Autor Thema: Buck`s Row - nicht der Tatort?  (Gelesen 9777 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Stordfield

  • Gast
Buck`s Row - nicht der Tatort?
« am: 06.06.2010 11:44 Uhr »
Hallo !

Ich habe mich ja schon mehrmals dazu geäußert, dass mich an der Buck`s Row als Tatort irgendetwas "stört", das ich aber nicht näher beschreiben kann. Sei es der völlige Mangel an Schlupfwinkeln, oder dass sich auf der einen Seite Wohnungen befanden, aus dessen Fenstern jederzeit jemand herausschauen konnte. Es schien mir einfach ein "unpassender" Ort für einen solchen Mord zu sein. Als ich jetzt den Anhang von Alan Moores From Hell las, erfuhr ich, dass ich nicht allein mit diesem Gedanke bin. Der Autor bringt darin seine feste Überzeugung zum Ausduck, dass Polly nicht in dieser Straße getötet, sonder hier erst verstümmelt wurde. Laut Moore hat der Täter ihr woanders die Halsschlagader abgedückt und sie dann an den späteren Fundort getragen. "...bevor die Verstümmelungen begannen, denn es führt keine Blutspur in die Straße,und ich gehe davon aus, dass das Zusammentreffen mit dem Mörder und das Erwürgen nicht in der Buck`s Row stattgefunden haben können, ohne Lärm zu verursachen."
Ist das nun eine fixe Idee Moore`s, oder könnte man darüber tatsächlich diskutieren?

Gruß Stordfield

Sir Boss

  • Gast
Re: Buck`s Row - nicht der Tatort?
« Antwort #1 am: 06.06.2010 12:40 Uhr »
Hi Stordfield,

interessanter Gedanke. Wenn ich mir das Ganze auf Google Earth anschaue, fällt mir die Eisenbahnlinie dahinter auf. Gabs die damals auch schon und wie fuhren die Züge? (auch nachts?)
Ansonsten hat mich immer gestört, dass es eine lange Straße ohne Fluchtmöglichkeiten ist.

Sollte man wirklich mal drüber reden.

Gruß

SB

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Buck`s Row - nicht der Tatort?
« Antwort #2 am: 06.06.2010 14:03 Uhr »
Schauen wir mal auf die Todeszeitpunkte der einzelnen Opfer:

Nichols: 03.25- 03.40 Uhr
Chapman: 05.35- 05.45 Uhr

Stride: 00.40- 00.45 Uhr
Eddowes: 01.35- 01.45 Uhr

Kelly: 03.00- 04.00 Uhr (vermutlich um 04.00 Uhr, durch die "Mordschreie", von zwei Zeuginnen gehört)

In der Nacht des DoubleEvents, hatte der Täter es eiliger. Bei Nichols, Chapman und Kelly waren es sicherlich späte und vielleicht auch letzte Möglichkeiten, in jenen Nächten zuzuschlagen. Vor diesen 3 Opfern, dürfte er einige Prostituierte, in den jeweiligen Nächten angesprochen haben, bevor Nichols, Chapman und Kelly zu seinen Opfer wurden. Er war bei allen immer auf der Suche nach geeigneten Tatorten, fand sie meiner Meinung nach aber nie wirklich. Die Zeit drängte und irgendwann mußte er sich entscheiden. Ging dann ein Risiko ein, das er ursprünglich garnicht beabsichtigte. Wirklich abgelegene Orte waren schwer zu finden, denke ich. Das war ein großes Problem für ihn. Das es in späten Stunden gut ging (Nichols, Chapman), bedeutete nicht, das es auch zu früher Stunde (Stride) gut ging. Diese Erfahrung hatte er gemacht. Eddowes ist eigentlich "nur" die Fortsetzung der begonnenen Tat bei Stride. Er war nicht zu stoppen, wenn er einmal Blut leckte, sein Ziel, Verstümmeln, musste erreicht werden. Ich denke, das er mit seinen Tatorten höchst unzufrieden war. Nichols war die letzte Möglichkeit für ihn, meiner Meinung nach, in jener Nacht. Bevor die Straßen begannen sich zu füllen, musste er zuschlagen, sich entscheiden. Nichols lag als einzige auf dem Geweg. Alle anderen Opfern, lagen wenigsten etwas "abgelegen". Vielleicht wollte er sie noch irgendwo hineinziehen, fand aber nichts offenes. Ich denke, er hat sie dort an dieser Stelle getötet. Möglicherweise wieder ein Angriff von hinten. In dem Moment sollte alles ruhig gewesen sein. Und blieb es vielleicht auch für 5min. Er kannte alle Straßen gut, auch die Buck´s Row, da bin ich mir sicher.

