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Die Opfer => Die Opfer => Allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: panopticon am 21.09.2010 16:24 Uhr

Titel: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: panopticon am 21.09.2010 16:24 Uhr
Hi.

Generell beziehe ich mich in Folge u.a. auch auf einiges, was im Thread über den Miller´s Court (ab etwa hier: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1134.msg20278.html#msg20278) aktuell diskutiert wurde und wird, will dort aber nicht komplett vom Thema abschweifen. Zudem habe ich bewusst das Opfer-Board gewählt, da sich einige Diskussionen über die einzelnen Tatorte auch bei den jeweiligen Opfern finden lassen.

Ich schreibe gerade an einer sozialwissenschaftlichen Arbeit über Stadtsoziologie und Wahrnehmung, und da ich momentan (ursprünglich nicht) auch beabsichtige, das viktorianische London (vor allem das East End) miteinzubeziehen, habe ich mich nun u.a. auch eingehend  mit Studien über Prostitution (vor allem über ihre ´Mikrogeografie´ und psychologische Aspekte) beschäftigt. (Bei Interesse (?) poste ich gerne mal einige Literaturhinweise zu diesem Thema, einige Texte beziehen sich auch konkret auf Prostitution im viktorianischen London.) Unseren Fall hier selbst werde ich in meine Arbeit zwar nicht miteinbringen, zumal sich darüber zu wenig Konkretes sagen oder verifizieren lässt, kann aber als Diskussionsgrundlage hier mal kurz beschreiben, wie sich die Sache bezüglich der Tatorte aktuell für mich darstellt:


Prinzipiell darf man nicht den Fehler machen, zu glauben, dass arme Frauen und Prostituierte mögliche Geldquellen an Orten wie der Buck´s Row, der Hanbury Street oder dem Mitre Square suchten, schon gar nicht nach der Sperrstunde. Es ist prinzipiell auch falsch, dass sie irgendwo völlig planlos größere Straßen auf- und abliefen (das tut im Grunde niemand, schon gar nicht, wenn sein Einkommen davon abhängt) – natürlich nahmen sie jede Gelegenheit wahr, prinzipiell suchten sie allerdings (und das hat sich ja bis heute kaum verändert) ganz bestimmte Orte auf, die sich aufgrund bestimmter Eigenschaften (Anbindung, Überschaubarkeit, Landmarke, Rückzugsmöglichkeiten in unmittelbarer Umgebung, Pubs) besonders gut für Bettelei oder Prostitution eigneten. Im Falle einer Polizistensichtung (zumeist kannten sie zumindest die etwaige Länge der Polizeibeats aufgrund von Beobachtung und hatten an solchen Plätzen sogar eine Uhr zur Verfügung) liefen sie schon mal um den Block, suchten eine Rückzugsmöglichkeit auf oder wechselten einfach zum nächsten, günstigen Ort. Wenn sie mit einem Freier ins Geschäft kamen, zogen sie sich (bestenfalls durch eine Art Passage – siehe später) mit diesem an einen stillen Ort in unmittelbarer Umgebung zurück.

Der am besten geeignete Ort im Zentrum von Whitechapel, der diese Voraussetzungen erfüllte, war die Kirche St. Mary Matfelon (wo Emma Smith auf ihre Mörder stieß, in deren Umgebung Martha Tabram und Mary Ann Connelly mit ihren Soldaten durch die Pubs zogen, und wo Mary Ann Nichols und Alice McKenzie das letzte Mal lebend gesehen wurden.) Der ´nächstbeste´, größere Ort dieser Art in nordöstliche Richtung war Whitechapel Station / London Hospital (wo man in den nördlich direkt dahinter liegenden Blocks Nichols´ Leiche fand), und Richtung Nordwesten entlang der Commercial Street Christ Church, Spitalfields (wo in den angrenzenden Blocks Annie Chapman und Mary Jane Kelly ihr Ende fanden, und auch das Ten Bells neben der Kirche frequentierten). Zwischen St. Mary und der Christ Church lag als etwas ´kleinerer´ Ort mit eventuell ebenfalls ganz guten Voraussetzungen St. Jude´s (in einem der angrenzenden Blocks fand man die tote Alice McKenzie). Ein besonders gut geeigneter Ort für Bettelei und Prostitution war (nach dem ebenfalls günstigen Kreuzungspunkt der beiden Hauptverkehrsstraßen - auch mit Nähe zum Auffindungsort McKenzies) von St. Mary entlang der Whitechapel High Street in Richtung Südwesten zu finden, der dafür sogar berüchtigt war: St. Botolphs (´the Church of Prostitutes´) mit der Aldgate Station gleich nebenan (Aldgate, City). (Connelly bewegte sich dahin, nachdem sie in der Angel Alley in der Nähe von St. Mary mit dem Soldaten zum Geschäft gekommen war, Eddowes wurde am Nachmittag vor ihrer Ermordung dort betrunken aufgegriffen und letztlich tot in einem umliegenden Block in etwa gleicher Distanz zur Kirche aufgefunden.) Von St. Mary aus nach Südosten findet sich kein so eindeutiger Ort, es ist jedoch zu bemerken, dass Elisabeth Stride das letzte Mal nachweislich lebend vor dem Pub (´Bricklayer´s Arms´) direkt nördlich von St. Augustine´s gesehen, und letzten Endes zwei Blocks südwestlich davon (Berner Street) tot aufgefunden wurde. (Um diesen Fall näher zu beurteilen, benötigte man aber zumindest auch noch ein Foto von St. Augustine´s – und ich habe leider bisher keines gefunden. Mag sein, dass sich Stride von Clubmitgliedern mögliche Einnahmen erhoffte, und deshalb dort längere Zeit stehen blieb.)   

Explizit hinzufügen möchte ich noch, dass nächtliche Polizeistreifen aus Sicherheitsgründen nachweislich so gut wie nie direkt durch Passagen (also durch ´überdachte´ Straßenzugänge) führten, was von Kriminellen und Prostituierten definitiv empirisch feststellbar war. Als Beispiele für derartige Passagen seien  George Yard / Gunthorpe Street, Wood´s Buildings (von neben der Whitechapel Station Richtung Buck´s Row) und Mitre Passage angeführt.


