen denen nichts mehr übrig blieb. Jetzt wusste man, dass dieser Täter nicht aufhören wird, bis man ihn fasst. Aber wie viele potentielle Opfer waren in der Lage sich zu schützen, waren überhaupt in der Lage zu begreifen?
Alles änderte sich noch einmal mit der Nacht des Double Events. Stride hatte wieder einmal Probleme mit ihrem Partner, alles was Sie erlebte war ein Auf und Ab. Stride und Alkohol war keine gute Kombination, Sie machte eine Menge Ärger. Genau wie Eddowes, verdingte Sie sich wohl hin- und wieder als Haushaltshilfe. Ich habe den Eindruck, dass Sie durchaus etwas temperamentvoller war als die Opfer zuvor. Vielleicht auch eine Person, die aggressiver die Freier ansprach und möglicherweise nicht jeden nahm. War den Opfern vorher mittlerweile fast alles egal, schien Sie mir noch etwas mehr an Selbstbewusstsein zu haben. Kurz vor ihrer Ermordung vernahm Sie noch einen “Lederschürzen“ Spruch, sicherlich nicht nur wegen dieser Figur oder Figuren die bereits länger aktiv waren, sondern wegen der, mittlerweile als Whitechapel Mörder bekannten Person, der ab jener Nacht mit der Bezeichnung Jack the Ripper in die Geschichte eingehen würde. Ihr traue ich zu, bereits etwas vorsichtiger gewesen zu sein aber genutzt hat es ihr auch nichts, vielleicht hatte Sie sich selbst überschätzt und ihren Standort als sicher eingeordnet, die Verbrechen vorher, fanden über der Hauptstraße statt.
Eddowes hatte bereits auch lange die Kinder bzw. Familie verlassen, mit ihrem aktuellen Partner kam Sie gerade von der Hopfenernte aus Kent zurück. Dennoch hatte Sie wohl vor, Geld von ihrer Tochter zu holen. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen. Alles Geld ging wohl für den Alkohol drauf, nebenher arbeitete auch Sie als Haushaltshilfe. Von den Morden hatte auch Sie gehört aber vielleicht fühlte Sie sich durch die kürzliche Rückkehr, noch gar nicht in die Geschehnisse involviert, fühlte noch eine gewisse Distanz und war vielleicht durch das vorher erlebte etwas “euphorisch“. Alle Opfer waren zur falschen Zeit am falschen Ort und Eddowes ganz besonders. Hätte Sie Stunden zuvor nicht auf der Aldgate High Street solche einen Terz gemacht, wäre Sie nicht in der Ausnüchterungszelle gelandet und nach dieser nicht direkt in die Hände des Rippers. Während dieser auf der Flucht aus der Berner Street war, versuchte Eddowes sich gerade wieder an die Luft draußen zu gewöhnen. Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob das Paar, welches Lawende sah, Eddowes und der Ripper war aber Sie ging mit ihren Mörder mit in die Ecke des Mitre Square. Mittlerweile war Sie nüchterner aber was hätte Sie auch tun können? Hatte sie den Schrecken der Morde an Tabram, Nichols und Chapman wirklich vor Augen gehabt? Ich denke nicht.
Nach diesem Double Event sah eben alles anders aus. Bürgerwehren waren im Einsatz, die Polizei noch präsenter, Männer boten für Frauen ihren Schutz an. Es gab offizielle Ratschläge an Prostituierte. Die Situation war auch für den Ripper schwieriger geworden, wenn auch nicht aussichtslos. War er während des Oktobers weiterhin auf den Straßen, spürte er eine eindeutige Veränderung. Die Polizei krempelte in dieser Zeit die Gegend um und ich denke, dass sie auch den wahren Ripper befragt haben, etwas, was ihn bewegt haben könnten, ein wenig, seinen Umständen entsprechend, Piano Forte zu spielen. Oder aber, er war außer Gefecht. Nun, es vergingen einige Wochen. Nach der schnellen Abfolge zuvor, wird das wieder einige unvorsichtiger gemacht haben.
Kelly hatte, den Angaben zufolge, Angst vor dem Ripper und interessierte sich dafür. Hier aber auch wieder Trennung vom Partner, Rückfall in die Prostitution, gelegentliche Alkohol Eskapaden. Wie viel Vorsicht ließ Sie aber tatsächlich walten? Wie sicher konnte sie sich fühlen? Nahm sie ihren Mörder mit in ihren Raum? Oder drang er ein? Ich bevorzuge letzteres, weil für mich einiges dafür spricht, dass sie liegend überrascht wurde, da offenbar ein Teil des Lakens während der ersten Attacke über ihr Gesicht gezogen wurde. Der Täter griff eher von hinten an, bedeutete wohl mehr Kontrolle über das Opfer für ihn. Diese Chance hätte er auch bei Kelly bekommen können.
Der Opfer- Täter Zusammenhang ist natürlich auch ein dynamischer Prozess gewesen und ehe ausreichend potentielle Opfer begriffen, was wirklich vor sich ging, hat es eben einige Zeit gebraucht, konnte aber letztendlich nicht alle mit einbeziehen, dafür waren Umstände und Bedingungen nicht förderlich. Und wer weiß, wie viele Prostituierte, durch bestimmte Maßnahmen, dem Ripper entkommen konnten. Tabram, Nichols, Chapman hatten sicherlich keine Chance, Stride könnte ihren Standort falsch eingeschätzt haben, Eddowes war sehr tragisch und bei Kelly wissen wir nicht, ob sie jenen Mann tatsächlich mit aufs Zimmer genommen hat.
Gruß, Lestrade.