Viele Grüße, Lestrade.     
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Buck`s Row - nicht der Tatort?
« Antwort #3 am: 06.06.2010 15:04 Uhr »
Ansonsten hat mich immer gestört, dass es eine lange Straße ohne Fluchtmöglichkeiten ist.

Hallo Sir Boss!

Ich finde, er hätte recht gut aus der Buck´s Row fliehen können. Er hätte nur um die Ecke biegen müssen, sofort wieder rechts in die Winthrope Street oder auf die Whitechapel Road. Nahm er die Winthorpe Street, gelangte er schnell auf die Old Montague Street. Einer sehr interessanten Straße übrigens, wie ich feststelle, für einige andere Tatorte. Diese Straße, endete auf einer Seite in die Hanbury Street, auf der anderen Seite kreuzte sie die Osborn Street und die führte dann schnurstracks wieder in die Hanbury Street, direkt an den Tatort von Chapman. Von der Mitte dieser Straße, hätte er auch, nachdem die Whitechapel Road und Commercial Road überquert wäre, direkt in die Berner Street marschieren können, den Tatort von Stride. Von Kelly´s Tatort wäre er sofort wieder auf der Commercial Street gelangt, dann links in die Wentworth Street, die dann wieder in die Old Montague Street überging. Nachdem er das Schürzenteil von Eddowes in der Goulston Street entsorgt hatte, hätte er nun umgekehrt rechts in die Wentworth Street einmarschieren können, mit der bekannten Endung in die Old Montague Street.Diese Straße ist ziemlich genau der Mittelpunkt aller Tatorte, die im Osten, Norden, Süden und Westen herum verteilt lagen. Ich zitiere Anderson "that he was living in the immediate vicinity of the scenes of the murders" und Macnaughton "who lived in the very heart of the district where the murders were committed".
Ich vertrete die Meinung, das der Täter, wie die meisten von uns, einen Wohnort, einen Ort der Arbeit und einen Ort der "Freizeit" hatte. Die Old Montague Street+ deren Seitenstraßen, könnte so etwas wie sein Wohnort gewesen sein. Straßen wie die Aldgate High Street, Middlesex Street, sein Arbeitsort (City Police Men, Sagar und Cox). Die Thrawl Street, Flower and Dean Street, Dorset Street die Orte wo er sich häufig, wenn auch nicht ständig aufhielt. Diese Straßen dort, sind fest verbunden mit allen Opfern des Rippers. Hier "lebten" sie überwiegend. Fliehen in die Old Montague Street, hätte er von jeden Tatort aus, nahezu jedesmal mit gleichem Zeitaufwand. Auch von der Buck´s Row aus. Die Wege oder besser gesagt, wie weit jede der Prostituierten "hinausging", das hätte er wissen können. Natürlich auch im Falle von Nichols.

Grüße.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline panopticon

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 415
  • Karma: +2/-0
Re: Buck`s Row - nicht der Tatort?
« Antwort #4 am: 06.06.2010 15:23 Uhr »
Hallo!

Soweit ich mittlerweile informiert bin, gab es durchaus noch eine eventuelle Flucht- bzw Versteckmöglichkeit in der Buck´s Row: Schräg gegenüber der Stallungen (also an der Nordseite der Buck´s Row) befand sich Essex Wharf, wo im zweiten Stock Mr. Purkiss, der Nachtwächter der hohen Lager von Brown and Eagle (Nordosten der Straße), mit seiner Frau nächtigte. Rechts daneben war ein Gebäude, das in den 1930ern dem ´Brady Boy´s Club´ weichen musste, und rechts davon wiederum war eine schmale Gasse, die entweder hinter oder in die Anlage von Brown & Eagle führte – wohin nun genau konnte ich bisher leider noch nicht ganz eruieren, und dadurch leider ebenso wenig, ob man von dort auch an einer anderen Straße wieder raus kam, oder ob es da Tore, Zäune oder Mauern gab...

Die Bahn unterhalb gab es übrigens angeblich in etwa seit 1875, die ist aber aufgrund der Tiefe als Fluchtmöglichkeit nicht sonderlich denkbar...

Ich persönlich glaube schon, dass Polly hier getötet wurde (halte es aber für unwahrscheinlich, dass sie ihren Mörder hier traf), obwohl dieser Ort tatsächlich um einiges anders ist, als die anderen Tatorte – und was mich am meisten verwundert ist, dass die Tore der Stallungen wohl verschlossen waren, was mich aber in der Annahme bestärkt, dass die Prostituierten den Täter zum späteren Tatort führten und nicht andersrum...

Ich lese übrigens, allerdings aus beruflichen Gründen, gerade ´Maps of Meaning´ von Peter Jackson (ein Buch über ´menschliche und kulturelle´ Geografie, wenn man so will) und war überrascht, darin auch einiges über das Verhalten von Prostituierten im Victorianischen London zu finden...


Grüße,
panopticon