Damit sei in etwa kurz skizziert, wo Prostitution (aber auch Bettelei) primär stattfand, wie sie ausgeübt wurde, und welche Umgebungen in und um Whitechapel dafür generell besonders geeignet waren. Die toten ´Unfortunates´ von Whitechapel und Umgebung wurden alle an strukturell relativ ähnlichen Orten von St. Mary aus in verschiedene Richtungen aufgefunden. Ob der Mörder seine Opfer an diesen Orten bewusst suchte, oder letztlich ´nur´ fand, ist unklar – Ebenso,  ob er in der Gegend einen Ankerpunkt hatte, oder oben genannte Orte und ihre Umgebung vor jeder Tatbegehung näher ausforschte. Generell ist aber festzuhalten, dass er sich, im Gegensatz zu seinen Opfern, an den konkreten (!) Tatorten prinzipiell eigentlich nicht unbedingt ausgekannt haben musste, ihm die Stadtmorpholgie an diesen Orten generell entgegenkam, und er sich folglich höchstwahrscheinlich eher von den Prostituierten dort hinbringen ließ. (Dass er die Himmelsrichtungen genauso wie die jeweiligen Zeiten zwischen Sperrstunde und Sonnenaufgang von Tat zu Tat wechselte, mag auch dafür vielleicht nicht uninteressant sein - ebenso wie die Tatsache, dass er gerade in jenem Bereich umging, der die höchste Dichte an jüdischer Bevölkerung in London hatte und er vielleicht (!) auch ein  judenfeindliches Graffiti anbrachte und mit Hilfe eines Beweisstückes ´autorisierte´, obwohl er ähnliche Orte der Prostitution auch außerhalb seines ´Territoriums´ gefunden hätte – das ist aber eben ein etwas anderer, diskussionswürdiger Aspekt, zu dem ich aber auch einige Daten beisteuern könnte.) 

Bei Interesse am Thema (?) bringe ich auch gerne einige Karten und Links zu Bildern mit ein!


Beste Grüße,
panopticon
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Isdrasil am 21.09.2010 20:02 Uhr
Hi Panopticon

Generell ist aber festzuhalten, dass er sich, im Gegensatz zu seinen Opfern, an den konkreten (!) Tatorten prinzipiell eigentlich nicht unbedingt ausgekannt haben musste, ihm die Stadtmorpholgie an diesen Orten generell entgegenkam, und er sich folglich höchstwahrscheinlich eher von den Prostituierten dort hinbringen ließ.
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Bei Interesse am Thema (?) bringe ich auch gerne einige Karten und Links zu Bildern mit ein!

Vielen Dank für dieses wie immer tolle Statement. Ich habe es lange nicht so professionell ausgedrückt wie Du, aber die zitierte Passage spiegelt genau meine Gedanken wieder...und ja, zumindest ich wäre an Karten und Bildern interessiert. Lass dich aber nur nicht allzu sehr stressen.  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 22.09.2010 05:10 Uhr
Hallo panopticon!

Meine ausgewachsene Bronchitis läßt mich kaum schlafen, da bietet dein Posting die Gelegenheit, mich sinnvoll um die Uhrzeit zu betätigen.

Prinzipiell darf man nicht den Fehler machen, zu glauben, dass arme Frauen und Prostituierte mögliche Geldquellen an Orten wie der Buck´s Row, der Hanbury Street oder dem Mitre Square suchten, schon gar nicht nach der Sperrstunde

und er sich folglich höchstwahrscheinlich eher von den Prostituierten dort hinbringen ließ.

im Gegensatz zu seinen Opfern, an den konkreten (!) Tatorten prinzipiell eigentlich nicht unbedingt ausgekannt haben musste,

Mmh, komisch. Verstehe ich nicht. Mal abgesehen davon, gibt es Beweise, das z.B. Chapman und Eddowes ihre Sterbeorte jemals vorher betreten haben? Sie mussten da nicht hin, führten den Täter aber dorthin und dann müssen sie sich ausgekannt haben aber der Täter nicht? Klingt Gegensätzlich. Was willst du sagen? Und welche Führung durch die Opfer? Nichols führte ihren Mörder auf den Gehweg? Stride ging freiwillig in den Yard? Es gibt Anzeichen dafür, das die Opfer durchaus etwas Zeit mit ihrem Mörder verbracht haben oder er zumindest in ihrer Nähe war. Muss ich nicht anführen, kann man zu jedem Fall einzeln nachlesen. Er hätte sich dann sicherlich, in dieser Zeit, schon mal umschauen können.

Ob der Mörder seine Opfer an diesen Orten bewusst suchte, oder letztlich ´nur´ fand, ist unklar

Naja, ein Prostituiertenschlächter wird wohl wissen, wo er seine Opfer finden kann... Außerdem ist sein Tatbereich ja nun nicht gerade groß gewesen. Alles bequem per Fuss zu erreichen. Von einem Punkt zum anderen. Wenn der Täter aus diesem Bereich kam, ist es das letzte was man ausschließen kann, seine Ortskenntnisse. Opfer wie Täter können sich zusammen gut ausgekannt haben. Es gab sicherlich unzählige Freier die das ebenfalls taten sich also auskannten und natürlich alle anderen Prostituierten auch.

Mit der Mikrogeografie wird es auch nicht romantischer, wenn man weiß, wo ein Feuerhydrant war oder ein Lämpchen brannte. Ist ja auch garnicht möglich, bei diesen grauenvollen Taten. Das sich vieles bei dieser kleinen Fläche um Kirchen drehte ist bei dem Namen WhiteCHAPEL nicht wirklich verwunderlich.

obwohl er ähnliche Orte der Prostitution auch außerhalb seines ´Territoriums´ gefunden hätte

Hat er wohl aber nicht!

ebenso wie die Tatsache, dass er gerade in jenem Bereich umging, der die höchste Dichte an jüdischer Bevölkerung in London hatte und er vielleicht (!) auch ein  judenfeindliches Graffiti anbrachte und mit Hilfe eines Beweisstückes ´autorisierte´

Oder das Beweisstück auf dem Weg dahin verlor... oder entsorgte... Wo war denn die höchste Dichte? Wie lange braucht man damals und heute von der ehemaligen Berner Street bis zur Hanbury Street? Von der Hanbury Street zum ehemaligen Miller´s Court oder zur Ex- Buck´s Row? Ein Mikrokosmos mit einer logischen Mikrogeografie, denke ich. Ich bin gespannt auf deine Karte, die den Bereich der Tatorte, wahrscheinlich noch kleiner erscheinen lassen wird, als auf jeder anderen Karte. Was tatsächlich der Realität entspricht.

Das soweit zu meiner Wahrnehmung.

Liebe Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Anirahtak am 23.09.2010 01:29 Uhr
Guten Morgen.

Ich meine ja, dass er sich ausgekannt hat (in meiner Vorstellung war es sogar ein Ortsansässiger), aber aus einem anderen Grund: Er hat es immer geschafft, sich schnell und unauffällig vom Acker zu machen. Das trifft -meiner Vorstellung nach- auf jemanden zu, der sich gut auskennt. Es schließt für mich aber keineswegs aus, dass er es den Prostituierten überlassen hat, eine konkrete Stelle auszusuchen, wo das "Geschäft" ungestört vollzogen werden sollte. In dieser Hinsicht könnte sich auch ein Ortskundiger auf das Wissen der Prostituierten verlassen, die selbst nicht erwischt werden will. So werden es auch andere Freier gehalten haben, die aus der Gegend stammten.

Schöne Grüße.
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: panopticon am 23.09.2010 16:16 Uhr
Hi!

Baldige Besserung, Lestrade!

Bezüglich ´Welche Führung?´ etc. will ich Dir hier jetzt eigentlich nicht nochmals explizit lang erklären, wie ´Street-Walkers´ generell (!) vorgehen und vorgingen, habe aber einen sehr exzellenten Buchtipp für Dich, wo das prinzipielle Vorgehen dieser Prostituierten sehr gut am Beispiel der Christ Church demonstriert wird – was sich auch mit allen Studien, die ich kenne, deckt - und ich denke, Du hast das Buch daheim ;) : Kapitel ´London, 1888´ in ´Jack the Ripper: Anatomie einer Legende´.

In Whitechapel gab es übrigens nicht überproportional viele Kirchen. Der Name rührt von der ´White Chapel´ her, die sich einst an der Stelle im Herzen des Destricts befand, an der zum Zeitpunkt der Morde St. Mary Matfelon stand, oder besser gesagt, die sich zu dieser Kirche ´entwickelte´. (Die Kirche seht auch nicht mehr – Sie wurde während des 2. Weltkrieges stark beschädigt und später abgerissen.)

Zu allem anderen, Lestrade: Ich habe ja eigentlich überhaupt nichts ausgeschlossen oder behauptet, und Formulierungen mit Worten wie ´unklar´, ´hätte´ und ´vielleicht (!)´ sind an sich ziemlich objektiv gewählt, deuten aber auch natürlich darauf hin, dass man darüber streiten kann! Und wenn ich mal theoretisiere, halte ich es prinzipiell zumeist ohnedies mit James Monro:´When I do theorise it is from a practical standpoint and not upon any visionary foundation.´ ;)



Hier nun mal vorläufig ein Gesamtplan (mal ohne nähere Details) zu allem, was ich oben bereits geschrieben habe:

Vorweg: Ich habe die 8 Unfortunates nicht erwähnt/eingezeichnet, weil ich behaupten will, dass sie von ein und derselben Person oder Personengruppe umgebracht wurden (was bekanntlich äußerst unwahrscheinlich ist), sondern um zu demonstrieren, wie ihre letzten Bewegungen prinzipiell aussahen und in welchen Gebieten das war, um es mit dem generellen Vorgehen von ´Street-Walkers´ zu vergleichen, und daraus auch besser abschätzen zu können, wie der Täter wohl am ehesten (!) vorging.


Bereiche:
A: St. Mary Matfelon, Whitechapel
B: Whitechapel Station / London Hospital, Whitechapel
C: Christ Church, Spitalfields
D: St. Augustine´s, St-George´s-in-the-East
E: St. Botolphs & Aldgate Station, Aldgate (City)


Kreuze:
konkrete Tatorte, Zahlen in chronologischer Reihenfolge:
(1) Emma Smith; (2) Martha Tabram; (3) Mary Ann Nichols; (4) Annie Chapman; (5) Elisabeth Stride; (6) Catherine Eddowes; (7) Mary Jane Kelly; (8 ) Alice MacKenzie (kann sein, das dieser nicht ganz exakt stimmt)


Pfeile:
Direkte Verbindungen von der letzten nachweislichen (d.h. von Personen, die das Opfer kannten) Sichtung oder der vom sterbenden Opfer überlieferten Bewegung (Smith) in Richtung des jeweils konkreten Tatorts. Ausnahmen!Eddowes - da habe ich den unfreiwilligen Arrest ausgeklammert, und einen Pfeil von da, wo sie am Abend aufgegriffen wurde, zum konkreten Tatort gezogen. Konkretes hat Isdrasil ja schon hier http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1071.msg15570.html#msg15570 angebracht – (wobei vielleicht anzumerken ist, dass nicht wirklich erwiesen ist, wen Lawende, Levy und Harris da an der Duke Street gesehen haben.); Kelly – das hängt davon ab, ob man Hutchinson glaubt, deshalb habe ich es mal dabei belassen, dass sie zuletzt in der Dorset Street gesehen wurde, es ist aber zu bemerken, dass gerade bei ihr das ´Street-Walking´ im Bereich der Christ Church einigen Quellen zufolge anzunehmen ist.
 
Etwaige nötige Korrekturen (wie immer) willkommen!


Beste Grüße,
panopticon
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 23.09.2010 18:19 Uhr
Danke panopticon!

Ich studiere es später. Leider bin ich gezwungen, trotz meines Zustandes, auf "Tour" zu gehen. Bin jetzt gleich in Krefeld und von hier aus geht es bis Sonntag nach Hamburg. Dieses Hammer Med macht mich echt Meschugge... Vielleicht gut so...

Liebe Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: panopticon am 23.09.2010 21:55 Uhr
Ich wünsche Dir trotzdem viel Spaß, Lestrade (was auch immer das für eine "Tour" sein mag...)!

In der Beschriftung ist mir übrigens leider schon mal ein Fehler unterlaufen (Sorry!):

Korrektur:

D: St. Augustine´s, Mile End Old Town (= grüner Bereich, St-George´s-in-the-East ist der gelbe Bereich darunter mit der Berner Street!)


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Stordfield am 27.09.2010 11:29 Uhr
Hallo!

Auffallend ist ja, dass sich die meisten Bewegungen um die Whitechapel Road abspielen. Scheinbar war diese Straße nicht nur die Hauptverkehrsader dieses Areals, sondern auch die Flaniermeile der Prostituierten. Eventuell hat der Ripper hier seine späteren Opfer angesprochen und ist dann mit ihnen zu ihren bevorzugten Plätzen gegangen. Jedenfalls war dies mein erster Gedanke nach dem Betrachten von panopticons (wieder einmal) hervorragender Darstellung.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 27.09.2010 16:55 Uhr
Mmh! Wenn man sich so die Karte anschaut, kommt man wieder auf ganz andere Überlegungen. Nimmt man Kelly als Opfer heraus, verändert sich die Geografie überhaupt nicht. Kelly wird ja oft angezweifelt, ähnlich Stride. Ich hänge ja an meinen K5, wenn, dann würde ich aber eher Kelly herausnehmen als Stride. Jünger, Indoor, Herz anstatt Uterus weg (was sonst der Täter vorher eigentlich eher mitnahm) und diese massiven Gesichtsverletzungen, als wenn der Täter Kelly gekannt hätte. Das sie wahrscheinlich auch die Tür um diese Zeit im Schlafgewand geöffnet haben könnte. Hat soetwas von einer Beziehungstat. Als wenn ein anderer Täter die Ripperhysterie ausgenutzt haben könnte. Waren die Gesichtsverletzungen bei Eddowes überhaupt Absicht oder im Gefecht enstanden? Dann nahe der Buck´s Row, das London Hospital. In der Berner Street, der jüdische Sozialistenclub, am Mitre Square die Synagogue. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich denke dann immer an Männer wie Jacob Levy. Syphilis- London Hospital, Juden- und Soziallistenclub Diskussionen die jemanden aufbringen können, mit Stride als Opfer vor der Tür, dann die Great Synagogue, durch dessen Seitengässchen der Täter mit seinem Opfer schritt und dann geht es weiter zur Goulston Street, wo mit einem Mal das Graffiti wieder Sinn macht. So nach dem Motto "im Judenclub werde ich gedisst, keiner versteht mich", "Ich bin an garnichts schuld sondern die anderen". Dann lebte er auch noch in der Fieldgate Street und in der Middlesex Street. Gehirn von der Syphilis immer weicher werdend... Butcher, mit einem Bruder der Suizid begann, Frau und Kinder im Stich lassend, dazu Verwandschaft eines Hyam Hyams. Der im gleichen Monat in die Anstalt kam wie ein gewisser David Cohen. Cox Observation, Sagar´s Observation, Seaside- Home- Kosminski wo wir nicht wissen, wann diese stattfand. Gab es tatsächlich zwei Täter für die K5 und wenn ja, welcher wurde identifiziert und vor allem für was und von wem? Oder machte man gar beide fest, wenn es sie denn so gab? Warum werde ich nie das Gefühl der Zahl 2 in diesem Fall los?
Entschuldigt mich wenn ich abschweife. Aber bei panopticon´s Karte  fiel mir auf, das es aus meiner Sicht der Geografie, überhaupt nichts ändert, ob Kelly bei den K5 mit dabei wäre oder nicht. Und das ganz alleine diese Tatsache, meine eigene Theorie derart in Frage stellt. Nimmt man Stride heraus, geht das Spiel von vorne los. Ohne gesicherte Erkenntnisse ist man echt angeschmiert. Man kann echt die unterschiedlichen Theorien aller irgendwie nachvollziehen. Die Karte ist auf jedenfall eine gute Inspiration.

Danke dafür und liebe Grüße,

Lestrade.

P.S. panopticon, du wirst sicherlich wissen wollen wie es mir geht. Ich denke, ich habe mich nun entgültig für die Bettruhe entschieden. Da ich mich schnell langweile, schreib irgendetwas. Oder auch die anderen...
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Shadow Ghost am 27.09.2010 20:58 Uhr
Hallo Lestrade,

ganz so einfach können wir Kelly aufgrund von panopticons Karte (übrigens Vielen Dank dafür) nicht ausschließen, weil uns bei ihr ja die Richtungsinformation (letzte Sichtung - Tatort) fehlt. Gehen wir von Hutchinsons Mann aus, so war Kelly gerade in Richtung Whitechapel High Street unterwegs, als ihr Hutchinsons Mann entgegen kam. Vielleicht kam dieser gerade aus der Whitechapel High Street. War es nicht Hutchinsons Mann, so können wir wenig sagen.

Nimmt man Kelly als Opfer heraus, verändert sich die Geografie überhaupt nicht.

Ich verstehe nicht so ganz genau, was Du damit meinst. Für mich heißt diese Aussage, dass Kelly absolut ins Muster passt, will sagen, fügt man Kelly zu den anderen hinzu, ändert sich die Geografie auch nicht, was doch eigentlich für einen Täter sprechen würde. Aber vielleicht habe ich Dich missverstanden.

Man könnte also diese Karte so deuten, als wäre die Straße Whitechapel Road/Whitechapel High Street/Aldgate das eigentliche Jagdrevier des Rippers. Fand er dort ein mögliches Opfer ging er mit diesem in eine der Seitenstraßen. Fand er dort kein mögliches Opfer wich er auf der Suche selbst auf eine der Seitenstraßen aus, wahrscheinlich auf eine der größeren, denn wie schon panopticon sagte, werden wohl nur wenige Prostituierte ihr Glück an abgelegenen Orten wie Buck´s Row, der Hanbury Street oder dem Mitre Square gesucht haben.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 27.09.2010 21:36 Uhr
Hallo Shadow!

Ich schließe Kelly ja garnicht aus. Es war nur so ein Gedanke, weil ich selbst über meine eigenen Füsse gestolpert bin. Ich betone ja immer, wie klein doch der Bereich war. Die Tatorte Miller´s Court und Hanbury Street liegen recht dicht beieinander und nun, beim Betrachten von pano´s Karte dachte ich, wie sehr sie das eigentlich tun. Hätte der Ripper so schnell, wieder so dicht an einen früheren Tatort gemordet? Das verunsicherte mich kurzzeitig. Das hatte ich mir nun wieder, größer im Abstand zueinander, in meinem Kopf ausgemalt. So schlau ist man eben manchmal. Dann erinnerte ich mich an die Zweifler, die Kelly als Ripper Opfer ausschließen. Dann fallen mir, neben der Prostitution, ihre Liebschaften ein. Barnett war noch kurz vorher bei ihr. Sein Bruder auch, noch dieser und jener der in Frage kommt, kann man ja nachlesen... Und Barnett selber, wäre es durchaus zuzutrauen... Aber dies ist ein anderes Thema... Nach wie vor denke ich aber, alle K5 waren Ripper-Opfer. Ich möchte aber schließlich auch mal abschweifen dürfen :icon_lol:... Genauso wie ihr ja meine Vorstellung vom Ripper kennt, untersetzt, etwas über die mittlere Höhe, Stiernacken, Übergewicht, ein Klopper eben, so wie Jacob Levy... so spinnt man einen Faden nach den anderen... Sagar und Cox könnten durchaus diesen Mann gemeint haben, vielleicht gar auch Anderson und bei Macnaughten wissen wir ja auch nicht genau, was der sich zusammengesucht hatte. Aaron Kosminski kam ja auch in´s Workhouse und dann nach Colney Hatch. Die eigene Familie verleugnete ja erfahrungsgemäß seinen Zunamen. Vielleicht kam so das "Kosminski" zustande. Vielleicht hatte Swanson genau diese Dinge fälschlicherweise von Macnaughten übernommen, obwohl alles andere stimmte. Nach wie vor und das habe ich schon öfters gesagt, denke ich, das Macnaughten der große Unruhestifter bei der Polizei für uns darstellen könnte. Ach was weiß ich, hab eh einen schwachen Tag... Ich liebe ja meine Cohen- Theorie, danach kommt eben Jacob Levy, der Butcher... Muss ich ja auch mal in´s "Rampenlicht" stellen... :icon_razz:
So, was fangen wir jetzt weiter mit der Karte an?

Viele Grüße zurück,

Lestrade.
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: KvN am 27.09.2010 21:44 Uhr
Hey Kölner Kumpel, vor allem mal gute Besserung!

Panopticons Karte ist sehr interessant, wenngleich mir nicht klar ist welche Schlüsse sich für mich daraus ergeben...Ich denke wir kauen in vielen Threads am selben Problem herum, nämlich dass wir nicht den leisesten Schimmer bezüglich des MO im engeren Sinn haben. Das Tatbegehungsmuster ist halbwegs nachvollziehbar - zumindest in den relevanten Details - aber was passierte, bevor der Täter mit den Opfern am Tatort eintraf? Sprach er sie an, ließ er sich ansprechen? War er mit ihnen verabredet, stalkte er sie? War das Zusammentreffen purer Zufall? Bei Eddowes deutet manches auf eine Verabredung hin, bei Nichols keinesfalls...Nix wiss ma...Das ist für mich die härteste Nuß bei dem Fall...

Grüße, und wie gesagt, bessere dich!
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 27.09.2010 21:58 Uhr
Ich gebe mir Mühe lieber Kurt! Hab aber mittlerweile Gesellschaft. Meine Freundin liegt am anderen Ende der Couch... auch krank... Naja, man kann es auch ganz doof denken... der Ripper kommt aus dem London Hospital, frustriert und Nichols muss dran glauben...Chapman, keine Ahnung. Bei Stride machen sie ihm die Hölle im jüdischen Men´s Club heiß und Liz muss diesmal daran glauben... Eddowes steht zu falschen Zeit an der Synagogue (Levy vs. Levy :icon_verwirrt:), wo der Täter vielleicht auch hin will und unzufrieden vom Dutfield´s Yard, schlägt er erneut zu... Vielleicht gab es ja ähnliche Einrichtungen Nähe Dorset Street oder Hanbury Street... Öde manchmal...

Grüße zurück.
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: KvN am 27.09.2010 22:34 Uhr
Öde, ja...Aber sehn wir´s mal als Herausforderung...
Nochmal Grüße und besserts euch halt beide!
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Anirahtak am 27.09.2010 23:30 Uhr
Guten Abend.

Hey Kölner Kumpel, vor allem mal gute Besserung!

Panopticons Karte ist sehr interessant, wenngleich mir nicht klar ist welche Schlüsse sich für mich daraus ergeben...Ich denke wir kauen in vielen Threads am selben Problem herum, nämlich dass wir nicht den leisesten Schimmer bezüglich des MO im engeren Sinn haben. Das Tatbegehungsmuster ist halbwegs nachvollziehbar - zumindest in den relevanten Details - aber was passierte, bevor der Täter mit den Opfern am Tatort eintraf? Sprach er sie an, ließ er sich ansprechen? ...
So stelle ich es mir vor. Also dass er Orte aufsuchte, wo bekanntlicherweise Prostituierte standen/herumliefen/wasauchimmer und dann jemanden ansprach oder sich ansprechen ließ. Weiß jetzt nicht, ob eine der beiden Varianten die Norm oder zumindest üblicher war.

Jedenfalls denke ich nicht, dass er jemanden gezielt über längere Zeit verfolgt oder Verabredungen hatte. Eher ist er als Freier herumgestrichen, bis sich halt jemand fand, die "ready & willing" war. Eddowes ist er -meiner Vorstellung nach- zufällig begegnet. Bei Stride ist es merkwürdig. Vielleicht ist er bei dieser Gelegenheit mal übermütig von seiner sonstigen Vorgehensweise abgewichen und hat kurz darauf gemerkt, dass er doch nicht vor jeder Gefahr gefeit ist und etwas besser aufpassen muss.


@ Lestrade

Erstmal gute Besserung allerseits. Ich habe auch gerade sowas hinter mir.

Will nicht vom Thema abweichen, aber: Levy vs Levy = Jacob und Hyam? Das habe ich neulich erst zufällig entdeckt. Man lernt ja nie aus, besonder bei dieser Sache.

Schöne Grüße.

Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 28.09.2010 06:54 Uhr
Danke Anirahtak! Der Husten hat mich früh geweckt, jetzt habe ich mir Codein geschmissen. Meine Nerven liegen blank.

Ja, Zeuge Joseph Hyam Levy und unser Verdächtiger waren Cousins. Joseph Hyam Levy´s "Aussage" ist ja bekannt. Er beschrieb allerdings, durch den Größenvergleich mit Eddowes, die genaue Höhe des Mannes mit dem er sie sah. Genau so groß war Jacob Joseph Levy. Jacob Levy´s Vorstrafe kennt auch jeder, er soll aber im Alter von 16 Jahren auch bereits schon einmal wegen sexuellen Angriffs auffällig geworden sein. Ob alle Kinder von ihm mit seiner Frau Sarah stammen, sei dahingestellt. Er litt ja an Syphilis.

Seine Mutter Caroline muss auch so ab der zweiten Hälfte in 1888 gestorben sein. Ich muss noch mal nachschauen. Vielleicht finde ich auch noch etwas über seinen Vater, der auch Joseph hieß.

Diese Levys (und auch die Hyams) unterhielten Kontakte zu George Bolam, einem Milchhändler und dementsprechend Kühehalter. Und zwar gegenüber des Abschnitts der Butcher´s Row, in der Aldgate High Street Nummer 21. Vor der Nummer 29 machte ja in ihrer Todesnacht Catherine Eddowes betrunken Krawall. Bolam hatte ja auch noch eine Metzgerei in der Middlesex Street 27, nebenan in der Hutchinson Street 1, lebte eben Zeuge Joseph Hyam Levy.

In der Middlesex Street 36, führte Joseph Hyam Levy´s Vater Hyam einst ein Butcher- Geschäft, Joseph Hyam Levy selbst, führte es nach dessen Tod, wohl auch kurzerhand weiter. Und in jener Nummer 36 dort, soll auch Jacob Levy sein Geschäft gehabt haben. Vorher wohl in der Fieldgate Street 11. Jacob Levy´s Eltern lebten einst in der Middlesex Street 111.

Jacob´s Adresse war bei seiner Einlieferung, die von Isaac Barnett (heiratete Jacob Levy´s Schwester Rebecca), 87 Middlesex Street, die Adresse von Freunden. Isaac Barnett war allerdings sein Schwager. Joseph Hyam Levy hatte sein Geschäft, wie bereits erwähnt, in der Hutchinson Street 1, 60 Yards von Nummer 36 Middlesex Street entfernt. 1891 lebte und arbeitete Jacob Levy´s Frau Sarah dann aber in der Nummer 69 der Middlesex Street.

Also nicht nur das sie Cousins waren, beide, Jacob und Joseph belegten wohlmöglich mal die Nummer 36 der Middlesex Street. Lebten nur 60 Yards weit auseinander, als Joseph seine Adresse dann in der 1 Hutchinson Street hatte. Sollte Jacob dann in Bolan´s Metzgerei in der Nummer 27 beschäftigt gewesen sein, blieb das ja quasi dabei, auch wenn er schon abgerutscht war. Und da ja Joseph eh Handel mit Bolan betrieb, hätte er regelmäßig Jacob sehen können. Und zwar in der Aldgate High Street, gegenüber der Butcher´s Row. Und da Joseph Hyam Levy dick mit Martin Kosminski war... fällt hier eine ganze Menge zusammen...

Das unter solchen Umständen jemand bis Sommer 1890 gedeckt werden kann, ist durchaus vorstellbar. Und da wir nicht wissen, wer tatsächlich hinter "Kosminski" verborgen liegt, kann man sich nicht nur eine Menge zu Cohen spinnen, sondern auch zu Jacob Levy. Verwirrend alles...

Bevor große Beschwerden kommen, bezüglich der Themenabweichung, Jacob Levy´s Bruder Isaac Levy lebte bis zu seinem Tod 1891 im Wentworth Building. Was dort an die Wand geschmiert wurde, weiß ja jeder. Und in dieser Goulston Street, Nummer 58 allerdings, beklaute 1886 auf seinem Weg nach unten, Jacob Levy auch seinen Master Sampson.

Die Bewegungen dieses Mannes, passen gut in pano´s Kärtchen.
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Anirahtak am 29.09.2010 09:05 Uhr
Sehr interessant. Danke, Lestrade! :icon_smile:
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 29.09.2010 11:44 Uhr
Gerne! Sampson war aber nicht sein Master, sondern der Master von einem Phillips und einem Woolf. Sampson war sein Nachbar in der Middlesex Street, quasi Butcherkollegen. Levy Nummer 36, Sampson 35. Der Phillips wurde auch mitverurteilt. (Sampson soll aber wie erwähnt in der Goulston Street gewohnt haben, wurde Privat und Geschäft getrennt gehalten?)

Levy ist schon sehr interessant. Ein immer assozialwerdenderer Mann, Syphilis, "stout and short", sexuelle Angriff, Diebstahl, Gefängnisstrafe, ein Teil der Beschreibungen passen auch zu Leather Apron, das Alter für den Ripper durch die Zeugenaussagen, nahezu der Mittelwert mit 32/33 Jahren also Levy´s Alter, sein Verhalten dürfte auch seine jüdische Gemeinde gegen ihn hat werden lassen, ob er jemals nach seiner Entlassung (war ja mehr oder weniger eine Einrichtung für mentale Probleme) vollständig zu Frau und Kinder zurückkehrte oder nur zeitweise, bleibt spekulativ, genauso ob alle Kinder von ihm waren oder ob die Kinder gesund waren. Er hätte bei Brüdern oder Schwestern leben können, er war dennoch mitten in Whitechapel beheimatet aber sicherlich oft alleine. Er war Butcher, ein Beruf, den wir mit Jack the Ripper in Verbindung bringen müssen. Wenn Jacob Levy Jack the Ripper war, wurde er von seinem Cousin Joseph Hyam Levy an einem Tatort gesehen und hätte vor dem Haus seines Bruders Isaac Levy, zumindest das Schürzenteil von Eddowes liegengelassen. Mich stört halt nur das er erst im August 1890 nach Stone in Kent kam. Ich würde das eher für November 1888 erwarten. Ansonsten wäre er der Mann, den ich suchen würde. Zumindestens diesen sehr ähnlich. Das Alter wäre höher aber immer noch sicher im Rahmen aller Erfahrungen. Jacob Levy hatte kein geordnetes Leben mehr und seine Psyche brach zusammen, so sahen ja auch die Tatorte aus. Kann man alles bei mir nachlesen. Und ja, er könnte der Mann gewesen sein, der in der Butcher´s Row "angestellt" war...

Die Karte hier hat mir echt geholfen, wie es auch immer kam, Levy etwas komplexer zu sehen. Fieldgate Street direkt zum London Hospital führend, dort in der Nähe die Buck´s Row. Die Berner Street lag auch nicht weiter als 400m weg von jener Fieldgate Street. Der Eddowes Tatort lag in der Nähe seines Wirkungsbereiches um 1888. Sein Bruder lebte dort wo das Graffiti angebracht wurde und man das Schürzenteil fand.

Naja, mal wieder am Thema vorbei...
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: panopticon am 30.09.2010 00:18 Uhr
Wenn ich schon dabei bin: Hier noch mal zwei Tatortumgebungen detaillierter -  mit Links zu Bildern und einigen weiteren Anmerkungen:


(A) UMGEBUNG ST. MARY MATFELON, WHITECHAPEL:


Schwarze Gebäude: Einige der Bausubstanzen, in denen sich bei Nacht vermutlich maximal nur Nachtwächter befanden (Lagerhäuser, Schulen, Post Offices, Bäder,...)
Orangefarbene Gebäude: Pubs

Kreuze:

(1) Tatort Emma Smith
(2) Tatort Martha Tabram
(3) Tatort Alice MacKenzie (nicht exakt, sondern eher mittig der Castle Alley)


Buchstaben:

(a) St. Mary Matfelon (Links zu Bildern siehe unter (c) und (d)). Von hier aus wurde Emma Smith ihren Angaben zu folge von ihren späteren Mördern verfolgt.

(b) Kreuzungspunkt der Hauptverkehrsstraßen: Martha Tabram und Mary Ann Connelly zogen mit ihren Soldaten durch Pubs aus östlicher Richtung bis in etwa maximal an diesen Punkt (Bis ins White Swan, 20 Whitechapel High Street) – danach machten sie wohl kehrt und suchten die Passage Gunthorpe Street / George Yard (d) auf.

(c) Ecke Whitechapel Road / Osborne Street, also der Punkt, den Emma Smith passierte, als sie bereits von St. Mary (a) aus verfolgt wurde, den auch Tabram und Connelly auf ihrer Tour mit den Soldaten passiert haben mussten, jener an dem Emily Holland Polly Nichols traf bzw dadurch auch der Ort von Polly Nichols´ letzter Sichtung lebend und jener, auf den Alice MacKenzie im Grunde hastig zugesteuert sein soll. Hier ein Blick von in etwa der Ecke auf St. Mary Matfelon (a) - also ungefähr das, was Polly Nichols gesehen haben muss, als sie auf Emily Holland traf: http://photos.casebook.org/displayimage.php?album=22&pos=14


(d) Passage Gunthorpe Street / George Yard, auf folgendem Bild von der Whitechapel High Street aus gesehen, die Martha Tabram mit ´ihrem´ Soldaten wohl genommen zu haben scheint (Zweites (!) Bild von oben): http://www.casebook.org/victorian_london/sitepics.w-george.html. Der Blick in etwa (!) von hier zurück auf St. Mary Matfelon - Er macht klar, was für eine auffällige Landmarke die Kirche war: http://photos.casebook.org/displayimage.php?album=22&pos=17


(e) Angel Alley nebenan, wohin sich Mary Ann Connelly mit ´ihrem´ Soldaten zurückzog: http://wiki.casebook.org/index.php/Image:AngelAlley.jpg


(f) St. Judes


Pfeil:
Whitechapel Road Richtung (B) London Hospital / Whitechapel Station – Die Richtung, die Polly Nichols von der Ecke Whitechapel Road / Osborne Street (c) wählte, und wo man sie schließlich tot auffand. Siehe nächstes Post.


Eine Frage, die sich mir bezüglich dieses Planes stellt ist folgende: Wenn Smith und/oder Tabram nicht auf das Konto ´Jack the Rippers´ gehen - und davon gehen die meisten aus - warum hat er in Folge scheinbar genau um dieses Epizentrum ´herumgearbeitet´? Eine Antwort wäre, dass es wohl generell ziemlich riskant gewesen wäre, in einer Umgebung zu morden, in der bereits 2 Morde innerhalb des letzten halben Jahres erfolgt sind, auch wenn sie nicht auf sein Konto gingen. Woher aber wußte er, wo genau die beiden Morde stattfanden? Die logischsten Erklärungen dafür wären, (1) dass er Einheimischer war und am Trubel mitbekommen hat, wo genau die beiden Morde stattfanden, oder (2) dass er sich zumindest im ´Milieu´ auskannte, (3) dass er sich darüber irgendwie mündlich erkundigte, und (4) dass er Zeitungen las.... Dass er es unbewusst machte (5) ist doch irgendwie extrem unwahrscheinlich, würde ich sagen.... Habe ich noch was vergessen? Ach ja (6), dass er zumindest einen davon beging....Kommt das alles nur mir zumindest bemerkenswert vor?

Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: panopticon am 30.09.2010 00:38 Uhr

(B) UMGEBUNG WHITECHAPEL STATION / LONDON HOSPITAL, WHITECHAPEL


Kreuz:
Tatort Mary Ann Nichols, Buck´s Row

Pfeil:
Richtung von Mary Ann Nichols entlang der Whitechapel Road. Im Grunde war Catherine Eddowes nicht die einzige, die bereits am ´Abend´ vor ihrer Ermordung in genau der jeweiligen Nachbarschaft angetroffen wurde, wo man sie später tot auffand: Polly Nichols wurde bereits gegen 23.30h an der Whitechapel Road gesehen, womit eben im Grunde genau der Abschnitt zwischen St. Mary Matfelon und  Whitechapel Station / London Hospital gemeint ist. Und sie dürfte davor – wie Eddowes – nicht gerade ´unerfolgreich´ gewesen sein, zumal auch sie genug Geld hatte, das sie aber in Anschluss in einiges an Alkohol investierte, wie sie Emily Holland explizit erzählte, was eigentlich darauf schließen lässt, dass sie sich an (wohl auch bestimmten) ´stilleren´ Orten im Hinterland der Straße auskannte. Holland traf Polly ja an der Ecke Osborne Street und Whitechapel Road –  also direkt bei St. Mary (siehe Grafik in letztem Post). Eine Frage, die sich stellt, ist, ob Polly ursprünglich an dieser Ecke bei St. Mary auf erneute Kundschaft hoffte, ehe sie, eventuell von Hollands Erzählung über das Feuer in den Docks erneut die Whitechapel Road entlang lief, weil sie sich durch das Feuer vielleicht bei der Whitechapel Station, womöglich vor Sperrstunde ohnedies ihrem ´Standplatz´, der von einigen Pubs umgeben war, mehr potentielle Kundschaft erhoffte... Generell ist aber natürlich anzunehmen, dass sie ohnedies in dieses Gebiet wollte.

Graue Bereiche: offene U-Bahn-Schächte


Buchstaben:

(a) Whitechapel Station. Info: http://en.wikipedia.org/wiki/Whitechapel_station

(b) London Hospital. Info: http://en.wikipedia.org/wiki/London_Hospital

(c) Die Wood´s Buildings unmittelbar westlich der Whitechapel Station mit ihrer Passage direkt durch die Bausubstanz an der Whitechapel Road in die Winthrop Street (das Bild in folgendem Link ist aber in Gegenrichtung), jener Gasse in der  allerdings in den Schlachthäusern (d) bekanntlich noch Betrieb herrschte. Vergleichbar ist die Passage auch mit Gunthorpe Street- / George Yard Passage nahe St. Mary (siehe (d) im letzten Post): http://wiki.casebook.org/index.php/Wood%27s_Buildings

(d) Die Schlachthäuser von Harrison Barber & Co, wo bekanntlich ja während der Tat gearbeitet wurde, was der Grund dafür gewesen sein könnte, warum Polly (wahrscheinlich in Begleitung ihres späteren Mörders) erst die nächste Parallelgasse, die Buck´s Row aufsuchte, die ja in erster Linie von der Board School und den Lagerhäusern (schwarze Gebäude) dominiert wurde, in denen außer einem Nachtwächter des Nächtens niemand mehr anzutreffen war – dafür gab es jedoch die Stallungen, vor deren Tor man Polly tot auffand, und die in dieser Nacht wohl scheinbar verschlossen waren.

Bei der gerichtlichen Anhörung zum Mord an Mary Ann ´Polly´ Nichols befragte der Coroner bekanntlich auch Henry Tomkins, einen der Schlachter bei Harrison, Barber und Co in der Winthrop-Street nicht nur über Prostituierte in eben jener Parallelgasse zur Whitechapel Road, sondern auch über den Ort, an dem man Prostituierte üblicherweise auch tatsächlich merklich (!) antraf: (Quelle: The Daily Telegraph, Tuesday, September 4, 1888): 

Coroner: ´Sind dort (in der Winthrop-Street, Anm.) irgendwelche Frauen zugegen?´
Zeuge: ´Oh! Ich weiß nichts über sie. Ich mag die nicht.´
Coroner: ´Ich habe Sie nicht gefragt, ob Sie sie mögen, ich habe Sie gefragt, ob dort in dieser Nacht welche zugegen waren.´
Zeuge: ´Ich habe keine gesehen.´
Coroner: ´Nicht einmal auf der Whitechapel-Road?´
Zeuge: ´Oh ja, dort, in allen Arten und Größen - Es ist eine raue Nachbarschaft, kann ich Ihnen sagen.´


> Ich denke durch diese Aussage findet das, was Stordfield und Shadow Ghost über die Whitechapel Road anmerkten, definitiv Bestätigung.
Und ich denke auch, dass der Täter tatsächlich auch genau so vorging, wie Anirahtak es beschrieb, wenngleich sich Details nicht genau sagen lassen, aber höchst interessant wären...

Wenn Interesse besteht (?), poste ich vollständigkeitshalber gerne auch noch die anderen Tatortumgebungen detaillierter.


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 30.09.2010 10:46 Uhr
Wenn Interesse besteht (?), poste ich vollständigkeitshalber gerne auch noch die anderen Tatortumgebungen detaillierter.

Hallo panopticon!

Na wenn du schon mal bei bist, dann hätten wir hier alles schön kompakt ;-)

Am interessantesten fand ich deine Feststellung, wenn Smith und Tabram keine Opfer waren, das der Ripper genau diesen Bereich meidete. Die Gründe hast du vielfältig erklärt. Stichwort Comfort Zone.

Liebe Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: panopticon am 01.10.2010 16:49 Uhr
Hallo Lestrade!

An eine ´Comfort Zone´ habe ich zwar auch gedacht – aber nicht primär, zumal es ja nicht klar ist, ob es in diesem Fall überhaupt eine solche gibt. Karten können recht unterschiedliche Bedeutung haben, und dementsprechend gibt es u.a. auch Fälle, bei denen das geographische Profiling letztlich nicht auf den Wohnort eines Serientäters hingedeutet hat – sondern stattdessen auf sein Motiv. Auf das, was ich bezüglich unseres Falles hier konkret meine, gehe ich aber besser ein anderes Mal näher ein. (Ich möchte aber schon mal explizit darauf hinweisen, dass ich damit jetzt nicht diesen ganzen Pentagramm-, Kreuz-, Dolch-, Spiralen- oder Gebärmuttermumpitz meine, der leider viel zu oft – ich denke auch in diesem merkwürdigen, aktuellen ´Die Tatorts: Pre-selected oder nicht´-Faden (?) - behandelt wird. Warum der Mensch generell dazu neigt, bestimmte Figuren in Karten zu ´sehen´, hat einfach nur Gestaltpsychologische Hintergründe und ist in erster Linie Stoff, aus dem nur ´Krimis´ sind.) Die anderen Tatorte ergänze ich, wenn ich demnächst mal Zeit dazu habe - im Moment fehlt mir die leider...


Beste Grüße - Hoffe, Dir geht´s wieder gut!?
panopticon
Titel: Re: Die ´Mikrogeografie´ der Tatorte und des Gewerbes der Opfer
Beitrag von: Lestrade am 01.10.2010 17:42 Uhr
Hallo panopticon!

Beschissen wäre geprahlt... Komme gerade wieder vom Doc... Ich kann es nicht abhaben, so meiner Energien beraubt zu werden...

Ja, mach das mal wenn du wirklich Zeit hast. Langsam schwindet bei mir das JtR Interesse. Und noch schneller. wenn geheimnisvolle Botschaften in diesem Falle gefunden werden wollen...

Ich habe neulich einen Yeti getroffen, er sagte zu mir: Reinhold Messner, es gibt ihn wirklich!

Die Meds, you know...

Liebe Grüße,

Lestrade.